Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 12.12.2022 – Au 9 K 21.2294
Titel:

Verpflichtungsklage nach vorheriger Untätigkeitsklage, städtische Baumschutzverordnung, kein Anspruch auf Genehmigung zur Entfernung eines geschützten Gehölzes, Rechtsnatur von Hinweisen in einer Baugenehmigung, Ermessen, kein Anspruch auf Neuverbescheidung

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 2
BSVO § 3 Abs. 1
BSVO § 5
BSVO § 6 Abs. 2
VwGO § 114
Schlagworte:
Verpflichtungsklage nach vorheriger Untätigkeitsklage, städtische Baumschutzverordnung, kein Anspruch auf Genehmigung zur Entfernung eines geschützten Gehölzes, Rechtsnatur von Hinweisen in einer Baugenehmigung, Ermessen, kein Anspruch auf Neuverbescheidung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47011

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt mit seiner Klage zuletzt die Erteilung einer Genehmigung zur Entfernung einer Rotbuche auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ...
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Das Grundstück, auf dem sich die streitgegenständliche Rotbuche befindet, steht im Eigentum der Söhne des Klägers. Die Grundstückseigentümer haben ihr Einverständnis zu der beantragten Entfernung (Fällung) des Baumes erteilt.
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Auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 Nr. 7, § 29 Abs. 1 und 2, § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetztes (BNatSchG) hat die Beklagte am 14. März 2020 (veröffentlicht im Amtsblatt am 20.3.2020, Seite 107) die Verordnung zum Schutz von Bäumen und Sträuchern im Stadtgebiet von ... erlassen (im Folgenden: BSVO). Nach § 1 BSVO (Schutzgegenstand) ist der Bestand an Gehölzen (Bäume und Sträucher) im Stadtgebiet innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach Maßgabe der Verordnung geschützt (Abs. 1). Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BSVO sind insbesondere Gehölze mit einem Stammumfang von mehr als 80 cm (Nr. 1) sowie mehrständige Gehölze, wenn einer der Stämme einen Umfang von mehr als 50 cm hat (Nr. 2) geschützt. Nach § 2 BSVO (Schutzzweck) ist Zweck der Verordnung u.a. eine angemessene innerörtliche Durchgrünung zu gewährleisten (Nr. 1) und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts zu erhalten und zu fördern, insbesondere zur Erhaltung der Lebensgrundlage wildlebender Tiere (Nr. 2), schädliche Umwelteinwirkungen zu mildern, die klimatischen Verhältnisse im Stadtgebiet zu verbessern (Nr. 3) und das Ortsbild in Bezug auf Stadt- und Straßenbild zu erhalten und zu beleben (Nr. 4). § 5 BSVO (Genehmigung und Befreiung) bestimmt in Abs. 1, dass für das Entfernen, Zerstören, Schädigen oder Verändern geschützter Gehölze eine Genehmigung erteilt werden kann wenn,
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1. aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Genehmigung eines Vorhabens besteht und es nicht möglich ist, das Vorhaben ohne eine Entfernung, Zerstörung, Schädigung oder Veränderung von Gehölzen zu verwirklichen; dies gilt jedoch nicht, wenn Gehölze durch eine zumutbare Veränderung des Vorhabens erhalten werden können,
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2. der Bestand oder die Nutzbarkeit eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt wird,
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3. die ausgeübte gewerbliche Nutzung eines Grundstückes unzumutbar beeinträchtigt wird,
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4. der geschützte Gehölzbestand im Verhältnis zur Grundstücksgröße oder zum Grundstücks Zuschnitt eine unzumutbare Beeinträchtigung für die bestehende Nutzung des Grundstückes oder des Nachbargrundstückes darstellt.
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Die weiteren in Nr. 5 bis 7 genannten Fallgruppen (Gewässerunterhalt, Friedhofs- und Biotoppflege) sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.
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Nach § 5 Abs. 2 BSVO ist für das Entfernen, Zerstören, Schädigen oder Verändern geschützter Gehölze eine Genehmigung zu erteilen, wenn Gehölze Altersschäden, Schädlingsbefall, Krankheit oder Missbildung aufweisen und die Erhaltung auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses daran mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BSVO gilt die Genehmigung für Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht als erteilt. § 5 Abs. 4 BSVO bestimmt weiter, dass für erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung einer unmittelbar drohenden Gefahr für Personen sowie für Sachen, wenn der Sachschaden bedeutend ist, die Genehmigung als erteilt gilt. § 5 Abs. 5 BSVO bestimmt, dass von den Verboten der Verordnung im Einzelfall eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 und 3 BNatSchG erteilt werden kann.
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Mit Formblatt vom 5. April 2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Baumfällung auf dem Grundstück ...straße, in ... Bei dem zu beseitigenden Baum handelt es sich um eine Rotbuche mit einem Stammumfang von 325 cm. Die Grundstückseigentümer haben auf dem entsprechenden Formblatt ihr Einverständnis mit dem Antrag zur Baumfällung erklärt. Zur Begründung des Antrags wurde mit beigefügtem Schreiben vom 5. April 2021 ausgeführt, dass sich die betreffende Buche in der Hofzufahrt zu den Grundstücken ...straße,, ... und ...straße, ... und ... befinde. In der Baugenehmigung für die Grundstücke ...straße, ... und ... vom 19. April 2011 (Gz. ...) sei die Aufweitung der Einfahrt ...straße ... von Seiten des Tiefbauamtes der Beklagten verpflichtend gefordert worden. Hierzu sei bereits Grundeigentum erworben, eine eigene Flurnummer abgeteilt und der Einfahrt zugewiesen worden. An dieser Stelle komme es häufig zu gefährlichen Verkehrssituationen, auch mit Fußgängern und Radfahrern. Einfahrende Fahrzeuge behinderten teils den fließenden Verkehr in der ...straße, während ausfahrende Fahrzeuge wegen des dichten Verkehrs die Hofzufahrt blockierten. Durch Begrenzung der linksseitigen Hausmauer sei bei der derzeit noch zu schmalen Ausfahrt kein Einblick des Fußgängerraums möglich, sodass es häufig zu gefährlichen Situationen komme. Um diese zu entschärfen, sei es erforderlich, die Zufahrt aufzuweiten und eine Ausweichfläche für einfahrende Fahrzeuge (auch Fahrräder) zu schaffen. Die Rotbuche stehe innerhalb der verpflichtend zu errichtenden Ausweichstelle, sodass ein Erhalt nicht möglich sei.
