Titel:
Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung
Normenketten:
BayVwVZG Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Art. 31 Abs. 3 S. 3
VwGO § 123 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Nr. 4
Leitsätze:
1. Für eine Dringlichkeit in einem für das einstweilige Verfahren relevanten Sinne reicht es nicht aus, dass die Beitreibung des Zwangsgeldes aufgrund seiner Höhe wirtschaftliche Auswirkungen beim Antragsteller hat; entscheidend ist, dass die Anordnung notwendig ist, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (vgl. VGH München BeckRS 2001, 28562). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Verwaltungsakt ist auch bei Unanfechtbarkeit nicht vollstreckungsfähig. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag nach § 123 VwGO, Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung, Zulässigkeit, Widerruf bzw. Anfechtung von einer Erledigungserklärung (verneint), Bestimmtheit einer Rückbau- und Wiederherstellungsanordnung (bejaht), Nichtigkeit einer Grundverfügung (verneint), Anordnungsgrund (verneint), Einstellung der Zwangsvollstreckung, Zwangsgeld, Bestimmtheit, Nichtigkeit, Widerruf einer Erledigungserklärung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.02.2023 – 8 CE 22.2113
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47065
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollstreckung einer wasserrechtlichen Rückbauverpflichtung mittels Zwangsgeldes.
2
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung …, das in südwestlicher Richtung an den …bach (Gewässer dritter Ordnung) grenzt. Der …bach ist katastermäßig erfasst und trägt die Fl.-Nr. … der Gemarkung … Im September 2014 brachte der Antragsteller an der Uferböschung des …bachs große Wassersteinquader ein. Mit diesen errichtete er eine Ufermauer von ca. 1,50 m Höhe. Das dahinterliegende Gelände wurde mit Schotter aufgefüllt. Der Einbau der Steine erfolgte dabei nicht entlang und in der gleichen Neigung wie die vormalige Böschung, sondern ragt in das vormalige Gewässerbett hinein. Der Bachlauf wurde auf etwa 1 Meter eingeengt, die Böschungsoberkante dabei bis zu 2 Meter in Richtung des Gewässers verschoben. Wiederholte Aufforderungen des Landratsamts …, die Mauer zurückzubauen, da die durchgeführten Maßnahmen nicht genehmigungsfähig seien, blieben ergebnislos.
3
Der Antragsteller reichte am 15.07.2015 Planunterlagen ein, damit eine fachliche Prüfung sowie erforderliche Anpassungen durch das Wasserwirtschaftsamt … erfolgen könnten. Der Antragsgegner stellte daraufhin fest, dass diese Planunterlagen nicht der WPBV entsprachen. Da der Antragsteller ordnungsgemäße Pläne nach weiterem Zuwarten immer noch nicht eingereicht hatte, erließ das Landratsamt … am 30.12.2016 einen Bescheid mit folgendem Tenor:
1. Herr … wird verpflichtet, die am …bach entlang der Flur-Nr. …, Gemarkung …, errichtete Ufermauer (Uferbefestigung) bis spätestens 28. Februar 2017 – im Falle einer Klageerhebung gegen diesen Bescheid binnen zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit – zurückzubauen. Das Gewässer sowie die betroffenen Uferbereiche sind wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen. Der ursprüngliche Zustand ist, auch hinsichtlich der Gewässerbreite, wiederherzustellen.
2. Falls die Verpflichtung unter Ziffer 1. nicht fristgerecht erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung fällig.
[3. und 4.: Kostenentscheidung]
4
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller durch seinen damaligen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 31.01.2017 Klage erhoben und dessen Aufhebung beantragt (vgl. Az. B 7 K 17.59). Im Laufe dieses Verfahrens kamen die Beteiligten darin überein, dass der Antragsteller bis zum 01.10.2018 ordnungsgemäße, vollständige und prüffähige Planunterlagen beim Landratsamt … vorlegt. Im Gegenzug sicherte der Antragsgegner zu, die Beseitigungsanordnung vom 30.12.2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahrens nicht zu vollstrecken. Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren B 7 K 17.59 übereinstimmend für erledigt; mit Beschluss des Gerichtes vom 09.07.2018 wurde das Verfahren eingestellt.
