Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 29.11.2022 – 1 K 22.1228
Titel:

Erfolglose Klage auf Eintragung eines (vermeintlichen) Künstlernamens in Reisepass und Personalausweis

Normenketten:
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1
PassG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
KSVG § 2 S. 1
Leitsätze:
1. Künstlername ist ein Name, unter dem der Betroffene als Künstler auftritt und der durch Verkehrsgeltung gerade für die Tätigkeit als Künstler anerkannt ist und individuelle Unterscheidungskraft besitzt. (Rn. 43 und 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Zielsetzungen des Passgesetzes einerseits und des Künstlersozialversicherungsgesetzes andererseits können die in § 2 Satz 1 KSVG genannten Tätigkeiten nicht als abschließende Definition bzw. Konkretisierung des Künstlerbegriffs im Sinne des Passgesetzes gesehen werden, der vielmehr in Anlehnung an denjenigen des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu bestimmen ist. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Künstlername wird nicht im privaten Interesse des Betroffenen, sondern allein zum Zwecke der Identitätsfeststellung in den Personalausweis oder Pass eingetragen, weil weil man den bürgerlichen Namen des Künstlers typischerweise entweder schon gar nicht mehr kennt oder es für unpassend halten würde, ihn so anzusprechen. (Rn. 86 und 82) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf Eintragung eines Künstlernamens in den Reisepass bzw. Personalausweis (hier verneint), Künstlerbegriff im Sinne des Pass- bzw. Personalausweisgesetzes, keine Zweifel des Gerichts an der Verfassungskonformität von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 12 PAuswG, Künstlername, Eintragung, Künstlerbegriff, Unterscheidungskraft, Identitätsfeststellung
Fundstellen:
StAZ 2023, 381
LSK 2022, 46917
BeckRS 2022, 46917

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Eintragung eines (aus seiner Sicht) Künstlernamens in Reisepass und Personalausweis.
2
Mit Schreiben vom 17. November 2020, eingegangen bei der Beklagten am 11. Januar 2022, beantragte der Kläger die Eintragung eines Künstlernamens in seinen neuen Reisepass. Entsprechend dem Antrag sollte „...“ als Künstlername in den Reisepass des Klägers eingetragen werden.
3
Dem Antrag legte der Kläger zahlreiche Unterlagen bei. Hierbei handelte es sich um einen unter dem Namen „...“ verfassten Beitrag des Klägers in einer Finanzzeitschrift betreffend das Leben in Florida sowie Immobilieninvestitionen in dieser Region. Zudem war ein Nachweis hinsichtlich eines Finanzangelegenheiten betreffenden Videos des Klägers aus dem Internet beigefügt (mit 552 Aufrufen seit dem 28.5.2021 sowie 1.550 Abonnenten bzw. mit 548 Aufrufen sowie 1.540 Abonnenten); auch auf der Video-Plattform trat der Kläger unter dem Namen „...“ auf. Weiter beigefügt war dem Antrag der Auszug einer Homepage eines sozialen Netzwerks. Demzufolge hat der Kläger bei 126 verfassten Beiträgen dort insgesamt 139 Follower, die Abonnentenzahl wird mit 100 beziffert; als Beruf hat der Kläger „Professional Investor, Author, Networker“ angegeben. Auch in dem sozialen Netzwerk tritt er unter dem Namen „...“ auf. Des Weiteren erfolgte die Vorlage eines Ausdrucks einer Internetseite eines Karrierenetzwerks, auf welchem der Kläger ebenfalls unter dem Namen „...“ (und u.a. dem Beruf Autor) auftritt.
4
Zudem war ein Ausdruck des Suchergebnisses einer Internet-Suchmaschine beigefügt, nach welchem der Kläger unter dem Namen „...“ 3,550 Millionen Suchtreffer erzielte. Ebenso eingereicht wurde der Ausdruck einer (wohl der klägerischen) Homepage, wonach der Kläger nach 15 Jahren Online-Präsenz den (Anm.: aus seiner Sicht) Künstlernamen/das Pseudonym „...“ annehme. Grund hierfür sei (entsprechend den klägerischen Angaben) die bessere Verständlichkeit und das Branding über die Grenzen von Deutschland hinaus. Der Beitrag des Klägers erzielte 38 Kommentare.
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Mit Schreiben vom 7. April 2022 wurde dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Eintragung eines Künstlernamens in seinen neuen Reisepass gegeben. Es bestehe kein öffentliches Interesse an einer verwechslungsfreien Identifizierung. Ein Anspruch auf zusätzliche Personenangaben in den Ausweispapieren zur Erleichterung der Abwicklung privater Rechtsgeschäfte bestehe nicht.
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Hierauf nahm der Kläger mit Schreiben vom 9. April 2022 (sinngemäß) dahingehend Stellung, dass an einer zusätzlichen Eintragung in einem Reisepass niemals ein öffentliches Interesse bestehe. Dies treffe auf alle Künstler zu. Es könne nie öffentliches Interesse sein, was in einem persönlichen Reisepass stehe. Des Weiteren sei es – wie der Kläger sinngemäß anmerkt – durchaus eine Erleichterung für den Kläger, wenn sein Künstlername im Reisepass eingetragen sei. Die Eintragung des Künstlernamens in den Reisepass sei beispielsweise für den Fall sinnvoll, in welchem der Kläger mit seinem bürgerlichen Namen identifiziert werde, aber Visitenkarten mit „...“ aufgefunden würden. Für öffentliche Rechtsträger habe es keinen Nachteil, wenn bei einem Bürger in einem Reisepass der Künstlername eingetragen sei. Der Kläger beantragte nochmals die Eintragung von „...“ in seinen Reisepass.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. April 2022, dem Kläger zugestellt am 30. April 2022, wurden die klägerischen Anträge vom 17. November 2020 und vom 9. April 2022 auf Eintragung des Künstlernamens „...“ in seinen Reisepass abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe zwar Nachweise vorgelegt, die die tatsächliche Inanspruchnahme des Künstlernamens „...“ belegen sollten (s.o.). Bereits aufgrund der allgemeinen Verwaltungsvorschriften (Nr. 4.1.4 der Verwaltungsvorschriften) zur Durchführung des Passgesetzes sei jedoch durch die Behörde zu prüfen, ob überhaupt eine künstlerische Tätigkeit vorliege und ob diese in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Von einem Künstlernamen könne nur dann die Rede sein, wenn er mit einer spezifischen künstlerischen Tätigkeit verbunden sei. Einen Anhaltspunkt hierfür stelle zum Beispiel die Künstlersozialkasse dar, bei der Künstler sich versichern könnten. Hierbei seien die einzelnen Arten von Künstlern aufgeführt. Dazu würden insbesondere Schriftsteller, Maler, Musiker etc. gehören. Einen weiteren Nachweis stelle die Zugehörigkeit zu einem Berufsverband oder einer Agentur dar. Laut den der Beklagten vorgelegten Unterlagen agiere der Kläger als Finanzberater in Sachen Investment, aber auch als Seminarleiter und Einzelcoach. Eine klassische künstlerische Tätigkeit liege damit nicht vor.
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Auch die öffentliche Wahrnehmung spiele eine große Rolle. Der Künstlername müsse in der Öffentlichkeit eine entsprechende Verkehrsgeltung erlangt haben, so dass der bürgerliche Name zumindest in Teilbereichen überlagert werde. Ein am 28. April 2022 erfolgter Aufruf einer Internet-Videoplattform habe 219 Abonnenten und einen maximalen Aufruf eines Videos von 2.138 Personen von vor zwei Jahren belegt. Auch aus einem vom Kläger vorgelegten Dokument aus einem sozialen Netzwerk ergäben sich nur 139 Follower. Aus diesen niedrigen Zahlen könne sicher nicht von einer entsprechenden Verkehrsgeltung in der Öffentlichkeit ausgegangen werden.
