Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 12.12.2022 – Au 1 S 22.2157
Titel:

erfolgreicher Eilantrag gegen Ausweisung

Normenketten:
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 56 Abs. 2, § 59 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 60 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5
Leitsätze:
1. Kann eine Abschiebung langfristig nicht durchgeführt werden, weil bezüglich des Heimatstaates auf unabsehbare Zeit ein Abschiebungshindernis besteht, und kommt auch kein anderer Staat in Betracht, in den der Ausländer abgeschoben werden könnte, so läuft die Abschiebungsandrohung ins Leere und kann ihr Ziel nicht erreichen; eine Abschiebungsandrohung „auf Vorrat“ darf nicht ergehen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Will die Ausländerbehörde im Einzelfall eine vom gesetzlichen Regelfall (§ 56 Abs. 1 S. 1 AufenthG) abweichende größere Häufigkeit der Meldepflicht anordnen, hat sie die Gründe dafür im Rahmen der Ermessensausübung zu benennen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Gewicht der konkreten Gefahr näher in den Blick zu nehmen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Türkischer Staatsangehöriger, Ausweisung unter Anordnung des Sofortvollzugs, Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Meldepflicht, Aufenthaltsbeschränkung, Kontaktverbot, Kommunikationsmittelverbot, Zwangsgeldandrohung, Türkei, Ausweisung, terroristische Vereinigung im Ausland, PKK, Flüchtlingseigenschaft, Abschiebungsverbot, Ausreisefrist
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46907

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffern 1, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 15 und 16 des Bescheids des Beklagten vom 11. Oktober 2022 wird angeordnet bzw. wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller zu 1/10 und der Antragsgegner zu 9/10 zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
IV. Dem Antragsteller wird unter Beiordnung seines Bevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt, N., Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren bewilligt, soweit der Eilantrag im in Ziffer I. des Beschlusses tenorierten Umfang Erfolg hat. Mehrkosten, die sich daraus ergeben, dass der Bevollmächtigte seinen Sitz nicht im Gerichtsbezirk hat, werden nicht erstattet.
V. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der am … geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er begehrt mit seinem Eilantrag die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 11. Oktober 2022, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen wurde und ihm gegenüber weitere Anordnungen ergingen.
2
Im März 2011 reiste der Antragsteller ins Bundesgebiet ein und stellte am 12. April 2011 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 31. Januar 2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag zunächst umfassend ab. Gegen den ablehnenden Bescheid ließ der Antragsteller Klage erheben. Das Verwaltungsgericht Augsburg verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland daraufhin mit Urteil vom 18. Oktober 2012, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (Au 6 K 12.30067). Mit Bescheid vom 7. Februar 2013 stellte das Bundesamt fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
3
Seit 25. Februar 2013 war der Antragsteller im Besitz eines Reiseausweises für Flüchtlinge (gültig bis 18. Februar 2016). Zugleich wurde ihm eine bis zum 24. Februar 2016 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Anschließend erhielt er fortlaufend Fiktionsbescheinigungen, zuletzt befristet bis 28. Oktober 2022. Am 5. Februar 2016 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sowie die Verlängerung seines Reiseausweises für Flüchtlinge.
4
Die Ehefrau des Antragstellers reiste am 18. Oktober 2013 zusammen mit den drei Kindern im Wege des Familiennachzugs ins Bundesgebiet ein. Am … wurde das vierte Kind des Antragstellers und seiner Ehefrau geboren.
5
Im Bundesgebiet ging der Antragsteller zeitweise einer Beschäftigung nach, bezog aber immer wieder, zum Teil jedoch nur ergänzend, Sozialleistungen.
6
Das Amtsgericht Augsburg verurteilte den Antragsteller unter Einbeziehung der Verurteilung vom 26. April 2018 wegen Zuwiderhandlung gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz in sieben tatmehrheitlichen Fällen am 30. Juli 2019 zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu je 15 Euro.