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Der Antragsteller beantragte am 28.09.2018 unter Einreichung verschiedener Planunterlagen die Planfeststellung bzw. -genehmigung. Der amtliche Sachverständige des Wasserwirtschaftsamtes … kam zu dem Ergebnis, dass der vorgenommene Gewässerausbau nicht den Vorgaben des WHG entspreche (zwingender Versagungsgrund der Erhöhung der Hochwassergefahr) und daher nicht genehmigungsfähig sei, da auch durch Inhalts- und Nebenbestimmungen nachteilige Wirkungen für andere nicht vermieden werden könnten. Der Antragsgegner lehnte daraufhin mit Bescheid vom 11.02.2019 den Antrag ab. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth und der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.12.2020 – B 7 K 19.230; BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 8 ZB 21.668).
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Das Landratsamt … wies mit Schreiben vom 16.05.2022, adressiert an die ehemalige Bevollmächtigte des Antragstellers, auf die Beseitigungsanordnung vom 30.12.2016 hin. Deren Ausführung sah es bis spätestens 31.08.2022 entgegen. Erforderlichenfalls könne auf Kosten des Pflichtigen auch eine Ersatzvornahme angeordnet werden. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
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2. Der Antragsteller hat durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.08.2022 Klage erhoben und einen Eilantrag gestellt. Er wendet sich gegen das Schreiben des Antragsgegners vom 16.05.2022. Hinsichtlich des Eilantrags hat er beantragt,
die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch die Beklagte aus deren Bescheid vom 30.12.2016, Az. … im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 30.12.2016 für unzulässig zu erklären.
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Den Eilantrag begründet er im Wesentlichen damit, dass der der Zwangsvollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt vom 30.12.2016 aus Gründen der Unbestimmtheit, eines Verstoßes gegen das Willkürverbot und eines Ermessensausfalls nichtig sei. Aufgrund der Aufforderung im Schreiben vom 16.05.2022 sei mit Vollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners in kurzfristiger Form zu rechnen. Der Antragsteller meint, die Unanfechtbarkeit des Bescheids vom 30.12.2016 sei nicht eingetreten. Er hat vorsorglich den Widerruf und die Anfechtung wegen Irrtums hinsichtlich der Erledigungserklärung erklärt. Es könne die Fortsetzung des Verfahrens und eine neue mündliche Verhandlung entsprechend § 590 ZPO verlangt werden.
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Der Verwaltungsakt vom 30.12.2016 sei nichtig. Denn die Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung sei unbestimmt, teilweise unmöglich umzusetzen und befinde sich im Widerspruch zu früher getätigten Aussagen aus der Sphäre des Antragsgegners. Es fehle eine wasserrechtliche Genehmigungsurkunde. Die Beseitigungsanordnung verlange in widersprüchlicher Form etwas, das mit Baugenehmigung vom 25.04.2001 bezüglich des Antrags auf Teilumbau der Garage für die Grundstücke mit den Flurstücknummern … und … durch den Antragsgegner genehmigt worden sei. Es liege ein Verstoß gegen das Willkürverbot gem. Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil gegen andere Eigentümer, die unstreitig und gerichtsbekannt Auffüllungen vorgenommen hätten, nicht eingeschritten worden sei. Dieser Ermessensausfall führe zur Nichtigkeit des Bescheides. Die fehlende Beiladung der Gemeinde … stelle einen gravierenden Verfahrensmangel dar, weshalb die Gegenstandslosigkeit der Erledigungserklärung gegeben wäre. Es bestünden Zweifel, ob der Begriff Wasserhaushalt im Bescheid vom 30.12.2016 vorliege. Die im Bescheid genannte Rechtsgrundlage sei keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Es hätte eine Duldungsverfügung gegen die Gemeinde … erlassen werden müssen.
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Mit Schriftsatz vom 06.09.2022 hat der Antragsteller seinen Vortrag ergänzt, Sachverhaltsangaben klargestellt und seine Rechtsmeinung vertieft. Der Vortrag bezüglich der Abstimmungsgespräche und des Einbaus von Quadersteinen zur genehmigungsfreien Ufersicherung beziehe sich auf den Bereich der früheren Stahlträger. Dieser Bereich gehe allerdings nicht so weit, wie die im Jahr 2014 gesetzten weiteren Quadersteine reichen. Soweit es um den Austausch der Stahlträger, abgesprochen mit dem Wasserwirtschaftsamt gegangen sei, bleibe es vollumfänglich beim Vortrag aus dem Schriftsatz vom 31.08.2022. Das Setzen von Quadersteinen Richtung Grundstück eines anderen Grundstücks sei nicht mit Vertretern der Wasserwirtschaftsverwaltung abgesprochen worden.
