Titel:
Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge (hier: E-Scooter), Amphetamin/Methamphetamin-Genuss im Straßenverkehr, Erforderlichkeit einer MPU
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG a.F. § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y
GG Art. 80 Abs. 1 Satz 2
FeV § 3 Abs. 1 und Abs. 2
FeV § 11 Abs. 7
Schlagworte:
Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge (hier: E-Scooter), Amphetamin/Methamphetamin-Genuss im Straßenverkehr, Erforderlichkeit einer MPU
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47059
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2022 angeordnete Untersagung des Führens von E-Scootern, Mofas und anderen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen.
2
Am 11. Mai 2022 führte der Antragsteller gegen 1:40 Uhr einen E-Scooter auf Höhe der Kreuzung … in …, als bei ihm eine allgemeine Verkehrskontrolle durchgeführt wurde. Es wurde ein freiwilliger Alkoholtest vorgenommen, woraus sich eine Atemalkoholkonzentration von 0,95 mg/l ergab. Um 2:16 Uhr wurde im Klinikum … eine Blutentnahme vorgenommen, bei der eine Blutalkoholkonzentration von 1,92 Promille festgestellt wurde.
3
Am 4. Juni 2022 gegen 1:00 Uhr führte der Antragsteller einen E-Scooter in der … in … unter dem Einfluss von Alkohol und Methamphetamin. Eine um 1:32 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,32 Promille und einen Methamphetamin-Wert von 121 ng/ml.
4
Am 8. Juli 2022 gegen 21:45 Uhr fuhr der Antragsteller mit einem E-Scooter auf der … in … auf der Fahrbahn in Schlangenlinien. Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle wurde um 21:45 Uhr ein Atemalkohol-Wert von 0,42 mg/l festgestellt. Der Antragsteller räumte hierbei ein, Crystal Meth konsumiert zu haben. Zudem händigte er auf Nachfrage der Beamten 1,1 Gramm (brutto) Crystal Meth und eine Glasbong aus. Eine um 22:22 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,72 Promille. Das Ergebnis der chemisch-toxikologischen Untersuchung verlief positiv auf Methamphetamine (315 ng/ml) und Amphetamine (61 ng/ml).
5
Am 27. Juli 2022 gegen 23:50 Uhr führte der Antragsteller wiederum einen E-Scooter und wurde von den diensthabenden Beamten in der … in … einer Personenkontrolle unterzogen, da er in Schlangenlinien fuhr. Ein freiwilliger Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,33 mg/l. Eine Blutentnahme am 28. Juli 2022 um 0:48 Uhr ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,78 Promille. Die chemisch-toxikologische Untersuchung wies 41 ng/ml Amphetamin und 443 ng/ml Methamphetamin nach. Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. Oktober 2022 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass diese beabsichtige, dem Antragsteller das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu untersagen, wobei er Gelegenheit zur Äußerung hierzu erhielt.
6
Mit Bescheid vom 16. November 2022, zugegangen am 18. November 2022, untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit sofortiger Wirkung das Führen von E-Scootern, Mofas und anderen fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen (E-Scooter und sonstige fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge i.S.v. § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr – FeV). Die Berechtigung zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge erlösche mit der Untersagung (Ziff. 1). Der sofortige Vollzug dieses Bescheids werde angeordnet (Ziff. 2). Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 150,00 EUR festgesetzt. Es würden Auslagen für die Postzustellung in Höhe von 5,26 EUR erhoben. Der Gesamtbetrag von 155,26 EUR werde gesondert von der Stadtkasse … in Rechnung gestellt (Ziff. 3).
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Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a, 1 lit. b, 1 lit. d und 1 lit. e des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), § 6 Abs. 3 Nr. 1 StVG i.V.m. § 3 Abs. 1 FeV müsse das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr untersagt werden, wenn sich der verantwortliche Fahrzeugführer als ungeeignet zum Führen dieser Fahrzeuge erwiesen habe. Gemäß § 3 Abs. 2 FeV würden die §§ 11 bis 14 FeV auch für das Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge gelten. Konsumenten von Amphetamin und Methamphetamin (harte Drogen) seien gemäß § 3 Abs. 2 FeV und der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV nicht geeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (E-Scooter und sonstige fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge i.S.v. § 4 Abs. 1 FeV). Aufgrund der vorliegenden Befundkonstellation im Rahmen des Vorfalls am 8. Juli 2022 könne ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme und damit zum Zeitpunkt des Vorfalls unter den nachgewiesenen berauschenden Mitteln (Alkohol, Crystal Meth/Methamphetamin, Amphetamin) stand. Am 27. Juli 2022 habe sich der Antragsteller gemäß des erstellten Gutachtens zum Zeitpunkt der Kontrolle unter Einfluss von Alkohol sowie Crystal Meth befunden und sei damit im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit gewesen.
