Titel:
Zur Wirksamkeit einer Zweckentfremdungssatzung
Normenketten:
VwGO § 43, § 88
GG Art. 14, Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 20 Abs. 3
BayGO Art. 26 Abs. 2, Art. 51
BayZwEWG Art. 1
Leitsätze:
1. Ist die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Norm unwirksam, schlägt dies mit der Folge der Rechtswidrigkeit auf den auf der Grundlage der Norm ergangenen Verwaltungsakt durch, ohne dass das Gericht einen Spielraum hinsichtlich der daraus zu ziehenden Folgen hätte. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Unwirksamkeit einer Zweckentfremdungssatzung wegen der Notwendigkeit einer erneuten Beschlussfassung des Gemeinderates und mangels Beachtung der Begründungsanforderungen. (Rn. 25 und 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der materielle Regelungszweck des Zweckentfremdungsrechts ist von vornherein nicht berührt, wenn es an einer dauerhaften Umwandlung von eigengenutztem Wohn- und Mietwohnraum in eine gewerbliche Fremdenbeherbergung fehlt. Dem allgemeinen Wohnungsmarkt geht in diesem Fall kein Wohnraum verloren, der ansonsten zum Dauerwohnen zur Verfügung gestanden hätte. (Rn. 25 und 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweckentfremdungssatzungen Stadt, Nichtigkeitsentscheidungen durch den Bayer. Verwaltungsgerichtshof, München, Zweckentfremdung, Nichtigkeit, Beschlussfassung des Gemeinderats, Begründungserfordernis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47067
Tenor
1. Die Ziffern 2 und 3 des Bescheids der Beklagten vom 08.09.2020 werden aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass es keines Negativattestes nach der Zweckentfremdungssatzung der Stadt ... bedarf.
3. Die Verwaltungskostenbescheide jeweils vom 15.09.2020 werden aufgehoben.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
6. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt unter Aufhebung des ablehnenden, streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 08.09.2020 die Erteilung eines Negativattestes, hilfsweise einer Zweckentfremdungsgenehmigung für den durch den Abbruch der Obergeschosse 3-6 bedingten Leerstand im 2. OG des Anwesens, Flur Nummer …, … in … Weiterhin beantragt sie, die Aufhebung der aufgrund des oben genannten Zweckentfremdungsgenehmigungsbescheids ergangenen Verwaltungskostenbescheide/ Rechnungen vom 15.09.2020 über 2.580,18 EUR sowie vom 15.09.2020 über 628,00 EUR.
2
1. Die Klägerin ist Eigentümerin des oben genannten Grundstücks. Dieses Grundstück ist mit einem sechsgeschossigen Gebäude bebaut. Das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss wurden gewerblich genutzt; nach Angaben der Klägerin sind die gewerblichen Mietverträge ausgelaufen. In den Obergeschossen 2 bis 6 befanden sich Mietwohnungen.
3
Die Klägerin hatte am 23.02.2015 bei der Beklagten einen baurechtlichen Antrag auf Genehmigung einer Nutzungsänderung, Umbau des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses in ein Hotel; Umnutzung des 2.- 5. Obergeschosses in Stadtapartments (Vermietung von 4 Wochen bis gegebenenfalls 12 Monaten), gestellt.
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Von der Beklagten seien jedoch anstelle der beantragten Genehmigung eine Veränderungssperre und die Aufstellung eines Bebauungsplanes (Bebauungsplannummer … der Beklagten) beschlossen worden. Die Veränderungssperre sei vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Oktober 2019 für nichtig erklärt worden (Urteil vom 01.10.2019, Az. 2 N 17.2426).
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Mit Formblatt vom 27.03.2018 hat die Klägerin bei der Beklagten den Abbruch der oberen 4 Wohngeschosse (3.- 6. OG) beantragt. Mit Bescheid der Beklagten vom 20.05.2020 wurde der Abbruch von 4 Wohngeschossen des oben genannten Objekts baurechtlich unter Hinweis auf das Auflagenbeiblatt genehmigt (Bl. 39-43 Beiakte III).
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2. Der Stadtrat der Beklagten hat mit Beschluss vom 23.07.2019 eine Zweckentfremdungssatzung beschlossen. Er erließ auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) vom 10.12.2007 (GVBI. S. 864), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.06.2017 (GVBl. S. 182), in seiner Sitzung vom 23.07.2019 eine Zweckentfremdungssatzung (ZwEWS), die im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. … – 2019 – vom 26.07.2019 veröffentlicht wurde.
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Unter dem 20.11.2020 fertigte die Beklagte diese Satzung erneut aus und machte sie am 04.12.2020 (Amtsblatt Nr. … – 2020 – vom 04.12.2020) mit dem Geltungsbeginn des auf den Bekanntmachungstag folgenden Tages bekannt.
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2.1 a) Mit Schriftsatz vom 22.05.2020 teilte die Beklagte der Klägerin auf deren mit E-Mail gestellten Antrag vom 01.04.2020 mit, dass eine Zweckentfremdungsgenehmigung für den geplanten Abbruch von vier Wohngeschossen als sogenannter Altfall (§ 2 Abs. 3 Zweckentfremdungssatzung – ZwEWS) nicht erforderlich sei, weil der genehmigungsfähige Bauantrag der Baubehörde bereits seit 02.07.2018 vollständig vorgelegen habe. Das Zweckentfremdungsverfahren werde hiermit kostenfrei abgeschlossen. Die Unterlagen würden zurückgegeben.
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Das zwischenzeitlich eingeschaltete Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr erläuterte in seiner E-Mail vom 08.06.2020 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Rechtslage und wies darauf hin, dass mit Bescheid der Beklagten vom 20.05.2020 der Teilabbruch von 4 Wohngeschossen des Bestandsgebäudes baurechtlich genehmigt worden sei. Auch habe die Stadt … mit Negativattest vom 22.05.2015 festgestellt, dass für den genehmigten Abbruch eine Genehmigung nach der ZwEWS nicht erforderlich sei.