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Das Landratsamt … hat mit Schriftsatz vom 07.09.2022 klargestellt, dass es sich bei dem Schreiben vom 16.05.2022 nicht um einen Bescheid, sondern ein rein (informelles) Hinweisschreiben handle. Der Bescheid vom 30.12.2016 beinhalte in rechtmäßiger Weise in dessen Nr. 2 die Androhung eines Zwangsgeldes. Der Antragsgegner setze sich über diese mit dem Schreiben vom 16.05.2022 nicht hinweg, sondern benenne die gesetzliche Möglichkeit einer Ersatzvornahme. Das Schreiben vom 16.05.2022 habe weder nach der äußeren Form noch nach dem Willen der stellenden Behörde Bescheidscharakter, weswegen diesem Schreiben auch keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt sei.
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Analog § 117 Abs. 3 VwGO wird wegen der Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Das Gericht hat die Gerichtsakten zu den Verfahren mit den Aktenzeichen B 7 K 17.59 und B 7 K 19.230 beigezogen.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Gericht legt die für den einstweiligen Rechtsschutz allein maßgeblichen Anträge in Nr. 2 des Antragsschriftsatzes als einen einheitlichen Antrag gegen die drohende Zwangsvollstreckung aus (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO). Ziel des Antragstellers ist es, die Einstellung der Zwangsvollstreckung der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung aus dem Bescheid vom 30.12.2016 zu erreichen.
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Das „angegriffene“ Schreiben des Landratsamts … vom 16.05.2022 stellt allenfalls einen Hinweis, dass das Zwangsgeld nach Bestandskraft des Planfeststellungsverfahrens nunmehr vollstreckt werden kann bzw. eine Fälligkeitsmitteilung bezüglich des im Jahr 2016 angedrohten Zwangsgeldes dar, wogegen einstweiliger Rechtsschutz mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erlangt werden kann, in dem das Gericht vorläufig klärt, ob der Verwaltungsakt schon oder im Hinblick auf eine eventuelle rechtzeitige Erfüllung noch vollstreckbar ist (vgl. VG München, B.v. 30.3.2015 – M 8 S 15.261 – juris Rn. 18), im konkreten Fall also ob das Zwangsgeld i.H.v. 1.000,00 EUR fällig geworden und vollstreckbar ist. Denn bei der (gesetzlich nicht vorgeschriebenen) Fälligkeitsmitteilung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, weil nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG die Zwangsgeldforderung unter den dort benannten Voraussetzungen automatisch fällig wird.
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2. Der Antrag hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei müssen ein Anordnungsgrund und das Bestehen eines Anordnungsanspruchs geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 ZPO).
18
a. Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, nämlich, dass es unter Berücksichtigung seiner Interessen für ihn nicht zumutbar ist, die Entscheidung im noch einzulegenden Hauptsacheverfahren abzuwarten. Für eine Dringlichkeit in einem für das einstweilige Verfahren relevanten Sinne reicht es nicht aus, dass die Beitreibung des Zwangsgeldes aufgrund seiner Höhe wirtschaftliche Auswirkungen beim Antragsteller hat (BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9); entscheidend ist, dass die Anordnung notwendig ist, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 23). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass das Zwangsgeld seine wirtschaftliche Grundlage gefährde. Dass für den Antragsteller durch die (sofortige) Beitreibung des Zwangsgeldes existenzgefährdende Nachteile entstehen, wurde nicht glaubhaft gemacht.
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b. Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da er nach der im Eilverfahren maßgeblichen summarischen Prüfung der bestandskräftigen Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung aus Nr. 1 des Bescheids vom 30.12.2016 nicht nachgekommen ist und das mit Bescheid vom 30.12.2016 unter Nr. 2 deswegen angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist.
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Die Zwangsgeldforderung wird fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn die durch Grundverwaltungsakt auferlegte Pflicht nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG nicht erfüllt ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Weiter müssen die allgemeinen (Art. 19 VwZVG) und die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein, und es darf kein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 VwZVG vorliegen (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12; B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 14 f.).
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Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, Vollstreckungshindernisse bestehen keine, und der Antragsteller hat die ihm auferlegte Verpflichtung aus dem Bescheid vom 30.12.2016 nicht erfüllt.
22
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 19 VwZVG, liegen vor. Die mit Bescheid vom 30.12.2016 verfügte Rückbau- und Wiederherstellungsanordnung ist ein wirksamer und vollstreckbarer Verwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt.