7
Am 14. August 2020 erließ das Oberlandesgericht München einen Haftbefehl gegen den Antragsteller u.a. wegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Daraufhin wurde der Antragsteller am 10. September 2020 in München verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Aufgrund des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 13. April 2021, in dem festgestellt wurde, dass gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstoßen worden war, wurde der Antragsteller noch am selben Tag aus der Untersuchungshaft entlassen.
8
Der Antragsteller wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts München vom 11. Mai 2022 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr acht Monaten verurteilt. Dem Schuldspruch liegt zu Grunde, dass der Antragsteller, welcher bereits im Jugendalter für die kurdische Minderheit politisch aktiv gewesen sei, jedenfalls seit Ende des Jahres 2017 bis zu seiner Festnahme am 10. September 2020 eine bedeutende Stellung innerhalb der PKK innegehabt habe, durch welche er die Organisation der PKK in der Region B. und den PKK-Gebieten, … und … durch zahlreiche Handlungen von innen heraus maßgeblich gefördert habe. Bereits im Jahr 2013 sei der Antragsteller an einen nicht näher bekannten Ort im kurdischen Siedlungsgebiet gereist und habe an einem Treffen von PKK-Mitgliedern u.a. aus Deutschland und der Schweiz teilgenommen, bei welchem auch die Lage der PKK und der Kader in Europa erörtert worden sei. Ausweislich der Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils sei der Antragsteller in der Hierarchie der PKK ein sog. „Frontarbeiter“, der dem jeweiligen Gebietsleiter der PKK unterstehe und diesen unterstütze. Gegenüber PKK-Aktivisten sei er weisungsbefugt gewesen. Im festgestellten Tatzeitraum sei er der einzig feste Bestandteil der regionalen Organisationsstruktur gewesen, habe Kadervakanzen ausgefüllt, neue Funktionäre in die örtlichen Strukturen und Gegebenheiten eingeführt, habe diese den Aktivisten in den jeweiligen Gebieten vorgestellt, habe sie unterstützt, indem er sie beherbergt habe, habe sie vom Zug oder der Straßenbahn abgeholt und habe auch sonst für sämtliche Fragen der Funktionäre zur Verfügung gestanden, habe Veranstaltungen organisiert, welche das Bestehen und die Interessen der PKK auch außenwirksam präsentierten, habe die alljährlichen Spendensammlungen unterstützt und sei auch sonst immerwährender Ansprechpartner für die PKK-Aktivisten in dem von ihm betreuten Gebiet gewesen. Der Antragsteller sei unentgeltlich tätig gewesen und habe hierfür einen Großteil seiner freien Zeit aufgewandt. Trotz einer Verurteilung wegen einschlägiger Taten durch das Amtsgericht Augsburg vom 30. Juli 2019 habe der Antragsteller seine Tätigkeiten für die PKK bereits am 31. Juli 2019 unbeirrt fortgesetzt, mithin nur einen Tag nach der Hauptverhandlung.
9
Das Oberlandesgericht München setzte die verhängte Freiheitsstrafe mangels positiver Sozialprognose nicht zur Bewährung aus, sah jedoch von der Anordnung der Führungsaufsicht ab, da nach Auffassung des Senates zwar die Gefahr weiterer Straftaten bestehe, diese jedoch voraussichtlich im Bereich der mittleren Kriminalität bleiben würden, nämlich im Bereich der vom Antragsteller bereits begangenen und abgeurteilten Taten.
