Titel:
Erfolglose Asylklage wegen Schutzgewährung in Rümänien
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35
EMRK Art. 3
GFK Art. 33
AufenthG § 11
Leitsätze:
1. Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfsorganisationen) jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Sekundärmigration aus Rumänien in Fällen nicht bestehender Vulnerabilität ist grundsätzlich davon auszugehen, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte dort menschenrechtskonform behandelt werden und in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse im Wesentlichen zu decken und damit grundsätzlich in der Lage sind, sich den schwierigen Bedingungen in Rumänien zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt zu sorgen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herkunftsland Afghanistan, Sekundärmigration Rumänien, Alleinstehender Mann, Asylklage, unzulässiger Asylantrag, Anfechtungsklage, Afghanistan, Sekundärmigration, Rumänien, Durchentscheiden, vulnerable Person, Existenzminimum, Refoulement-Verbot
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.04.2023 – 24 ZB 23.30078
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47266
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 19... geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Tadschiken und islamisch-sunnitischen Glaubens. Er verließ Afghanistan im Jahr 2014, und gelangte über die Türkei nach Rumänien, wo er sich fünf Jahre aufhielt und wo ihm internationaler Schutz gewährt worden ist. Am 1. August 2019 reiste er auf dem Luftweg in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 27. August 2019 einen Asylantrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
2
Am 28. Januar 2015 hatte der Kläger bereits einmal versucht, auf dem Luftweg in das Bundesgebiet einzureisen. Die Bundespolizeidirektion am Flughafen Frankfurt/Main hat ihm die Einreise verweigert und er wurde zurückgewiesen.
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Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 27. August 2019 gab er an, während seiner Zeit in Rumänien teilweise in Bukarest im Haus seines Arbeitgebers gewohnt zu haben. Er habe in Rumänien internationalen Schutz beantragt.
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Es liegt eine handschriftliche Einlassung des Klägers in englischer Sprache – wohl übergeben am selben Tag – vor, wonach er in Rumänien keinen Asylantrag habe stellen wollen. Da ihm gesagt worden sei, er habe die Wahl, entweder in Rumänien zu bleiben oder nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden, sei er geblieben. Nachdem er aus dem Camp geworfen worden war, habe er beschlossen, nach Deutschland weiterzureisen, da er nicht im Stande gewesen sei, die Miete zu bezahlen. Er habe auf der Straße und in Parks gelebt und kaum überleben können. Bei einem Überfall sei sein linkes Auge verletzt worden und sein Sehvermögen geschwächt worden. Man habe ihm Geld und seine Habseligkeiten gestohlen. Er leide an Depressionen und Stress. Er wolle in Deutschland leben, da er hier Verwandte habe, und nicht allein auf der Straße und in Parks in Rumänien. Müsste er nach Rumänien zurückkehren, würde er entweder geistig krank werden oder sich selbst verletzen. In Rumänien habe er wie ein Sklave gelebt. Die rumänische Geheimpolizei habe ihn gebeten, für sie zu spionieren. Das habe er verweigert. Er habe das Gefühl, dass deswegen sein Antrag auf Niederlassungserlaubnis abgelehnt wurde.