8
Der Antragsteller habe am 4. Juni 2022, am 8. Juli 2022 und 27. Juli 2022 einen E-Scooter, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug i.S.v. § 4 Abs. 1 FeV, unter Drogeneinfluss (Amphetamin und Methamphetamin) im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Deshalb habe er sich als ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen erwiesen, da bereits der einmalige bloße Konsum ohne Bezug zum Straßenverkehr die Ungeeignetheit zur Folge habe. Erschwerend sei dabei der zusätzliche Mischkonsum mit Alkohol zu werten.
9
Aufgrund des Konsums von harten Drogen habe sich der Antragsteller gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV zur Überzeugung der Behörde auch ohne zusätzliche Begutachtung der Fahreignung im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) als ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen i.S.v. § 4 Abs. 1 FeV erwiesen. Anhaltspunkte, die gegen die Annahme eines Regelfalls i.S.d. Nr. 3 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 der FeV sprechen würden, seien weder dargelegt worden noch ersichtlich. Die Maßnahmen der Behörde bei Betäubungsmittelkonsum seien speziell in § 14 FeV geregelt. Entsprechend den Richtlinien zur Kraftfahreignung gemäß der Anlage 4, Nr. 9.1 zu § 14 FeV bestehe bei Konsumenten von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) in der Regel keine Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Dies gelte erst recht, wenn wie hier ein E-Scooter mit einer Konzentration von mehr als 250 ng/ml (315 ng/ml und 443 ng/ml) der harten Droge Metamphetamin geführt worden sei. Um die Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr, die von Konsumenten harter Drogen ausgehe, abzuwehren, werde dem Antragsteller das Führen führerscheinfreier Kraftfahrzeuge i.S.d. § 4 Abs. 1 FeV untersagt. Da insbesondere auch die Methamphetaminkonzentration im Blut des Antragstellers oberhalb von 250 ng/ml gelegen habe, sei bei ihm von einem exzessiven, nicht kalkulierbaren Drogenkonsum auszugehen, der das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge verbiete. Gerade in dieser Fallkonstellation bestehe Anlass zu der begründeten Annahme, dass er in Zukunft erneut ein fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug im Zustand der Nichteignung führen und damit eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen werde.
10
Die sofortige Vollziehung des Bescheids liege gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse. Seit der Zustellung des Bescheids bestehe für den Antragsteller keine Berechtigung mehr zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge. Das besondere öffentliche Interesse verlange, dass zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignete Personen sofort an der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr gehindert würden. Die Teilnahme des Antragstellers am öffentlichen Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen würde aufgrund seiner Ungeeignetheit eine Gefahr für die Gesundheit und das Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer bedeuten, so dass der sofortige Vollzug der Untersagung erforderlich sei.
11
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragen,
die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid der Stadt … vom 16.11.2022, Az.: … erhobenen Klage wiederherzustellen.
12
Zwar sei es richtig, dass der Antragsteller im betreffenden Zeitraum gelegentlich Drogen konsumiert habe, er sei jedoch weder süchtig noch ein Dauerkonsument. Vielmehr habe der Antragsteller im vergangen Juni/Juli eine persönliche Krise durchlebt und versucht, sich durch gelegentlichen Drogenkonsum davon abzulenken. Dem Antragsteller sei vollkommen bewusst, dass der Konsum von Rauschmitteln gleich welcher Art keine tragfähige Lösung für etwaige Probleme darstelle, doch damals habe er sich nicht anders zu helfen gewusst. Seit dem letzten im Bescheid genannten Vorfall habe der Antragsteller keine weiteren Rauschmittel konsumiert und sei zu der Einsicht gekommen, dass er künftig bei Problemen Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen könne und müsse. Hierbei stehe ihm seine gesamte Familie nach bestem Wissen und Gewissen zur Seite. Im Zuge der im Bescheid genannten Vorfälle sei es niemals zu konkreten Gefahrensituationen für andere Verkehrsteilnehmer oder sonstige Dritte gekommen. Der Antragsteller sei im Alltag gerade auf die Benutzung von E-Scootern angewiesen.