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(1) Die Verfügung ist vollstreckbar, weil die unter Nr. 1 des Bescheids vom 30.12.2016 verfügte Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung bestandskräftig ist, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG.
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Der Verwaltungsakt kann nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden. Denn das diesbezügliche Verwaltungsstreitverfahren (Az. B 7 K 17.59) ist aufgrund der wirksamen übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt worden. Rechtsfolge hiervon ist, dass die Rechtshängigkeit rückwirkend endet (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 15 C 22.735 – juris Rn. 6) und der Bescheid dadurch in Bestandskraft erwächst, mit anderen Worten erledigt sich der Rechtsstreit, nicht aber der Verwaltungsakt selbst (vgl. Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 73 m.w.N.).
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Ferner hat der Antragsteller seine Erledigungserklärung nicht wirksam angefochten bzw. widerrufen. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Erledigungserklärung oder sonstige Handlungen, die unmittelbar die Einleitung, Führung oder Beendigung des Prozesses betreffen, nicht der Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB unterliegt. Ein Widerruf kommt u.a. allenfalls ausnahmsweise noch in Betracht, wenn ein Restitutionsgrund i.S.d. § 580 ZPO vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75/98 – juris Rn. 3).
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Gemessen daran liegt kein wirksamer Widerruf vor. Im Wesentlichen macht der Antragsteller einen unbeachtlichen Motivirrtum dahingehend geltend, dass er eine Erledigungserklärung für den Fall, dass die Plangenehmigung abgelehnt werden würde, nicht abgegeben hätte. Dieses Vorbringen erfüllt nicht im Ansatz die strengen Anforderungen an die Statthaftigkeit einer Restitutionsklage im Sinne des § 580 ZPO.
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Auch eine Anfechtung scheidet nach dem o.g. aus, zumal der Antragsgegner wegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen seit mehreren Jahren eine geschützte Rechtsposition in der Form eines bestandskräftigen Bescheids innehat und ein durchgreifender Anfechtungsgrund nicht ersichtlich ist.
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Die Erledigungserklärung ist auch nicht deswegen gegenstandslos geworden, weil die Gemeinde …, trotz Unterhaltslast für den …bach (vgl. GA B 7 K 17.59, Bl. 34), nicht beigeladen worden ist. Zum einen ist im damaligen Verfahren keine streitige Entscheidung ergangen. Zum anderen ging es in dem damaligen Verfahren primär um eine Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung, nicht aber um eine Unterhaltsmaßnahme zu Lasten der Gemeinde … am …bach. Ein Fall der notwendigen Beiladung war ersichtlich nicht gegeben. Daneben ist in keiner Weise ersichtlich, warum eine Erledigungserklärung des Klägers gegenstandslos werden sollte, wenn – selbst zu Unrecht -im erledigten Verfahren eine Beiladung unterlassen wurde.
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(2) Die in Nr. 1 des Bescheids vom 30.12.2016 angeordnete Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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Ein inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Verwaltungsakt ist auch bei Unanfechtbarkeit nicht vollstreckungsfähig (Lemke in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 6 VwVG Rn. 33). Wird dem Adressaten durch den Verwaltungsakt ein Handeln, Dulden oder Unterlassen aufgegeben, muss der Inhalt des Verwaltungsakts so klar, vollständig und unzweideutig erkennbar sein, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist; zum anderen folgt daraus, dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (BVerwG, U.v. 2.7.2008 – 7 C 38/07 – juris Rn. 11; vgl. auch VG Regensburg, U.v. 28.6.2010 – RO 8 K 09.01997 – juris Rn. 36 m.w.N.)
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Gemessen daran genügt die Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung diesen Anforderungen. Die Formulierung „naturnaher Zustand“ ist im Zusammenhang mit der Wiederherstellungsanordnung nicht zu beanstanden. Der Bescheid ist auch insoweit bestimmt, als dass der ursprüngliche Zustand auch hinsichtlich der Gewässerbreite wiederherzustellen ist.
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Wird – wie hier – ein Gewässerausbau ohne die hierfür erforderliche Planfeststellung bzw. -genehmigung durchgeführt, somit ein illegaler Zustand herbeigeführt und daher der Rückbau sowie die Wiederherstellung des naturnahen, ursprünglichen Zustands, auch hinsichtlich der Gewässerbreite, angeordnet, liegt es auf der Hand, dass der Zustand wiederhergestellt werden muss, der zu dem Zeitpunkt bestanden hat, als mit dem illegalen Gewässerausbau begonnen wurde (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 28.6.2010 – RO 8 K 09.01997 – juris Rn. 39).