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Das Verwaltungsgericht Köln habe in seinem Urteil vom 1. März 2018 ausgeführt, dass § 5 Abs. 1 Nr. 12 PAuswG (Personalausweisgesetz) und § 4 Abs. 1 Nr. 4 PassG (Passgesetz) so auszulegen seien, dass ein Künstlername nur dann einzutragen sei, wenn er sich von dem bürgerlichen Namen hinreichend unterscheide. Die in den Ausweisen enthaltenen Angaben über eine Person würden sich auf solche Merkmale beschränken, die zur Feststellung der Identität unbedingt erforderlich seien. Auch ein Künstlername werde nicht im privaten Interesse des Betroffenen, sondern allein zum Zwecke der Identitätsfeststellung eingetragen. Zweck der Eintragung der Angaben der Person in Pass und Personalausweis sei eben nur das öffentliche Interesse an der verwechslungsfreien Identifizierung. Die Verwendung des Passes und des Personalausweises im nichtöffentlichen Bereich sei als Ausweis- oder Legitimationspapier zwar ausdrücklich erlaubt. Ein Anspruch auf zusätzliche Personenangaben in den Ausweispapieren zur Erleichterung der Abwicklung privater Rechtsgeschäfte bestehe deshalb aber nicht. Die ablehnende Entscheidung der Behörde, in den Pass oder Personalausweis einen Berufsnamen einzutragen, greife auch nicht in die Grundrechte der Berufsfreiheit oder der allgemeinen Handlungsfreiheit des Betroffenen ein. Sie lasse das Recht des Ausweisinhabers, den Berufsnamen bei der Berufsausübung oder im gesellschaftlichen Leben zu führen, unberührt. Daraus resultierende Namensverwechslungen lägen jedoch im Verantwortungsbereich des Namensverwenders. Zusammenfassend sei im Falle des Klägers weder eine künstlerische Tätigkeit gegeben, noch eine entsprechende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund seien die Anträge auf Eintragung des Künstlernamens „...“ abzulehnen gewesen.
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Entsprechend einem klägerischen Schreiben vom 12. Mai 2022 sei der Kläger bei der Verwertungsgemeinschaft WORT als Autor – bezüglich eines Künstlernamens würde man Schriftsteller sagen – registriert. Autoren mit wesentlichen Aufrufen ihrer Werke im Internet erhielten eine Vergütung aus den Abgaben der elektronikherstellenden Unternehmen. Dies sei möglicherweise vergleichbar mit Zahlungen, welche Musiker von der GEMA erhielten, da ihre Werke im Radio, in Filmen oder auf Veranstaltungen gespielt würden. Obwohl die Abrechnung auf den bürgerlichen Namen des Klägers ausgestellt sei, sei „...“ als Pseudonym dort hinterlegt. Viele vergütungsfähige Texte würden von der Internetseite des Klägers stammen. In den letzten zehn Jahren sei seine Seite über 18 Millionen Male aufgerufen worden – mit einer durchschnittlichen Betrachtungs- bzw. Lesezeit von knapp vier Minuten. Seit 2019 veröffentliche der Kläger seine Text- und Videowerke (über 5 Millionen Aufrufe auf einer Internet-Videoplattform) konsequent unter dem Namen „...“; so werde der Kläger auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Aufgrund der längeren Schaffung sei der natürliche Name des Klägers beispielsweise langjährigen Newsletterabonnenten bekannt, wachse aber heraus. Neue Leute würden den Kläger unter dem Künstlernamen kennenlernen.
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Für die Jahre 2013 bis 2020 wurde ein Nachweis darüber beigelegt, dass der Kläger bei der VG WORT einen Auszahlungsbetrag von insgesamt 13.087,70 EUR erzielt habe, hiervon 10.395,00 EUR im Jahr 2020. Ebenso liegt ein Beleg dafür vor, auf welchem nach Angaben des Klägers erkennbar ist, dass seine Internetseite von Mai 2013 bis Mai 2022 insgesamt ca. 18 Millionen Mal aufgerufen worden sei; der Name der Internetseite des Klägers ist auf diesem Internet-Ausdruck jedoch nicht verzeichnet.
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Ein auch vom Kläger vorgelegter Ausdruck einer Internetseite (Internet-Videokanal mit finanzbezogenen Inhalten) weist 12.100 Abonnenten sowie 5.059.646 Aufrufe seit dem 15. August 2012 aus.
13
Mit Schreiben vom 23. Mai 2022, eingegangen bei Gericht am 30. Mai 2022, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 28. April 2022. Zur Begründung führte er aus, Künstlernamen seien nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 PassG in den Pass einzutragen; es handle sich dabei um eine zwingende Regelung. Der Antrag des Klägers sei unter Heranziehung von Ablehnungsgründen abgelehnt worden, welche nicht in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes verzeichnet seien. Bei dem Schreiben des Klägers vom 9. April 2022 habe es sich um ein Widerspruchsschreiben gehandelt, nicht jedoch um einen erneuten Antrag.
Der Kläger sei schwerpunktmäßig als Schriftsteller und Videokünstler tätig, und zwar unter dem Pseudonym „...“. Er schreibe über finanzielle Themen. Das sei etwa der Unterschied zwischen einem Koch im Restaurant und dem Autor eines Kochbuches, wobei der Kläger der zweitgenannte wäre. Zudem habe sich die Beklagte bewusst oder unbewusst zwei kleinere Projekte ausgesucht, um mit einer (aus ihrer Sicht) geringen Zahl von Videoaufrufen bzw. Followers zu dokumentieren, dass der vom Kläger beantragte Künstlername in der Öffentlichkeit keine Verkehrsgeltung habe. Daraufhin habe der Kläger der Beklagten die Aufrufzahlen seiner Videos von über fünf Millionen auf seinem Hauptkanal mitgeteilt. Mit Schreiben vom 12. Mai 2022 habe er ferner Nachweise für die 18 Millionen Leser bzgl. seines Hauptblogs nachgereicht, ebenso dass er damit als Schriftsteller ein nennenswertes Einkommen erziele. Als Autor und Schriftsteller sei er mit seinem Pseudonym bei der Verwertungsgesellschaft WORT registriert – quasi als Ersatz für das beispielhafte Fehlen der Künstlersozialkasse. Musiker bekämen Ausschüttungen von der GEMA, Maler vielleicht von der Künstlersozialkasse und Schriftsteller von der VG Wort. Die Verwaltungsvorschrift zum Passgesetz mache für die Eintragung eines Künstlernamens nicht zur Voraussetzung, dass der Antragsteller beispielsweise bei der Künstlersozialkasse versichert sei.
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Vielmehr seien – wie der Kläger sinngemäß ausführt – die Anforderungen von Nummer 4.1.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Passgesetz erfüllt. Der (aus klägerischer Sicht) Künstlername „...“ unterscheide sich hinreichend vom bürgerlichen Namen des Klägers. Auch werde er im Zusammenhang mit einer künstlerischen oder freischaffenden Tätigkeit geführt; der Kläger arbeite als Schriftsteller (Autor) und Videokünstler. Ebenso habe der Künstlername Verkehrsgeltung erlangt, so dass er anstelle des Namens die Identität und Individualität der Person ausdrücke. Unter dem Namen „...“ würden seit September 2019 alle Artikel veröffentlicht. Hierbei handle es sich mittlerweile um eine dreistellige Anzahl. Der Name sei ebenso in den Videos integriert. Die Aufrufzahlen seien in Millionenhöhe und überregional. Im Übrigen sei in Nummer 4.1.4 Satz 5 der Verwaltungsvorschrift zum Passgesetz geregelt, dass Künstlernamen im Reisepass einzutragen seien, wenn die antragstellende Person unter dem von ihr angegebenen Künstlernamen bekannt sei. Es heiße nicht, dass sie der Verwaltungsbeamtin bekannt sein müssten. Durch die vorgenannten Unterlagen sei nachgewiesen worden, dass einem nicht unwesentlichen Teil der Öffentlichkeit der einzutragende Name bekannt sei. Die erforderlichen Nachweise im Sinne von Nummer 4.1.4 Satz 6 der Verwaltungsvorschrift zum Passgesetz habe der Kläger ebenfalls erbracht. Es entspreche nicht der Rechtslage, dass der Beamte sich auf die Suche im Internet mache, um Belege dagegen zu suchen oder zu erstellen. Künstlernamen gebe es heute nicht nur bei Musikern und Malern. Darauf gehe auch die Verwaltungsvorschrift in den folgenden Sätzen ein, indem beispielsweise „Klicks“ im Internet berücksichtigt würden. Auch gebe es deutschland- und weltweit sehr viele Künstlernamen. Insgesamt sei der Künstlername des Klägers in den Reisepass einzutragen, weil das Gesetz es so vorsehe und auch die Leitlinien der Verwaltungsvorschrift erfüllt seien.