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b) Mit Formblatt vom 09.06.2020, eingegangen bei der Beklagten am 15.06.2020 (Bl. 2 Beiakte I), stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Zweckentfremdungsantrag (Ausstellung eines Negativattestes) für die Stockwerke 2-6. Als Anlagen waren Grundrissplan sowie eine Wohnflächenberechnung beigelegt. Ein Grundbuchauszug sowie ein Handelsregisterauszug wurden später vorgelegt (Bl. 24 Beiakte I).
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Als Begründung ist ausgeführt, dass der Teilabbruch der Geschosse 3-6 beantragt werde. Das 2. OG müsse wegen der Gefährdungslage beim Abbruch der darüber liegenden Geschosse ebenfalls vollständig entmietet sein. Die gleiche Gefährdungslage gelte für die beiden gewerblich genutzten Geschosse, EG und 1. OG. Zur Begründung wurde auf den Bebauungsplan … und „Rahmenplan …“ Bezug genommen.
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Die Beklagte forderte mit Schriftsatz vom 16.07.2020 weitere Unterlagen an (Eigentümernachweis; Vertretungsvollmacht; Bauzeitenplan, aus dem erkennbar sein solle, ab wann die Wohnungen im 2. OG leer stünden und ab welchem Zeitpunkt eine Wiedervermietung erfolge). Sie wies weiterhin darauf hin, dass die Stadt … bereits mit Schreiben vom 22.05.2020 entschieden habe, dass aufgrund eines sogenannten Altfalles bezüglich des Abbruchs der Wohngeschosse 3-6 kein Wohnraum im Sinn der Zweckentfremdungssatzung vorliege; insofern könnte ein Negativattest erteilt werden. Hierfür sei es jedoch erforderlich, dass der Antrag auf die Wohngeschosse 3-6 reduziert werde. Hinsichtlich des Antrags bezüglich des Wohnraums im 2. OG könne kein Negativattest in Aussicht gestellt werden, da der Wohnraum nur vorübergehend nicht bewohnbar sei und langfristig erhalten bleiben solle. Es sei deshalb durch die Klägerin nachzuweisen, dass der Abbruch der Obergeschosse 3-6 zügig, d.h. ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt werde. Ein über das absolut notwendige Maß andauernder Leerstand sei nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 ZwEWS nicht erlaubt.
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Am 08.09.2020 erließ die Beklagte folgenden Bescheid (Bl. 47 Beiakte I):
„1.Für den Teilabbruch der dem Wohnen dienenden Obergeschosse 3-6 im Anwesen …, …, die auf dem Plankopf des beiliegenden Grundrissplans gelb gekennzeichnet sind, ist keine Zweckentfremdungsgenehmigung erforderlich. Für diese Wohngeschosse wird ein Negativattest erteilt.
2. Die Erteilung eines Negativattests für das dem Wohnen dienende 2. Obergeschoss im Anwesen …, …, wird abgelehnt.
3. Die …, vertreten durch Herrn …, hat als Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenfestsetzung erfolgt durch einen gesonderten Bescheid des Kämmereiamtes der Stadt …“
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Auf die Begründung wird Bezug genommen.
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Dieser Bescheid wurde der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 14.09.2020 zugestellt.
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c) Ausweislich der von der Klägerin mit Klageerhebung vorgelegten Kostenbescheide jeweils vom 15.09.2020, offenbar von der Klägerin mit Eingangsstempeln jeweils vom 29.09.2020 versehen, hat die Beklagte für die „Festsetzungen Negativattest Zweckentfremdung“ unter dem Aktenzeichen … eine Gebühr in Höhe von 2.518,00 EUR und für „Festsetzungen Ablehn. Antrag“ unter dem gleichen Aktenzeichen … eine Gebühr in Höhe von 628,00 EUR erhoben (Bl. 10 – 13 Gerichtsakte). Die Bescheide sind jeweils mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen.
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2.2 Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, erhob die Klägerin Klage und beantragt,
1. „Der teilweise ablehnende Zweckentfremdungsbescheid vom 08.09.2020: Antrag auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung für den Teilabbruch der Wohngeschosse 3-6 OG und den Leerstand im 2. OG sowie Antrag auf Erteilung eines Negativattests des bezüglich der Wohnungen in den Wohngeschossen 2-6 in …, … Gemarkung …, Flurstück Nummer … wird
a) in Ziffer 2 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auch für den abbruchbedingten Leerstand im 2. OG des vorbezeichneten Anwesens ein Negativattest, hilfsweise eine Zweckentfremdungsgenehmigung zu erteilen;
b) in Ziffer 3 aufgehoben, in welchem der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
2. Die Verwaltungskostenbescheide/Rechnungen vom 15.09.2020 (Kassenzeichen … über 2.580,18 EUR) sowie vom 15.09.2020 (Kassenzeichen ebenfalls … über 628 EUR) werden aufgehoben.“
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Zur Begründung (Schriftsatz vom 20.11.2020, Bl. 46 ff. Gerichtsakte) ist im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der durch den Abbruch bedingten Nutzungseinschränkung, die eine Vermietung unmöglich mache, ein Negativattest für das 2. OG auszustellen sei.
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Die Kostenentscheidungen seien dem Grunde nach rechtswidrig, weil es bisher keine Gebühren für Zweckentfremdungsangelegenheiten gegeben habe. Die Kostensatzung vom 22.05.2020, die erstmalig unter Ziffer 64 bei Kostenziff. 640 Regelungen zur Zweckentfremdungsgenehmigung von Wohnraum enthalte, sei erst nachträglich in Kraft gesetzt worden (Bekanntgabe im Amtsblatt der Beklagten vom 29.05.2020). Eine echte Rückwirkung sei grundsätzlich ausgeschlossen. Ziffer 640 laute wie folgt:
„Gebühr für alle positiven und belastenden Bescheide in Zweckentfremdungsangelegenheiten“
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Außerdem betrage die Höchstgebühr 3.000 EUR (Ziffer 641), sodass die vorliegende Aufspaltung in zwei Bescheide mit zwei Beträgen, die letztendlich insgesamt über 3.000 EUR lägen, unzulässig sei.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 10.12.2020 (Bl. 124 Gerichtsakte)
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Auf die Ausführungen zur Begründung wird Bezug genommen.