13
Dem Bescheid der Antragsgegnerin liege eine ermessensfehlerhafte Entscheidung zu Grunde. Ausweislich der Bescheidsbegründung sei die Antragsgegnerin ohne weitere Sachprüfung davon ausgegangen, dass der Antragsteller ungeeignet i.S.d. § 3 FeV sei. Hierbei sei verkannt worden, dass zwischen dem ersten Vorfall am 11. Mai 2022 und dem Erlass des gegenständlichen Bescheids am 16. November 2022 über ein halbes Jahr vergangen sei. Allein aufgrund der Zeitspanne seien zumindest Zweifel dahingehend angezeigt gewesen, ob tatsächlich noch von einer Ungeeignetheit des Antragstellers i.S.d. § 3 FeV zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung auszugehen war. Vor Bescheiderlass sei die Antragsgegnerin daher angehalten gewesen, weitere Nachforschungen in der Sache zu betreiben. Insbesondere sei die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angezeigt gewesen. Bei Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV handle es sich lediglich um eine Vermutung. Die letztliche Entscheidung sei stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu treffen. Gerade, da es sich beim Antragsteller nicht um einen Dauerkonsumenten handle und deswegen für die Zukunft keine weiteren Vorfälle zu erwarten gewesen seien, sei die Einholung einer psychologischen Begutachtung des Antragstellers notwendig gewesen. Weiter verstoße die generelle Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei nicht ersichtlich, weswegen eine nur partielle und auf gewisse Fahrzeugtypen beschränkte Untersagung nicht als milderes Mittel in derselben Art und Weise den gewünschten Erfolg erzielt hätte. Besonders hinsichtlich der Untersagung des Führens eines elektrischen Rollstuhls erschließe sich die Handlungsweise der Antragsgegnerin nicht. Weder habe es diesbezügliche Vorfälle gegeben noch lasse sich aufgrund des herangezogenen Sachverhalts eine Ungeeignetheit des Antragstellers zur Nutzung eines solchen Rollstuhls ableiten. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Antragsteller auf die Nutzung von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen tatsächlich angewiesen sei, erscheine die vollständige Untersagung ohne vorheriges medizinisch-psychologisches Gutachten unverhältnismäßig. Der Antragsgegnerin sei es möglich gewesen, die Untersagung unter geeignete Auflagen oder Bedingungen zu stellen. Eine zeitliche Befristung der Untersagung oder die Auflage, dass entsprechende Abstinenznachweise vorzuweisen seien, seien ebenso effektive, aber weniger einschneidende Handlungsalternativen gewesen.
14
Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei ebenfalls zu entsprechen, da unter Abwägung des Aussetzungsinteresses des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auf die Nutzung von erlaubnisfreien Fahrzeugen im Alltag angewiesen sei (Arbeitsweg, Einkäufe). Dem Antragsteller sei es unzumutbar, längere Wegstrecken zu Fuß oder per Fahrrad zurückzulegen, da er hierzu krankheitsbedingt nicht in der Lage sei.
15
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 19. Dezember*2022, beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
16
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Antragsteller wegen des wiederholten Führens eines E-Scooters unter dem Einfluss der berauschenden Wirkung von Alkohol, Methamphetamin und Amphetamin das Führen von motorisierten, fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen mit sofortiger Wirkung untersagt worden sei. Er habe sich als persönlich ungeeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen erwiesen. Hinsichtlich der seitens des Antragstellers geforderten Beibringung einer MPU bei Betäubungsmittelkonsum i.S.d. § 14 FeV stehe zur Überzeugung der Behörde nach § 11 Abs. 7 FeV die Ungeeignetheit zum Fahren fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge fest, da der Antragsteller harte Drogen konsumiert habe und keine Einwände vorlägen, die die Annahme eines Regelfalls nach Nr. 3 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 zur FeV in Frage stellen würden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestehe kein Anlass, Fahreignung und Trennungsvermögen bei nachgewiesenem Konsum harter Drogen zum Gegenstand einer weiteren Überprüfung zu machen. Somit unterbleibe die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Begründung des Antragstellers, dass zwischen dem ersten Fall und dem Erlass des Bescheids ein halbes Jahr vergangen sei, sei unerheblich, da bereits eine Fahrt unter dem Einfluss von harten Drogen zur Ungeeignetheit führe und in allen drei Fällen ein aktueller zeitnaher Bezug zum Zeitpunkt der Untersagung bestanden habe. Hinsichtlich des Vortrags des Antragstellers, dass eine konkrete Einzelfallprüfung der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV hätte erfolgen müssen, da es sich um keinen Dauerkonsum handle, wurde von der Antragsgegnerin auf die erfolgte Anhörung des Antragstellers mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 verwiesen, auf die keine Äußerung seitens des Antragstellers erfolgt sei. Damit seien keine Anhaltspunkte, die gegen die Annahme eines Regelfalls i.S.d. Nr. 3 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 der FeV sprächen, ersichtlich gewesen.
