Titel:
Verdienstausfallentschädigung für den Quarantänezeitraum eines angestellten Geschäftsführers bei Infektion mit SARS-CoV-2
Normenketten:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1
IfSG § 56 Abs. 1, 5, § 57 Abs. 1 S. 4
Leitsätze:
1. Bei zeitgebundenen Ansprüchen, d.h. bei Ansprüchen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen oder die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen, ergibt sich der zeitliche Bezugspunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht aus dem Prozessrecht, sondern aus dem Fachrecht, da es andernfalls die Behörde oder das Gericht allein durch die Steuerung der Bearbeitungszeit in der Hand hätte, einen zunächst begründeten Antrag unbegründet werden zu lassen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. An einem Verdienstausfall fehlt es, wenn der Arbeitgeber für die Dauer des Quarantänezeitraums bei einer Infektion mit SARS-CoV-2, insbesondere arbeits- oder tarifvertragsrechtlich, zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Lohnfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Anstellungsvertrag für die Dauer des Quarantänezeitraums bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 hat Vorrang vor einem Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1, Abs. 5 S. 2 IfSG. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verdienstausfallentschädigung, Geschäftsführertätigkeit, individualvertraglicher Lohnfortzahlungsanspruch, subjektives Leistungshindernis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46968
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung einer Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 1.259,50 EUR und von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 372,92 EUR für einen bei ihr angestellten Geschäftsführer.
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Die Klägerin ist eine Herstellerin hochwertiger Designkeramik für Kachelöfen, Heizkamine, Kaminöfen und Kachelherde.
3
Bei der Klägerin ist der Geschäftsführer N.M. als Arbeitnehmer beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Geschäftsführers vom 4. September 2012 heißt es unter § 10 „Krankheit“:
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„Im Falle einer Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung werden die Bezüge des Geschäftsführers für die Dauer von sechs Wochen fortgezahlt. Die Fortzahlung beginnt mit dem Monat, der dem Eintritt der Krankheit folgt.“
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Der Geschäftsführer der Klägerin hat sich am 8. Juni 2021, am 20. Juli 2021 und am 14. Januar 2022 einer Impfung gegen das Corona-Virus unterzogen.
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Am 10. Januar 2022 wurde der Geschäftsführer positiv auf das Virus SARS-CoV-2 getestet. Daraufhin hat das Gesundheitsamt … am 12. Januar 2022 eine Isolations-Verfügung gegen den Geschäftsführer der Klägerin mit Wirkung ab dem 11. Januar 2022 erlassen. Mit Änderungsbescheid vom 24. Januar 2022 teilte das Landratsamt … mit, dass die gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin angeordnete Quarantäne am 17. Januar 2022 endet. Während der Dauer der Quarantäne war der Geschäftsführer der Klägerin nicht arbeitsunfähig erkrankt. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde für ihn nicht ausgestellt.
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Mit Formblatt vom 21. Januar 2022 beantragte die Klägerin eine Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Höhe des Verdienstausfalls des Geschäftsführers in Höhe von 1.259,50 EUR und der gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 372,92 EUR für die Dauer der angeordneten Isolation.