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3. Mit rechtskräftigen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 26.09.2021 – 12 N 20.1726 – wurde die erste Satzung der Beklagten über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWS) vom 23.07.2019 wegen eines Ausfertigungsfehlers für unwirksam erklärt.
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Die weitere bekannt gemachte Satzung vom 20.11.2020 wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 03.06.2022 – 12 N 21.1298 – wegen des konkret hierzu fehlenden Beschlusses des Stadtrates sowie wegen ungenügender Begründung ebenfalls für unwirksam erklärt. Dieser Beschluss ist aufgrund einer Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision nicht rechtskräftig.
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Die wesentlichen Urteilsgründe des BayVGH lauten wie folgt:
„3. Die Satzung der Antragsgegnerin über die Zweckentfremdung von Wohnraum auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 187), vom Stadtrat der Antragsgegnerin am 23. Juli 2019 beschlossen und im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. … – 2020 am 4. Dezember 2020 veröffentlicht, ist nicht wirksam, da für sie kein erneuter Stadtratsbeschluss als notwendige Grundlage vorliegt.
„3.1 Die von der Antragsgegnerin übersandten Normerlassunterlagen in Verbindung mit ihren Stellungnahmen ergeben exakt einen einzigen Beschluss zur bereits für unwirksam erklärten (ersten) Satzung vom 26. Juli 2019, beratend beschlossen vom Werksenat am 3. Juli 2019 und endgültig beschlossen vom Stadtrat am 23. Juli 2019. Die streitgegenständliche Satzung vom 20. November 2020 ist jedoch nicht vom Beschluss des Stadtrats vom 23. Juli 2019 gedeckt. Zwar wirken Beschlüsse eines Gemeinde- oder Stadtrates grundsätzlich zeitlich nicht beschränkt, gar ggf. über Wahlperioden hinaus, es sei denn die Sachlage hat sich derart geändert, dass der den Beschluss „vollziehende“ Oberbürgermeister nicht mehr davon ausgehen kann, dass der Wille des willensbildenden Organs Stadtrat die Bekanntmachung durch ihn trägt. Letzteres ist hier der Fall. Nach dem Beschluss des Stadtrates vom 23. Juli 2019 hat eine fehlerhafte Bekanntmachung stattgefunden (im Juli 2019), die erst im Dezember 2020 durch erneute Bekanntmachung vermeintlich „behoben“ wurde. Der Stadtrat hat aber nicht den Willen bekundet, dass zwei Satzungen, zumal in diesem zeitlichen Abstand, bekanntgemacht werden. Vor allem ging der objektiv erkennbare Wille des Stadtrates als zuständigem willensbildenden Organ in seiner Sitzung am 23. Juli 2019 nicht dahin, dass rd. 1 ½ Jahre nach der Erstbekanntmachung eine weitere Bekanntmachung mit einer um eineinhalb Jahre in die Zukunft verlängerten Geltungsdauer vorgenommen wird. Vielmehr hätte der Stadtrat insoweit erneut seinen Willen betätigen müssen.
3.2 Die veröffentlichte Satzung vom 20. November 2020 bedurfte damit eines erneuten Stadtratsbeschlusses nach Art. 51 BayGO und sodann, hierauf gründend, der Ausfertigung und Bekanntmachung nach Art. 26 Abs. 2 BayGO (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 12 N 20.1726 – juris, Rn. 16). Die Satzung vom 20. November 2020 ist zwar ausgefertigt und bekanntgemacht worden (Art. 26 Abs. 2 BayGO). Die Ausfertigung ist aber nur der zweite Teil des Rechtssetzungsverfahrens. Der erste Teil des Normerlassverfahrens – der notwendige Stadtratsbeschluss über die Satzung vom 20. November 2020 – fehlt und von dem – einzigen – Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019 wird die streitgegenständliche Satzung vom 20. November 2020 entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht getragen, weil die vom Normgeber zugrunde gelegte Ausschöpfung der maximal möglichen Geltungsdauer von 5 Jahren ab der Veröffentlichung der ersten Satzung vom 26. Juni 2019 und der zweiten Satzung vom 20. November 2020 am 4. Dezember 2020 einander nicht entsprechen. Die am 20. November 2020 ausgefertigte Satzung wäre rd. 1 ½ Jahre länger in Kraft als die vom Stadtrat am 23. Juli 2019 beschlossene und am 26. Juli 2019 bekanntgemachte erste Satzung, ohne dass dem ein dokumentierter Rechtssetzungswille des Stadtrats in der Form einer erneuten Beschlussfassung korrespondieren würde. In der Sitzungsvorlage zur Stadtratssitzung am 23. Juli 2019, Seite 2, ist zwar ausdrücklich erwähnt, dass eine Laufzeitverlängerung der Satzung möglich ist. Dies bedeutet indes nur, dass hierüber der Stadtrat erneut zu befinden hätte.