10
Nach entsprechender Anhörung wies der Antragsgegner den Antragsteller mit Bescheid vom 11. Oktober 2022, der dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 14. Oktober 2022 zugestellt wurde, aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und ordnete ein auf 20 Jahre ab dem Verlassen des Bundesgebiets befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an (Ziffer 2). Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 3). Ebenso wurde der Antrag auf Erteilung eines Reiseausweises für Flüchtlinge abgelehnt (Ziffer 4). Der Antragsteller wurde verpflichtet, die bis 28. Oktober 2022 befristete Fiktionsbescheinigung bei der Stadt … abzugeben (Ziffer 5). In Ziffer 6 des Bescheids wurde ihm eine Duldung erteilt. Der Antragsgegner forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung des Bescheids zu verlassen (Ziffer 7). Für den Fall, dass der Antragsteller nicht fristgerecht ausreist, wurde ihm angedroht, dass er nach bestandskräftigem Widerruf der Flüchtlingseigenschaft und bei Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten in die Türkei abgeschoben werden wird (Ziffer 8). Er wurde verpflichtet, sich ab Zustellung des Bescheids viermal wöchentlich, montags, mittwochs, freitags und sonntags, bei der Polizeiinspektion … Süd zu melden (Ziffer 9). Sein Aufenthalt wurde ab Zustellung des Bescheids auf das Stadtgebiet … beschränkt (Ziffer 10). Er wurde verpflichtet, zu den in Ziffer 11 des Bescheids genannten Personen keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen. In Ziffer 12 des Bescheids wurde er verpflichtet, die dort genannten Kommunikationsmittel nicht zu nutzen (EDV-gestützte Kommunikationsmittel wie beispielsweise Internet, E-Mails, Newsgroups, soziale Netzwerke, Sprachassistenten; Mobiltelefone aller Art; öffentliche und private Fernsprecher aller Art; Faxgeräte aller Art). Von diesem Verbot ausgenommen wurde die Nutzung eines nicht internetfähigen Mobiltelefons, nachdem dem Antragsgegner dessen Telefon-, Karten- und Gerätenummer angezeigt worden ist, sowie die Nutzung eines Mobiltelefons, das ihm im Falle einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung von der zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt werden wird. Für den Fall, dass der Antragsteller gegen die ihn Ziffer 9 angeordnete Meldepflicht verstößt, wird ein Zwangsgeld von 100 Euro fällig (Ziffer 13). Falls der Antragsteller gegen die ihn Ziffer 10 angeordnete Aufenthaltsbeschränkung verstößt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro fällig (Ziffer 14). Für den Fall dass er gegen das in Ziffer 11 angeordnete Kontaktverbot verstößt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro fällig (Ziffer 15). Für den Fall, dass er gegen das in Ziffer 12 angeordnete Kommunikationsmittelverbot verstößt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro fällig (Ziffer 16). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1, 2, 9 und 10 wurde angeordnet (Ziffer 17). Nach Ziffer 18 ergeht der Bescheid kostenfrei, die Kosten einer Abschiebung hätte der Antragsteller zu tragen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie für die freiheitliche demokratische Grundordnung darstelle. Seine Mitgliedschaft und seine umfassenden Unterstützungshandlungen zugunsten der terroristischen Vereinigung PKK seien geeignet, die Schutzgüter der Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung sowie die Unverletzlichkeit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen zu beeinträchtigen. Er sei nicht nur einfaches Mitglied, sondern sogenannter Frontarbeiter gewesen und habe in dieser Funktion eine erhebliche Schlüsselrolle innerhalb der PKK in … gehabt. Darüber hinaus bestehe aufgrund des großen Mobilisierungspotenzials auch für Deutschland eine anhaltend hohe Gefährdung durch die PKK und die Anwesenheit von deren Unterstützern. Die PKK sei mit ihrem rechtswidrigen Verhalten und ihrer immer schwelenden Gewaltbereitschaft eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. So komme es auch in Deutschland immer wieder zum Beispiel zu gewalttätigen Ausschreitungen am Rand von Kundgebungen, zu Übergriffen auf Polizeibeamte und zu Auseinandersetzungen mit national gesinnten Türken. Die Aktivitäten der PKK richteten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und beeinträchtigten auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts sei damit gegeben. Mit der PKK habe der Antragsteller eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze. Des Weiteren sei