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Mit Bescheid der Regierung von … vom 26. Juli 2022 (Gz. …) wurde der Antrag auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung und der Beiträge zur Sozialversicherung abgelehnt.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine Entschädigung in Geld erhalte, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Für die ersten sechs Wochen werde die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls gewährt, § 56 Abs. 2 Satz 1 IfSG. Bei Arbeitnehmern habe der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die nach der Maßgabe des § 56 IfSG ausgezahlten Beträge würden dem Arbeitgeber auf Antrag sodann von der zuständigen Behörde erstattet, § 56 Abs. 5 Satz 1 und 3 IfSG. Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Verdienstausfallentschädigung seien nicht gegeben, so dass der Antrag abzulehnen sei. Die Klägerin habe für den beantragten Zeitraum eine Entgeltfortzahlung nach § 10 des geltenden Geschäftsführervertrages zu leisten gehabt. Somit sei dem Arbeitnehmer kein Verdienstausfall entstanden, der vom Freistaat Bayern zu entschädigen sei.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids der Regierung von … vom 26. Juli 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Die Klägerin hat gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 26. August 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2022, der Klägerin am 29. Juli 2022 zugegangen, wird aufgehoben und es wird die (der) Beklagte verpflichtet, 1.259,50 EUR Verdienstausfallentschädigung und 372,92 EUR für abgeführte Sozialversicherungsbeiträge an die Klägerin zu leisten.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antrag der Klägerin zu Unrecht abgelehnt worden sei. Nach § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG habe die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der vorgenannten Auslagen gegen die zuständige Behörde. Gründe, die gegen einen Erstattungsanspruch sprechen würden, seien nicht ersichtlich. Es lägen keine vorrangigen Entgeltfortzahlungstatbestände vor. Auch ein Ausschlusstatbestand nach dem IfSG sei nicht erfüllt. Der Geschäftsführer der Klägerin sei nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Lediglich die gegen ihn ergangene Corona-Verfügung habe ihn an der Erbringung der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung gehindert. Auch komme kein vorrangiger Anspruch aus § 10 des Geschäftsführervertrags in Betracht. § 10 habe im Wesentlichen nur deklaratorische Bedeutung, so dass ebenso wie nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), im Falle von Krankheit eine Lohnfortzahlung für die Dauer von maximal sechs Wochen zu leisten sei. Ferner liege auch kein sonstiger Ausschlussgrund nach dem Infektionsschutzgesetz vor. Der Geschäftsführer sei de lege artis gegen das sogenannte Corona-Virus geimpft worden.
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Auf den weiteren Inhalt des Klageschriftsatzes vom 26. August 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Die Regierung von … ist der Klage für den Beklagten mit Schriftsatz vom 13. September 2022 entgegengetreten und beantragt,
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Die Ablehnung des Antrags auf Verdienstausfallentschädigung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Voraussetzung für einen Anspruch nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG sei, dass bei dem Betroffenen aufgrund der Quarantäne tatsächlich ein Verdienstausfall entstanden sei. Ein Verdienstausfall liege vor, wenn für die Dauer der Absonderung kein Anspruch auf Lohnfortzahlung aufgrund einer anderen gesetzlichen, tarifvertraglichen oder individualvertraglichen Bestimmung bestehe. Im Zeitraum der angeordneten Quarantäne habe für den Geschäftsführer der Klägerin der individualvertragliche Anspruch auf Zahlung der Bezüge nach § 10 aus dem Geschäftsführervertrag fortbestanden. Für den Zeitraum der Quarantäne sei deshalb kein Verdienstausfall entstanden. Auch überschreite der Absonderungszeitraum nicht die sechs Wochen, die in § 10 Geschäftsführervertrag vorgesehen seien. Es bestehe aufgrund des eindeutigen und unmissverständlichen Wortlauts des § 10 Satz 1 Alt. 2 des Geschäftsführervertrages kein Zweifel an einer Pflicht zur Fortzahlung der Bezüge durch die Klägerin für die Dauer der Absonderung.
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Auf den weiteren Inhalt des Klageerwiderungsschriftsatzes der Beklagten vom 13. September 2022 wird verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 13. September 2022 hat die Beklagte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 23. September 2022 ebenfalls ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichem Verfahren erklärt.