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Bei einer Besprechung am 19. Februar 2021 bezüglich der Einfahrtsaufweitung, in der seitens der Beklagten das Bauordnungsamt, das Tiefbauamt und die Untere Naturschutzbehörde teilgenommen haben, wurde zur Zufahrtsituation vom Tiefbauamt der Beklagten geäußert, dass eine Fläche mit einer Breite von 6,00 m vollständig im Bereich des betroffenen Grundstückes vorzusehen sei, so dass sich ein- und ausfahrende Fahrzeuge begegnen könnten. Ein gleichzeitiger Erhalt der Buche mit der Aufweitung der Einfahrt sei nicht möglich. Weiter ist dem von den Eigentümern des betroffenen Grundstücks erstellten Protokoll des Termins zu entnehmen, dass die Untere Naturschutzbehörde einer Fällung der bestehenden Buche zugestimmt habe und eine Ersatzpflanzung vorzusehen sei. Die besprochenen Probleme der Auffahrtsausweitung sollten im Zuge einer Tektur zum Neubauvorhaben in der ...straße ... dargestellt werden.
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Weiter wurde vom Kläger ein Gutachten der Fa. T.,, vom 6. Oktober 2017 vorgelegt, in dem verschiedene Defektsymptome des Baumes benannt werden, die auf eine verminderte Verkehrssicherheit hinweisen würden. Zum einen befänden sich im Stammfußbereich mehrere würgende Wurzeln. Auf der zur Straße befindlichen Seite des Baumes seien verschiedene Wurzelanläufe durch eine Würgewurzel sehr stark in ihrem dicken Wachstum behindert. Ob der Baum noch ausreichend bruchsicher sei, wäre in einer eingehenden technischen Untersuchung mit Hilfe eines Belastungstests zu überprüfen. Darüber hinaus befände sich in etwa 50 cm Abstand zum Stamm des Baumes eine Böschungsmauer. Diese zeige bereits Versprünge im Mauerwerk an, die darauf hindeuten, dass die Mauer durch den Druck der Wurzeln verschoben werde. Aufgrund des Schiefstands sei in der Vergangenheit die Mauer bereits in der Höhe abgetragen worden. Die Mauer befinde sich im statisch wirksamen Wurzelbereich des Baumes. Der Baum weise darüber hinaus einen sogenannten V-Zwiesel auf. Auf beiden Seiten sei eine Gewebetrennlinie erkennbar, was darauf hindeute, dass die eingeschlossene Rinde zwischen den Zwieseln bereits absterbe und einer erhöhten Gefährdung für Fäulnisbildung unterliege. Der V-Zwiesel sei grundsätzlich als erhöht versagensgefährdet einzustufen. Deshalb sei in der Vergangenheit bereits ein Kronensicherungssystem eingebaut und eine maßvolle Kroneneinkürzung vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung werde der V-Zwiesel aber als ausreichend sicher bewertet. Die gegenständliche Buche sei vital, weise aber verschiedene Mängel hinsichtlich ihrer Verkehrssicherheit auf. Der V-Zwiesel sei als dauerhafter Strukturmangel einzustufen. Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Baumaßnahme (Aufweitung einer Zufahrt) sei der Baum als bedingt erhaltenswert einzustufen. Bei einer Verbreiterung der Zufahrt, wie beabsichtigt, sei der gleichzeitige Baumerhalt unmöglich.
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Auf die weiteren Ausführungen im Gutachten der Fa. T.,, wird verwiesen.
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Über den Antrag des Klägers wurde zunächst seitens der Beklagten nicht entschieden.
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Mit Schriftsatz vom 5. November 2021 hat der Kläger zunächst Untätigkeitsklage mit dem Antrag erhoben, die Beklagte zu verpflichten, dem Antrag auf Baumfällung vom 5. April 2021, stattzugeben.
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Mit Bescheid vom 3. Dezember 2021 (Gz. ...) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 5. April 2021 ab.
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Zur Begründung der Entscheidung ist u.a. ausgeführt, dass der im Antrag genannte Baum der städtischen Baumschutzverordnung (BSVO) unterliege, da er die Voraussetzungen des § 1 BSVO erfülle. Nach § 3 Abs. 1 BSVO sei die Entfernung, Schädigung, Zerstörung oder Veränderung geschützter Gehölze verboten. § 5 BSVO sehe die Möglichkeit vor, unter bestimmten Voraussetzungen eine Genehmigung zu erteilen. Dem Antrag des Klägers könne nicht entsprochen werden. Entgegen dem klägerischen Vortrag sei die Herstellung einer ausreichenden Wartefläche in der Baugenehmigung vom 19. April 2011 nicht als Auflage, sondern lediglich als Hinweis unter der Nr. F.2 und 4 aufgeführt. Das Tiefbauamt habe der Unteren Naturschutzbehörde mitgeteilt, dass die Tiefgarage im Innenhof bereits seit rund zehn Jahren bestehe und in dieser Zeit die Grundstückszufahrt trotz fehlender Ausweichflächen dem Tiefbauamt nicht negativ aufgefallen sei. Auch seitens der zuständigen Polizeiinspektion seien keine Probleme im Zusammenhang mit der Grundstückszufahrt bekannt. Eine Auswertung für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 24. November 2021 habe keinen Unfall beim Ausfahren aus den Anwesen ...straße ... bis ... ergeben. Durch das Fehlen der Ausweichfläche bestehe keine konkrete Gefahrenlage für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrssituation könne auf die Herstellung einer Ausweichfläche verzichtet werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BSVO stehe die Erteilung der Fällgenehmigung im Ermessen der Behörde. Hierbei sei neben dem Interesse des Klägers, die Zufahrt zu verbreitern, auch zu berücksichtigen, dass nach derzeitiger Mitteilung des Tiefbauamtes auf die Herstellung der Ausweichfläche verzichtet werden könne. Der Baum befinde sich in einem vitalen, altersgemäßen Zustand. Der Baum werde durch die Baumschutzverordnung geschützt. Zweck der Verordnung sei es, eine angemessene innerörtliche Durchgrünung zu gewährleisten (§ 2 Nr. 1b BSVO). Die Buche erfülle den Zweck der Baumschutzverordnung. Zum einen trage der Baum auch aufgrund seiner Dimension zu einer sehr guten innerörtlichen Durchgrünung bei und belebe aufgrund seiner Größe und Prägnanz zudem das Stadt- und Straßenbild im Bereich der ...straße. Aufgrund seines Alters übernehme der Baum zahlreiche Ökosystemdienstleistungen. Vor diesem Hintergrund gelange die Beklagte daher in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Fällung der Rotbuche abgelehnt werde. Auch eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks werde nicht unzumutbar beeinträchtigt. Es sei bereits keine gewerbliche Nutzung zu erkennen. Auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BSVO lägen nicht vor, da der Bestand oder die Nutzbarkeit des vorhandenen Gebäudes nicht unzumutbar beeinträchtigt werde. Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BSVO zur Erteilung einer Genehmigung, wenn Gehölze Altersschäden, Schädlingsbefall, Krankheit oder Missbildung aufwiesen und die Erhaltung auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses daran mit zumutbarem Aufwand nicht möglich sei, lägen nicht vor. Laut dem vom Kläger selbst vorgelegten Gutachten aus dem Jahr 2017 handle es sich um eine vitale Buche, welche verschiedene Mängel hinsichtlich der Verkehrssicherheit aufweise. Auch sei im Gutachten lediglich die Erhaltenswürdigkeit des Baumes im Zusammenhang mit der Baumaßnahme betrachtet worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand der Unteren Naturschutzbehörde sei der Erhalt des Baumes unter zumutbarem Aufwand möglich. Derzeit beschränkten sich die Maßnahmen zur Erhaltung des Baumes auf das jährliche Nachschneiden der bereits durchgeführten Kroneneinkürzungen. Eine Unzumutbarkeit sei nicht zu erkennen. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) könne auf Anfrage eine Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig sei oder die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar sei. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 5 Abs. 5 BSVO lägen in diesem Fall nicht vor. Die Situation stelle auch keinen atypischen Fall dar.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids der Beklagten vom 3. Dezember 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2022 hat der Kläger seine Klage umgestellt und beantragt nunmehr:
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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Dezember 2021,, verpflichtet, dem Antrag auf Genehmigung der Baumfällung vom 5. April 2021 betreffend die Rotbuche auf dem Grundstück ...straße,, Fl.Nr. ... der Gemarkung ... stattzugeben,
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hilfsweise: Die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Die einzig zur Verfügung stehende Hofzufahrt erfolge von der ...straße aus und befinde sich noch im gleichen Zustand wie vor Errichtung der Sammelgarage und auch vor Erteilung der Baugenehmigung vom 19. April 2011. Sie verfüge am Übergang zum Fußweg ...straße über eine befahrbare Breite von nur 3,40 m zwischen dem vorgesehenen Fluchtweg entlang der massiven Hauswand des Anwesens ...straße ... und den Überresten einer Stützmauer auf der anderen Seite, wovon wegen Beachtung von Seitenabständen allenfalls 3,00 m Breite für ein- und ausfahrende Fahrzeuge zur Verfügung stünden. Der Antragsteller habe in der Bauvorlage die Maße 2,75 m als Fahrspur und 2,45 m als seitliche Wartefläche beantragt. Die Baugenehmigung vom 19. April 2011 bestimme unter Ziffer IV.A1 sowie unter Ziffer IV.F. Nr. 2, 3, 4 und 5, welchen Anforderungen die Grundstückszufahrt von der ...straße her aus bausicherheitsrechtlichen Gründen genügen müsse. Weiter sehe die Baugenehmigung auch einen Rückbau der „brüchigen Stützmauer“ vor, der bis auf Reste bereits erfolgt sei. Auf deren Fläche solle die genehmigte und geforderte Flächenerweiterung von 65 m² auf der Fl.Nr. ... erfolgen, was sich aus den baugenehmigten Antragsunterlagen ergebe. Die Beklagte verkenne die Problematik der Sichtverhältnisse bei Benutzung der Zufahrt. Die ...straße sei verkehrlich hoch belastet. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) sei für den Fahrverkehr auf dem Grundstück eine ausreichende Breite erforderlich. Das Erfordernis einer ausreichenden Breite gelte sowohl für die Erschließung als auch für den Anschluss an die öffentliche Verkehrsfläche. Die Herstellung bzw. Erneuerung der Grundstücksfläche müsse sich auch am vorbeugenden Brandschutz orientieren und wegen der Nutzbarkeit der Einsatzfahrzeuge dabei einen tragfähigen Verbau in den Untergrund vorsehen. Die vorhandene, mehrere Jahrzehnte alte Zufahrtsrampe sei baulich stark beschädigt und müsse aus Gründen der Verkehrssicherheit instandgesetzt bzw. ertüchtigt werden. Diese Instandsetzung sei nicht ohne Eingriff in den Wurzelbereich des Baumes darstellbar. Bei der Erneuerung müsse der Unterbau bis zu 1 m tief ausgehoben und gegen entsprechendes tragfähiges Material ersetzt werden. Der Baum habe bereits bei Erstellung des vorgelegten Fachgutachtens vom 6. Oktober 2017 Anzeichen von Altersschwäche gezeigt, wonach er nur als bedingt erhaltenswert eingestuft worden sei. Die Vermutung, es handle sich bei den zitierten Hinweisen der Baugenehmigung um lediglich unverbindliche Hinweise, sei unzutreffend. Es werde verkannt, dass Hinweise in Baugenehmigungen vielmehr das wiederholen, was kraft Gesetzes bereits gelte. Hinweise dieser Art bezeichne man auch als Inhaltsbestimmungen. Die fallrelevanten Regelungen in Nr. IV.A1 sowie Nr. IV.F.2, F.3, F.4 und F.5 seien verbindliche Genehmigungsinhaltsbestimmungen. Das Tiefbauamt habe beim Ortstermin am 19. Februar 2021 die zutreffende Auffassung vertreten, dass zur Herstellung der geforderten Zufahrtssituation eine Fläche von 6 m x 6 m im Bereich des Baugrundstücks liegen müsse, die erforderlich sei, damit sich ein- und ausfahrende Fahrzeuge dort begegnen könnten und Fußgänger auf dem Grundstück nicht gefährdet würden. Diese Feststellungen stünden im Einklang mit der Stellungnahme des Tiefbauamts im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens aus dem Jahr 2011. Weiter sei davon auszugehen, dass Gesichtspunkte des Baumschutzes grundsätzlich hinter einem gegebenen Baurecht zurücktreten müssten. Die verkehrliche Erschließung des Garagengrundstücks über die ...straße sei alternativlos. Um verkehrssichere Anlagen der Zu- und Abfahrten herzustellen, sei die Beseitigung des Baumes zwingend. Das Ermessen der Beklagten sei hierbei auf Null reduziert. Die baugenehmigte Planung entspreche derzeit nicht der tatsächlichen Ausführung. Somit sei die bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks nach den allgemeinen Bauvorschriften für Garagen derzeit nicht gegeben und es bestehe eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzung, welche einen objektiven Gefahrenzustand darstelle. Die Nutzung des Grundstücks sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch gewerblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 BSVO. Der Kläger habe aus mietrechtlichen Vertragsbindungen eine verkehrssichere Zufahrt zu der Mittelgarage zu gewährleisten. Der Baum gelte in Bezug auf die genehmigte Aufweitung der Zu- und Ausfahrt als bedingt erhaltenswert. Dem Kläger komme bereits ein aus dem Baurecht resultierender Rechtsanspruch auf Genehmigung der Baumfällung zu. Auch lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vor. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung lägen dann vor, wenn die Beschränkung zum einen zu einer Härte führe und zum anderen diese Härte unbeabsichtigt, also atypisch, sei. Dies sei hier gegeben, weil die heutige Nutzung der Zu- und Abfahrt nicht nur mit „Unbequemlichkeiten“ für Kraftfahrer, Radfahrer und Fußgänger, sondern mit konkreten Gefahren verbunden sei. Die Beibehaltung des jetzigen Zustands sei für den Kläger und alle Nutzer der Zu- und Abfahrtsrampe unzumutbar, da sie mit Gefahren für Leib und Leben konkret verbunden sei.