er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet wiederholt strafrechtlich, insbesondere im Zusammenhang mit der Unterstützung der PKK, in Erscheinung getreten und habe sich auch von erheblichen Geldstrafen nicht davon abbringen lassen, sich weiter intensiv für die Belange der PKK einzusetzen. Da die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei und diese bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Widerrufsverfahrens fortbestehe, dürfe er nur ausgewiesen werden, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eine terroristische Gefahr anzusehen sei oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, weil er wegen einer schweren Straftat rechtskräftig verurteilt worden sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Die Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auf sein persönliches Verhalten zurückzuführen, namentlich die von ihm zugunsten der PKK vorgenommenen, intensiven Unterstützungshandlungen. Seine Ausweisung erfolge ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen. Da die von ihm drohende Beeinträchtigung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland Rechtsgüter von hohem Verfassungsrang wie das Leben und die körperliche Unversehrtheit betreffe, berühre die Gefahr ein Grundinteresse der Gesellschaft. Seine Ausweisung sei zur Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unerlässlich, weil er Handlungen einer dem Terrorismus zurechenbaren Organisation befürworte und diese durch seine persönliche Eingliederung in deren Strukturen aktiv unterstütze. Vorliegend seien Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 sowie Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfüllt. Er sei Mitglied der terroristischen Vereinigung PKK und habe diese seit mindestens elf Jahren unterstützt. Beim Antragsteller bestünden jedoch schwerwiegende Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG. Er übe die Personensorge für seine mit ihm zusammenlebenden vier Töchter aus. Zusammenfassend überwögen die öffentlichen Interessen an einer Beendigung seines Aufenthalts erheblich seine privaten Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde angeordnet und auf 20 Jahre befristet, weil vom Antragsteller eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Es sei davon auszugehen dass sich im Falle einer Rückkehr ins Bundesgebiet vor dem Ablauf von 20 Jahren seine die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdende Denkweise und Einstellung weiter radikalisiert haben werde. Auch könne nicht von einer Veränderungsbereitschaft ausgegangen werden. Der vorliegende Zeitraum des Einreise- und Aufenthaltsverbot in Höhe von 20 Jahren sei unter Abwägung aller für und gegen den Antragsteller sprechenden Umstände geeignet, erforderlich und angemessen, die präventiven Zwecke der Ausweisung zu erreichen. Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stehe die Titelerteilungssperre entgegen. Ebenso stehe die Titelerteilungssperre einer etwaigen Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis entgegen. Die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge sei zu versagen gewesen, weil zwingende Gründe der nationalen Sicherheit der Ausstellung eines Reiseausweises entgegenstünden. Der Antragsteller sei zur Ausreise verpflichtet. Ihm werde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 30 Tagen eingeräumt. Sollte der Antragsteller seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig und fristgerecht nachkommen, werde nach Wegfall der Flüchtlingseigenschaft seine Ausreiseverpflichtung durch Abschiebung vollzogen. Zur Eindämmung und Überwachung der vom Antragsteller ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die freiheitliche demokratische Grundordnung würden weitreichende Überwachungsmaßnahmen angeordnet. Eine vier Mal wöchentliche Meldepflicht, jeweils montags, mittwochs, freitags und sonntags, werde angeordnet. Aus Gründen der inneren Sicherheit sei die engmaschige, vier Mal wöchentliche Meldepflicht ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, um die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu kontrollieren und zu überwachen. Seine intensiven Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK, unter anderem in Form von Reisen innerhalb Bayerns und Deutschlands, beispielsweise im Rahmen von Spendensammlungen, sowie ins europäische Ausland zu Veranstaltungen müssten effektiv eingedämmt werden. Ihm werde damit keine Möglichkeit zu einem längeren unbemerkten Aufenthalt außerhalb seines ihm zugewiesenen Bereichs gegeben. Seiner Beschäftigung