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Der Kläger beantragt,
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Die Beklagte wird verpflichtet, den Künstlernamen „...“ in seinen Reisepass und seinen Personalausweis einzutragen.
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Die Beklagte lässt beantragen,
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Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Begründung lässt sie ausführen, dass die Klage jedenfalls unbegründet sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Eintragung des Namens „...“ als Künstlernamen in den Reisepass. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 PassG lägen nicht vor. Zwar mag es zutreffen, dass grundsätzlich ein nicht im Ermessen stehender Anspruch auf Eintragung eines Künstlernamens in den Pass bestehe. Dies könne jedoch nur für Fälle gelten, in denen es sich tatsächlich auch um einen Künstlernamen handle. Bei dem klägerischen Namen „...“ handle es sich gerade um keinen solchen eintragungsfähigen Künstlernamen im Sinne der Norm. Die in dem amtlichen Reisepass enthaltenen Angaben über eine Person beschränkten sich auf solche Merkmale, die zur Feststellung der Identität unbedingt erforderlich seien. Ein Künstlername werde dabei nicht im privaten Interesse des Betroffenen, sondern allein zum Zwecke der Identitätsfeststellung ohne Verwechslungsgefahr in den Pass eingetragen. Die verwechslungsfreie Identifizierung sei das öffentliche Interesse. Unzutreffend sei, dass das öffentliche Interesse an der Eintragung keine zu prüfende Voraussetzung für die Eintragung sei. Mit Blick auf die verwechslungsfreie Identifizierung habe die Öffentlichkeit sehr wohl ein Interesse an den persönlichen Angaben im Reisepass. Einen frei gewählten Künstlernamen könne dabei tragen, wer Künstler im Sinne des § 2 KSVG sei und somit Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffe, ausübe oder lehre. Jener müsse sich vom personenstandsrechtlichen Namen genügend unterscheiden. Eintragungsfähig sei ein Künstlername dabei nur, wenn die Person unter dieser Bezeichnung auftrete und damit mindestens in Kreisen ihres Zielpublikums eine weitere überörtliche Bekanntheit erreicht habe und insoweit eine durch Verkehrsgeltung erlangte individuelle Unterscheidungskraft besitze. Eine örtliche Bekanntheit würde nur in Großstädten genügen. Den Nachweis über die Verkehrsgeltung seines Künstlernamens habe der Antragsteller zu führen. Anzeichen für die Bekanntheit könne unter anderem sein, dass in Alltagssituationen der Künstlername eingesetzt werde. Auch der Nachweis künstlerischen Schaffens könne hierfür Beleg sein.
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Auch nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (Ziffer 4.1.4) zur Durchführung des Passgesetzes sei der Künstlername nur dann im Reisepass einzutragen, wenn die antragstellende Person unter dem von ihr angegebenen Künstlernamen bekannt ist, wofür der Antragsteller die notwendigen Nachweise zu erbringen habe. Der Künstlername müsse in der Öffentlichkeit eine gewisse Verkehrsgeltung und einen überregionalen Bekanntheitsgrad erlangt haben. Eine Verkehrsgeltung könne – wohl entgegen der Rechtsansicht des Klägers – nicht ausschließlich auf Basis der Anzahl der „Klicks“, positiver Bewertungen („Likes“) und „Follower“ belegt werden.
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Zusammenfassend erfordere die Eintragung des Künstlernamens in den Reisepass als – vom Kläger überwiegend nachzuweisende – Voraussetzungen, dass sich der zur Eintragung beantragte Künstlername hinreichend vom bürgerlich-rechtlichen Namen unterscheide, es sich bei der antragstellenden Person um einen Künstler handle sowie die Merkmale der überregionalen Bekanntheit, Verkehrsgeltung und individuellen Unterscheidungskraft (Identität und Individualität) gegeben seien.
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Gemessen an diesen Grundsätzen lägen die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 PassG für die Eintragung des Namens „...“ als Künstlername in den Reisepass des Klägers nicht vor. Zwar bestehe eine hinreichende Unterscheidung zum bürgerlichen Namen des Klägers. Jedoch fehle es vorliegend sowohl an der Künstlereigenschaft als auch dem Nachweis der überregionalen Bekanntheit, der Verkehrsgeltung und der individuellen Unterscheidungskraft.
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Beim Kläger handle es sich zumindest um keinen Künstler im Sinne des § 2 KSVG, da er nach den Recherchen der Beklagten weder Musik noch darstellende oder bildende Kunst schaffe. Nach der den Beklagten vorliegenden Unterlagen agiere der Kläger mehr als Finanzberater in der Investment-Branche sowie als Coach. Diese Tätigkeiten fielen nicht unter den Künstlerbegriff im Sinne des § 2 KSVG, der gerade das Schaffen von Musik und Kunst in den Vordergrund stelle; die Tätigkeiten des Klägers seien damit auch nicht vergleichbar. So schreibe der Kläger auf seiner Homepage selbst, dass er Menschen helfe, passende Bankprodukte zu finden; im Übrigen könnten Nutzer durch die Anmeldung als „Fan“ noch mehr Anleitungen und Videos sehen. Dieses Angebot stelle keine künstlerische Tätigkeit im vorgenannten Sinne dar; vielmehr deute dies auf eine vorwiegende Tätigkeit des Klägers als Finanzberater/-dienstleister und Coach hin. Der Vortrag des Klägers, seine Tätigkeiten als Schriftsteller und Videokünstler seien eine künstlerische Tätigkeit, überzeuge damit nicht. Im Übrigen sei er vom Kläger auch nicht hinreichend mit Nachweisen belegt worden.
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Jedenfalls verfüge der Kläger unter dem Namen „...“ über keine überregionale Bekanntheit, Verkehrsgeltung oder individuelle Unterscheidungskraft. Eine Verkehrsgeltung könne gerade nicht ausschließlich auf Basis der Anzahl der „Klicks“, der „Likes“ und „Follower“ belegt werden (s.o.). Im Übrigen würden diese Parameter beim Kläger nicht für eine Verkehrsgeltung und eine überregionale Bekanntheit sprechen. Ein Aufruf der Videoplattform mit finanzbezogenen Videos des Klägers habe am 28. April 2022 219 Abonnenten des Kanals „...“ ergeben. Das letzte Video sei auf dem Kanal vor ca. 8 Monaten veröffentlicht worden. Nur eines der auf dem Kanal veröffentlichten Videos verfüge über Aufrufe im vierstelligen Bereich, alle weiteren hätten geringere Anzahlen an Aufrufen. Ein weiterer Kanal des Klägers weise 12.200 Abonnenten auf (s.o.), aber auch dort sei seit der Veröffentlichung des letzten Videos bereits in etwa ein Jahr vergangen. Weitere Kanäle des Klägers (mit 117 bzw. 1.300 Abonnenten) würden zwar zuletzt Videoveröffentlichungen aufweisen, hier sei die Zahl der Aufrufer der Videos jedoch ebenfalls im absolut untersten Bereich.