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Bei der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 13. September 2019 konkretisierte der Kläger die schriftlichen Angaben. Er sei angehalten gewesen, für den Aufenthalt im Camp Miete zu bezahlen. Das habe er nicht gekonnt. Der Geheimdienst habe gewollt, dass er in den Moscheen Informationen für sie sammle. Im Gegenzug habe man ihm angeboten, ihm beim Erwerb einer Niederlassungserlaubnis zu unterstützen. Er habe in Rumänien 700 Lei verdient, in Afghanistan 33.000 Afghani, was doppelt so viel sei. Nachdem er aus dem Camp geworfen worden sei, habe er vier oder fünf Tage auf der Straße geschlafen und dann seinen Vater angebettelt, dass er ihm Geld schickt. Bevor er dann nach Deutschland ging, habe er seit 2018 in einer Metzgerei gearbeitet. Der Arbeitgeber habe ihn in seiner Wohnung wohnen lassen und ihm 900 Lei bezahlt. Davor habe er alle möglichen, näher beschriebenen (auf die Anhörungsniederschrift wird verwiesen) Tätigkeiten verrichtet. Seine ganze Zeit in Rumänien habe er als Sklaverei empfunden. Vom rumänischen Staat habe er keine Unterstützung erhalten. Eine Hilfsorganisation namens JRS habe ihn einige Zeit aufgenommen. Es habe noch eine andere Organisation gegeben, deren Namen er aber vergessen habe. Ein Mann namens B. … habe ihm geholfen. Er habe ihn einige Zeit in einem Seniorenheim unterbringen können. Er habe auch einige Zeit bei afghanischen Jungs verbracht. Dort habe er aber 100 Euro Miete bezahlen müssen. Er habe seinen Vater in Afghanistan um das Geld gebeten. Gewohnt habe er in Bukarest, aber für verschiedene Firmen in verschiedenen Städten gearbeitet. Sie seien in Bukarest abgeholt und zu den Einsatzorten gebracht worden, wo sie dann auch einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt bekommen hätten. Er spreche nur ein wenig Rumänisch, aber sehr gut Deutsch. Einen offiziellen Sprachkurs habe er in Rumänien nicht machen können. Die Sprache habe er im Alltag gelernt. Als er in der Metzgerei gearbeitet habe, sei er krank gewesen. Er habe sich mit etwas infiziert, aber keine medizinische Behandlung erhalten. An seine Arbeitsstellen sei er durch Hinweise anderer Afghanen gekommen. Er habe auch ein Video von seinem Rauswurf aus dem Camp an die vereinten Nationen geschickt. Es sei eine Dame von dort gekommen. Diese habe ihm gesagt, er solle zur Migrationsbehörde gehen. Das habe aber nichts gebracht. Er habe sich dann an die Hilfsorganisationen und B. … gewandt.
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Am 13. September 2019 wurde der Kläger auch zu seinen Asylgründen angehört. Einige Angehörige seiner Familie hätten beim afghanischen Geheimdienst gearbeitet und seien öfters von den Taliban bedroht worden. Er selbst sei am ... 2009 entführt und gefoltert worden. Sein Vater habe entschieden, dass das Kläger Afghanistan verlassen muss. Er sei im … 2014 mit einer Delegation des afghanischen Parlaments, für das er gearbeitet habe, nach Bukarest gereist. Deutsch habe er im Internet über ein Wörterbuch gelernt. Er besuche auch einen Deutschkurs im Camp.
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Das rumänische Innenministerium teilte mit Schreiben vom 27. September 2019 mit, dass der Kläger am 8. September 2014 Antrag auf internationalen Schutz in Rumänien gestellt hat, auf den ihm am 24. November 2014 internationaler Schutz (Flüchtlingsstatus) zuerkannt wurde. Er erhielt ein Aufenthaltsdokument mit Gültigkeit bis 13. November 2021. Er könne daher nicht nach Dublin-Regularien zurücküberstellt werden.
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Mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen; andernfalls werde er nach Rumänien oder einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, abgeschoben. Der Kläger dürfe nicht nach Afghanistan abgeschoben werden (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt (Ziffer 5).
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Der Asylantrag sei wegen der Schutzgewährung in Rumänien als unzulässig abzulehnen und werde daher nicht materiell geprüft. Ein Abschiebungsverbot sei nicht festzustellen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Rumänien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Es sei dem Kläger somit möglich, mit der erforderlichen Eigeninitiative zu vermeiden, dass er in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihm nicht erlauben würde, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Es sei nicht davon auszugehen, dass dem Kläger im Falle einer Überstellung nach Rumänien eine menschenunwürdige Behandlung droht. Rumänien gewähre schutzberechtigten Migranten Zugang zur Bildung, zur Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung und stelle sie damit der einheimischen Bevölkerung gleich. Auch wenn es aufgrund der ökonomischen Lage Einschränkungen bei der Inanspruchnahme dieser Rechte gebe, lägen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Klägers keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich seine Lebensumstände bei einer Rückkehr nach Rumänien auf ein bezüglich des Art. 3 EMRK verletzendes Maß hin verschlechtern würden. Es obliege dem Kläger, sich um die Inanspruchnahme und Gewährung der ihm im schutzgewährenden Mitgliedstaat zustehenden Leistungen zu bemühen und auch aus eigener Initiative nach anderer staatlicher oder zivilgesellschaftlicher Hilfe oder Unterstützung zu suchen. Nach seinem Vortrag habe er auch entsprechende Bemühungen unternommen. Er habe sich in Rumänien an karitative Einrichtungen gewandt, welche ihn unterstützt hätten. Der Kläger sei jung und gesund. Er sei im arbeitsfähigen Alter und es könne ihm durchaus zugemutet werden, die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
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Auch mit Hilfe der karitativen Einrichtungen dürfte es ihm möglich sein zumindest ein wirtschaftliches Existenzminimum zu verdienen. Hierunter falle auch eine selbstständige Wohnungssuche, welche dem Kläger zumutbar sei. Die Notwendigkeit einer selbstständigen Wohnungssuche sei dem Kläger bereits durch die einschlägigen rumänischen Gesetze bewusst gewesen. Somit sei eine frühzeitige Wohnungssuche bereits vor der Aufforderung, die staatliche Unterkunft zu verlassen, möglich gewesen. Er werde hierdurch gegenüber rumänischen Staatsbürgern nicht schlechter gestellt.