als … könne er trotz der Meldepflicht weiterhin nachkommen, weil er sich die Tage sowie die Uhrzeiten frei einteilen könne. Die Polizeiinspektion … befinde sich in ca. 4 km Entfernung zu seiner Wohnung, sodass das Aufsuchen zumutbar sei, zumal er sich die Uhrzeiten frei einteilen könne. Der Aufenthalt des Antragstellers werde auf das Stadtgebiet … beschränkt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Ansonsten sei die Überwachbarkeit des Antragstellers nicht effektiv gewährleistet. Soziale Kontakte könnten auch durch Besuche in seiner Wohnung gepflegt und aufrechterhalten werden. Ansonsten wäre es ihm möglich, seine Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK in seinem gewohnten Umfeld ungehindert fortzuführen bzw. Kontakte zu Anhängern der PKK in … weiter zu pflegen oder auch neu herzustellen. Die Anordnung der Kontaktverbote zu den im Bescheid genannten Personen sei geeignet, erforderlich und angemessen, um die Fortführung seiner Bestrebungen zu erschweren bzw. so weit wie möglich zu unterbinden. Bei den genannten Personen handele sich ebenfalls um Mitglieder und Unterstützer der PKK in Deutschland, teilweise sogar in Führungspositionen, zu denen er in der Vergangenheit im Rahmen seiner Tätigkeit als Frontarbeiter intensiven Kontakt gepflegt habe. Die Verpflichtung, sämtliche EDV-gestützten Kommunikationsmittel sowie sämtliche privaten sowie öffentlichen Festnetz-, Mobiltelefone und Faxgeräte mit Ausnahme eines nicht internetfähigen Mobiltelefons nicht mehr zu nutzen, erfolge ebenfalls zur Unterbindung der Fortführung von Bestrebungen, die zu seiner Ausweisung geführt hätten. Diese Verpflichtung sei zudem notwendig und erforderlich, um erhebliche Gefahren für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Dem Antragsteller verbleibe mit dem nicht internetfähigen Mobiltelefon ein bestimmtes Kommunikationsmittel. In diesem Rahmen habe er auch noch die Möglichkeit, das verfassungsmäßig geschützte Recht auf Kommunikationsfreiheit wahrzunehmen und auszuüben. Sollte der Antragsteller den in den Ziffern 9 – 12 dieses Bescheids festgelegten Verpflichtungen nicht nachkommen, werde ihm jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 100 Euro angedroht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1, 2, 9 und 10 dieses Bescheides läge im überwiegenden öffentlichen Interesse. Im Rahmen der Gefahrenabwehr erforderten es das öffentliche Interesse und die Sicherheit der Allgemeinheit, alle rechtlich zulässigen Maßnahmen zu treffen, um das vom Antragsteller ausgehende Sicherheitsrisiko durch ein möglichst zeitnahes Eintreten der Regelungswirkung der Ausweisung zu unterbinden bzw. auf ein zu kontrollierendes und zu vertretendes Maß zu beschränken. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im Hinblick auf die durch seine Person verursachte akute Gefährdungslage gerechtfertigt und begründet, um die mit dieser Entscheidung angestrebten ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Zielsetzungen effektiv zu erreichen. Ohne die Anordnung des Sofortvollzugs müssten während eines ggf. längerfristig andauernden Hauptsacheverfahrens Gefahren für die Allgemeinheit in Kauf genommen werden, die mit der Intention der in seinem Fall maßgebenden Ausweisungstatbestände nicht in Einklang zu bringen wären. Es sei damit zu rechnen, dass er im Falle eines Zuwartens bis zu einer Entscheidung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren auch weiterhin die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde, denn es sei davon auszugehen, dass er auch weiterhin in der beschriebenen Form die PKK unterstützen werde. Ein Absehen von der sofortigen Vollziehung der Ausweisung und des Einreise- und Aufenthaltsverbot hätte zur Folge, dass er bis zum Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides weiter wie bisher agieren könne. Auch im Hinblick auf die Meldepflicht und die modifizierte Aufenthaltsbeschränkung sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erforderlich, um sicherzustellen, dass die angeordneten Überwachungsmaßnahmen bereits während der Rechtsmittelfrist bzw. eines etwaigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vollzogen werden könnten. Die kraft Gesetzes eintretenden Auflagen seien nicht ausreichend, um die erforderliche Überwachung sicherzustellen. Die Kosten einer Abschiebung oder Zurückschiebung hätte gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG der Antragsteller zu tragen. Hierüber werde er zu gegebener Zeit einen gesonderten Leistungsbescheid erhalten.