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Auch die Anzahl der „Follower“ in einem sozialen Netzwerk befinde sich mit 139 (s.o.) zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ebenfalls im absolut untersten Bereich und spreche gegen eine überregionale Bekanntheit bzw. Verkehrsgeltung des Klägers unter dem Namen „...“. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Popularität, die dieses Medium mit seinen derzeit über eine Milliarde Nutzern inzwischen habe.
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Im Übrigen werde auf die Internetseite Bezug genommen, welche lediglich 38 Kommentare aufweise (s.o.). Soweit der Kläger in seinem Klageschriftsatz statistische Zahlen in Bezug nehme, so reiche dies vor diesem Hintergrund nicht aus, um einen Bekanntheitsgrad nachzuweisen. Zumal aus den vorgelegten Schriftstücken nicht einmal eindeutig hervorgehe, dass es sich um die Webseite des Klägers handle. Auch die hohe „Absprungrate“ (Prozentsatz der Aufrufe, die der einzige Seitenaufruf der Sitzung gewesen seien) spreche gegen eine Verkehrsgeltung und eine überregionale Bekanntheit. Vielmehr lasse die Rate vermuten, dass die Besucher mehr zufällig auf der Webseite gewesen seien.
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Weiter gebe es keine Anzeichen dafür, dass der Kläger den Namen „...“ auch in Alltagssituationen einsetze. Stattdessen sei auf dem Schreiben der VG Wort erkennbar, dass er hier mit seinem bürgerlichen Namen auftrete. Insofern verwundere es auch, dass der Kläger vortrage, er sei bei der VG Wort mit seinem Pseudonym registriert. Im Übrigen seien – wie die Beklagte sinngemäß ausführt – die Ausschüttungen in Höhe von 12.280,95 EUR für den Zeitraum von 2009 bis 2019 gering. Auch dies spreche gegen einen hohen Bekanntheitsgrad und eine Verkehrsgeltung.
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Der Kläger habe sich auch wohl erst im Jahre 2019 für die Bekanntgabe des Namens „...“ in der Öffentlichkeit entschieden. Als Grund hierfür nenne er „bessere Verständlichkeit“ und „Branding über die Grenzen von Deutschland hinaus“.
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Der Künstlername werde nicht im privaten Interesse des Betroffenen in den Pass eingetragen, sondern allein zum Zwecke der Identitätsfeststellung (s.o.). Der Kläger verfolge mit seinen Zielen der „besseren Verständlichkeit“ und „Branding“ lediglich private Interessen, nicht hingegen das für die Eintragung erforderliche Interesse der Identitätsfeststellung. Das öffentliche Interesse der Identitätsfeststellung gebiete vorliegend gerade nicht die Eintragung des Namens „...“ in den klägerischen Reisepass. Im Ergebnis habe der Kläger keinen Anspruch auf Eintragung des Namens „...“ als Künstlernamen in seinen Reisepass. Es fehle ihm bereits an der Künstlereigenschaft, jedenfalls aber an der Verkehrsgeltung und der überregionalen Bekanntheit des Namens „...“.
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Mit Schreiben vom 29. August 2022 führte der Kläger ergänzend aus, dass er mit der begehrten Eintragung (des – aus seiner Sicht – Künstlernamens) belegen könne, dass es sich bei „...“ um einen offiziellen Künstlernamen handle und er keinen Identitätsbetrügereien nachgehe. Die von der Beklagtenseite erwähnten Urteile beträfen – wie der Kläger sinngemäß ausführt – andere Konstellationen im Falle einer Heirat. Da die Bevollmächtigte der Beklagten bei näherer Betrachtung nichts gefunden habe, was an Urteilen gegen den Antrag des Klägers auf Eintragung spreche, dürfe man davon ausgehen, dass üblicherweise Eintragungen von Künstlernamen erfolgten. Soweit die Bevollmächtigte der Beklagten eine Kommentarstelle zum Passgesetz zitiere, so beziehe sich diese auf Musiker und darstellende oder bildende Künstler nach § 3 KSVG. Das treffe auf einen Autor/Schriftsteller einfach nicht zu. Unzutreffend sei ferner, dass der Kläger seine Bekanntheit ausschließlich auf der Basis von „Klicks, Likes und Followern“ belegen wolle. Es seien zahlreiche Artikel und Videos unter dem Namen „...“ veröffentlicht worden, die in der Öffentlichkeit eine gewisse Verkehrsgeltung und einen überregionalen Bekanntheitsgrad erreicht hätten.
Im Übrigen lasse das Schreiben der Beklagtenseite die große Gruppe der schreibenden Künstler außer Betracht; gerade in diesem Bereich gebe es häufig Künstlernamen.
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Zudem sei der Kläger gerade kein Finanzberater in der Investment-Branche. Vielmehr schreibe er hauptsächlich über finanzielle Themen (teilweise mit über 168.000 Seitenaufrufen entsprechend den statistischen Zahlen).
Dass die Artikel in spanischer bzw. italienischer Sprache häufig aufgerufen worden seien, deute – wie der Kläger sinngemäß anmerkt – auf eine überregionale Bekanntheit hin. Im Übrigen verlange das Gesetz nicht, dass ein Künstler jedermann bekannt sein müsse.
32
Die Bevollmächtigte der Beklagten bemerke richtig, dass nicht jeder die klägerischen Webseiten oder seine Videos aufrufe, weil er den Kläger als Künstler sehen oder lesen wolle. Dies tun wohl die wenigsten (vgl. Abonnentenzahlen zu Gesamtaufrufzahlen). Dies sei nicht anders bei Filmkünstlern. Dort würden zwar einige des Künstlers wegen schauen, die meisten würden ihre Filme jedoch nach den Themen auswählen. Ebenso verhalte es sich bei Theaterdarstellern.
33
Nur weil man über ein Thema schreibe, sei man im Kern oder juristisch kein Berater dafür, jedenfalls nicht in der Bedeutung, dass der Kläger andere Leute in der Wohnung aufsuche und ihnen Produkte verkaufe. Zutreffend sei, dass der Kläger mit einigen seiner Leser in Kontakt stehe; es gebe Kontaktaufnahmemöglichkeiten, auch habe er schon Events zu Finanzthemen veranstaltet. Dies spreche jedoch nicht dagegen, ein Autor oder Schriftsteller zu sein. Das von der Beklagten wiedergegebene Zitat (s.o.) sei gerade die aktuelle Autorenvorstellung auf einem Webportal (Anm.: der Internetseite des Klägers). Jedoch sei dabei die Überschrift „Wer schreibt hier?“ im Zitat weggelassen worden. Der Kläger helfe nicht als Finanzberater persönlich Leuten. Er sei in Wirklichkeit Autor/Schriftsteller; sein Hauptprodukt seien Texte und Videos, welche den Lesern Hilfestellung in Finanzangelegenheiten gäben. Das könne man dem vorgenannten Zitat ebenso entnehmen.
34
Im Übrigen habe der Kläger – wie er sinngemäß ausführt – seine Tätigkeit genügend nachgewiesen. Allein im deutschsprachigen Bereich seines Hauptportals (Anm.: der Internetseite des Klägers) seien seit 2013 zahlreiche Artikel und Seiten veröffentlicht worden, ab 2019 unter dem Namen „...“. Unter Berücksichtigung der Übersetzungen in Fremdsprachen erweiterten sich die Anzahl und die überregionale Bekanntheit. Auf dem Hauptkanal des Klägers auf der Internet-Videoplattform seien rund 550 Videos, seit 2019 ebenfalls unter dem Namen „...“, veröffentlicht worden.
