Inhalt

ArbG Bayreuth, Endurteil v. 14.04.2022 – 4 Ga 3/22
Titel:

Einstweilige Verfügung auf Untersagung der Übertragung einer Tätigkeit im Wege des Direktionsrechts bei Auslandseinsatz

Normenketten:
ZPO § 935, § 940
GewO § 106 S. 1
BGB § 315
Leitsätze:
1. Da der Arbeitnehmer – für den Fall, dass ein konkreter (Weiter-)Beschäftigungsanspruch tatsächlich besteht – über die von der Rspr. entwickelten Grundsätze zum Annahmeverzug keine finanziellen Nachteile erleidet, ist davon auszugehen, dass bei einem konkreten Beschäftigungsverlangen nur dann, wenn besondere Interessen des Arbeitnehmers gerade diese Beschäftigung bedingen (etwa bei drohendem Verlust von konkreten Kenntnissen oder Geschäftsbeziehungen) das Interesse an einer Weiterbeschäftigung überwiegt und die Voraussetzungen für eine auf Weiterbeschäftigung gerichtete einstweilige Verfügung gegeben sind (Anschluss an LAG Nürnberg Beschluss vom 31.07.2007 – 2 Sa 462/07). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine einstweilige Verfügung, die darauf gerichtet ist, dem Arbeitgeber zu untersagen, den Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts eine bestimmte Tätigkeit zu übertragen (hier: im Rahmen eines Auslandseinsatzes), fehlt es regelmäßig am erforderlichen Rechtschutzinteresse (Anschluss an LAG Köln BeckRS 2009, 73451). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweilige Verfügung, Direktionsrecht, Dringlichkeit, Verfügungsgrund, Weiterbeschäftigung, Rechtsschutzinteresse
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 01.09.2022 – 5 SaGa 3/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47097

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf € 19.464,76 festgesetzt.