Eines erneuten Gemeinderatsbeschlusses für einen wiederholten Vollzug bedarf es zwar nicht immer (vgl. auch BVerwG, B.v. 24.05.1989 – 4 NB 10.89 –, juris Rn 5 f., zum BauGB). Geht es „allein um die Inkraftsetzung eines einmal gefassten, unbeeinflusst feststehenden und inhaltlich unveränderten Willensentschlusses der Gemeindevertretung“ (BVerwG, B.v. 24.05.1989 – 4 NB 10.89 – juris Rn. 6), so ist ein erneuter Beschluss grundsätzlich entbehrlich. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, denn die derzeit allein bestehende und streitgegenständliche Satzung der Antragsgegnerin vom 20. November 2020 über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWS), in Kraft getreten am 5. Dezember 2020, ist im Hinblick auf ihre viel weitergehende zeitliche Geltungsdauer eine andere Satzung als die im Juli 2019 beschlossene und bekanntgemachte, zwischenzeitlich mit Urteil des Senats vom 27. September 2021 – 12 N 20.1726 – für unwirksam erklärte (erste) Satzung. Eine lediglich erneute Ausfertigung des Textes der Zweckentfremdungssatzung vom 26. Juli 2019 unter dem 20. November 2020 und die erneute Bekanntmachung im Rathausjournal vom 4. Dezember 2020 waren nicht geeignet, den zwingend erforderlichen (erneuten) Stadtratsbeschluss über die Satzung vom 20. November 2020 überflüssig zu machen (vgl. bereits BayVGH, U.v. 27.09.2021 – 12 N 20.1726 – juris Rn. 18), da die beiden in den Akten vorliegenden Satzungstexte in ihrer Geltungsdauer (Satzung vom 20. November 2020 mit erneut fünf Jahre währender Geltungsdauer ab 5. Dezember 2020) erheblich differieren. Die Stadtverwaltung selbst besaß insoweit nicht die erforderliche Organkompetenz, da die gemeindliche Rechtssetzung keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung darstellt (Art. 37 Abs. 1 BayGO).
3.3 Ein weiterer maßgeblicher Grund für die Notwendigkeit einer erneuten Beschlussfassung des Stadtrates liegt zudem darin, dass die Satzung kraft vorrangigen Landesrechts nur eine Geltungshöchstdauer von fünf Jahren haben darf (Art. 1 Satz 1 ZwEWG), die aber vorliegend durch die Verzögerung um rd. 1 ½ Jahre im Vergleich zum Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019 massiv prolongiert würde (Geltungsende Dezember 2025 statt Juli 2024). Der Normgeber einer Zweckentfremdungssatzung muss indes stets eine Prognoseentscheidung zur Wohnraummangellage treffen. Er hat also mit anderen Worten nicht nur festzustellen, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Stadtrat eine Wohnraummangellage herrscht, sondern er muss sich zugleich auch im Rahmen der ihm gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, diese für höchstens fünf Jahre festzustellen, dazu verhalten, für wie lange bzw. bis zu welchem Zeitpunkt diese Wohnraummangellage seiner Auffassung nach konkret besteht. Vorliegend indes ist völlig offen, ob der Stadtrat fast 1 ½ Jahre nach dem Beschluss vom 23. Juli 2019 die volle Geltungsdauer von fünf Jahren in Anspruch genommen hätte oder ob sich nicht vielmehr die Prognose im Beschluss vom 23. Juli 2019 – vom Zeitpunkt der Bekanntmachung bzw. des Inkrafttretens im Juli 2019 ab gerechnet fünf Jahre – bestätigt hätte, sodass der Stadtrat vor Erlass der Satzung vom 20. November 2020 für weitere fünf Jahre ab dem 5. Dezember 2020 erneut hätte Beschluss fassen müssen. Insofern ist die Satzung vom 20. November 2020 eine inhaltlich andere – weitergehende – Satzung als diejenige vom 26. Juli 2019, die seitens des Senats bereits aus anderen Gründen für unwirksam erklärt worden ist. Auch dies setzte eine erneute Beschlussfassung des Stadtrats voraus.
3.4 Hinzu kommt, dass der Senat nach der 2. Bekanntmachung (am 4. Dezember 2020) die Unwirksamkeit der 1. Satzung ausgesprochen hat (mit Urteil vom 27. September 2021) und die Unwirksamkeitsfeststellung ex tunc wirkt (vgl. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, Rn 144 zu § 47) mit der Folge, dass der Ausspruch im Verfahren 12 N 20.1726 das gesamte Satzungsfestaufstellungsverfahren bis hin zur Bekanntmachung am 26. Juli 2019 unwirksam macht (BayVGH, U.v. 19.2.2003 – 23 B 02.1109 – juris Rn. 26) und damit auch den Stadtratsbeschluss vom 23. Juli 2019, der untrennbar mit dessen misslungenem Vollzug eine Einheit bildet, von Anfang an obsolet werden lässt (fehlerhafter, nicht heilbarer Vollzug, s. BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 12 N 20.1726 – juris Rn. 18). Auch insoweit ist eine erneute Willensbetätigung des Stadtrates erforderlich.
Die Satzung vom 20. November 2020 ist deshalb ausdrücklich für unwirksam zu erklären (§ 47 Abs. 5 Satz 2, 1. Halbs. VwGO).“
4. Ungeachtet dessen könnte die streitgegenständliche Norm – ohne dass es hierauf vorliegend allerdings noch entscheidungserheblich ankommt – auch den an eine Zweckentfremdungssatzung zu stellenden Begründungsanforderungen nicht genügen.
4.1 Gemäß Art. 1 Satz 1 ZwEWG können Gemeinden für Gebiete, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen, dass Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, sofern sie dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abhelfen können.
Die grundgesetzlich geschützte Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) setzt insoweit eine sorgsame Prüfung der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe anhand der Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit voraus, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Zur sachgerechten Wahrnehmung der durch Art. 1 Satz 1 ZwEWG eingeräumten Rechtssetzungskompetenz ist es deshalb – jedenfalls bei erstmaliger Ausübung der insoweit eröffneten Befugnis – von Verfassungs wegen geboten, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage bereits zum Zeitpunkt des Satzungserlasses in nachvollziehbarer Weise öffentlich darzulegen und zu begründen.