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Gegen diesen Bescheid, dem Kläger zugestellt am 14. Oktober 2019, richtet sich die Klage vom … Oktober 2019 erhoben zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag:
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1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 9. Oktober 2019 wird in den Ziffern 1 bis 4 aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen (fortzuführen) und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung nahm der Kläger Bezug auf und wiederholte seine Angaben gegenüber dem Bundesamt. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
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Die Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom … Juli 2022 darauf hingewiesen, dass der in Rumänien ausgestellte Reiseausweise seit 13. November 2021 abgelaufen sei und auf das europäische Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge (EÜÜVF) und hier insbesondere auf Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1.
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Das Gericht hat unter dem 13. Juli 2022 seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage mitgeteilt und mit Schreiben vom 8. August 2022 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Die Klagepartei hat sich mit Schriftsatz vom … August 2022 erneut geäußert: Der Kläger habe lange in Rumänien gelebt und versucht, dort ein Auskommen zu finden, was ihm nicht gelungen sei. Er verzichte nicht auf mündliche Verhandlung.
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Die Beklagte hat am 21. Oktober 2019 die Akten vorgelegt.
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Mit Beschluss vom 2. Juni 2022 ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen worden.
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In der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2022, in der die Beklagte nicht vertreten war, ist der Kläger informatorisch gehört worden und hat die Geschehnisse während seines Aufenthalts in Rumänien näher geschildert. Sein Vater, der ihn von Afghanistan aus finanziell unterstützt habe, sei mittlerweile nicht mehr am Leben. Die Familie sei nun auf seine Unterstützung angewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und auf die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Die nach Beschlussfassung gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung berufene Einzelrichterin konnte über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten gemäß § 102 Abs. 2 VwGO ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen.
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II. Klage ist zulässig.
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Die Anfechtungsklage ist die statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids und die Folgeentscheidungen in den Ziffern 3 und 4. Eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Unzulässigkeitsfeststellung führt gegebenenfalls zur inhaltlichen Prüfung des Asylantrags durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel, so dass es eines auf die Durchführung eines Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsantrags nicht bedurfte (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625 Ls.1, Rn. 15; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 20 ff.). Ein „Durchentscheiden“ des Gerichts über das Asylbegehren im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Unzulässigkeitsentscheidung findet nicht statt, da die Gliederung des Asylverfahrens in zwei Prüfungsstufen auch prozessual fortzuführen ist. Zunächst hat stets das Bundesamt über das Asylbegehren (Asyl, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz) inhaltlich zu befinden und darf nicht übergangen werden. Dies folgt auch aus dem Rechtsgedanken des § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn.19). Dabei bleibt es auch nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), nach der es den Mitgliedsstaaten verwehrt ist, von der Möglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrens-RL) Gebrauch zu machen, den Antrag auf internationalen Schutz also als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannten Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigten erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 3 EMRK (s. Art. 52 Abs. 3 GRCh) zu erfahren.
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III. Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist nicht zu Unrecht erfolgt.
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a. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist die Zuerkennung internationalen Schutzes in Form des Flüchtlingsstatus‘ seitens Rumäniens erfolgt. Dies ist mit Schreiben vom 27. September 2019 mitgeteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger der ihm am 24. November 2014 zuerkannte internationales Schutz (Flüchtlingsstatus) zwischenzeitlich wieder aberkannt wurde, liege nicht vor. Der Ablauf der Gültigkeit des Aufenthaltsdokuments am 13. November 2021 erfolgte davon unabhängig.