35
Der Kläger komme mit seinen Kanälen auf der Internet-Videoplattform auf eine Millionenreichweite; allein beim größten Kanal des Klägers seien seine Videos insgesamt über fünf Millionen Mal aufgerufen worden (s.o.). Nicht von Relevanz sei, dass der Kläger in der letzten Zeit (aus Sicht der Beklagten) zu wenige Videos veröffentlicht hätte. Auch ein Schauspieler, der aktuell in einer Serie nicht mitspiele, dafür jedoch andere Filme drehe, sei – wie der Kläger sinngemäß ausführt – weiterhin Schauspieler. Obwohl im großen Kanal des Klägers (auf der Internet-Videoplattform) seit einiger Zeit keine Videos hinzugekommen seien, sei dieser von Ende August 2021 bis Ende August 2022 über 437.000 Mal aufgerufen worden (vgl. vorgelegter Scan, der jedoch den Namen des Kanals nicht erkennen lässt). Bei Hinzunahme der anderen Kanäle wäre man bei rund einer halben Million Leute, die den Kläger als Videokünstler überregional wahrgenommen hätten. Der Umstand bzgl. der 38 Kommentare zu einem Artikel auf der Internetseite des Klägers habe – wie der Kläger sinngemäß anmerkt – keine Aussagekraft. Der Kläger habe auf seine Artikel teilweise keine Kommentare erhalten, teilweise über 250. Insgesamt habe er – wie er ebenfalls durch Vorlage eines Scans nachweist – im deutschsprachigen Raum mehr als 34.000 Kommentare von Lesern bekommen. Davon seien 1.614 unter dem Namen „...“ geschrieben worden. Der Kläger stelle sich selbstverständlich seinen neuen Bekanntschaften als „...“ vor. Auch alle aktuellen Visitenkarten des Klägers seien darauf ausgelegt. Die VG WORT hingegen stelle keine Abrechnungen auf Pseudonyme aus. Auch von seinem Friseur werde er in der Kundenkartei als „...“ geführt.
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Hinsichtlich der Abrechnung der VG WORT werde ferner angemerkt, dass 10.395 EUR auf das Jahr 2020 fielen, als der Kläger durchwegs als „...“ agiert habe. Bei den restlichen rund 2.000 EUR handle es sich um zusätzliche Nachzahlungen aus den Vorjahren. Der größte Posten der Abrechnung beinhalte stets die Vergütung des Vorjahres. Im Jahr 2022 komme die Abrechnung für 2021 und der größte Posten werde im Jahr 2021 generiert worden sein. Zudem handle es sich lediglich um die Ausschüttung für angenommene Ausdrucke oder die anderweitige Verwertung hauptsächlich aus der Abgabe der Drucker- und Verwerterindustrie. Es würden nur Artikel vergütet, die eine vorgeschriebene Länge und Mindestaufrufzahlen erreicht hätten.
37
Ferner sei es – wie der Kläger sinngemäß anmerkt – für ihn nicht klar, weshalb die Bevollmächtigte der Beklagten lediglich vermute, dass sich der Kläger erst im Jahr 2019 für die Bekanntgabe des Künstlernamens entschieden habe. Dies habe er ausdrücklich gegenüber der Beklagten so dargelegt. Bis zu seiner Beantragung des (aus klägerischer Sicht) Künstlernamens habe er mehr als zwei Jahre konsequent an dessen Etablierung gearbeitet.
Insgesamt seien damit die Ausführungen im Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten durch den Kläger widerlegt.
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Am 29. November 2022 fand in der Sache mündliche Verhandlung statt. Auf das dabei gefertigte Protokoll wird zur Ergänzung des Sachverhalts ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte.

Entscheidungsgründe

I.
39
Gegenstand der Klage ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf zusätzliche Eintragung des (aus seiner Sicht) Künstlernamens „...“ in seinen Reisepass bzw. Personalausweis.
II.
40
Die Klage bleibt erfolglos, da sie jedenfalls unbegründet ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Eintragung des Namens „...“ in seinen Reisepass bzw. Personalausweis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
41
1. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten auf Eintragung des (aus seiner Sicht) Künstlernamens „...“ in seinen Reisepass ist grundsätzlich § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG. Nach dieser Vorschrift enthält der Reisepass den Ordens- bzw. Künstlernamen der betreffenden Person.
42
a) Soweit der Kläger in seiner Klageschrift anführt, bei der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG handle es sich um zwingendes Recht und gerade um keine Ermessensvorschrift, so ist diese Betrachtung zwar an sich zutreffend. Allerdings setzt die Entstehung des Eintragungsanspruchs voraus, dass es sich auf tatbestandlicher Seite um einen Künstlernamen im Sinne des Passgesetzes handelt. Die Frage, ob sich aus einer Norm ein gebundener Anspruch oder lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung ergibt, wäre erst dann von rechtlicher Relevanz, wenn – was vorliegend nicht der Fall ist (s.u.) – deren tatbestandliche Voraussetzungen vollumfänglich erfüllt sind.
43
Unter einem Künstlernamen ist ein vom bürgerlichen Namen abweichender Name zu verstehen, der in einem bestimmten Lebensbereich geführt wird und dort anstelle des Familiennamens bzw. zusätzlich zu diesem die Identität und Individualität der Person ausdrückt. Künstlername ist danach der Name, unter dem der Betroffene als Künstler auftritt. Beschränkungen für die Wahl des Künstlernamens sieht das Gesetz nicht vor. Die Berechtigung zur Führung eines solchen Namens entsteht allein durch dessen Annahme und Gebrauch in der Öffentlichkeit. Aus seiner dem bürgerlichen Namen entsprechenden Funktion ist jedoch abzuleiten, dass ein Künstlername nur vorliegt, wenn dieser durch Verkehrsgeltung anerkannt ist und individuelle Unterscheidungskraft besitzt (vgl. VG Osnabrück, U.v. 20.4.2005 – 6 A 153/03 – BeckRS 2006, 21196 Rn. 35, VG Berlin, U.v. 25.2.2015 – VG 23 K 180.14 – BeckRS 2015, 42102, ähnlich VGH Baden-Württemberg, U.v. 8.8.1991 – 1 S 2/91 – Rn. 17 juris, vgl. auch Nr. 4.1.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes – PassVwV).
44
b) Vorliegend sind jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung eines Künstlernamens in den Reisepass des Klägers nicht vollständig erfüllt, ebenso wenig die konkretisierenden Anforderungen der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes (PassVwV).
45
aa) Wie von den Beteiligten zutreffend gesehen, besteht die in rechtlicher Hinsicht erforderliche Abweichung zwischen dem bürgerlichen Namen des Klägers sowie dem Pseudonym „...“; insoweit ist sogar von einer deutlichen Unterscheidbarkeit auszugehen.
46
bb) Allerdings handelt es sich beim Kläger um keinen Künstler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG, was jedoch wesentliche Voraussetzung für die Annahme eines Künstlernamens wäre.
47
Ein Name, der in irgendeiner Form originell ist und mit einer bestimmten Person verbunden wird, wird allein dadurch noch nicht zum Künstlernamen. Vielmehr ist es erforderlich, dass in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit eine Verknüpfung zwischen diesem Namen und einer Tätigkeit gerade als Künstler (Schriftsteller, Maler, Musiker, Schauspieler etc.) besteht (vgl. Böttcher/Ehmann, Pass-, Ausweis und Melderecht in Bayern, Stand 67. Ergänzungslieferung, Januar 2022, Rn. 63 zu § 4 PassG). Dies ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG, welcher nicht schlicht einen Anspruch auf Eintragung von Pseudonymen begründet, sondern voraussetzt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Pseudonym gerade um einen Ordens- oder Künstlernamen handelt.