17
Das Vorbringen zur persönlichen Krise des Antragstellers sei unbeachtlich, da jeglicher Konsum von Amphetamin bzw. Methamphetamin zum Verlust der Fahreignung führe. Beim Antragsteller seien zudem extrem hohe Methamphetaminkonzentrationen von 121 ng/ml, 315 ng/ml und 443 ng/ml nachgewiesen worden. Diese Konzentrationen lägen in zwei Fällen über der Kalibrierungsnorm von 250 ng/ml, was für einen exzessiven und nicht kalkulierbaren Drogenkonsum spreche. Erschwerend komme der Mischkonsum mit Alkohol hinzu.
18
Soweit der Antragsteller vorbringe, es sei niemals zu konkreten Gefahrensituationen für andere Verkehrsteilnehmer oder Dritte gekommen, sei dies unerheblich, da zum Schutz des öffentlichen Interesses die sofortige Untersagung des Führens von motorisierten fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen notwendig gewesen sei, damit eben jede weitere zukünftige Gefährdung anderer Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr und Dritter abgewendet werde.
19
Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sei der Antragsteller auf ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug mit Trethilfe (Fahrrad) zu verweisen. Die beurteilte Fahreignung sei gerade nur auf das Führen motorisierter fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge i.S.v. § 4 Abs. 1 FeV beschränkt worden. Zum Vorbringen des Antragstellers zur Untersagung auch des Führens eines motorisierten Rollstuhls, obwohl sich in der Vergangenheit kein Vorfall mit einem solchen Fahrzeug ereignet habe, sei auszuführen, dass es nicht darauf ankomme, mit welchem motorisierten fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen werde. Des Weiteren sei der Antragsteller auch in der Vergangenheit bereits mit verschiedenen Trunkenheitsfahrten beim Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs polizeilich in Erscheinung getreten. Die nunmehr bekannt gewordenen Fahrten mit einem E-Scooter unter Betäubungsmittel- und zusätzlich unter Alkoholeinfluss bewiesen, dass davon auszugehen sei, dass beim Antragsteller ein Drogen- bzw. Alkoholproblem bestehe.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
21
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
22
1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
23
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der vorliegende Antrag keinen Erfolg, da die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2022 bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig. Aufgrund der feststehenden Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen durfte diesem das Führen solcher Fahrzeuge untersagt werden.
24
a. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a.a.O. § 80 Rn. 36). Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass die Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht. Denn es liegt in der Regel auf der Hand, dass die Teilnahme eines für ungeeignet erachteten Fahrzeugführers am Straßenverkehr zu erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer führt, und dass ein solcher Fahrzeugführer zur Vermeidung der von ihm ausgehenden akuten Gefahr durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Entziehungsbescheids schnellstmöglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen ist. Deshalb sind in solchen Fällen an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BayVGH, B.v. 25.4.2022, 11 CS 21.2988 – juris Rn. 19). Auch für die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV getroffene Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge gelten diese reduzierten Anforderungen bezüglich der Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Denn die Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung – bzw. unter dem Einfluss von Rauschmitteln – mit jedem Fahrzeug, also auch mit einem E-Scooter, bedeutet eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs, so dass auch nach § 316 StGB nicht nur die Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Strafe steht (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2010 – 11 CS 10.2095 – juris, Rn. 14 m.w.N.).
25
Ein solcher Fall lag hier aus Sicht der Antragsgegnerin vor. Sie hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet.
26
Konkrete Darlegungen, warum der Antragsteller gerade auf die Nutzung von erlaubnisfreien Kraftfahrzeugen im Alltag, statt z.B. die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, angewiesen ist, erfolgten seitens des Antragstellers nicht. Ebenso wenig wurde ausgeführt, aufgrund welchen Krankheitsbildes der Antragsteller konkret außerstande sei, längere Wegstrecken zu Fuß oder per Fahrrad zurückzulegen.
27
Es ist daher ausreichend, dass der streitgegenständliche Bescheid in der Sache darlegt, dass der Antragsteller aufgrund seiner Ungeeignetheit zum Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und somit der Allgemeinheit darstellt und mit den angeordneten Maßnahmen nicht bis zur Bestandskraft des Bescheids zugewartet werden kann.
28
b. Ziffer 1 des Bescheids erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die seitens des Antragstellers begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Untersagung, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, ist damit abzulehnen.
29
aa. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge ist ein Dauerverwaltungsakt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Untersagung ist deshalb auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5/20 – juris Rn. 10 ff).