11
Gegen den Bescheid ließ der Antragsteller am 10. November 2022 Klage erheben und beantragte zugleich Eilrechtsschutz. Für diese Verfahren beantragte er zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung seines Bevollmächtigten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die verfügte Ausweisung sei rechtswidrig. Jenseits der inkriminierten, rein politischen Tätigkeit habe keinerlei konkrete Gefährdung von Individualrechtsgütern stattgefunden. Eine Beteiligung an Gewalttätigkeiten oder Schädigungshandlungen, auch mittelbar, stünde nicht im Raum. Sämtliche politische und sonstige Tätigkeiten des Antragstellers hätten seit vielen Jahren ausschließlich unter staatlich engmaschiger Beobachtung stattgefunden. Während vieler Jahre sei nichts unternommen worden. Das möge Ermittlungstaktiken geschuldet und daher polizeitaktisch vertretbar sein. Jedenfalls ergebe sich daraus, dass der Antragsteller sämtlichen bayerischen Sicherheitsbehörden nicht wie eine akute und einzuhegende Gefahr erschienen sei. Der Antragsteller habe keinerlei konspiratives Verhalten an den Tag gelegt, sondern einen Telefonanschluss unter seinen echten Personalien genutzt, eine gleichbleibende Meldeadresse gehabt, über ein stabiles Umfeld verfügt und sich absolut nichts zuschulden kommen lassen. In der Sachverhaltsdarstellung sei falsch, dass die Strafsache eine Teilnahme des Antragstellers an einem Ausbildungslager, wobei er eine Ausbildung an der Waffe erhalten haben solle, ergeben habe. Beim Antragsteller seien vielmehr unverschlüsselte Speichermedien aufgefunden worden, die Videos und Bilder einer Veranstaltung enthielten, die man getrost als Theater bezeichnen könne. Auf einigen Bildern sei ein einziges Gewehr zu sehen. Das habe als Kulisse gedient und dokumentiere keinesfalls Übungen oder eine Ausbildung. Das OLG München habe in einem Beschluss festgestellt, dass der Senat ohne die Beweiserhebung nicht davon ausgehe, dass es sich bei der Zusammenkunft um ein Ausbildungslager der PKK gehandelt habe. Im Rahmen der Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen habe der Antragsteller angegeben, dass er keine Fortführung der Aktivitäten beabsichtige. Außerdem sei eine reale Gefahr für die Allgemeinheit, beispielsweise die Begehung von Anschlägen im Westen, nicht gegeben, weil dies gerade nicht zu den Bestrebungen der Vereinigung zähle. Beim Antragsteller bestehe ein Bleibeinteresse nicht nur aufgrund seiner familiären Bindungen. Der Antragsteller sei wirtschaftlich integriert. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft habe er direkt wieder bei seinem alten Arbeitgeber weiterarbeiten können. Der Gesundheitszustand des Antragstellers werde verkannt. Bei ihm sei eine PTBS festgestellt worden, die auf Folter während seiner Inhaftierung in der Türkei zurückgehe. Von einer Behandelbarkeit im Umfeld Türkei auszugehen, das die psychischen Schäden bedingt habe, zeuge von Unkenntnis oder Ignoranz. Das Verbot der Nutzung von internetfähigen Geräten sei schon ungeeignet, weil die dem Antragsteller vorgeworfene Teilnahme und Organisation von Versammlungen und Veranstaltungen sowie das persönliche Einsammeln von Spenden nicht irgendwie geartet über das Internet erfolgt sei. Die Staatsanwaltschaft