Dabei sind zugleich auch gegenläufige Interessen zu berücksichtigen und mit den für den Satzungserlass sprechenden Gründen abzuwägen und gegebenenfalls zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu führen. Die Grund- und Wohnungseigentümer, in deren Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung eingegriffen wird, haben Anspruch darauf, die Gründe zu erfahren, die aus der Sicht des Satzungsgebers den Normerlass tragen (sollen); denn nur so sind sie in der Lage, ihre Rechte sach- und interessengerecht wahrzunehmen (vgl. hierzu grundlegend BVerfG, U.v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 –, BVerfGE 6, 32 [44] juris, Rn. 41 „Elfes“).
Der Normgeber hat deshalb bereits zum Zeitpunkt des Satzungserlasses allgemein zugänglich und in der Sache nachvollziehbar darzulegen, dass die entsprechende Rechtssetzung aus Gründen des Allgemeinwohls (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) unabweisbar geboten ist. Ob Letzteres der Fall ist, kann nur auf der Grundlage einer von Anfang an begründeten Ausübung des Rechtssetzungsermessens durch den Normgeber selbst, nicht aber anhand lediglich seitens der Verwaltung des Rechtsträgers nachgeschobener Erklärungen beurteilt werden. Die Rechtssetzung ist keine Aufgabe der laufenden Verwaltung, sondern sedes materiae des allein zur Normsetzung berufenen Kollegialorgans. Nicht die nachgeschobenen Erläuterungen der Verwaltung des Rechtsträgers, sondern ausschließlich die im Zeitpunkt der Rechtssetzung tatsächlich angestellten und zugleich auch dokumentierten Erwägungen des Kollegialorgans tragen den Satzungserlass.
Der daraus resultierende Begründungszwang folgt des Weiteren auch aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG). Der von Verfassungs wegen zu gewährende Schutz gegenüber unberechtigten staatlichen Eingriffen setzt voraus, dass Intention und Zweck aller hoheitlichen Anordnungen klar erkennbar sind, gleichviel ob sie als Verwaltungsakt, Rechtsverordnung oder Satzung ergehen. Die Begründungspflicht untergesetzlicher staatlicher Normen ist damit nicht nur notwendige Konsequenz, sondern zugleich auch denknotwendige Bedingung des grundgesetzlich verbürgten Rechtsschutzes (siehe hierzu näher Ossenbühl NJW 1986, 2805 [2809]; von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 213; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: August 2020, Art. 19 Rn. 254). Damit kommt der Begründungspflicht staatlicher Entscheidungen nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung zu; sie hat vielmehr zugleich auch materiell-rechtlichen Gehalt, indem sie den Satzungsgeber zwingt, eine (vorherige) Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur intern durchzuführen, sondern auch zeitgleich mit dem Normerlass unter Offenlegung der zugrundeliegenden Bewertungsmaßstäbe allgemein zugänglich darzulegen.
Im Lichte der Freiheitsverbürgung des Grundgesetzes ist jegliches staatliches Handeln rechtfertigungs- und damit zugleich auch begründungsbedürftiges Handeln (vgl. Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rn. 253). Staatliche Akte, gleichgültig ob Verwaltungsakt, Rechtsverordnung oder Satzung, die in den Anwendungs- und Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG fallen und damit potentiell zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können, müssen ausnahmslos mit einer Begründung versehen werden, die spätestens mit dem Erlass des betreffenden Rechtsaktes vorliegen und allgemein zugänglich sein muss (vgl. Schmidt-Aßmann, a.a.O., Rn. 254).
Der Normgeber hat sich deshalb über die tatsächlichen Grundlagen seines Handelns auf der Basis verlässlicher Quellen ein eigenes Bild zu verschaffen (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [112] juris, Rn. 57). Hierzu muss er den maßgeblichen Sachverhalt ermitteln und hinreichend sichere Feststellungen, insbesondere über Art, Ausmaß und Gewicht des beabsichtigten Eingriffs in die Rechte des Einzelnen einschließlich etwaiger Folgewirkungen treffen und der Betätigung seines Rechtssetzungsermessens zugrunde legen (vgl. BVerfGE, 86, 90 [112] – juris, Rn. 57). Darüber hinaus hat er – wie bereits erwähnt – auch gegenläufige Interessen mit zu berücksichtigen und zeitgleich mit dem Normerlass in öffentlich allgemein zugänglicher, sinnvollerweise mit dem Normtext verbundener Art und Weise deutlich zu machen, aufgrund welcher Tatsachen er die Voraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG „ausreichende Versorgung … mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet“ für gegeben erachtet und weshalb „dem Wohnraummangel nicht auf andere Weise mit zumutbaren Mitteln und in angemessener Zeit abgeholfen werden kann“. Nur die tragfähige Begründung und empirische Darlegung des Vorliegens der Normerlassvoraussetzungen (vgl. insoweit auch BVerfGE 125, 175 [239] Rn. 177) sichert den durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gewährleisteten Freiheitsanspruch des Einzelnen.
Das Begründungserfordernis staatlicher (hoheitlicher) Entscheidungen zwingt den entscheidungsbefugten Rechtsträger darüber hinaus auch zu einer normativen Selbstvergewisserung sowohl über die Intensität der mit der Rechtssetzung verbundenen Eingriffe als auch der rationalen Grundlagen seiner Entschlüsse und gewährleistet damit zugleich Transparenz und Klarheit der allgemein verbindlichen Rechtssetzung, frei jeder vermeidbaren Irrationalität (so zutreffend Ossenbühl NJW 1986, 2805 [2810]).
Der Normgeber ist deshalb gehalten, seiner Begründungspflicht bereits während des Normerlassverfahrens zu genügen. Eine bloße (nachträgliche) Begründbarkeit entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer im Lichte des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gebotenen Prozeduralisierung. Letztere genügt dem verfassungsrechtlichen Effektivitätsgebot nur dann, wenn die erforderlichen Sachverhaltsermittlungen vorab erfolgen und in der Begründung des Rechtssetzungsakts dokumentiert werden, denn die verfassungsrechtlich gebotene Prozeduralisierung zielt auf eine interessengerechte Herstellung von Entscheidungen, nicht lediglich auf ihre nachträgliche Begründbarkeit (vgl. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle [Hrsg.], Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2. Aufl. 2012, § 27 Rn. 61) oder – zufällige – Vertretbarkeit.