30
bb. Die Antragsgegnerin hat die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a, 1 lit. b, 1 lit. d und 1 lit. e, Abs. 3 Nr. 1 StVG i.V.m. § 3 Abs. 1 FeV gestützt.
31
Zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. y StVG in der bis 27. Juli 2021 geltenden Fassung als die im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des § 3 Abs. 1 FeV geltende Verordnungsermächtigung für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist fraglich, ob jene Norm den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz genügt hat, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden bzw. sich zumindest mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen müssen (BayVGH, B.v. 25.4.2022 – 11 CS 21.2988 – juris Rn. 21). Jene Frage hat sich zwar durch die Neufassung des § 6 StVG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3091) nicht erledigt. Nach der zum 28. Juli 2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 6 StVG wird das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen unter anderem über die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b StVG n. F.). Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob die – hier unveränderte – Verordnung auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht, ist der Zeitpunkt ihres Erlasses (VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris Rn. 24 ff). Die endgültige Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung für die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV) muss jedoch einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob die pauschale Verweisung in § 3 Abs. 2 FeV auf die für Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber geltenden Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV hinsichtlich der Klärung von Eignungszweifeln angesichts des im Vergleich dazu geringeren Gefährdungspotentials fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge dem Verhältnismäßigkeitsgebot gerecht wird (BayVGH, B.v. 25.4.2022 – 11 CS 21.2988 – juris Rn. 21 ff). In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist insoweit Zurückhaltung geboten (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris Rn. 16).
32
Die Rechtmäßigkeit des § 3 FeV, insbesondere die Verfassungsmäßigkeit von dessen Rechtsgrundlage sowie die Vereinbarkeit des § 3 FeV mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurden im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt. Die Kammer geht – auch weiterhin wie in ihrer bisherigen Rechtsprechung – jedenfalls im Rahmen einer summarischen Prüfung im Eilrechtsschutz von der Rechtmäßigkeit der Regelungen des § 3 FeV im Hinblick auf die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge aus. Zwar wurden an der Rechtmäßigkeit des § 3 FeV, wie dargestellt, teilweise in der jüngeren Rechtsprechung Zweifel geäußert (z.B. BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris, Rn. 22 ff.; BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris, Rn. 32 ff). Jedoch ist bisher keine gerichtliche Entscheidung ersichtlich, die – über die Äußerung bloßer Zweifel hinaus – eine Rechtswidrigkeit des § 3 FeV positiv feststellt oder von einer solchen ausgeht. Die Kammer sieht daher derzeit keinen Anlass, ihre bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage aufzugeben (vgl. hierzu VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris, mit sehr ausführlicher Begründung für die Annahme der Rechtmäßigkeit des § 3 FeV).
33
cc. Gemäß § 3 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde – ohne dass ihr insoweit ein Entschließungsermessen zukommt (Begemann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 1.12.2021, FeV, § 3 Rn. 45) – das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen erweist. Diese Vorschrift gilt u.a. für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris, Rn. 12). Gemäß § 3 Abs. 2 FeV finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV bestehen Eignungsbedenken insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen und es unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die vorherige Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens (vgl. VG Würzburg, U.v. 23.2.2022 – W 6 K 21.1113 – juris Rn. 23).
34
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge untersagt. Zu dieser Fahrzeugkategorie zählen auch Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne von § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV), also beispielsweise Elektroroller (sogenannte E-Scooter). Hierbei handelt es sich um Kraftfahrzeuge (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 StVG). Wer ein solches Elektrokleinstfahrzeug führt, unterliegt zwar den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) (vgl. § 1 Abs. 1, § 9 i.V.m. §§ 10 bis 13 KFV). Uneingeschränkt gelten auch die Regelungen des § 24a StVG zum Konsum von Alkohol und berauschenden Mitteln. Eine Fahrerlaubnis ist aber zum Führen von Elektrokleinstfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr nicht erforderlich. Vielmehr genügt hierfür die Vollendung des 14. Lebensjahres (§ 3 eKFV). Ein Elektroroller wird von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV erfasst, wonach das Führen jener Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen keiner Fahrerlaubnis bedarf.