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b. Die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist vorliegend nicht aus Gründen vorrangigen Unionsrechts ausgeschlossen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) der Fall, wenn die Lebensverhältnisse, die den Kläger als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, ihn der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCh) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aussetzen würden (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed) – juris, Rn. 43). Im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems gilt dabei zunächst der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens bzw. die Vermutung, dass die Behandlung der Betroffenen im Einklang mit den Erfordernissen der Genfer Flüchtlingskonvention, der GRCh und der EMRK steht (EuGH, U.v. 19.3. 2019 – C-297/17 (Ibrahim) – juris, Rn. 83; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo) – juris, Rn. 80). Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko („real risk“) besteht, dass Personen bei einer Überstellung dorthin in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 82 f.).
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Eine auf Grund der Lebensumstände drohende konventionswidrige Behandlung ist jedoch nur anzunehmen, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris, Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17- juris, Rn. 91 ff.). Diese Schwelle ist selbst bei durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer die betreffende Person sich in solch einer schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (BVerwG, B.v. 7.3.2022 – 1 B 21/22 – NVwZ 2022, 1473; U.v. 21.4.2020 – 1 C 4719 – juris, Rn. 37; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris, Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 91 ff.). In Bezug auf vulnerable Personen kann die Schwelle der Erheblichkeit dabei schneller erreicht sein, als in Bezug auf gesunde und erwerbsfähige erwachsene Personen, hinsichtlich derer die Feststellung, sie seien vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig und befänden sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not, im Lichte des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens grundsätzlich gesteigerten Anforderungen an die Entkräftung der Vermutung der Vereinbarkeit der Behandlung solcher Personen in dem betreffenden Mitgliedstaat mit den Erfordernissen der GRCh und der EMRK unterliegt (vgl. BVerwG, B.v. 28.3.2022 – 1 B 9.22 – juris, Rn. 13; U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris, Rn. 20 und 23; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris, Rn. 93).
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Der bloße Umstand, dass in dem anderen Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse ungünstiger sind als in der Bundesrepublik, kann für sich gesehen angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens ebenso wie der fehlende Rückgriff auf familiäre Solidarität keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Situation extremer materieller Not darstellen (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 93 ff., BVerwG, U.v. 21.4.2020 – 1 C 4/19 – juris, Rn. 38). Auch Mängel bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten reichen für einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK nicht aus (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540 und C-541/17 – juris, Rn. 39; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 93 f. und 96 f).
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Für die Erfüllung der vorbezeichneten Grundbedürfnisse gelten nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. So kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen (BVerwG, B.v. 28.3.2022 – 1 B 9.22 – juris´, Rn. 14). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem geklärt, dass das wirtschaftliche Existenzminimum immer dann gesichert ist, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfsorganisationen) jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zumutbar sind dabei auch Arbeiten und Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Tourismussaison, ausgeübt werden können. Dies gilt selbst dann, wenn diese Tätigkeiten im Bereich der sog. Schatten- oder Nischenwirtschaft angesiedelt sind (BVerwG, B.v. 28.3.2022- 1 B 9.22 – juris Rn. 14; U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris, Rn. 23).
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Bei der Gefahrenprognose ist auf den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abzustellen (ständige Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 28.3.2022 – 1 B 9.22 – juris, Rn. 12 a.E.; U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris, Rn. 15; U.v. 17.6.2020 – 1 C 35.19 – juris, Rn. 27). Ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK besteht nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich in seiner Gesundheit beeinträchtigt oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden.