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Ergänzend hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. September 2022 ausgeführt, dass § 10 des Arbeitsvertrages des Geschäftsführers unwirksam sei. Jedenfalls sei § 10 des Arbeitsvertrages stillschweigend abgeändert worden. § 10 des Geschäftsführervertrages unterliege als Allgemeine Geschäftsbedingung einer sogenannten „AGB Kontrolle“. Einer solche Kontrolle halte die Klausel nicht stand, weil sie eine unangemessene Benachteiligung darstelle. Sie sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Als wesentlicher Grundgedanke des Arbeitsrechts sei in § 616 Satz 1 BGB bestimmt, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf Vergütung nicht dadurch verlustig gehe, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung gehindert werde. Ein speziellerer Fall dieses arbeitsrechtlichen Grundgedankens stelle § 3 EFZG dar. Sowohl dem generellen als auch dem speziellen Fall sei es eigentümlich, dass ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund zur Arbeitsverhinderung führen müsse. Nicht hingegen sei eine „Risikosozialisation“ zu Ungunsten von Arbeitgebern dergestalt vorgesehen, dass sie für von Dritten, hier dem Staat mittels seiner Corona-Verfügungen, verursachte Arbeitsverhinderungen zahlen solle. Zudem sei die Klausel auch deshalb nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie unklar sei. Weiter sei daraufhin hinzuweisen, dass die Vorschrift von den Arbeitsvertragsparteien konkludent abbedungen worden sein müsse. Dies deshalb, weil der Geschäftsführer der Klägerin, anders als in § 10 des Geschäftsführervertrages vorgesehen, im Falle seiner unverschuldeten Erkrankung nicht erst mit Eintritt des Monats, der auf den Eintritt der Krankheit folgte, Lohnfortzahlungen erhalten habe, sondern bereits ab dem ersten Tag seiner Erkrankung.
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Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 23. September 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Kammer konnte über die Klage der Klägerin im Wege des schriftlichen Verfahrens (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben.
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf die Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung sowie abgeführter Sozialversicherungsbeiträge für den bei ihr angestellten Geschäftsführer (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der diesen Anspruch versagende Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2022 ist rechtmäßig und nicht geeignet, die Klägerin in ihren Rechten zu verletzen.
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1. Für die Sach- und Rechtslage ist auf die Fassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 12. Dezember 2021 abzustellen, die Gültigkeit bis zum 27. Januar 2022 beanspruchte. Zwar ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Frage des richtigen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus dem Prozessrecht, sodass die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit einem Aufhebungsbegehren wie mit einem Verpflichtungsbegehren nur dann Erfolg haben kann, wenn sie im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch jedoch besteht, das heißt, ob ein belastender Verwaltungsakt die Klägerin im Sinne des § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in ihren Rechten verletzt oder die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (st.Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2004 – 8 C 5.03 – juris Rn. 35). Insbesondere bei zeitgebundenen Ansprüchen, d.h. bei Ansprüchen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen oder die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen, ergibt sich der zeitliche Bezugspunkt nach dem Fachrecht, da es andernfalls die Behörde oder das Gericht allein durch die Steuerung der Bearbeitungszeit in der Hand hätte, einen zunächst begründeten Antrag unbegründet werden zu lassen oder umgekehrt (vgl. VG Hannover, U.v. 1.10.2008 – 11 A 7719.06 – juris).
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2. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG in der zum Zeitpunkt der Quarantäne im Januar 2022 maßgeblichen Fassung mit Gültigkeit vom 12. Dezember 2021 bis zum 27. Januar 2022 erhält ein Arbeitgeber, der für die zuständige Behörde die Entschädigung auszahlt, auf Antrag eine entsprechende Erstattung, wenn sein Arbeitnehmer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch ein Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtigte abgesondert wurden oder werden. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 IfSG ist ein vorrangiger, dem Arbeitnehmer der Klägerin zustehender Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG, der dann aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Vorschrift des § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG auf die Klägerin übergegangen ist.
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a) Zwar wurde der Geschäftsführer der Klägerin hier aufgrund der Quarantäneanordnung des Landratsamts … vom 12. Januar 2022 ab dem 11. Januar 2022 bis zum 17. Januar 2022 abgesondert. Der Anspruch der Klägerin scheitert jedoch daran, dass der Geschäftsführer der Klägerin – auf den im Hinblick auf das Entstehen eines Entschädigungsanspruches abzustellen ist – bereits keinen Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG erlitten hat. Denn die Klägerin hat in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung aus § 10 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 4. September 2012 ihrem Geschäftsführer N. M. für den Zeitraum der Quarantäne zwischen dem 11. Januar 2022 und dem 17. Januar 2022 eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 1.259,50 EUR und einen Betrag in Höhe von 372,92 EUR für abgeführte Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Für einen Erfolg der Klage fehlt es damit bereits an einem anspruchsbegründenden Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG des bei der Klägerin angestellten Geschäftsführers.