4.2 Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Satzung derzeit nicht. Die Antragsgegnerin hat den maßgeblichen Sachverhalt, namentlich die die Tatbestandsmerkmale des Art. 1 Satz 1 ZwEWG ausfüllenden Tatsachen, weder (selbst) ausreichend ermittelt, noch hinreichend sichere Feststellungen, insbesondere über Art, Ausmaß und Gewicht der mit dem Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) der betroffenen Wohnungseigentümer verbundenen Belastungen, einschließlich etwaiger Folgewirkungen getroffen, geschweige denn in der Form einer tragfähigen, evidenzbasierten Begründung für ein nachfolgendes gerichtliches (Normen-) Kontrollverfahren dokumentiert.
Einzig in der öffentlich nicht allgemein zugänglichen Sitzungsvorlage des ursprünglichen Satzungsentwurfs vom 13. Mai 2019 wird ohne nähere Angaben entsprechender Tatsachen die Behauptung aufgestellt, die Situation auf dem … Wohnungsmarkt sei seit einigen Jahren sehr angespannt; die Nachfrage nach preisgünstigem Wohnraum übersteige regelmäßig das auf dem Markt zu findende Angebot. Ursachen hierfür seien u.a. im Wachstum der … Bevölkerung und der steigenden Zahl der Haushalte zu suchen. Ergänzend wird auf ein vom Freistaat Bayern im Zuge des Neuerlasses der Mieterschutzverordnung beauftragtes Gutachten des Instituts für Wohnen und Umwelt vom Februar 2019 verwiesen, welches für … ebenfalls einen „angespannten Wohnungsmarkt“ feststelle.
Diese Ausführungen lassen, ungeachtet des Umstandes, dass es an einer allgemein zugänglichen Veröffentlichung dieser Angaben im Zusammenhang mit dem Satzungserlass fehlt, nicht erkennen, dass sich die Antragsgegnerin aufgrund verlässlicher Quellen ein eigenes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen verschafft (vgl. BVerfGE 86, 90 [112] juris, Rn. 57) und die insoweit gewonnenen Erkenntnisse entsprechend den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG mit gegenläufigen Interessen abgewogen und das Abwägungsergebnis zeitgleich mit dem Satzungserlass in nachvollziehbarer Weise öffentlich zugänglich dokumentiert hätte. Es fehlen nachvollziehbare Feststellungen vor allem zum aktuellen Wohnungsbestand, zur Anzahl der Haushalte, zum Leerstand, zur Zahl der als wohnungssuchend Gemeldeten, zum Zubau neuer Wohnungen, zur Nachfrage- und Versorgungssituation im Umland usw. Die Ausführungen besitzen deshalb keine hinreichende Aussagekraft.
Des Weiteren setzt Art. 1 Satz 1 ZwEWG eine „besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Wohnbevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen“ voraus und nicht lediglich einen „angespannten Wohnungsmarkt“, wie im Gutachten des Instituts für Wohnen und Umwelt vom Februar 2019 in anderem Zusammenhang festgestellt. Die Bestimmung der Antragsgegnerin in der Anlage zu § 1 der Mieterschutzverordnung (MiSchuV) vom 14. Dezember 2021 (GVBl., S. 674) als Gebiet, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen im Sinne von § 556d Abs. 2 Satz 2, § 558 Abs. 3 Satz 2 oder § 577a Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besonders gefährdet ist, begründet lediglich ein Indiz dafür, dass diese nach Art. 1 Satz 1 ZwEWG auch zum Erlass einer Zweckentfremdungssatzung berechtigt ist (vgl. Bayer. Landtag vom 7. März 2017, LT-Drucks. 17/15781, S. 5), ersetzt jedoch nicht die Feststellung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG. Ebenso wenig steht der Antragsgegnerin bei der Feststellung einer Wohnraummangellage im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG ein „nur sehr eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum“ zu, wie in der Sitzungsvorlage vom 13. Mai 2019 rechtsirrig ausgeführt wird. Das Vorliegen der in Art. 1 Satz 1 ZwEWG aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen unterliegt vielmehr vollständiger verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Die Antragsgegnerin hat daher nicht nur die Erforderlichkeit eines erneuten Stadtratsbeschlusses, sondern zugleich auch Bedeutung und Tragweite des von Verfassungs wegen – insbesondere bei erstmaligem (wirksamen) Satzungserlass – zu beachtenden Begründungszwangs verkannt. Dies wird bei einem etwaigen erneuten Satzungserlass zu berücksichtigen sein. Dabei wird die Antragsgegnerin zugleich auch zu erwägen haben, dass die sie offenbar leitende Intention, eine hotelähnliche Nutzung von Privatwohnungen als Ferienwohnungen zu unterbinden, selbst dann, wenn die Voraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG nachgewiesen werden sollten, aus Gründen des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG) nur in sehr eingeschränktem Umfang überhaupt zu verwirklichen ist; denn der materielle Regelungszweck des Zweckentfremdungsrechts ist von vornherein nicht berührt, wenn es an einer dauerhaften Umwandlung von eigengenutztem Wohn- und Mietwohnraum in eine gewerbliche Fremdenbeherbergung fehlt. Dem allgemeinen Wohnungsmarkt geht in diesem Fall nämlich kein Wohnraum verloren, der ansonsten zum Dauerwohnen zur Verfügung gestanden hätte (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 –, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 19).