48
Darüber hinaus wird teilweise in der Literatur vertreten, dass die Eintragung eines Künstlernamens voraussetze, dass der Antragsteller Künstler im Sinne von § 2 Satz 1 des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) sei und somit Musik, darstellende oder bildende Kunst ausübe oder lehre (vgl. Beimowski/Gawron, Passgesetz/Personalausweisgesetz, 1. Aufl., 2018, Rn. 23 zu § 4 PassG).
49
(1) Bereits an dieser Stelle weist das Gericht darauf hin, dass eine Zuordnung der im konkreten Fall ausgeübten künstlerischen Tätigkeit zu § 2 Satz 1 KSVG zwar ein Indiz für die Künstlereigenschaft im Sinne des Passgesetzes ist. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Zielsetzungen des Passgesetzes einerseits und des Künstlersozialversicherungsgesetzes andererseits können die in § 2 Satz 1 KSVG genannten Tätigkeiten aber nicht als abschließende Definition bzw. Konkretisierung des Künstlerbegriffs im Sinne des Passgesetzes gesehen werden. Damit lässt sich aus einer – auch beim Kläger fehlenden – Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung noch nicht zwingend folgern, dass es sich bei diesem um keinen Künstler im Sinne des Passgesetzes handelt.
50
(2) Das Vorgenannte ändert jedoch im Ergebnis nichts daran, dass der Kläger kein Künstler im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG ist.
51
(a) Nach Aktenlage und entsprechend seiner eigenen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung verfasst der Kläger Artikel und produziert Videos, jeweils überwiegend zu Finanzthemen. Beispielsweise beschäftigt er sich in seinen Veröffentlichungen im Internet mit Fragen betreffend Girokonten. Er stellt etwa auf seiner Homepage die Vor- und Nachteile der Eröffnung eines Girokontos bei einer bestimmten Bank vor. Ebenso erfolgen beispielsweise auf seinen Online-Videokanälen Vergleiche verschiedener Girokonten sowie Kreditkarten. Des Weiteren werden im Rahmen seiner Internetauftritte ausführlich Fragen der Bargeldeinzahlungen bei Girokonten verschiedener Banken angesprochen; dies führt im Übrigen der Kläger selbst auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 29. August 2022 aus. Zudem trifft der Kläger im Internet Ausführungen zur Frage des Schufa-Scores, ebenso führt er Depotvergleiche durch. Ferner werden in seinen Videos auf der Internet-Videoplattform Umstände des Landerwerbs in anderen Staaten thematisiert. Des Weiteren sind Fragen der Eröffnung von Auslandskonten sowie der Anlage in Edelmetalle Gegenstand seiner Ausführungen im Internet.
52
Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im Internet ausführlich zu (überwiegend) finanzbezogenen Angelegenheiten schreibt bzw. publiziert.
53
Ebenso hat der Kläger nach eigenen Angaben finanzbezogene Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht; bei der Akte befindet sich insoweit ein aus dem Jahr 2020 stammender Artikel des Klägers betreffend das Leben in Florida sowie Immobilieninvestitionen in dieser Region.
54
Im Übrigen hat der Kläger nach eigenen Angaben auch Internetartikel publiziert, welche die aus seiner Sicht wahrscheinlichste Zukunft von Finanzprodukten – insbesondere des Girokontos – zum Gegenstand haben.
55
(b) Dennoch handelt es sich beim Kläger – trotz seiner umfangreichen und wohl auch erfolgreichen Autorentätigkeit – nicht um einen Künstler im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG; insbesondere lässt sich die Künstlereigenschaft nicht mit dem Vorliegen einer schriftstellerischen oder videokünstlerischen Tätigkeit begründen.
56
Mangels einer Legaldefinition im Passgesetz bzw. einer Definition in den § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG zugrundeliegenden Gesetzgebungsmaterialien (insbes. BT-DS 10/3303 vom 7.5.1985) ist der Künstlerbegriff in der vorgenannten Norm in Anlehnung an den des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu bestimmen.
57
Demnach ist wesentlich für die künstlerische Betätigung die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen, es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers (vgl. VG Berlin, U.v. 25.2.2015 – VG 23 K 180.14 – BeckRS 2015, 42102 unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 17.7.1984 – 1 BVR 816/82 – BVerfGE 67, 213 – juris Rn. 34).
58
In diesem Zusammenhang bedarf es einer Abgrenzung einer (nicht-künstlerischen) journalistischen zu einer spezifisch künstlerischen Tätigkeit, wobei letztere durchaus auch eine schriftstellerische Tätigkeit sein kann. Immerhin verfassen Journalisten ebenfalls Artikel, welche im Internet veröffentlicht werden; teilweise geschieht dies auch unter Verwendung von Pseudonymen. Auch Journalisten publizieren Kommentare zu bestimmten – gegebenenfalls finanzbezogenen – Themen; dies umfasst neben der Abbildung der aktuellen Wirklichkeit durchaus auch Vorschläge für die Entwicklung bestimmter Produkte oder Lebenssituationen in der Zukunft bzw. Prognosen/Vermutungen hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen in der Gesellschaft bzw. Wirtschaft. Ebenfalls sind auch Auftritte von Journalisten auf Internet-Videoplattformen denkbar.
59
Insgesamt ist das Gericht der Ansicht, dass die Internetauftritte, Beiträge und Videos des Klägers jedenfalls im Wesentlichen sachlichen und damit informativen Charakter haben, schließlich sollen damit in allererster Linie Tatsachen wiedergegeben und den Lesern mitgeteilt werden. Dies räumt der Kläger auch selbst auf Seite 6 seines Schriftsatzes vom 29. August 2022 ein, wonach seine Texte und Videos den Lesern Hilfestellung in Finanzangelegenheiten geben sollen; mit im Wesentlichen fiktiven Ausführungen könnte diese Zielsetzung gerade nicht erreicht werden.
Darüber hinaus lässt sich aus den vorgenannten Veröffentlichungen des Klägers eine Tätigkeit als Coach bzw. Berater in Finanzangelegenheiten erkennen (vgl. Ausführungen unter dem Lichtbild des Klägers in dem in einer Finanzzeitschrift veröffentlichten Artikel betreffend das Leben in Florida sowie Immobilieninvestitionen in dieser Region).
Kreative Elemente, welche mit einer künstlerischen Tätigkeit üblicherweise verbunden sind, sind bei den Veröffentlichungen des Klägers jedenfalls nicht schwerpunktmäßig erkennbar. Dies gilt auch für die vom Kläger – ausgehend von der aktuellen Finanzmarktsituation – erfolgten Vermutungen über die Entwicklung des Girokontos; mit seinem diesbezüglichen Vortrag hat der Kläger wohl auf seinen – unter seinem bürgerlichen Vornamen (G.) veröffentlichten – Homepage-Artikel „Welches ist Ihr Girokonto der Zukunft?“ vom Oktober 2018 Bezug genommen (vgl. https://www...., abgerufen am 30.11.2022).
60
(c) Ebenfalls nicht zur Annahme einer vom Kläger ausgeübten künstlerischen – insbesondere schriftstellerischen – Tätigkeit führt, dass der Kläger bei den Blogartikeln auf seiner Internetseite “https://www....“ vor der eigenen Beschreibung seiner Tätigkeit die Überschrift „Wer schreibt hier?“ verwendet hat (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 29.8.2022). Auch an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass Journalisten ebenfalls Artikel verfassen, welche im Internet veröffentlicht werden (s.o.). Im Übrigen räumt der Kläger mit seiner Tätigkeitsbeschreibung auf der Homepage selbst ein, nicht künstlerisch tätig zu sein. Er führt aus, dass er mit seiner Internetseite Menschen helfe, passende Bankprodukte im In- und Ausland zu finden, ebenso zeige er den Nutzern seiner Seite, wie man diese Produkte optimal nutze. Eine künstlerische Tätigkeit (z.B. als Schriftsteller) lässt sich dieser Beschreibung trotz der Formulierung „schreibt“ nicht ansatzweise erkennen. Vielmehr bestätigt dies eher die Annahme der Beklagtenseite (vgl. Seite 2 des streitgegenständlichen Bescheids sowie Seite 4 des Schriftsatzes der Bevollmächtigten der Beklagten vom 16.8.2022), dass der Kläger vorwiegend als Finanzberater sowie als Coach (in Finanzangelegenheiten) arbeite. Jedoch geht das Gericht – auch bei Zugrundelegung dieser Annahme – davon aus, dass die Coachingtätigkeit in Form einer informierenden Tätigkeit im Internet stattfindet; es wurde und wird – anders wohl als vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 29. August 2022 vermutet – zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens die Behauptung aufgestellt, dass der Kläger andere Leute in der Wohnung aufsuche und diesen Produkte verkaufe.