habe als Beweismittel fast ausschließlich Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung, schlichte Telefonate des Antragstellers über seinen Anschluss, verwendet. Die Überwachungsmaßnahmen seien zur allein zulässigen Spezialprävention nicht – schon gar nicht in dem Umfang – erforderlich. Das Strafverfahren gegen den Antragsteller sei noch nicht abgeschlossen. Beim Auftreten neuer belastender Erkenntnisse bestünde die umgehende Gefahr einer erneuten Inhaftierung, was als konkret auf den Antragsteller wirkende Tatsache bei der Frage der Wiederholungsgefahr als diese erheblich begrenzend gewichtet werden müsse. Zwar sei es zutreffend, dass der Münchner Staatsschutzsenat keine Aussetzung der Strafe auf Bewährung mehr verfügt habe. Das Gericht habe jedoch auch von der Verhängung von Führungsaufsicht abgesehen. Führungsaufsicht werde bei Vorliegen der Voraussetzungen verhängt, könne aber ausnahmsweise entfallen, wenn festgestellt werde, dass nicht zu erwarten sei, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen werde. Seit seiner Haftentlassung habe der Antragsteller keinerlei weitere Aktivitäten im inkriminierten Sinn entfaltet. Die Maßnahmen seien auch schlicht unverhältnismäßig. Die mangelnde Rechtskraft des Urteils des OLG mache zwar nicht die Ausweisung rechtswidrig. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung müsse dieser Tatsache aber Gewicht zukommen. Insbesondere der Umfang der Meldepflichten schieße über das Ziel hinaus. Der Gesetzgeber habe eine wöchentliche Meldepflicht normiert. Die Regelung enthalte zwar die Befugnis, eine höhere Frequenz zu bestimmen. Wenn die Frequenz der Meldeauflage aber vervierfacht werde, so müsse dies besonders gerechtfertigt werden. Es sei nicht erkennbar, welche spezifische Gefährdung durch den Antragsteller bestehen solle, die eine um den Faktor vier erhöhte Reaktion erfordere. Das berufliche und private Leben des Antragstellers werde über Gebühr beeinträchtigt, zumal die Meldepflichten zusätzlich zu der verhängten Aufenthaltsbeschränkung ergangen seien, ohne dass Anzeichen bestünden, dass der Antragsteller behördlichen Anordnungen keine Folge leiste. Das Verbot der Nutzung internetfähiger Endgeräte greife zu weitgehend in die Rechte des Antragstellers ein. In der heutigen Zeit sei die Nutzung eines internetfähigen Smartphones nicht nur zur Pflege persönlicher Kontakte, sondern auch zur Teilnahme am öffentlichen Leben erforderlich. Im Falle des Klägers sei konkret zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Koordination seiner Arbeitstätigkeit Chefs und Kollegen selbstverständlich via Messenger-Diensten kommunizierten. Die Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers auf das Stadtgebiet … schränke ihn übermäßig in der Berufsausübung ein. Sein Arbeitsvertrag sehe einen Einsatz nach Weisung des Arbeitgebers in ganz Bayern vor. Im Rahmen des … werde der Antragsteller regelmäßig bei einem Kunden in … eingesetzt. Die Aufenthaltsbeschränkung könne somit die Arbeitsstelle des Antragstellers gefährden.
12
Zum Nachweis der Beschäftigung des Antragstellers legte dessen Bevollmächtigter einen Arbeitsvertrag zwischen dem Antragsteller und der … GmbH vor, wonach der Antragsteller seit … 2019 als … tätig ist.