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b) An einem Verdienstausfall fehlt es, wenn der Arbeitgeber für die Dauer des Quarantänezeitraums – insbesondere arbeits- oder tarifvertragsrechtlich – zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.864 – juris Rn. 24; BGH, U.v. 31.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979, 422 ff.; BGH, U.v. 1.2.1979 – III ZR 88/77 – NJW 1979, 1460; Eckart/Kruse in: BeckOK Infektionsschutzrecht InfSchR, 9. Ed. 20.12.2021, IfSG § 56 Rn. 37). Vorliegend ergibt sich ein solcher Entgeltfortzahlungsanspruch des betroffenen Geschäftsführers gegenüber der Klägerin aus § 10 des am 4. September 2012 geschlossenen Geschäftsführer-Anstellungsvertrags. Danach werden im Fall einer Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Verhinderung – wie sie hier inmitten steht – die Bezüge des Geschäftsführers für die Dauer von sechs Wochen fortgezahlt.
31
Bei dem Geschäftsführer der Klägerin liegt aufgrund der ihm gegenüber angeordneten Quarantäne-Verpflichtung ein Fall der unverschuldeten Verhinderung an der Erbringung der Arbeitsleistung vor. Der Geschäftsführer der Klägerin war nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin aufgrund der ihm gegenüber ergangen Isolationsanordnung im Zeitraum zwischen dem 11. Januar 2022 und dem 17. Januar 2022 an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert. Die Klägerin hat insoweit unwidersprochen dargelegt, dass der Geschäftsführer der Klägerin im Zeitraum der Isolation seiner Tätigkeit nicht nachgehen konnte, weil die von ihm geschuldete Tätigkeit eine Anwesenheit im klägerischen Betrieb voraussetzt und die Tätigkeit nicht allein aus dem „Homeoffice“ heraus möglich ist. Diese Verhinderung in der Erbringung der Arbeitsleistung war auch unverschuldet, zumal die Klägerin dargelegt hat, dass ihr Arbeitnehmer sämtliche Schutzimpfungen gegen das Virus SARS-CoV-2 hat vornehmen lassen. Weiter ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass bei ihrem Geschäftsführer keine Erkrankung im Sinne von § 10 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vorlag, da keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden ist und der Geschäftsführer der Klägerin auch nicht arbeitsunfähig erkrankt war.
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Die Absonderungszeit überschritt auch nicht die in § 10 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages in Anlehnung an § 3 IfSG geregelte Dauer von sechs Wochen. In Vollzug des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 4. September 2012 besaß der Geschäftsführer der Klägerin demnach für die Zeit seiner Absonderung zwischen dem 11. Januar 2022 und dem 17. Januar 2022 einen unbeschränkten Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dieser wurde von der Klägerin auch gegenüber ihrem Arbeitnehmer durch entsprechende Zahlung erfüllt.
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c) Dieser Lohnfortzahlungsanspruch aus dem maßgeblichen Geschäftsführer-Anstellungsvertrags hat Vorrang vor einem Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 IfSG. Die Subsidiarität der Entschädigungsansprüche aus § 56 Abs. 1 IfSG lässt sich bereits dem Wortlaut der Norm entnehmen, in dem es heißt „und dadurch einen Verdienstausfall erleidet“. Hieraus ergibt sich eindeutig die Notwendigkeit, dass der Arbeitnehmer, auf den maßgeblich abzustellen ist, infolge seiner Absonderung keine Vergütung erhält. Dies folgt auch aus dem Sinn und Zweck des Entschädigungsanspruchs aus § 56 IfSG. Es handelt sich hierbei um einen Billigkeitsanspruch, mit dem der Gesetzgeber die Betroffenen wirtschaftlich absichern und vor materieller Not schützen will, weil sie „vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen sind wie Kranke“ (vgl. Kiesling/Kümper, IfSG, 3. Auflage 2022, § 56 Rn. 3). Es handelt sich damit um eine Maßnahme der sozialen Sicherung (vgl. Stöß/Putzer NJW 2020, 1465 f.). Dementsprechend beschränkt sich die Vorschrift auf das vom Gesetzgeber für notwendig Erachtete und sollte keinen neuen Schadensausgleich gewähren (vgl. Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 6. Auflage 2022, § 56 Rn. 1). Weiter ist es nicht Ziel der Entschädigung, Arbeitgeber und Versicherungen zu entlasten und deren Verpflichtung zu Versicherungsleistungen oder zur Lohnfortzahlung auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl. BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979, 422 ff.). Nach der Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung in § 49 Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) ist die Vorschrift ein Billigkeitsausgleich, der keinen vollen Schadensausgleich, sondern eine gewisse soziale Sicherung des betroffenen Arbeitnehmers bezweckt (BT-Drs. III/1888, 27).