33
c. Die aktuelle Rechtsprechung gelangt für die Sekundärmigration aus Rumänien in Fällen von nicht bestehender Vulnerabilität zu dem Schluss, dass grundsätzlich davon auszugehen sein dürfte, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte dort menschenrechtskonform behandelt werden und in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse im Wesentlichen zu decken. Dementsprechend müssen die jeweiligen Schutzberechtigten grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen in Rumänien zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt zu sorgen (OVG Münster, B.v. 25.8.2022 – 11 A 861/20.A; OVG Koblenz, B.v. 17.1.2020 – 7 A 10921/18.OVG; VG Ansbach, U.v. 24.11.2021 – AN 17 S 19.50869; VG Kassel, U.v. 31.5.2021 – 1 K 973/19.KS.A; VG Cottbus, U.v. 1.4.2021 – 5 K 1582/17.A – juris; VG Aachen, U.v. 3.7.2020 – 1 K 373/18.A; VG Düsseldorf, B.v. 5.6.2018 – 22 L 5230/17.A; VG Ansbach, B.v. 13.11.2019 – AN 17 S 19.50869 – alle juris). Zusprechende Entscheidungen bei gleichem Maßstab wegen besonderer Vulnerabilität fällten verschiedene Instanzgerichte (zuletzt: VG München, U.v. 31.8.2022 – M 18 K 20.32897 – unveröffentlicht; VG München, U.v. 8.4.2022 – M 15 K 20.31914 – juris; VG Weimar, U.v. 7.4.2022 - 6 K 1113/19 We – juris). Das VG Köln vertritt im Fall einer Familie mit drei Kindern allgemein die Auffassung, dass es einem anerkannt Schutzberechtigten nur in Ausnahmefällen zeitnah nach der Rückkehr gelingen wird, eine entsprechend entlohnte Arbeit zu finden und die weit überwiegende Zahl der Rückkehrer aufgrund der steigenden Arbeitslosenzahlen und den weiteren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie keine Beschäftigung finden wird. (VG Köln, U.v. 3.12.2021 – 12 K 15280/17.A – juris).
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Für den Kläger gelangt die erkennende Einzelrichterin in Anbetracht der aktuellen Erkenntnismittel zu keinem von der herrschenden Rechtsprechung abweichenden Ergebnis. Antragsteller mit Flüchtlingsstatus bekommen in Rumänien zunächst eine dreijährige Aufenthaltsbewilligung, subsidiär Schutzberechtigte eine zweijährige, die jeweils bei Bedarf verlängert werden können. Ab einem rechtmäßigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren in Rumänien kann auch eine permanente Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, wenn weitere Voraussetzungen wie z. B. Sprachkenntnisse, Krankenversicherung und Unterkunft, erfüllt sind. Grundsätzlich haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Rumänien Zugang zu Bildung, Wohnungen, Arbeit, Krankenversorgung und Sozialleistungen. Die Möglichkeiten, die genannten Leistungen tatsächlich in Anspruch zu nehmen, sind allerdings nicht überall im Land in gleichem Maße gegeben, sondern vom Grad des Bewusstseins der verschiedenen öffentlichen und privaten Akteure abhängig, die für die Gewährleistung des Zugangs zu diesen Diensten verantwortlich sind. Es werden auch Integrationsprogramme, vor allem mit Fokus auf die kulturelle Orientierung und den Spracherwerb, angeboten. Die Teilnahme ist nicht obligatorisch, bietet aber Vorteile wie nicht rückzahlbare finanzielle Unterstützung bis zu einem Jahr lang in Höhe von monatlich 540 Lei (ca. 110 Euro) (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand: 23.8.2021, S. 13 f. m.w.N.). Wenn die Schutzberechtigten über keine finanziellen Mittel verfügen, können sie sich für die Dauer von sechs Monaten bis maximal zwölf Monaten in den regionalen Unterbringungszentren aufhalten, wofür sie jedoch in der Regel Miete zahlen und im Integrationsprogramm eingeschrieben sein müssen (aida, Country Report: Romania, 2021 Update, S. 171 f.). In Rumänien als schutzberechtigt anerkannte Ausländer haben zudem ein Recht auf (entgeltliche) Sozialwohnungen unter den gleichen Bedingungen wie rumänische Staatsangehörige bzw. falls dort keine Plätze bestehen, auf die Gewährung finanzieller Unterstützung zum Anmieten einer Wohnung und Zahlung der Nebenkosten (vgl. Auswärtiges Amt, Amtliche Auskunft v. 4.2.2022 an das VG Hannover, 508-9-516.80/54385, S. 3). Des Weiteren besteht für einen Zeitraum von maximal zwölf Monaten ein Anspruch auf Sozialhilfe (aida, Country Report: Romania, 2021 Update, S. 179).