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Auf den weiteren Inhalt des Klagebegründungsschriftsatzes vom 18. Januar 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Schriftsätzen vom 12. und 18. Oktober 2022 hat der Bevollmächtigte des Klägers sein Vorbringen ergänzt und vertieft. Er hat insbesondere dargelegt, dass sich die Beklagte bei ihrer Entscheidung von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen.
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Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2022 hat der Bevollmächtigte des Klägers auf die Verkehrstechnische Untersuchung der Ingenieurgesellschaft ... & partner vom Juli 2017 verwiesen, wonach die stündliche Kfz-Belastung in der ...straße mit zwischen 500 und 700 Fahrzeugen angegeben sei. Nach den Berechnungen des Klägers würden im Durchschnitt 170 Fahrzeugbewegungen täglich über die gegenständliche Grundstückszufahrt und damit über das Wurzelwerk der Rotbuche stattfinden. Hinzu kämen Radfahrer und Personenverkehr der ein- und ausgehenden Bewohner, welche sich ebenfalls über die Zufahrt abwickle, sowie die Andienung der Müllcontainer. Bei einer befahrbaren Breite der Zufahrt von aktuell 3,40 m sei unvermeidbar, dass jede Kfz- bzw. Lkw-Bewegung das Wurzelwerk des Baumes bzw. die Fahrbahn oberhalb des Wurzelwerks weiter belaste.
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Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 21. November 2022 entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, dass die Baugenehmigung aus dem Jahr 2011, auf die Bezug genommen werde, den Dachgeschossausbau ...straße ... und ... und den Neubau einer Garage vorsehe. In dieser Genehmigung sei die Herstellung einer ausreichenden Wartefläche lediglich als Hinweis enthalten. Der Baum sei in den zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Plänen nicht mittels eines „X“ für eine beabsichtigte Fällung gekennzeichnet, sondern als Bestandsbaum dargestellt. Bezüglich der Bebauung auf dem Grundstück ...straße ... sei seitens der Beklagten der Abriss des Gebäudes untersagt und eine Baugenehmigung nicht erteilt worden. Hinweise in einer Baugenehmigung beinhalteten, anders als Nebenbestimmungen, keine rechtlichen Verpflichtungen. Entgegen der klägerischen Ansicht handle es sich nicht um eine verbindliche Genehmigungsinhaltsbestimmung. Die Bezeichnung im besagten Bauantrag laute „Dachgeschossausbau mit Balkonen und Errichtung einer Garage mit 19 Stellplätzen“. Der gegenständliche Hinweis zur Schaffung eines offenen Stauraums solle allein die Zufahrtsituation zum Grundstück verbessern. Mit dem begehrten Dachgeschossausbau und Errichtung der Garagen habe dieser Hinweis nur mittelbar zu tun. Im Übrigen hätte die Baugenehmigung auch ohne diese Hinweise ergehen können. Die klägerischen Ausführungen seien nicht geeignet, die eindeutigen Aussagen des Tiefbauamtes und der Polizeiinspektion bezüglich der Gefährdung des Verkehrs auf der ...straße in Folge der Garagenzu- bzw. -ausfahrt zu entkräften. In der Klagebegründung werde erstmalig auf die Nutzbarkeit der Zufahrt für die Feuerwehr und die Fahrzeuge im Rahmen des Bauunterhalts bzw. bei Umzügen verwiesen. Zu den Ausführungen betreffend das Verhältnis Baumschutz und Baurecht sei anzumerken, dass es im vorliegenden Fall um die Herstellung einer Wartefläche für Fahrzeuge gehe. Der Grundsatz „Baurecht bricht Baumrecht“ gelte im Rahmen der durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützten Baufreiheit und damit beispielsweise bei Wohngebäuden. Hingegen gelte nach der Rechtsprechung bei Nebenanlagen nicht der grundsätzliche Vorrang des Baurechts. Die Untere Naturschutzbehörde habe ihr Ermessen erkannt und ordnungsgemäß ausgeübt. Eine gewerbliche Nutzung des Grundstücks sei nicht zu erkennen. Hierzu zählten nicht die vorgetragenen „mietrechtlichen Vertragsbindungen“. Der Vortrag, dass der streitgegenständliche Baum die Standsicherheit des Gebäudes ...straße ... beeinträchtige, sei ebenfalls neu. Nachweise seien hierfür nicht vorgelegt worden. Auch eine Befreiung komme nicht in Betracht. Die Beklagte halte daran fest, dass kein atypischer Fall gegeben sei und auch keine Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vorlägen.
29
Auf den weiteren Inhalt des Klageerwiderungsschriftsatzes vom 21. November 2022 wird ergänzend verwiesen.
30
Der Bevollmächtigte des Klägers hat hierauf mit Schriftsatz vom 28. November 2022 repliziert. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen.
31
Das Gericht hat durch den Berichterstatter am 24. November 2022 einen nichtöffentlichen Augenscheinstermin am Grundstück und dessen näherer Umgebung durchgeführt. Auf das Protokoll und die gefertigten Lichtbilder beim Augenscheinstermin wird Bezug genommen.
32
Am 12. Dezember 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte sowie die beigezogene Bauakte, Gz. ... verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Genehmigung zum Entfernen der streitgegenständlichen Rotbuche auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Ebenfalls besitzt der Kläger keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags vom 5. April 2021 unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung. Der mit der Klage angegriffene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2021 ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Klage ist zulässig.
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Da über den Formblattantrag des Klägers vom 5. April 2021 innerhalb der maßgeblichen Frist aus § 75 Satz 2 VwGO keine Entscheidung der Beklagten über den Antrag getroffen wurde, hat der Kläger zunächst mit Schriftsatz vom 5. November 2021 Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zum zuständigen Gericht erhoben. Nachdem von Seiten der Beklagten am 3. Dezember 2021 ein ablehnender Bescheid über den klägerischen Antrag vom 5. April 2021 ergangen ist, hat der Kläger seine Klage zutreffend auf die nunmehr statthafte Verpflichtungsklage in Gestalt einer Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) umgestellt. Ergeht nach zulässig erhobener Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) in der Sache ein ablehnender Bescheid, so kann der Kläger die bereits zulässige Klage im Antrag umstellen und fortführen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 75 Rn. 21 ff.). Da die Untätigkeitsklage vom Kläger nach Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO genannten 3-Monats-Frist seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben wurde, begegnet die Klageumstellung im klägerischen Schriftsatz vom 29. Dezember 2021 keinen rechtlichen Bedenken.