So erweist sich beispielsweise die zeitweise Verlagerung des Wohnsitzes über das Winterhalbjahr in südliche Gefilde und die damit einhergehende tage- oder wochenweise Zwischenvermietung der eigenen, in den Sommermonaten selbstgenutzten Wohnung (auch) über einen Zeitraum von mehr als acht Wochen (vgl. Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG) hinweg als zweckentfremdungsrechtlich vollkommen unbedenklich, weil diese Wohnung dem allgemeinen Wohnungsmarkt niemals zur Verfügung steht; sie stünde allenfalls vorübergehend zeitweise unbewohnt leer und wird dem „Dauerwohnen“ damit nicht entzogen. Infolgedessen besteht kein Grund, sie der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis ihres Eigentümers zu entziehen. Die private Lebensführung in den eigenen vier Wänden ist nicht Gegenstand zweckentfremdungsrechtlicher Anknüpfungen. Das Zweckentfremdungsrecht erlaubt insoweit gerade keine Wohnraumbewirtschaftung (vgl. BayVGH, B.v. 20.01.2021 – 12 N 20.1706 –, BayVBl. 2021, 378 – juris, Rn. 42 m.w.N.).
Nicht anders verhält es sich, wenn etwa eine für den Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit als Wohnraum für Dritte oder für den Besuch der eigenen (erwachsenen) Kinder vorgehaltene, ansonsten als Zweitwohnung mitbenutzte (Einlieger-) Wohnung eines selbstgenutzten Ein- oder Mehrfamilienwohnhauses für mehr als acht Wochen im Jahr zwischenvermietet wird. Auch eine solche Wohnung stünde allenfalls vorübergehend zeitweilig unbewohnt leer; sie wird jedoch dem „Dauerwohnen“ nicht entzogen. In all diesen Fällen ist daher auf Antrag eine entsprechende Zweckentfremdungsgenehmigung zu erteilen (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 –, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 28) mit der Folge, dass die mit dem Erlass einer solchen Satzung verfolgten Ziele letztlich faktisch weithin leerlaufen. Lediglich die völlige Umwandlung von nicht (zumindest auch) selbst genutztem Wohnraum in Ferienwohnraum für einen Zeitraum für mehr als acht Wochen im Jahr lässt sich, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen für den Satzungserlass vorliegen, wirksam unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 26.07.2021 – 12 B 21.913 –, BayVBl. 2022, 193 – juris, Rn. 29).
Sollte die Antragsgegnerin es nicht mit einem generellen Wohnraummangel, sondern „lediglich“ mit einem Fehlen besonders günstiger – „bezahlbarer“ – Wohnungen zu tun haben, die der Markt – aus welchen Gründen auch immer – nicht (mehr) bereit ist, zur Verfügung zu stellen, so erhebt sich die von der Antragsgegnerin zu beantwortende weitere Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Zweckentfremdungssatzung im Lichte der von Verfassungs wegen gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung überhaupt geeignet ist, dem spezifischen Wohnraummangel entgegenzuwirken. Eine bestimmte Art von Wohnungen, namentlich solche mit niedrigen Mieten in ausreichender Zahl kann wohl kaum dadurch bereitgestellt werden, dass die Verfügungsbefugnis über Wohnungen, die ihrer Art nach in mehr als ausreichender Anzahl vorhanden sind, aber von der zur versorgenden Klientel gar nicht nachgefragt werden können, Beschränkungen unterworfen wird. Jedenfalls hätte die Antragsgegnerin, sollte sie von ihrer Rechtssetzungsbefugnis erneut Gebrauch machen wollen, bereits im Zeitpunkt des Satzungserlasses in der Sache nachvollziehbar aufzuzeigen und zu begründen, weshalb durch den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung gleichwohl ein signifikanter Beitrag zur Verbesserung der Wohnraumsituation im unteren Angebotsbereich zu erwarten ist.“
26
Das Gericht hörte die Beteiligten mit Schriftsatz vom 02.08.2022 (Bl. 497 Gerichtsakte) zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 84 VwGO) an. Es deutete an, dass der Sachverhalt geklärt sei und die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss vom 03.06.2022 – 12 N 21.1298 – für überzeugend gehalten werden.
27
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die vorgelegten Aufstellungsunterlagen zum Satzungserlass Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
Entscheidungsgründe
28
1. Das Gericht kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.
29
2. Der Klageanträge in Ziffer 1 a) und b) sind als Versagungsgegenklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. § 44 VwGO zulässig.
30
Der Verpflichtungsantrag in Ziffer 1a) des Klageantrags enthält im wohlverstandenen Interesse der Klagepartei im vorliegenden Verfahren nach § 88 VwGO als minus auch den Antrag festzustellen, dass gar kein Negativattest nach der ZwEWS erforderlich ist. Die grundsätzliche Bindung des Gerichts an das Klagebegehren hindert nicht, der Klägerin weniger zuzusprechen als von dieser begehrt wird und die Klage im Übrigen abzuweisen, wenn die Klage nur zu einem – rechtlich selbständigen – Teil zulässig oder begründet ist (Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 88 Rn. 13). Diese Auslegung beruht auf dem Gesamtzusammenhang des Streitgegenstandes und insbesondere auf der allgemein bekannten Tatsache, dass die Wirksamkeit der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden ZwEWS angesichts der beiden Normenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof fraglich ist.
31
2.1 Der so verstandene Klageantrag in Ziffer 1a) gegen die Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides ist zulässig (§ 44 VwGO) und hat überwiegend Erfolg.
32
Die Ablehnung des Negativattestes ist rechtswidrig und verletzt die Klagepartei in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil die Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides, die Zweckentfremdungssatzung der Beklagten (ZwEWS) vom 20.11.2020, auch nach Überzeugung des erkennenden Gerichts rechtswidrig ist. Einer Zweckentfremdungsgenehmigung bzw. einer Erteilung eines Negativattests nach dieser Satzung bedarf es deshalb nicht.