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Grundsätzlich haben Schutzberechtigte des Weiteren den weitgehend gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt wie rumänische Staatsangehörige. Weiter können arbeitslose Schutzberechtigte, die am Integrationsprogramm teilnehmen, zudem Umzugs-, Mobilitäts- und sonstige Beihilfen erhalten (aida, Country Report: Romania, 2021 Update, S. 173 f.). In der Praxis hängt der Zugang zum Arbeitsmarkt jedoch von der Wirtschaftskraft der jeweiligen Stadt oder Region ab. Auch mangelnde Kenntnisse der rumänischen Sprache (und in einigen Fällen der englischen Sprache) können den Zugang zum Arbeitsmarkt behindern. Einen legalen Arbeitsvertrag zu erhalten, kann unter anderem aus steuerlichen Erwägungen und dem Widerwillen von Arbeitgebern, Flüchtlinge anzustellen, schwierig sein. Die öffentliche Einstellung gegenüber Asylsuchenden ist in Rumänien in den letzten Jahren von anfänglicher Empathie zu steigender Feindseligkeit umgeschwenkt (ACCORD, Anfragebeantwortung zu Rumänien: Lage von Flüchtlingen und Asylsuchenden: Polizeigewalt, Unterbringungssituation, Zustände in Quartieren, Zugang zu Rechtsberatung [a-11219], 16.3.2020, S. 7).
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Die gesundheitliche Versorgung von anerkannten Schutzberechtigten ist prinzipiell gewährleistet. Der Anspruch auf eine Krankenversicherung besteht zu den gleichen Bedingungen wie für rumänische Staatsbürger. Psychische Krankheiten, darunter auch Traumata, werden behandelt. Bei der Überwindung von dennoch auftretenden praktischen Schwierigkeiten hinsichtlich des Zugangs zur Gesundheitsversorgung sind in erster Linie NGOs behilflich. Für unter 18-Jährige, 18 bis 26 Jahre alte Studierende ohne Einkommen, Behinderte und beim Ehepartner Mitversicherte ist die Krankenversicherung gratis; bei legaler Beschäftigung ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Beitrag zur Krankenversicherung zu bezahlen. In jedem Fall müssen sich Schutzberechtigte, bevor sie als Versicherte Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen können, an die Krankenkasse wenden und sich bei einem Hausarzt anmelden. Hausärzte weigern sich allerdings häufig, Personen mit internationalem Schutzstatus, einschließlich Kinder, zu registrieren, weil sie die Patienten für mindestens sechs Monate registrieren müssen und befürchten, dass die Begünstigten in der Zwischenzeit Rumänien verlassen. Für diejenigen, die nicht krankenversichert sind, können NGOs bei Bedarf die Kosten für ärztliche Konsultationen und Behandlungen übernehmen. Personen, die ohne Einkommen die Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch nehmen möchten, sind zur Zahlung von Krankenversicherungsbeträgen für die Dauer von 12 Monaten verpflichtet. In der Praxis beträgt der monatliche Beitrag umgerechnet etwa 44 EUR. Die Kosten für eine Jahreskrankenversicherung (gültig für 12 Monate) belaufen sich mit 265 EUR auf etwa 10% von sechs Bruttomindestlöhnen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Rumänien, Stand: 23.8.2021, S. 14 f. m.w.N.). Hürden in Bezug auf die Gesundheitsversorgung sind im Allgemeinen unzureichendes Verständnis der Funktionsweise des Krankenversicherungssystems, fehlende finanzielle Mittel, um die Krankenversicherung zu bezahlen, bestimmte Leistungen, die trotz Versicherung privat zu zahlen sind, hohe Wartezeiten bei bestimmten Untersuchungen sowie sprachliche und kulturelle Barrieren (aida, Country Report: Romania, 2021 Update, S. 183 f.).
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d. Im Fall des Klägers ergibt sich weder eine in seiner Person bestehende Vulnerabilität (aa.) noch steht sein Vorbringen im Widerspruch zur Erkenntnismittellage (bb.) oder lässt ein Abweichen von der Rechtsprechung erforderlich erscheinen (cc).
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aa. Der Kläger gehört nicht dem Personenkreis der besonders Vulnerablen an, sodass kein besonderer Schutzbedarf anzunehmen ist. Eine physische oder psychische Erkrankung ist klägerseitig nicht substantiiert dargetan.