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Der Kläger ist im Übrigen auch klagebefugt i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO. Er ist zwar nicht Eigentümer der Grundfläche, auf der sich der streitgegenständliche Baum (Rotbuche) befindet, es liegt aber eine Zustimmung der Grundstückseigentümer zum mit Formblatt vom 5. April 2021 gestellten Antrag auf Entfernung des Baumes vor. Da der Kläger als Antragsteller im Verfahren zur Beseitigung des Baumes aufgetreten ist, ist er als Adressat der ablehnenden Entscheidung vom 3. Dezember 2021 auch möglicherweise in seinen Rechten verletzt, was für die Annahme einer Klagebefugnis im gerichtlichen Verfahren genügt.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger besitzt weder einen Anspruch auf die von ihm begehrte Entfernung des streitgegenständlichen Baums in Form einer gebundenen Entscheidung bzw. einer Ermessensreduktion auf Null (2.1), noch besitzt er einen Anspruch auf Neuverbescheidung seines mit Formblatt vom 5. April 2021 gestellten Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (2.2).
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2.1 Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Genehmigung der Beseitigung der Rotbuche.
40
Der Kläger besitzt zunächst keinen Anspruch auf Entfernung des Baums in Gestalt einer gebundenen Entscheidung bzw. einer Entscheidung aufgrund einer Ermessensreduktion auf Null. Da vorliegend eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft ist, ist für einen möglichen Anspruch des Klägers auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Instanz abzustellen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 113 Rn. 217). Vom Kläger geltend gemachte künftige Entwicklungen hinsichtlich der geplanten Bebauung des Grundstücks ...straße ... müssen daher im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unberücksichtigt bleiben. Diese Planungen und deren Realisierbarkeit erfordern zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls einen neuerlichen Antrag des Klägers auf Genehmigung der Entfernung des streitgegenständlichen Baums. Dies steht auch in Übereinstimmung mit der maßgeblichen Verordnung zum Schutz von Bäumen und Sträuchern im Stadtgebiet der Beklagten vom 4. März 2020 (ABl. vom 20.3.2020, S. 107), wonach eine Genehmigung nach § 5 Baumschutzverordnung (BSVO) bei der Beklagten unter Angabe der Gründe schriftlich oder elektronisch zu beantragen ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BSVO). Damit beschränkt sich aber ein möglicher Anspruch des Klägers auf Beseitigung des Baums im hier zu entscheidenden Verfahren auf die im Formblatt des Klägers vom 5. April 2021 geltend gemachten Gründe zur Beseitigung der streitgegenständlichen Rotbuche.
41
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Genehmigung der von ihm beabsichtigten Entfernung des Bestandsbaums, da dessen Beseitigung zwar genehmigungspflichtig nach der BSVO ist, aber eine Genehmigungsfähigkeit nicht gegeben ist. Insoweit liegt zu Gunsten des Klägers weder eine gebundene Entscheidung noch eine Ermessensreduktion auf Null hinsichtlich der Ermessensnormen in § 5 der BSVO vor.
42
2.1.1 Die Beseitigung der sich auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... befindlichen Rotbuche unterfällt zunächst einem Genehmigungsvorbehalt. Die Rotbuche fällt unter die Bestimmungen der BSVO, welche ihrerseits wirksam und hinreichend bestimmt ist (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 14.3.2022 – Au 9 K 21.23 – juris). Einwände hiergegen wurden von Klägerseite auch nicht erhoben.
43
Der streitgegenständliche Baum stellt ein Gehölz im Stadtgebiet der Beklagten innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile dar (§ 1 Abs. 1 BSVO, § 34 Baugesetzbuch – BauGB). Der streitgegenständliche Baum unterfällt auch dem Schutz nach der Bestimmung in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BSVO, da es sich unstreitig um ein Gehölz mit einem Stammumfang von mehr als 80 cm handelt. Ein Fall fehlender Schutzwürdigkeit des Baumes nach § 1 Abs. 4 BSVO ist nicht erkennbar. Damit besteht für den streitgegenständlichen Baum das grundsätzliche Beseitigungsverbot aus § 3 Abs. 1 BSVO. Danach ist es verboten, die nach § 1 BSVO geschützten Gehölze zu entfernen, zu zerstören, zu schädigen oder zu verändern. § 3 Abs. 2 BSVO bestimmt weiter, dass ein Entfernen insbesondere dann vorliegt, wenn Gehölze gefällt, abgeschnitten, abgebrannt oder entwurzelt werden. Da der Kläger eine vollständige Beseitigung des Bestandsbaumes beabsichtigt, unterfällt er dem Verbotstatbestand aus § 3 Abs. 1 BSVO. Eine Verbotsausnahme zu Gunsten des Klägers gemäß § 4 BSVO ist nicht ersichtlich, da offensichtlich kein bloßer Gehölzschnitt i.S.d. der bloßen Gehölzpflege angestrebt wird. Vielmehr ist die vom Kläger angestrebte Entfernung des Baumes (Rotbuche) genehmigungspflichtig. Die maßgebliche BSVO bestimmt in § 5 „Genehmigung und Befreiung“ hierzu in abschließender Weise die Tatbestände, in denen für das Entfernen, Zerstören, Schädigen oder Verändern geschützter Gehölze eine Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen erteilt werden kann.
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2.1.2 Der Kläger erfüllt keinen der in § 5 Abs. 1 BSVO 2020 enumerativ aufgezählten Genehmigungstatbestände für die von ihm beabsichtigte Entfernung des Baums. Zwar erfüllt der Kläger die formellen Genehmigungsvoraussetzungen aus § 6 Abs. 2 BSVO 2020, jedoch steht ihm kein materiell-rechtlicher Genehmigungsanspruch aus § 5 Abs. 1 BSVO 2020 zur Seite.
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2.1.2.1 Zunächst hat der Kläger mit Formblatt vom 5. April 2021 unter Darlegung der von ihm geltend gemachten Gründe zur Beseitigung des Baums die formellen Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BSVO erfüllt. Danach ist die Genehmigung nach § 5 BSVO bei der Stadt ... unter Angabe der Gründe schriftlich oder elektronisch zu beantragen.
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2.1.2.2 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Fällgenehmigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BSVO.