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Laut Gutachten des Wasserwirtschaftsamts … ist der bisherige Gewässerverlauf sehr gut an den bereits älteren Bäumen zu erkennen (vgl. BA Bl. 100 Teil 2). Die natürliche Böschung kann anhand der gegenüber dem nachfolgenden Gelände vorgelagerten Steinquader sowie anhand von Grünbewuchs nachvollzogen werden können (vgl. BA Bl. 99 Teil 2). Diese Feststellungen erscheinen dem Gericht aufgrund der sich in der Behördenakte befindenden Bilder schlüssig (vgl. BA Bl. 3, 5, 8, 9, 22 bis 31 53, 54, 68 bis 71, 733, 75, 101 bis 104). Auf die Herausgabe etwaiger behaupteter Vermessungsergebnisse kommt es nicht an. Für den Antragsteller ist deshalb ohne weiteres erkennbar, wie der Rückbau der Mauer zu erfolgen hat und was behördlicherseits mit dem Begriff „naturnaher Zustand“ gemeint ist. Darüber hinaus bleibt es dem Antragsteller unbenommen, ein qualifiziertes Planungsbüro einzuschalten, das ggf. unter der durch das Landratsamt … angebotenen Zuhilfenahme fachlicher Unterstützung durch das Wasserwirtschaftsamt … (GA B 7 K 17.59 Bl. 55), die Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung für den Antragsteller umsetzt.
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Ferner kommt es nicht darauf an, ob sich an der Stelle, an der die Ufermauer errichtet wurde, Stahlträger oder ein Fischkasten – anstelle einer Böschung – befanden, da das Gewässer sowie die betroffenen Uferbereiche wieder in einen „naturnahen Zustand“ zu bringen sind. Aus der Behördenakte (Bl.11 und 15 BA Teil I) geht hervor, dass zur Böschungsstabilisierung Eisenträger eingerammt worden sind, wobei der größte Teil der Maßnahmen auf der Flurnummer … der Gemarkung … erfolgt ist. Der Antragsteller wurde daraufhin aufgefordert, das Gewässer sowie den Uferbereich wieder in einen naturnahen Zustand zurückzuführen (Bl. 16 ff. BA Teil I). Dieser Aufforderung ist er wohl im Jahr 2011 nachgekommen (Bl. 25 BA Teil I). Von einem (Rück-)Einbringen oder Austausch der vorgetragenen Stahlträger oder des Fischkastens in den …bach ist im Bescheid vom 30.12.2016 nicht die Rede.
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(3) Die Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung ist auch nach wie vor wirksam, durchgreifende Anhaltspunkte für seine Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit im Sinne von Art. 44 BayVwVfG sind weder glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich.
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Gem. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nichtigkeitsgründe des Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG gehen als lex specialis denen aus Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG vor.
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Besonders schwerwiegend ist nur ein Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in einem so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. BVerwG, U.v. 9.9.2014 – 1 C 10/14 – juris Rn. 16). Offenkundigkeit bedeutet, dass die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein muss, sich geradezu aufdrängen muss. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben“ sein (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 44 Rn. 12).
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Gemessen daran ist die Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung im Bescheid vom 30.12.2016 nicht nichtig.
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(a) Soweit der Antragsteller behauptet, dass eine wasserrechtliche Genehmigungsurkunde im Sinne des Art. 44 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG fehle, dringt er damit nicht durch. Der Antragsteller benennt bereits keine – durch diese Norm vorausgesetzte – Rechtsvorschrift. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb die Aushändigung einer (nicht näher bezeichneten) Urkunde konstitutive Voraussetzung für den Erlass einer im vorliegenden Fall wasserrechtlichen Entscheidung ist.
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(b) Die Gewässerbreite kann ohne weiteres wiederhergestellt werden. Da das Gewässer auf der Grundstücksseite des Nachbarn des Antragstellers nicht verbreitert werden muss, liegt auch kein Fall der Unmöglichkeit im Sinne des Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG vor.