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Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin und Methamphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln – BtMG – i.V.m. Anlage II, III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2021 – 11 CS 21.390 – juris Rn. 15; B.v. 13.3.2020 – 11 ZB 20.1 – juris Rn. 11; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11; B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn. 10 jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig sogenannte harte Drogen im Körper des Betroffenen und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder, wenn der Betroffene die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 a.a.O. Rn. 15 f.; B.v. 13.3.2020 a.a.O. Rn. 11 ff. jeweils m.w.N.; B.v. 3.5.2021 – 11 CS 21.701 – BeckRS 2021, 10959 Rn. 17 f.). Mithin indiziert allein der nachgewiesene Konsum des Betäubungsmittels Amphetamin oder Methamphetamin die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
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Ausnahmen von dieser Regel werden grundsätzlich nur anerkannt, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeiten, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, nicht erheblich herabgesetzt sind (vgl. Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV). Im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren obliegt es grundsätzlich dem Fahrerlaubnisinhaber, das in seiner Person gegebene Bestehen solcher atypischen Umstände substantiiert darzulegen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2019 – 11 CS 19.1101 – BeckRS 2019, 17431 Rn. 22).
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dd. Dies zugrunde gelegt hat sich der Antragsteller als ungeeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge erwiesen. Der Antragsteller hat einen Elektroroller und damit ein fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug unter der Wirkung berauschender Mittel, Methamphetamin und Amphetamin, im Straßenverkehr geführt.
38
Am 4. Juni 2022 führte der Antragsteller einen E-Scooter im Straßenverkehr unter der Wirkung von 121 ng/ml Methamphetamin. Am 8. Juli 2022 führte der Antragsteller erneut einen E-Scooter im Straßenverkehr unter der Wirkung von 315 ng/ml Methamphetamin und 61 ng/ml Amphetamin. Auch am 27. Juli 2022 führte der Antragsteller einen E-Scooter im Straßenverkehr unter der Wirkung von 443 ng/ml Methamphetamin und 41 ng/ml Amphetamin. Der gelegentliche und damit mehrfache Konsum von Drogen wurde seitens des Antragstellers im Rahmen der Antragsschrift zugestanden. Ebenfalls gab der Antragsteller bei der Kontrolle am 8. Juli 2022 gegenüber den diensthabenden Beamten zu, an diesem Abend Crystal Meth konsumiert zu haben. Im forensisch-toxikologischen Gutachten bezüglich des Vorfalls am 8. Juli 2022 wird festgestellt, dass ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss von Alkohol, Crystal Meth/Methamphetamin und Amphetamin stand. Nach dem forensisch-toxikologischen Gutachten zum Vorfall am 27. Juli 2022 ist für den Tatzeitpunkt eine Fahrt unter dem Einfluss von Alkohol und Crystal Meth im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit nachgewiesen. Die Einnahme sogenannter harter Drogen steht damit fest. Dass sich diese Stoffe aufgrund anderer Ursachen als durch die Einnahme von Betäubungsmitteln im Blut des Antragstellers befunden haben könnten, wurde nicht vorgetragen und ist nicht ersichtlich.
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Dass im Blut des Antragstellers Amphetamin und Methamphetamin in Konzentrationen festgestellt wurden, die bereits für sich genommen zu einer Beeinträchtigung der Fahreignung führen können (vgl. Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog für Amphetamin und Methamphetamin: festgelegter Grenzwert von jeweils 25 ng/ml; vgl. auch BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris Rn. 20), ist vorliegend irrelevant. Dieser Grenzwert ist für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 und 3 StVG maßgeblich. Im Fahrerlaubnisrecht führt hingegen jeglicher Methamphetamin- bzw. Amphetaminkonsum unabhängig von der Menge und ohne konkreten Zusammenhang mit einer Teilnahme am Straßenverkehr zum Verlust der Fahreignung (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV und stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – Blutalkohol 55, 264 – juris Rn. 10 m.w.N., vgl. auch BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris Rn. 20).
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Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall der Konsum der genannten Betäubungsmittel ausnahmsweise i.S.d. Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV nicht zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach deren Nr. 9.1 hätten führen können, sind nicht ersichtlich; insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seine Fahreignung im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt wiedergewonnen haben könnte. Ein derartiger Vortrag erfolgte nicht substantiiert. Die pauschale Behauptung einer künftigen Verhaltensänderung hin zum Verzicht auf die Einnahme von Rauschmitteln ist insoweit nicht ausreichend.