47
Der Kläger hat seinen Antrag auf Beseitigung des Bestandsbaums maßgeblich mit seiner Verpflichtung aus der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 19. April 2011 (Gz. ...) zum Dachgeschossausbau mit Balkonanbau (...str. ... + ...) und der Errichtung einer Garage (mit 19 Stellplätzen) mit Zufahrt von der ...straße auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung ... (...straße ... u. ...) begründet. In den Hinweisen (Ziffer IV) der Baugenehmigung ist unter Buchstabe F. „Straßenbau“ in Nr. 4 aufgeführt, dass auf der privaten Grundstücksfläche eine ausreichende Wartefläche zur erstellen und ständig freizuhalten sei (Art. 14 Abs. 2 Bayerische Bauordnung – BayBO). Nr. 5 der Hinweise in Buchstabe F. verweist weiter darauf, dass von der öffentlichen Verkehrsfläche zum Baugrundstück eine auf Dauer sichere Zufahrt vorhanden und benutzbar sein müsse (Art. 4 BayBO). Diese Hinweise in der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 19. April 2011 rechtfertigen nicht die Erteilung einer Genehmigung zum Entfernen des Bestandsbaumes gemäß der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BSVO. Nach dieser Bestimmung kann für das Entfernen, Zerstören, Schädigen oder Verändern geschützter Gehölze eine Genehmigung erteilt werden, wenn aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Genehmigung eines Vorhabens besteht und es nicht möglich ist, das Vorhaben ohne eine Entfernung, Zerstörung, Schädigung oder Veränderung von Gehölzen zu verwirklichen; dies gilt jedoch nicht, wenn Gehölze durch eine zumutbare Veränderung des Vorhabens erhalten werden können.
48
Den bloßen Hinweisen in der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 19. April 2011 kann keine Verpflichtung des Klägers zur Beseitigung des Bestandsbaums entnommen werden. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass Gegenstand der vom Kläger angeführten Baugenehmigung aus dem Jahr 2011 lediglich der Dachgeschossausbau mit Balkonanbau und der Errichtung einer Garage gewesen ist. Überdies nehmen die bloßen Hinweise nicht an der Regelungswirkung der Baugenehmigung selbst teil. Denn eine Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO hat nach ihrer Rechtsnatur – neben der Baufreigabe (Art. 68 Abs. 6 BayBO) – lediglich die Wirkung, dass verbindlich festgestellt wird, dass das Bauvorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, die im jeweils einschlägigen Genehmigungsverfahren (hier nach Art. 59 BayBO) Maßstab für die Zulässigkeitsprüfung sind (sog. Feststellungswirkung). Sie stellt gleichsam in der Form einer „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ – lediglich deklaratorisch – fest, dass dem Bauvorhaben nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden und geprüften öffentlichen Recht keine Hindernisse entgegenstehen (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: August 2022, Art. 68 Rn. 35; BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 8 CE 21.1989 – juris Rn. 43). Nur in diesem genehmigten Umfang gemäß des jeweiligen Prüfumfangs genießt eine entsprechend der Baugenehmigung errichtete Anlage Bestandsschutz (vgl. Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 68 Rn. 6; BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – BeckRS 2016, 53210). Die Aufnahme von Hinweisen steht hingegen im Belieben der Baugenehmigungsbehörde (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, a.a.O., Art. 68 Rn. 348). Hinweise in der Baugenehmigung sind rechtlich keine Nebenbestimmungen i.S.d. Art. 36 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), da sie keinen eigenen Entscheidungs- und Regelungsgehalt aufweisen. Sie sind insbesondere keine Auflagen oder Inhaltsbestimmungen der Genehmigung und ihnen kann auch nicht mit Rechtsbehelfen entgegengetreten werden, weil sie den Adressaten der Baugenehmigung mangels Regelung bereits nicht beschweren können. Hinweise können und müssen auch nicht vollstreckt werden (vgl. zum Ganzen Decker in Busse/Kraus, BayBO, a.a.O., Art. 68 Rn. 351 f.). Dieser Sichtweise entsprechen auch die zum Gegenstand der Baugenehmigung erklärten Planunterlagen, die im Bereich des heutigen Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (...straße ...) die vorhandene Rotbuche ungeachtet der Hinweise in der Baugenehmigung als Bestandsbaum kennzeichnen.
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Damit wiederholen die vom Kläger in Bezug genommenen Hinweise aus dem Baugenehmigungsbescheid vom 19. April 2011 lediglich die gesetzlichen Bestimmungen aus Art. 4 und Art. 14 BayBO, die ihrerseits aber keine Beseitigung des vorhandenen Baums rechtfertigen können. Art. 4 Abs. 1 BayBO fordert für die Errichtung von Gebäuden lediglich, dass das Grundstück nach Lage, Form, Größe und Beschaffenheit für die beabsichtigte Bebauung geeignet ist (Nr. 1) und das Grundstück in einer angemessenen Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt (Nr. 2). Beides ist hier zweifellos gegeben und unter Erhalt der vorhandenen Rotbuche möglich. Gleiches gilt aber auch in Bezug auf die im Weiteren in Bezug genommene Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 BayBO, wonach die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht gefährdet werden darf. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die streitgegenständliche Zu- und Ausfahrt der Grundstücke ...straße ... und ... sowie der ...straße ... und ... nach den Aussagen des Klägers seit etwa 30 Jahren unverändert ist. Die von der Beklagten angefragte Verkehrspolizeiinspektion hat unter dem 25. November 2021 zur Situation der Ausfahrt zur ...straße ausgeführt, dass eine Unfallauswertung für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 24. November 2021 keinen Unfall beim Ausfahren aus den Anwesen ...straße ... bis ... ergeben habe. In dieser Zeit habe sich lediglich ein Verkehrsunfall beim Vorbeifahren an einem geparkten Pkw ereignet. Auch bei der örtlich zuständigen Polizeiinspektion seien keine Probleme beim Aus- bzw. Einmünden in die ...straße bekannt. Insoweit gebietet auch die gesetzliche Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 BayBO keine Genehmigung zum Entfernen des Baums auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BSVO. Jedenfalls war das Bauvorhaben des Klägers, welches ihm in der Genehmigung vom 19. April 2011 genehmigt wurde, ohne eine Entfernung, Zerstörung, Schädigung oder Veränderung von Gehölzen verwirklichbar. Nach allem liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Entfernung des Baumes aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BSVO nicht vor.
50
2.1.2.3 Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BSVO 2020 sind nicht zu Gunsten des Klägers erfüllt.