33
Prüfungsgegenstand ist zwar primär der angefochtene Bescheid; es wird aber die dem Bescheid zugrundeliegende Satzung, die ZwEWS, einer Rechtskontrolle unterzogen, da im vorliegenden Fall die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Satzung auf der Hand liegen (Amtsermittlungsgrundsatz).
34
2.1.1 Die Satzung ist nach Überzeugung der Kammer rechtswidrig und stellt damit keine Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid dar.
35
Die für den hier streitgegenständlichen Verwaltungsakt maßgebliche ZwEWS ist inzident auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Die Normprüfungszuständigkeit ist für die Gerichte gleichermaßen Recht wie Pflicht; sie ist in dem von Gewaltenteilung und Gewaltenhemmung sowie vom Vorrang der Verfassung geprägten Rechtsstaat integraler Bestandteil des Rechtsbildungsprozesses (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 100 Rn. 2, 3). Ist die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Norm unwirksam, schlägt dies mit der Folge der Rechtswidrigkeit auf den auf der Grundlage der Norm ergangenen Verwaltungsakt durch, ohne dass das Gericht, etwa ähnlich der Regelung in § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1 BVerfGG einen Spielraum hinsichtlich der daraus zu ziehenden Folgen hätte (vgl. BVerwG U.v. 26.01.1995 – 8 B 186/94 – juris). Daraus wird deutlich, dass es für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Rechtsnorm im Rahmen der Inzidentkontrolle nicht darauf ankommen kann, ob ein Beteiligter, der sich auf die Unwirksamkeit der Norm beruft, dies im Normaufstellungsverfahren geltend gemacht hat oder im Falle einer Normenkontrolle noch geltend machen könnte. Es verbleibt bei der Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen die Wirksamkeit einer untergesetzlichen Norm, falls diese inmitten steht und entscheidungserheblich ist, zu prüfen und die Norm gegebenenfalls nicht anzuwenden (VGH München U.v. 04.12.2001 – 2 B 97.1393, BeckRS 2001, 15202 Rn. 28, beck-online).
36
Auch durch die zeitliche Beschränkung der Antragsfrist im Normenkontrollverfahren (ein Jahr seit Bekanntmachung) wird die Befugnis der Verwaltungsgerichte, Normen insoweit inzident auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen, nicht berührt (vgl. BVerwG, B.v. 26.06.1998 – 4 BN 29/97 – beck-online; VGH München, U.v. 04.12.2001 – 2 B 97.1393 – beck-online; so auch ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfs vom 06.03.1996, BT-Drs. 13/3993 S. 10; Kopp/Schenke, VwGO 26. Auflage 2020, § 47 Rn. 83; Panzer, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 47 Rn. 35). Der Umfang der Überprüfung der örtlichen Norm im Inzidentprüfungsverfahren ist mit dem im Normenkontrollverfahren identisch.
37
Das erkennende Gericht nimmt hinsichtlich der Gründe für die Rechtswidrigkeit auf die zutreffenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss vom 03.06.2022 – 12 N 21.1208 – (s.o.) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug und schließt sich ihnen vollumfänglich an.
38
2.1.2 Aus diesen Gründen ist die streitgegenständliche Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, der auf dieser Satzung beruht, denknotwendig ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben, weil ihm die erforderliche rechtmäßige Rechtsgrundlage fehlt.
39
Das im Verpflichtungsantrag als minus enthaltene und auch bestehende Interesse an einer Feststellung nach § 43 VwGO (s.o.), dass es eines Negativattestes nicht bedarf, hat deshalb Erfolg. Ein entsprechender Ausspruch entspricht auch den Erfordernissen der Rechtsklarheit. Der beantragten Erteilung eines Negativattests nach dieser rechtswidrigen Satzung bedarf es nicht mehr. Dieser rechtswidrigen Satzung kommt kein rechtmäßiges Zweckentfremdungsverbot zu, das Ausgangspunkt und Rechtsgrundlage für die beantragte Entscheidung sein kann.
40
Im Übrigen war der Verpflichtungsantrag mangels einer rechtmäßigen Rechtsgrundlage abzuweisen.
41
2.2 Die Kostenentscheidung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist – auch soweit sie sich auf die Entscheidung in der nicht streitgegenständlichen Ziffer 1 bezieht – aus den o.g. Gründen denknotwendig ebenfalls rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
42
2.3 Auch der Antrag auf Aufhebung der beiden Kostenbescheide/Rechnungen vom 15.09.2020 hat Erfolg.
43
Mit den beiden unmissverständlich als Verwaltungsakte erlassenen Verwaltungskostenbescheide / -Rechnungen, die jeweils mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen sind, wird die rechtswidrige Kostengrundentscheidung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides umgesetzt.
44
Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung ist Art. 23 Gemeindeordnung (GO) i.V.m. Art. 20 Kostengesetz (KG) i.V.m. § 2 Satz 1 der Satzung über die Erhebung von Verwaltungskosten für die Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis der Beklagten (Kostensatzung) vom 10.10.2001, zuletzt geändert durch Satzung vom 22.05.2020 (bekanntgemacht im Rathaus Journal – Amtsblatt der Stadt … – vom 29.05.2020 Nr. **).
45
Diesen Verwaltungskostenbescheiden fehlt – unabhängig von der streitigen Rechtmäßigkeit oder Anwendbarkeit der o.g. Kostensatzung – nach Aufhebung der Kostengrundentscheidung, Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides (s.o.), die rechtliche Grundlage.
46
3. Soweit die Klage erfolgreich ist, trägt die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
47
Da die Beklagte durch den Erlass der rechtswidrigen Satzung den Rechtsschein für die Erforderlichkeit des Verpflichtungsantrags zum Erlass eines Negativattestes gesetzt hat, trägt sie gemäß § 155 Abs. 4 VwGO die Kosten des Verfahrens auch hinsichtlich des erfolglosen Teils des Verpflichtungsantrags.
48
Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).