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Der Antragsteller war somit bereits nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und hat unter der Wirkung von Betäubungsmitteln mit einem Kraftfahrzeug (E-Scooter, § 1 Abs. 2 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a FeV, § 1 Abs. 1 eKFV) am Straßenverkehr teilgenommen. Damit kommt es auf den im Rahmen der genannten Vorfälle nachgewiesenen Mischkonsum mit Alkohol vorliegend nicht mehr an. Da bereits der einmalige Konsum harter Drogen die Fahreignung in der Regel entfallen lässt und der Antragsteller zudem unter Drogeneinfluss – unabhängig davon, ob Ausfallerscheinungen oder Fahruntüchtigkeit gegeben waren – im Straßenverkehr unterwegs war, durfte die Antragsgegnerin grundsätzlich allein aufgrund dieses Umstands von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen, ohne vorher die Ungeeignetheit durch ein positives Gutachten feststellen zu lassen (§ 11 Abs. 7 FeV). Es liegt ein Regelfall im Sinne der Vorbemerkung Nr. 3 zu Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV vor.
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ee. Entgegen des Vorbringens des Antragstellers durfte die Antragsgegnerin diesem das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge untersagen, obwohl zwischen den dargestellten Vorfällen im Rahmen der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr unter Einfluss von Betäubungsmitteln zwischen Mai und Juli 2022 und der Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge mit Bescheid vom 16. November 2022 ein Zeitraum von vier Monaten liegt. Eine einjährige Abstinenz im Sinne der Nr. 9.5 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV im Zeitraum zwischen den Vorfällen und der Untersagung ist in diesem Zeitrahmen nicht möglich. Trotz der behördlichen Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG), muss die Behörde in den Fällen, in denen ein Fahrzeugführer wegen eines Betäubungsmittelkonsums in Erscheinung getreten ist, nicht von Amts wegen Ermittlungen darüber anstellen, ob es zu einem Verhaltenswandel gekommen ist, der ggf. die Wiedergewinnung der Fahreignung nach sich zieht. Zwar ist die Verwaltung nach Art. 24 Abs. 2 BayVwVfG gehalten, alle für den Einzelfall bedeutsamen – einschließlich der für die Beteiligten günstigen – Umstände zu berücksichtigen. Die Amtsermittlungspflicht besteht jedoch stets nur in dem Umfang, in dem der Sachverhalt, insbesondere das Vorbringen der Beteiligten, hierzu Anlass gibt (BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 27). Dafür genügt selbst die bloße Behauptung der Drogenabstinenz regelmäßig nicht, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 17.12.2021 – 11 CS 21.2179 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 = juris Rn. 25 ff.; B.v. 17.6.2010 – 11 CS 10.991 – juris Rn. 21 f.; B.v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – juris Rn. 19). Der Frage, ob die Fahreignung wiedererlangt wurde, muss deshalb nur nachgegangen werden, wenn der Betroffene entweder einen einschlägigen Verhaltenswandel behauptet oder – was selten der Fall sein wird – unabhängig hiervon hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen. Andernfalls darf die Behörde sogar nach dem Ablauf der „verfahrensrechtlichen“ Einjahresfrist weiterhin davon ausgehen, dass sich an der mangelnden Fahreignung des Betroffenen nichts geändert hat. Lediglich nach dem Verstreichen einer noch größeren Zeitspanne wandelt sich auch bei fehlender Behauptung einer Verhaltensänderung ein zunächst im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV feststehender Sachverhalt in eine Fallgestaltung, bei der die Einholung eines Gutachtens vorausgesetzt wird (BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 27). Hier handelt es sich um drei nachgewiesene Vorfälle der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr unter Einfluss von Betäubungsmitteln innerhalb von zwei Monaten, wobei ein Mischkonsum, auch mit Alkohol, vorlag und jeweils Konzentrationen im Blut von erheblicher Menge nachgewiesen wurden. Die bloße Behauptung des Antragstellers, künftig bei Problemen nicht mehr auf den Konsum von Rauschmitteln zurückzugreifen, bewirkt angesichts dieser Tatsachen keinen glaubhaften und nachvollziehbaren Vortrag, der Zweifel am Vorliegen der Ungeeignetheit des Antragstellers i.d.S. nach – im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – nur fünf Monaten nach dem letzten dokumentierten Vorfall entstehen ließe. Dies gilt auch für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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ff. Die Anordnung der Antragsgegnerin erging auch verhältnismäßig.