51
Nach dieser Vorschrift kann für das Entfernen eines geschützten Gehölzes eine Genehmigung erteilt werden, wenn der Bestand oder die Nutzbarkeit eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt wird. Eine Beschränkung der Nutzbarkeit der vorhandenen Gebäude in der ...straße bzw. der ...straße, die im Eigentum des Klägers bzw. dessen Familie stehen, ist bereits nicht ersichtlich. Eine Zu- und Ausfahrt zu den Grundstücken ist nach wie vor möglich und die Zufahrtssituation besteht in dieser Gestalt auch bereits seit vielen Jahren unverändert. Eine Unzumutbarkeit für die Erreichbarkeit der Grundstücke ist weder für den Fußgänger- bzw. Autoverkehr ersichtlich. Die Nutzbarkeit der vorhandenen Gebäude ist vielmehr durch den vorhandenen Baum nicht nennenswert beeinträchtigt, jedenfalls geschieht dies nicht in der von der BSVO geforderten unzumutbaren Art und Weise.
52
2.1.2.4 Auch die Voraussetzungen für eine Entfernung des Baums auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BSVO ist nicht ersichtlich.
53
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BSVO kann für die Entfernung geschützter Gehölze eine Genehmigung erteilt werden, wenn die ausgeübte gewerbliche Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird. Hier ist bereits keine gewerbliche Nutzung der allenfalls betroffenen Grundstücke an der ...- bzw. ...straße ersichtlich. Die BSVO bezieht sich für eine gewerbliche Nutzung offensichtlich auf Tatbestände der Gewerbeordnung (GewO). Die bloße Vermietung von Wohnungen, wie sie hier in Streit steht, entspricht keiner klassischen gewerblichen Nutzung i.S.d. GewO, die diese offensichtlich im Blick hat. In jedem Fall fehlt es aber insoweit an der erforderlichen unzumutbaren Beeinträchtigung durch den vorhandenen Bestandsbaum.
54
2.1.2.5 Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 4 BSVO sind zu Gunsten des Klägers nicht gegeben.
55
Nach dieser Norm kann für das Entfernen geschützter Gehölze eine Genehmigung erteilt werden, wenn der geschützte Gehölzbestand im Verhältnis zur Grundstücksgröße oder zum Grundstückszuschnitt eine unzumutbare Beeinträchtigung für die bestehende Nutzung des Grundstückes oder des Nachbargrundstückes darstellt. Die von § 5 Abs. 1 Nr. 4 BSVO geforderte Unzumutbarkeit vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Zufahrt besteht in dieser Form seit vielen Jahren. Eine Ein- und Ausfahrt zu den jeweiligen Grundstücken ist problemlos möglich. In Bezug auf Pkw-Bewegungen ist weiter darauf zu verweisen, dass nur eine begrenzte Zahl von Nutzern den rückwärtigen durch eine Schranke gesicherten Bereich in Anspruch nimmt. Die aufgrund der bestandskräftigen Baugenehmigung aus dem Jahr 2011 errichtete Tiefgarage weist lediglich 19 Stellplätze auf. Hinzu kommen noch fünf oberirdische Stellplätze des Klägers. Nach Aussagen der Verkehrspolizeiinspektion ... bilden die Grundstücke des Klägers bzw. seiner Familie auch keinen Unfallschwerpunkt bei der Ein- und Ausfahrt in die ...straße. Für Fußgänger ist der Zugang zum Grundstück aufgrund der vorhandenen Breite der Zufahrt unschwer möglich. Zwar ist ein Begegnungsverkehr von Pkw derzeit ausgeschlossen, doch dürfte es sich hierbei aufgrund der begrenzten Zahl von Nutzern der Ein- und Ausfahrt um ein seltenes Ereignis handeln, welches keinesfalls die Entfernung des vorhandenen Baumes rechtfertigt. Auch kann der vorhandenen Problematik der Einmündung in die ...straße über den vorhandenen Fußweg vorrangig mit straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen begegnet werden (Spiegel, Halteverbot). Auch insoweit ist jedenfalls keine Unzumutbarkeit der Nutzung der Grundstücke durch den vorhandenen Bestandsbaum erkennbar. Soweit der Kläger auf den Zustand der Einfahrt selbst und auf gewisse Deformierungen verweist, so handelt es sich hierbei nach Auffassung des Gerichts im Wesentlichen um Spurrillen durch die jahrelange Nutzung, denen jedoch durch eine Ertüchtigung der Zufahrt selbst in der vorhandenen Breite begegnet werden kann. Soweit der Kläger auf eine beabsichtigte Sanierung der Zufahrt selbst verweist, hat dieser jedenfalls im Verfahren kein prüffähiges Sanierungskonzept vorgelegt, das die Beseitigung des Bestandsbaums rechtfertigen könnte.
56
2.1.2.6 Die Erlaubnistatbestände des § 5 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 BSVO sind bereits offensichtlich nicht erfüllt.
57
Auch eine Genehmigung nach § 5 Abs. 2 BSVO scheidet zu Gunsten des Klägers aus.
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Nach dieser Bestimmung ist für das Entfernen, Zerstören, Schädigen oder Verändern geschützter Gehölze eine Genehmigung zu erteilen, wenn Gehölze Altersschäden, Schädlingsbefall, Krankheit oder Missbildung aufweisen und die Erhaltung auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses daran mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist. Diese Voraussetzungen sieht das Gericht als ebenfalls nicht gegeben an. So kommt auch bereits das vom Kläger selbst im Verfahren vorgelegte Gutachten der Fa. ... & Partner,, vom 6. Oktober 2017 zusammenfassend auf Seite 9 zum Ergebnis, dass die gutachtensgegenständliche Rotbuche als bedingt erhaltungswürdig eingestuft wird. Lediglich bei der vom Kläger angedachten Verbreiterung der Zufahrt ist ein gleichzeitiger Baumerhalt unmöglich. Unter Nr. 2.2 des Gutachtens ist weiter ausgeführt, dass die Buche vital sei, aber verschiedene Mängel hinsichtlich ihrer Verkehrssicherheit aufweise. Insbesondere der V-Zwiesel sei grundsätzlich als erhöht versagensgefährdet einzustufen. Aus diesem Grund sei in der Vergangenheit bereits ein Kronensicherungssystem eingebaut und auch eine Kroneneinkürzung vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung sei der V-Zwiesel als ausreichend sicher zu bewerten. Die Naturschutzfachkraft der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2022 darüber hinaus ausgeführt, dass Buchen grundsätzlich nicht besonders grünbruchgefährdet seien. Für die streitgegenständliche Buche bestehe kein besonderer Verdacht. Wenn ein solcher vorliegen würde, müsste vorrangig der jeweilige Stämmling genauer betrachtet werden. Aktuell befänden sich keine Anzeichen für die Gefahr eines Grünbruchs der Rotbuche bzw. des Astes, der in Richtung ...straße rage. Weitere aussagekräftige Unterlagen, die die Vitalität des streitgegenständlichen Baumes in Frage stellen würden, hat der Kläger im Verfahren nicht vorgelegt. Seinen Antrag mit Formblatt vom 5. April 2021 hat der Kläger auch vorrangig mit der von ihm angenommenen Verpflichtung aus der Baugenehmigung vom 19. April 2011 zur Aufweitung der Zufahrt und nicht mit einer fehlenden Vitalität des streitgegenständlichen Baums begründet. Vor diesem Hintergrund und den fachlichen Aussagen der Naturschutzfachkraft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2022 sieht das Gericht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BSVO für eine Beseitigung des Baumes derzeit nicht für gegeben.