61
(d) Auch nicht zur Annahme einer vom Kläger ausgeübten künstlerischen Tätigkeit führt die Tatsache, dass – wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde – bei einigen seiner im Internet veröffentlichten Videos im Vorspann eine Einspielung von Musik erfolgt.
62
Bei der Produktion von Musik handelt es sich zwar um eine künstlerische Tätigkeit. Allerdings führte der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung aus, dass die Musik zwar extra für ihn komponiert worden sei, jedoch durch eine andere Person als den Kläger.
63
(e) Auch die Registrierung des Klägers bei der VG Wort (einschließlich der in diesem Zusammenhang von ihm erzielten Einnahmen in nicht unerheblicher Höhe) kann weder allein noch in der Gesamtschau mit den anderen Umständen des Falls zur Annahme der Künstlereigenschaft führen. Immerhin können auch Journalisten bei der VG Wort registriert sein. Im Übrigen liegt kein Nachweis darüber vor, dass der Kläger bei der VG Wort gerade unter seinem Pseudonym („...“) registriert ist.
64
(3) Der obenstehenden Annahme (Verneinung der Künstlereigenschaft des Klägers) stehen auch keine grundrechtlichen Wertungen – insbesondere die der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bzw. der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG – entgegen.
65
Trotz der fehlenden Eintragung eines Pseudonyms (und aus klägerischer Sicht Künstlernamens) in einen Reisepass bleibt es dem Kläger aus Sicht des Gerichts grundsätzlich unbenommen, weiterhin im Internet (auch finanzbezogene) Artikel unter dem Pseudonym „...“ zu verfassen und zu veröffentlichen. Er kann weiterhin seine Leser über die aus seiner Sicht gegebenen Vorzüge bzw. Nachteile bestimmter Finanzprodukte informieren, gegebenenfalls auch auf eine eher unterhaltsame Art und Weise. Dasselbe gilt grundsätzlich für die Veröffentlichung von Videos auf Internet-Videoplattformen. Damit ist gerade der Schwerpunkt der klägerischen Tätigkeit nicht durch die fehlende Eintragung des Pseudonyms „...“ in die klägerischen Identitätsdokumente erschwert bzw. verunmöglicht.
66
Ebenso darf sich der Kläger weiterhin auf seinen Visitenkarten als „...“ bezeichnen (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 29.8.2022); im Übrigen sind für das Gericht keine Anhaltspunkte dahingehend erkennbar, wonach das Unterbleiben der Eintragung des vorgenannten Pseudonyms dem Kläger verunmöglicht, ein Unternehmen mit dem Namensbestandteil „...“ in der Firma zu gründen.
67
Des Weiteren sprechen aus Sicht des Gerichts keine Rechtsvorschriften dagegen, dass der Kläger formfreie Verträge unter dem Pseudonym „...“ abschließen darf, soweit der andere Vertragspartner nicht über die Identität des Klägers getäuscht wird (vgl. Schubert, in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., 2021, Rn. 155 zu § 164 BGB); dies wird vor allem bei Alltagsgeschäften des täglichen Lebens der Fall sein (soweit der Kläger bei derartigen Geschäften nicht ohnehin anonym bleibt). In diesem Zusammenhang bleibt es dem Kläger auch grundsätzlich unbenommen, weiterhin in der Kundenkartei seines Friseurs unter dem Namen „...“ geführt zu sein.
68
Zudem stehen dem etwaigen Wunsch des Klägers, Fanpost unter dem Pseudonym „...“ zu empfangen, wohl keine rechtlichen Hindernisse entgegen.
69
Soweit der Kläger in seinen Schriftsätzen vom 9. April 2022 und vom 29. August 2022 ausführt, beim Auffinden von das Pseudonym „...“ enthaltenden Visitenkarten an der Grenze könnte es zu Unklarheiten hinsichtlich seiner Identität kommen, wird zunächst angemerkt, dass dort nur die Vorlage des Reisepasses erforderlich ist und nicht die der Visitenkarten. Darüber hinaus könnte der Kläger auch durch Aufrufen seiner – sein Lichtbild enthaltenden – Internetseite dem Beamten an der Grenze unproblematisch vermitteln, dass es sich bei ihm und „...“ um dieselbe Person handelt und gerade keine Täuschung über die Identität des Klägers gegeben ist.
70
Lediglich im Falle von Internetbestellungen, bei welchen eine Altersverifikation erforderlich ist, müsste der Kläger – bei fehlender Eintragung des Pseudonyms „...“ in den Reisepass – dagegen unter seinem bürgerlichen Namen agieren. Hintergrund dessen ist die Erforderlichkeit der Ausweis-/Passvorlage bei der Aushändigung der Internetbestellung.
71
Aus den Lebensbereichen, in welchen der Kläger zwingend unter seinem bürgerlichen Namen auftreten muss, lässt sich im Ergebnis keine unverhältnismäßige Einschränkung der Kunstfreiheit, der Berufsfreiheit bzw. anderer Grundrechte des Klägers erkennen.
72
Soweit der Kläger jedoch den Namen „...“ auf Dauer im Geschäftsverkehr führen möchte bzw. allgemein nur noch unter diesem Pseudonym auftreten will, ist ein derartiges Ansinnen nicht über den Weg der Eintragung eines Künstlernamens umsetzbar. Gerade bei letzterem wäre der Kläger auf die Vorschriften des Namensänderungsgesetzes (insbes. § 3 Abs. 1 NamÄndG) zu verweisen, wobei für das Gericht jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen bestehen.
73
(4) Auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Kopien zu drei Beispielen, in welchen nach dem Vorbringen des Klägers Künstlernamen für bestimmte Personen eingetragen worden sind, können zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung als der vorgenannten (Ablehnung der Künstlereigenschaft im Falle des Klägers) führen.
74
Ausgehend von diesen Unterlagen ist das Gericht schon nicht der Überzeugung, dass sich diese auf vergleichbare Fälle beziehen. Des Weiteren handelt es sich um Sachverhalte, welche im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich sind.
75
Dennoch wird ergänzend Folgendes ausgeführt:
76
Hinsichtlich der vorgelegten Internet-Ausdrucke zur Eintragung eines Künstlernamens bei einer Betreiberin eines Online-Shops wird angemerkt, dass diese wohl selbst Poster und Aufnäher herstellt. Insoweit ist durchaus ein kreatives Tätigkeitselement erkennbar.
77
In Bezug auf die Eintragung des Künstlernamens bei einer Autorin für Liebesromane merkt das Gericht an, dass die betreffende Person gerade keine nahezu allein sachlichen und tatsachenwiedergebenden Texte verfasst. Daher spricht aus Sicht des Gerichts einiges dafür, die Autorin für Liebesromane als Schriftstellerin und damit Künstlerin im Sinne des Passgesetzes anzusehen.