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(c) Eine Nichtigkeit des Bescheids gem. Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG kann auch nicht darin gesehen werden, dass keine Duldungsanordnung gegenüber der Gemeinde … erlassen wurde. Zum einen führt eine fehlende Duldungsanordnung nicht zur Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des Grundverwaltungsakts, sondern nur zu einem Vollstreckungshindernis. Zum anderen ist diese hier nicht erforderlich, da nicht zu erwarten ist, dass sich die Gemeinde … gegen den Rückbau wendet, sondern auch sie die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände fordert.
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(d) Soweit der Antragsteller auf das widersprüchliche Verhalten im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung vom 25.04.2021 (Az. …*) hinweist, hat er auch hier die Nichtigkeit des Bescheids nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat diese Baugenehmigung dem Gericht nicht vorgelegt. Darüber hinaus ist die Argumentation des Antragstellers dahingehend nicht schlüssig. Das behauptete Abstandsgebot dürfte sich – wenn überhaupt – auf die Böschungsoberkante vor Einbringung der Wasserbausteine bezogen haben, sodass die Argumentation des Antragstellers nicht verfängt.
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(e) Bei der bereits verwirklichten Uferbefestigung handelt es sich um einen Gewässerausbau im Sinne des § 67 WHG. Eine dieser Feststellung entgegenstehende Zusage bzw. Zusicherung seitens des Antragsgegners, dass es sich um eine Maßnahme der Gewässerunterhaltung handle, liegt nicht vor (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.12.2020 – B 7 K 19.230 – Seite 9; BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 8 ZB 21.668 – Seite 4 f.). Das Gericht kann hier kein widersprüchliches Verhalten des Antragsgegners erkennen, das zu einer Nichtigkeit des Bescheids führen würde.
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(f) Eine Nichtigkeit des Bescheids vom 30.12.2016 kann das Gericht auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Willkürverbot im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG erkennen. Soweit der Antragsteller moniert, dass im Rahmen der Auswahl des Störers andere rechtswidrig handelnde Eigentümer nicht herangezogen worden seien, ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor Gleichheit im Unrecht schützt. Das Auswahlermessen im bestandskräftigen Bescheid leidet jedenfalls nicht an einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler, der zur Nichtigkeit des Bescheides führen würde. Der Antragsteller hat das Gewässer auf seiner Grundstückseite massiv mit Wasserbausteinen unerlaubt ausgebaut, während andernorts offensichtlich „nur“ Auffüllungen vorgenommen wurden, so dass anderweitige wasserrechtswidrige Handlungen insoweit schon nicht mit dem Handeln des Antragstellers vergleichbar sind. Daher ist die Störerauswahl rechtlich nicht zu beanstanden, jedenfalls stellt diese keinesfalls einen Nichtigkeitsgrund i.S.d. Art. 44 BayVwVfG dar.
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(g) Die Nichtigkeit der Rückbau- und Wiederherstellungsanordnung liegt auch nicht in einer nicht als hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage. Derartige Anordnungen können auf der wasserrechtlichen Generalklausel (§ 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayWG) fußen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass vorliegend eine fehlerhafte Ermächtigungsgrundlage zur Nichtigkeit der Grundverfügung führen würde. Vielmehr rügt der Antragsteller – erfolglos –, ob die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage vorliegen, was kein Gegenstand im hiesigen Verfahrensstadium mehr ist.
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bb) Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 29 ff. VwZVG) sind ebenfalls gegeben. Das Zwangsgeld ist ein zulässiges Zwangsmittel zur Vollstreckung eines Verwaltungsakts, mit dem eine Handlung gefordert wird (Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Im Bescheid vom 30.12.2016 wurde ein bestimmtes Zwangsmittel (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) – das Zwangsgeld – in bestimmter Höhe (Art. 36 Abs. 5 VwZVG), hier 1.000 EUR, und unter Setzung einer Erfüllungsfrist angedroht. Das Zwangsmittel ist auch bestimmt, vgl. Art. 36 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 VwZVG, da die Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung in Nr. 1 des Bescheids vom 30.12.2016 eine einheitliche Pflicht des Antragstellers darstellt.
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cc) Nachdem der Antragsteller der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung nach rechtskräftigem Abschluss des Planfeststellungs- bzw. -genehmigungsverfahrens nicht nachgekommen ist (Az. B 7 K 19.230), kann der Antragsgegner das fällig gewordene Zwangsgeld auch vollstrecken. Eine Androhung der Ersatzvornahme nach Art. 36 i.V.m. Art. 32 VwZVG kann dem Schreiben vom 16.05.2022 ersichtlich nicht entnommen werden.
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3. Der Antrag ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 Satz 1 Halbs. 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.