59
2.1.2.7 Gleiches gilt für die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 1 BSVO, wonach die Genehmigung für Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht als erteilt gilt. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Kläger bereits nicht ausgegangen, da in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 BSVO lediglich eine Anzeigepflicht gegenüber der Beklagten besteht, es aber keiner entsprechenden Genehmigung bedarf (§ 5 Abs. 3 Satz 2 BSVO). Im vorliegenden Fall hat der Kläger vielmehr mit Formblatt vom 5. April 2021 eine Genehmigung insbesondere auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BSVO bei der Beklagten beantragt. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass sich die in § 5 Abs. 3 Satz 1 BSVO genannte Verkehrssicherungspflicht auf den Baum selbst und nicht auf eine etwaige Verkehrssicherungspflicht des Klägers hinsichtlich der vorhandenen Zu- und Ausfahrt bezieht.
60
2.1.2.8 Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 BSVO zu Gunsten des Klägers nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung gilt die Genehmigung für erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung einer unmittelbar drohenden Gefahr für Personen sowie für Sachen, wenn der Sachschaden bedeutend ist, als erteilt. Das Gericht vermag bereits keine unmittelbar drohende Gefahr für Personen oder für einen bedeutenden Sachschaden zu erkennen. Die Situation der Ein- und Ausfahrt zu den Grundstücken in die ...straße ist seit Jahren mehr oder minder unverändert vorhanden. Die Verkehrspolizei ... hat sich dahingehend geäußert, dass die Ausfahrt keinen Unfallschwerpunkt darstellt. Ein Unfallgeschehen sei bereits nicht aktenkundig. Vielmehr handelt es sich auch nach den Erkenntnissen der Ortseinsicht um eine Grundstückssituation, wie sie bei vielen an städtische Straßen anliegenden Grundstücken vorhanden ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die Querung des vorhandenen Fußwegs. Eine Singularität der Ein- und Ausfahrt vermag das Gericht zu Gunsten des Klägers jedenfalls nicht zu erkennen. Dies gilt auch hinsichtlich des Zustands der Ein- und Ausfahrt. Da der Baum nach dem bereits Gesagten eine noch ausreichende Vitalität aufweist bzw. vermuten lässt, fehlt es im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch an einer unmittelbar drohenden Gefahr für Personen oder bedeutende Sachen.
61
2.1.2.9 Die vom Kläger begehrte Genehmigung lässt sich schließlich auch nicht auf die Vorschrift des § 5 Abs. 5 BSVO stützen, wonach von den Verboten der Verordnung im Einzelfall eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 und 3 BNatSchG erteilt werden kann.
62
Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG kann von den Geboten und Verboten dieses Gesetzes, in einer Rechtsverordnung aufgrund von § 57 BNatSchG sowie nach dem Naturschutzrecht der Länder auf Antrag eine Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist (Nr. 1) oder die Durchführung von Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG sind bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Beseitigung des Bestandsbaums bereits nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten ist. Die Verkehrssituation an der ...straße fordert nach der Einschätzung der Verkehrspolizeiinspektion und im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch des Tiefbauamts der Beklagten keine Beseitigung des Baums. Die beantragte Entfernung dient vielmehr ausschließlich privaten Interessen an verbesserter bzw. optimierter Nutzung des Grundstücks. Dieses Interesse tritt aber hinter dem in § 2 BSVO geregelten Schutzzweck der Gewährleistung einer innerstädtischen Durchgrünung (§ 2 Nr. 1 BSVO) zurück. Auch die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BNatSchG sind zu Gunsten des Klägers nicht gegeben. Jedenfalls fehlt es insoweit aus den dargestellten Erwägungen an einer unzumutbaren für den Kläger nicht mehr hinnehmbaren Belastung.
63
Nach allem besteht aus den dargestellten Gründen kein gebundener Anspruch bzw. eine Ermessensreduktion auf Null zu Gunsten des Klägers in Bezug auf die von ihm beantragte Genehmigung zur Entfernung des Bestandsbaums.
64
Auch liegt zu Gunsten des Klägers keine die Entfernung des Baums gestattende Zusicherung der Beklagten i.S.d. Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG vor. Insoweit fehlt es bereits an der für eine wirksame Zusicherung erforderlichen Schriftform (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). In der von der Beklagten vorgelegten Akte findet sich insoweit lediglich ein von den Eigentümern des streitgegenständlichen Grundstücks gefertigter Aktenvermerk über eine Besprechung der Einfahrtsaufweitung vom 22. Februar 2021, der nicht an die Stelle einer wirksamen Zusicherung der Beklagten nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG treten kann. Insoweit fehlt es bereits an einer formwirksamen Erklärung der zuständigen Beklagten selbst.
65
Da kein gebundener Anspruch bzw. keine Ermessensreduktion auf Null vorliegt, fehlt es an der für den Erfolg der Klage erforderlichen Spruchreife i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klage war daher im Hauptantrag abzuweisen.
66
2.2 Da die Klage im Hauptantrag erfolglos geblieben ist, war aufgrund der insoweit eingetretenen innerprozessualen Bedingung über den im Schriftsatz vom 29. Dezember 2021 gestellten Hilfsantrag zu entscheiden. Dessen Erfolg setzt aber eine Ermessensentscheidung der Beklagten voraus, die an einem nach § 114 VwGO beachtlichen Ermessensfehler leidet.
67
Die Klage muss aber auch im Hilfsantrag ohne Erfolg bleiben, da § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und § 5 Abs. 5 BSVO zwar als Ermessensentscheidungen der Beklagten ausgestaltet sind, vorliegend aber schon gar kein Ermessensspielraum eröffnet ist, weil es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bzw. Abs. 5 BSVO fehlt. Im Übrigen wäre auch ein im Rahmen der gerichtlich eingeschränkten Überprüfung des § 114 VwGO beachtlicher Ermessensfehler der Beklagten nicht ersichtlich. Die Beklagte hat insbesondere bei Ablehnung des Antrags auf Gestattung der Entfernung des Baumes keine sachfremden Erwägungen angestellt und sich offensichtlich am Schutzzweck der BSVO in § 2 orientiert.
68
3. Nach allem war die Klage daher in Haupt- und Hilfsantrag als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
69
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).