Tatbestand

1
Der am ...1974 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin seit dem 13.07.2020 als „Bereichsleiter Controlling“ in der Zentrale der Beklagten beschäftigt.
2
Gemäß § 1 des entsprechenden Arbeitsvertrages kann der Antragsteller auch mit anderen Aufgaben betraut werden und hat diese Tätigkeit auch für andere Firmen der … Firmengruppe bzw. Tochtergesellschaft auszuüben. Zudem ist … berechtigt, den Arbeitnehmer im Rahmen der Zumutbarkeit auch in einen anderen Bereich zu versetzen.
3
Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche erhielt der Antragsteller eine Bruttomonatsvergütung von 9.732,38 € (inkl. 565,71 € geldwerter Vorteil).
4
Mit Schreiben vom 31.01.2022 kündigte die Antragsgegnerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2022 und bot dem Antragsteller gleichzeitig die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.08.2022 als „Controller im Unternehmensreporting“ in Vollzeit bei einer Jahresvergütung von 48.000,- € brutto an.
5
Nachdem der Antragstellervertreter mit Schriftsatz vom 06.02.2022 hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben hatte, kündigte die Antragsgegnerin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.02.2022 erneut ordentlich zum 31.08.2022 und bot dem Antragsteller, für den Fall, dass das Änderungsangebot vom 31.01.2022 unwirksam gewesen sein sollte, die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.09.2022 wiederum als Controller im Unternehmensreporting an.
6
Mit Schreiben vom 09.03.2022 widerrief die Antragsgegnerin eine zunächst erfolgte Freistellung des Antragstellers und wies den Antragsteller die Tätigkeit eines „Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien“ zu, welche sowohl in C-Stadt als auch in Slowenien und Kroatien zu erbringen ist und ab 16.03.2022 begann.
7
Der Antragsteller hat diese Tätigkeit unter Vorbehalt der Rechtswirksamkeit angenommen und wurde dann zunächst in unterschiedlichen Standorten der Antragsgegnerin zur Einarbeitung beschäftigt, so am 16.03.2022 in …, am 17.03.2022 in …, am 18.03.2022 in … Zwischenzeitlich wurde dem Antragsteller auch Urlaub gewährt, zuletzt war er arbeitsunfähig erkrankt.
8
Mit Antrag vom 04.04.2022 wandte sich der Antragsteller gegen diese Versetzung.
9
Er hält diese für evident rechtswidrig.
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Er beantragt festzustellen,
dass der Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, für die Antragsgegnerin als „Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien“ tätig zu werden;
hilfsweise der Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller als „Bereichsleiter Controlling in C-Stadt bis auf weiteres zu beschäftigen.
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Die Antragsgegnerin beantragt
den Antrag zurückzuweisen.
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Sie weist insbesondere darauf hin, dass kein Verfügungsgrund gegeben sei, nachdem der Antragsteller die Tätigkeit angenommen hatte und bis zu seiner Antragstellung knapp vier Wochen hat verstreichen lassen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die streitgegenständlichen Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
15
1. Der Antrag ist zulässig.
16
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 3 a ArbGG gegeben.
17
Das Arbeitsgericht Bayreuth ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m.§§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
18
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
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Gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 935 ZPO ist eine einstweilige Verfügung in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
20
Gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 940 ZPO ist eine einstweilige Verfügung auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus anderen Gründen notwendig erscheint.
21
Damit muss der Antragsteller für den Erlass einer einstweiligen Verfügung neben dem Verfügungsanspruch auch einen Verfügungsgrund darlegen und glaubhaft machen, der die Dringlichkeit der begehrten Entscheidung verdeutlicht.
22
Begehrt der Antragsteller zudem eine sogenannte Leistungsverfügung, welche über die Sicherung des behaupteten Anspruchs bereits dessen Erfüllung bewirkt, sind an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes entsprechend hohe Anforderungen zu stellen. Denn die begehrte Leistungsverfügung führt in jedem Fall zu einer Rechtsvereitelung bei einem der beiden Vertragspartner. Wird die Verfügung nicht erlassen, wird es zum unwiederbringlichen Verlust des Beschäftigungsinteresses des Antragstellers kommen. Wird sie erlassen, wird das Beschäftigungsinteresse des Arbeitgebers endgültig vereitelt.
23
Deshalb muss, ausgehend von dem objektiven Interesse des Gläubigers, die sofortige Erfüllung so dringend sein, dass ein ordentliches Verfahren nicht mehr abgewartet werden kann ohne das unverhältnismäßig große, irreparable Schäden auf Antragstellerseite eintreten (Thomas Putzo ZPO § 940 RNr. 6 mit weiteren Nachweisen).
24
Das Vorliegen des Verfügungsgrundes ist aufgrund objektiver Betrachtungsweise zu beurteilen. Die schutzwürdigen Interessen beider Seiten sind im Rahmen des gerichtlichen Beurteilungsspielraumes gegeneinander abzuwägen. „Nötig“ im Sinne von § 940 ZPO ist die Regelung nur dann, wenn sie nicht ihrerseits gewichtige Interessen des Schuldners verletzt.
25
Da der Arbeitnehmer – für den Fall, dass ein konkreter (Weiter-)Beschäftigungsanspruch tatsächlich besteht – über die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Annahmeverzug keine finanziellen Nachteile erleidet, ist davon auszugehen, dass bei einem konkreten Beschäftigungsverlangen nur dann, wenn besondere Interessen des Arbeitnehmers gerade diese Beschäftigung bedingen (etwa bei drohendem Verlust von konkreten Kenntnissen oder Geschäftsbeziehungen) das Interesse an einer Weiterbeschäftigung überwiegt und die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung gegeben sind (so auch LAG Nürnberg vom 31.07.2007 – 2 Sa 462/07).
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Im Zusammenhang mit Weisungen steht die Rechtsprechung zudem auf dem Standpunkt, dass jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine ihm vom Arbeitgeber übertragene Tätigkeit unter dem Vorbehalt, die Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, annimmt, er sich damit verpflichtet, die Tätigkeit bis zum Abschluss der rechtlichen Überprüfung tatsächlich auszuüben.
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Für eine Einstweilige Verfügung, die darauf gerichtet ist, dem Arbeitgeber zu untersagen, den Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts eine bestimmte Tätigkeit zu übertragen, fehlt es regelmäßig an dem erforderlichen Rechtschutzinteresse (siehe hier z.B. LAG Köln vom 27.08.2009, 7 Ta 296/09).
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Dem hinzu kommt, dass von einer Dringlichkeit umso weniger auszugehen ist, je länger der Antragsteller den Antrag hinauszögert oder das Verfahren nicht zügig betreibt und somit die Eilbedürftigkeit selbst verursacht.
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Da im konkreten Fall der Antragsteller ausweislich seines Vorbringens die Tätigkeit tatsächlich unter dem Vorbehalt der Rechtswirksamkeit angenommen hatte und dieser nachgekommen war, sieht die Kammer nunmehr keine Dringlichkeit mehr gegeben.
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Hinzu kommt, dass der Kläger vom Zeitpunkt der Zuweisung am 09.03.2022 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung am 04.04.2022 sich knapp vier Wochen Zeit ließ und somit eine mögliche Dringlichkeit selbst verschuldete.
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Über die behauptete Evidenz der Rechtswidrigkeit der Verweisung konnte sich die Kammer kein abschließendes Bild machen.
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Der zum persönlichen Erscheinen geladene Antragsteller war unentschuldigt nicht zum Termin erschienen.
33
Der erschienene Verfahrensvertreter konnte hinsichtlich der Einzelheiten der tatsächlichen Beschäftigung keine näheren Angaben machen.
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Damit war der Unterlassungsantrag zurückzuweisen, erst recht der Antrag auf Weiterbeschäftigung auf der Stelle als „Bereichsleiter Controlling“.
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3. Gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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4. Der Streitwert des Unterlassungsantrages als auch des Weiterbeschäftigungsantrages war gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO nach freiem Ermessen jeweils auf eine Bruttomonatsvergütung festgesetzt worden.