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Entscheidend für den Ausschluss eines Entschädigungsanspruches der Klägerin ist daher, dass der betroffene Geschäftsführer der Klägerin in Vollzug der seit dem Jahr 2012 geltenden arbeitsvertraglichen Regelung in § 10 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags für den Zeitraum der Isolation gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung besitzt. Dieser vertragliche Anspruch führt dazu, dass der Geschäftsführer sozial abgesichert ist und keiner Billigkeitsentschädigung durch die öffentliche Hand bedarf, für die die Klägerin in Vorleistung gegangen ist. Ob die Klägerin möglicherweise den Lohn in Erwartung eines Ausgleichs durch die Billigkeitsentschädigung nach § 56 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 IfSG geleistet hat, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass sie nach der arbeitsvertraglichen Regelung zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.
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d) Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem letzten Schriftsatz vom 23. September 2022 geltend gemacht hat, dass die Bestimmung des § 10 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags vom 4. September 2012 unwirksam sei und aus diesem Grund der Anspruch aus § 56 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 IfSG zugunsten der Klägerin bestehe, kann er mit diesem Vortrag nicht durchdringen. Unabhängig von der Wirksamkeit der in § 10 individualvertraglich getroffenen Regelung ist dem von der Isolation betroffenen Arbeitnehmer jedenfalls durch die tatsächlich geleistete Entgeltfortzahlung kein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG entstanden, der jedoch Voraussetzung für einen übergeleiteten Anspruch der Klägerin aus § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG ist. Ob die Regelung des § 10 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages tatsächlich, wie der Bevollmächtigte der Klägerin meint, unwirksam ist, wäre zivilrechtlich zu klären. Mit der tatsächlich erfolgten Lohnfortzahlung an den betroffenen Geschäftsführer bleibt jedenfalls kein Raum für einen übergeleiteten Anspruch der Klägerin auf Verdienstausfallentschädigung. Auch wären bei Unwirksamkeit der in § 10 Geschäftsführer-Anstellungsvertrag sämtliche seit Abschluss an den jeweils betroffenen Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen zu Unrecht erfolgt und von der Klägerin zurückzufordern. Daher muss sich die Klägerin an den von ihr geschlossenen arbeitsvertraglichen Regelungen festhalten lassen, zumal sie diese offensichtlich auch entsprechend vollzieht.
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3. In der Folge besteht aber auch kein Anspruch auf Erstattung der für den Arbeitnehmer abgeführten Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 57 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 IfSG, da hierfür ein Anspruch gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 1 IfSG zwingende Voraussetzung wäre (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.864 – juris Rn. 32). Denn eine Erstattung von geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen nach § 57 Abs. 1 IfSG kommt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 12. Dezember 2021 nur dann in Betracht, wenn der betroffene Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG hat. Nach dem oben Gesagten hat der betroffene Geschäftsführer der Klägerin jedoch gerade keinen Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG, sodass in der Folge auch kein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 57 Abs. 1 IfSG besteht.
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4. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht, da ein Rückgriff auf allgemeine Entschädigungs- bzw. Erstattungsregelungen aufgrund der abschließenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz ausscheidet.
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5. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 i.V.m. § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).