78
Betreffend die vom Kläger ebenfalls angebrachte Eintragung des Künstlernamens bei einem DJ ist dem Gericht schon nicht bekannt, welche konkrete Tätigkeit dieser zum Zeitpunkt der Eintragung seines Künstlernamens ausgeführt hat. Insbesondere spricht vieles dafür, dass er zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht allein als Berater/Mentor tätig war, sondern (jedenfalls auch) als Musikkünstler. Möglicherweise liegt auch zum momentanen Zeitpunkt weiterhin eine Tätigkeit des vorgenannten DJ als Musikkünstler vor.
79
cc) Zudem bestehen für das Gericht gewisse Zweifel dahingehend, ob dem klägerischen Pseudonym „...“ die erforderliche Verkehrsgeltung zukommt, mithin sein bürgerlicher Name in ausreichendem Umfang überlagert ist. Da es sich beim Kläger jedoch schon um keinen Künstler handelt, bedarf es insoweit keiner näheren Darlegungen des Gerichts.
80
Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
81
(1) Zwar ist erkennbar, dass der Kläger in seinen durchaus zahlreichen – und teilweise wohl auf große Resonanz stoßenden – aktuellen Internetveröffentlichungen nicht mehr unter seinem bürgerlichen Namen auftritt. Demgegenüber ist jedoch zu sehen, dass der Kläger auf seiner Homepage oftmals nicht unter seinem vollen Pseudonym („...“) agiert, sondern unter dem Namen „...“ als einer erheblich abgekürzten Form (vgl. zu diesem Kriterium: VG Berlin, U.v. 25.2.2015 – 23 K 180/14 – BeckRS 2015, 42102).
82
(2) Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch im Alltag außerhalb seiner – vorliegend schon nicht künstlerischen – Tätigkeit unter seinem Pseudonym angesprochen wird, weil man seinen bürgerlichen Namen typischerweise entweder schon gar nicht mehr kennt oder es für unpassend halten würde, ihn so anzusprechen (vgl. Böttcher/Ehmann, Pass-, Ausweis und Melderecht in Bayern, Stand 67. Ergänzungslieferung, Januar 2022, Rn. 65 zu § 4 PassG).
83
Zwar trägt der Kläger vor, er werde von seinem Friseur unter dem Pseudonym „...“ in dessen Kundenkartei geführt. Ebenso stellt er sich – entsprechend seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. August 2022 – seinen neuen Bekanntschaften unter dem Namen „...“ vor, während er seinen früheren Bekanntschaften noch unter seinem bürgerlichen Namen bekannt sei.
Für dieses Vorbringen liegen zum einen schon keine näheren Darlegungen bzw. aussagekräftigen Nachweise vor (beispielsweise ein Auszug aus der Kundenkartei des Friseurs oder eine nähere Konkretisierung des Begriffs „Bekanntschaften“).
84
Zum anderen bestehen wohl sehr zahlreiche Situationen, in welchen der Kläger (gegebenenfalls sogar allein) unter seinem bürgerlichen Namen bekannt ist und mit diesem angesprochen wird. Beispielsweise fällt hierunter das vom Kläger selbst geschilderte Gespräch mit dem Schuldirektor der Tochter, welcher den Kläger schon länger als drei Jahre kennt.
85
Im Übrigen ist für den Friseur, solange er vom Kläger den Lohn für seine Tätigkeit erhält, nicht die konkrete Identität des Klägers von Belang.
86
(3) Die Eintragung des Künstlernamens in den Reisepass des Klägers ist nach dem Vorgenannten damit gerade nicht erforderlich, um eine verwechslungsfreie Identifizierung des Klägers zu gewährleisten. Immerhin beschränken sich die in amtlichen Identitätsdokumenten enthaltenen Angaben über die Person im Interesse des Persönlichkeitsrechts des Ausweisinhabers auf solche Merkmale, die zur Feststellung seiner Identität unbedingt erforderlich sind. Auch ein Künstlername wird nicht im privaten Interesse des Betroffenen, sondern allein zum Zwecke der Identitätsfeststellung in den Personalausweis oder Pass eingetragen (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 8.8.1991 – 1 S 2/91 – Rn. 16 juris sowie VG Köln, U.v. 1.3.2018 – 25 K 10111/18 – BeckRS 2018, 35319 Rn. 22 ff.).
87
2. Soweit der Kläger die Eintragung des Pseudonyms „...“ auch in seinen Personalausweis begehrt, ist seine Klage ebenfalls erfolglos.
88
a) Es spricht manches dafür, dass die diesbezügliche Klage bereits unzulässig ist. Immerhin ist dem Gericht nicht bekannt, dass der Kläger gerade einen Antrag auf Eintragung des Namens „...“ in seinen Personalausweis gestellt hat.
89
b) Jedenfalls ist die Klage unbegründet. Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus der – mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG vergleichbaren – Norm des § 5 Abs. 2 Nr. 12 PAuswG.
90
Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist im Personalausweisrecht keine andere Auslegung des Begriffes „Künstlername“ als im Passrecht geboten. Immerhin handelt es sich jeweils um amtliche Dokumente, welche der Identitätsfeststellung einer Person dienen. Insoweit scheitert ein etwaiger Anspruch jedenfalls an der fehlenden Künstlereigenschaft des Klägers (s.o.).
91
3. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 12 PAuswG (Eintragungsfähigkeit nur von Künstler- bzw. Ordensnamen) für zu eng hält und der Ansicht ist, sämtliche selbst kreierten – und insbesondere im Internet verwendeten – Pseudonyme müssten zusätzlich in Pass und Personalausweis eingetragen werden, so handelt es sich dabei um einen rechtspolitischen Einwand und gerade um keinen Aspekt der Gesetzesanwendung.
92
Der Umstand, dass der Gesetzgeber die vorgenannten Normen bewusst eng gefasst hat, kann bereits aufgrund der Gewaltenteilung nicht von der Rechtsprechung umgangen werden; für das Gericht besteht nicht die Möglichkeit, die Normen entgegen dem klar ersichtlichen gesetzgeberischen Willen auszulegen. Schließlich ist die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Aus Art. 97 Abs. 1 GG ergibt sich neben der Unabhängigkeit der Richter ebenfalls die Bindung der Gerichte an das Gesetz.
93
Dies gilt auch ungeachtet des Umstands, dass – wie vom Kläger in seiner Klageschrift grundsätzlich zutreffend bemerkt – durch die zusätzliche Eintragung eines sog. „Zweitnamens“/Pseudonyms in die Identitätsdokumente des Klägers keinem öffentlichen Rechtsträger ein Nachteil entstünde. Demgegenüber ist jedoch auch zu sehen, dass ständige Eintragungen und Streichungen von beliebigen Pseudonymen in amtlichen Dokumenten (abstrakt betrachtet) einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand zur Folge hätten.
94
Hierbei handelt es sich allerdings sämtlich um rechtspolitische Fragen zur möglicherweise sinnvollen Einführung einer Eintragungsfähigkeit von – nicht Künstler- bzw. Ordensnamen darstellenden – Pseudonymen in amtliche Identitätsdokumente; derartige Fragen können nicht durch das erkennende Gericht geklärt werden.
95
Trotz der unzweifelhaft bestehenden rechtspolitischen Fragen hält das Gericht § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PassG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 12 PAuswG für verfassungsgemäß. Durch die fehlende Eintragbarkeit eines (keinen Künstler- bzw. Ordensnamen darstellenden) Pseudonyms entstehen dem Betroffenen schließlich nur geringe grundrechtlich relevante Einschränkungen, immerhin kann dieses auch ohne dessen Eintragung in vielen Lebensbereichen rechtskonform geführt werden (s.o.). Im Übrigen muss es der gesetzgeberischen Abwägung vorbehalten bleiben, ob die Legislative der umfassenden Eintragbarkeit von Pseudonymen oder aber dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Verwaltung (vor ständigen Eintragungen und Streichungen von Pseudonymen) den Vorzug gibt. Ein klarer Vorrang eines der Aspekte ergibt sich aus dem Verfassungsrecht nicht.
III.
96
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.