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Bei einer Untersagung nach § 3 Abs. 1 FeV wegen nicht (mehr) bestehender Fahreignung steht der Fahrerlaubnisbehörde kein Entschließungs-, jedoch ein Auswahlermessen bezüglich Art und Umfang der zu treffenden Maßnahmen zu. Bei der Auswahl der entsprechenden Maßnahme ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Begemann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 1.12.2021, FeV, § 3 Rn. 45). Bei erwiesener Ungeeignetheit ist die Untersagung in der Regel ermessensfehlerfrei, um eine Gefährdung des Verkehrs auszuschließen. Das Ermessen kann sich sogar auf eine Pflicht zum Einschreiten verdichten, wenn ein milderes Mittel, d.h. eine Auflage, nicht ausreicht, um den Eignungsmangel auszugleichen. Dies wird in der Regel bei erwiesener Ungeeignetheit der Fall sein, um den Verkehr in hinreichendem Maße vor Gefahren zu schützen, weil sich mit der Feststellung der Nichteignung – anders als bei der bedingten Fahreignung – grundsätzlich eine abstrakte Gefährlichkeit des Betroffenen für den Straßenverkehr manifestiert hat. In diesen Fällen reduziert sich das Auswahlermessen der Fahrerlaubnisbehörde regelmäßig auf null, so dass das Führen von Fahrzeugen zu untersagen ist (Begemann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 1.12.2021, FeV, § 3 Rn. 46). Die vom Antragsteller angeführten Umstände bezüglich der Notwendigkeit der Nutzung fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge im Alltag können damit zu keiner anderen Entscheidung führen. Die berufliche und private Situation des Antragstellers muss daher bei der Entscheidung über die Untersagung außer Betracht bleiben. Insoweit sind auch eine seitens des Antragstellers geforderte zeitliche Befristung der Untersagung oder die Auflage der Vorlage entsprechender Abstinenznachweise kein geeignetes bzw. gleich effektives Mittel, zumal die Ungeeignetheit des Antragstellers in diesem Sinne feststeht, mithin gerade keine bedingte Fahreignung vorliegt.
45
Sofern sich ein Teilnehmer am Straßenverkehr als hierfür ungeeignet erwiesen hat, ist eine nur partielle und auf gewisse Kraftfahrzeugtypen beschränkte Untersagung des Führens kein milderes Mittel, das in derselben Art und Weise den gewünschten Erfolg erzielt hätte, wie eine umfassende Untersagung des Führens jeglicher fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV. Insoweit wurden auch motorisierte Krankenfahrstühle i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV zu Recht von der Untersagung erfasst, da eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen aufgrund der vorliegenden Ungeeignetheit generell ausgeschlossen werden soll. Auch motorisierte Krankenfahrstühle weisen eine im Vergleich zu mit Muskelkraft betriebenen Fahrzeugen höhere Geschwindigkeit auf und führen damit zu einer im Vergleich dazu erhöhten Gefährlichkeit im Straßenverkehr.
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Die Antragsgegnerin hat die Untersagung auf fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV beschränkt und somit nicht auf andere fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, insbesondere nicht auf Fahrräder, erstreckt. Dies ergibt sich bereits aus dem Zusammenspiel der Sätze 1 („fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge (…) i.S.v. § 4 Abs. 1 FeV“) und 2 („fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge“) in Ziffer 1 des gegenständlichen Bescheids. Daneben konkretisierte die Antragsgegnerin jenen Begriff im Zuge der Antragserwiderung mit einem Verweis auf das für den Antragsteller nach wie vor mögliche Führen eines Fahrrads als fahrerlaubnisfreies Fahrzeug mit Trethilfe (Schreiben zur Antragserwiderung vom 12. Dezember 2022, S. 3). Die Maßnahme belastet den Antragsteller daher weit weniger als eine ansonsten in der Praxis häufig uneingeschränkt ausgesprochene Untersagung, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. In erster Linie ist es dem Antragsteller damit bis auf Weiteres lediglich untersagt, mit fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen wie E-Scootern am Straßenverkehr teilzunehmen (zur potenziellen Gefährlichkeit dieser Fahrzeuge vgl. LG Köln, B.v. 9.10.2020 – 117 Qs 105/20 – zfs 2021, 287/288; LG Stuttgart, B.v. 12.3.2021 – 18 Qs 15/21 – Blutalkohol 58 [2021], 163/164). Damit verbleibt ihm die Möglichkeit, auf andere fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge auszuweichen, die keine Kraftfahrzeuge sind, also vor allem auf Fahrräder. Diese begrenzte Einschränkung der Mobilität des Antragstellers erscheint aus den dargestellten Gründen angemessen und zumutbar (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris Rn. 18). Die Folgen, die die Untersagung des Führens derartiger Kraftfahrzeuge für seine Lebensführung, insbesondere die Erreichbarkeit seiner Arbeitsstelle, mit sich bringt, sind im Hinblick auf den hohen Rang von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, deren Schutz die wegen des Wegfalls der Fahreignung erforderliche Untersagung dient, als angemessen anzusehen (BayVGH, B.v. 31.7.2019 – 11 CS 19.1101 – juris Rn. 22).
47
2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.
48
3. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.14 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).