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bb. Seine Schilderungen decken sich mit der aktuellen Bewertung der Situation in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Demnach sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Rumänien für international Schutzberechtigte derzeit alles andere als einfach, bieten aber für durchschnittlich Leistungsfähige und Engagierte ausreichend Möglichkeiten, um sich das zum Leben Notwendige zu erwirtschaften. Dass die Unterbringung ab Zuerkennung internationalen Schutzes kostenpflichtig ist und auch im Übrigen ein gewisses Maß an Eigenleistung gefordert wird, führt nicht zu einer menschenrechtswidrigen Behandlung im oben dargestellten Ausmaß.
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cc. Es wird für den Einzelfall in Rechnung gestellt, dass der Kläger sich nicht innerhalb der insoweit geltenden Frist für das Integrationsprogramm eingeschrieben hat, ihm also keinerlei entsprechende Leistungen zugutegekommen sind. Dennoch hat er Arbeit gefunden, sich in diversen Arbeitsumfeldern behaupten können und durch Eigeninitiative und Zeigen von Leistungsbereitschaft wiederholt aus prekären Wohn- und Arbeitsverhältnissen lösen können. Es ist ihm so gelungen, zumindest ein bescheidenes Einkommen zu erwirtschaften, das es ihm erlaubte, seine existenziellen Bedürfnisse zu befriedigen. Er hat angegeben, immer wieder Unterstützung von seinem Vater erhalten zu haben, was bei einer erneuten Rückkehr nicht mehr der Fall sein würde. Allerdings hat er auch zu Protokoll gegeben, dass ihm sein letzter Arbeitgeber zusätzlich zu der Bezahlung von 900,00 Lei Unterkunft und Verpflegung gestellt hat. Auch wenn 900,00 Lei deutlich unter dem Durchschnittsverdienst von knapp 2.800,00 Lei liegen, erlauben diese Rahmenbedingungen bei Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in Rumänien eine Sicherung zumindest des Existenzminimums. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass für ein Leben in Rumänien monatlich ca. 200,00 Euro also gut 986,00 Lei für Lebensmittel, Kleidung, Hygieneprodukte etc. anfallen. Da er umsonst wohnen und bei seinen Arbeitgebern essen konnte, würden die verbleibenden 700,00 bis 900,00 Lei, die er nach eigenen Angaben darüber hinaus verdient hat zur Sicherstellung des Bedarfs an Bekleidung, Hygieneprodukten etc. genügen.
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Das Gericht versteht das darüber hinausgehende Bestreben des Klägers, eines jungen Mannes, der sich eine Lebensperspektive wünscht und er diese für sich eher in Deutschland als in Rumänien sieht. Jedoch erlaubt der oben aufgezeigte Maßstab insoweit keine Differenzierung; eine Schlechterstellung bleibt rechtlich unbeachtlich, solange keine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte droht. Auch dass der Kläger von Deutschland aus im Stande ist, seiner in Afghanistan verbliebenen Familie finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, was im Falle einer Rückkehr nach Rumänien nicht länger der Fall wäre, ist ein Umstand, der nicht mit den Verhältnissen in Rumänien in Verbindung steht und deshalb von der rechtlichen Betrachtung anhand des oben dargestellten Maßstabs ausgenommen ist.
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e. Auch das in Art. 33 GFK verankerte Refoulement-Verbot gebietet nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG (zur Reichweite des Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AufenthG vgl. BVerfG, B.v. 27.12.2000 – 2 BvR 2205/99, NVwZ Beil. 2001, 25), da Rumänien mit der – unwiderrufenen – Zuerkennung internationalen Schutzes in Form des Flüchtlingsstatus gerade zum Ausdruck gebracht hat, dass es von der Schutzbedürftigkeit des Klägers vor ihm in Afghanistan drohender Verfolgung ausgeht.
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2. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig. Die Abschiebung nach Rumänien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat durfte angedroht werden, da nach obigen Ausführungen die Voraussetzungen des § 35 AsylG erfüllt sind. Die gesetzte Ausreisefrist steht mit § 36 Abs. 1 AsylG in Einklang.
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3. Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der in Ziffer 4 erfolgten Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG. Das Bundesamt ist gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG bei Abschiebungsandrohungen nach § 35 AsylG für die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG zuständig. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden, § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten, § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen hier vor. Die Zeitdauer der Befristung hält sich im gesetzlich vorgegebenen Rahmen und lässt keine Ermessensfehler erkennen.
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IV. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gemäß § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
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V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 ff ZPO.