13
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
14
die aufschiebende Wirkung der Klage nur bzgl. der Nummer 1 sowie der Nummern 7 bis 17 des angegriffenen Bescheids anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
15
Der Antragsgegner legte die Behördenakte vor und beantragt,
16
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
17
Die Aktivitäten des Antragstellers bewegten sich gerade nicht im politischen Spektrum. Bei den vorgenommenen und belegbaren Unterstützungshandlungen handele es sich gerade um solche zugunsten einer terroristischen Vereinigung. Dass die Unterstützungshandlungen jahrelang unter staatlicher Beobachtung erfolgt sein sollten, sei für das ausländerrechtliche Verfahren ebenfalls unerheblich. Entscheidend sei lediglich, dass die erforderliche Abwägung der Interessen des Antragstellers an einem Verbleib gegen das öffentliche Interesse an dessen Ausreise ein überwiegendes öffentliches Interesse ergeben habe. Eine Ausweisung sei erst nach Bekanntgabe des erstinstanzlichen Urteils des OLG München erfolgt, weil ab diesem Zeitpunkt das öffentliche Interesse an der Ausreise des Antragstellers seine Bleibeinteressen überwöge. Der Antragsteller bewege sich auch nicht am unteren Rand der möglichen Gefährdungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, weil es sich bei dem Antragsteller um ein jahrelanges Mitglied einer terroristischen Vereinigung handele, welches umfassende Unterstützungshandlungen zugunsten dieser Vereinigung unternommen und Kontakte zu hochrangigen Führungspersonen der PKK habe. Die Prozesseinlassungen des Antragstellers vor dem OLG stellten nicht im Ansatz eine Abstandnahme dar. Die wirtschaftliche Integration des Antragstellers sei in dem streitgegenständlichen Bescheid umfassend gewürdigt worden. Allerdings sei in diesem Zusammenhang deutlich hervorzuheben, dass in der Vergangenheit Sozialleistungen in erheblicher Höhe bezogen worden seien und in gewissem Umfang auch weiterhin bezogen würden. Die angeordneten Überwachungsmaßnahmen seien ihrem Umfang nach geeignet, angemessen und erforderlich sowie demzufolge verhältnismäßig. Einige der Aktivitäten hätten sehr wohl über das Internet stattgefunden. Es sei daher nicht auszuschließen, dass er erneut das Internet und die dortigen sozialen Medien nutzen werde, um Propaganda für die PKK zu betreiben, weshalb auch ein überragendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug des Kommunikationsmittelverbots bzw. der übrigen angeordneten Überwachungsmaßnahmen bestünde. Das Argument einer ausgebliebenen Anordnung von Führungsaufsicht verkenne bereits den grundlegenden Unterschied zwischen strafrechtlichen und ausländerrechtlichen Maßnahmen, die einen vollkommen anderen Hintergrund hätten. Die Führungsaufsichtsstelle stelle auf weitere zu erwartende Straftaten ab. Sinn und Zweck der Überwachungsmaßnahmen sei es, die Bestrebungen, welche zur Erfüllung des Ausweisungsinteresses geführt hätten, bestmöglich zu erschweren sowie idealerweise gänzlich zu unterbinden und den betroffenen Ausländer zu kontrollieren. Im Bereich des islamistischen Terrorismus würden regelmäßig tägliche Meldepflichten angeordnet werden. Demgegenüber stelle die vier Mal wöchentliche Meldepflicht des Antragstellers bereits eine Abstufung dar, welche auf eine Würdigung der vom Antragsteller ausgehenden Gefahren sowie seines familiären und auch erwerbstätigen Umfelds zurückzuführen sei.
18
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
19
Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat in dem im Tenor formulierten Umfang Erfolg und ist damit nur in geringem Umfang unzulässig oder unbegründet.
20
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist mangels Statthaftigkeit unzulässig, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 10 des Bescheids vom 11. Oktober 2022 verfügte Meldeauflage begehrt wird. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur dann statthaft, wenn im gerichtlichen Hauptsacheverfahren ein Anfechtungsverfahren statthaft ist. Denn nur in diesem Fall kann es einen Suspensiveffekt geben, der angeordnet oder wiederhergestellt werden kann. Im zugrundeliegenden Fall ist aber im Hauptsacheverfahren bzgl. der Ziffer 10 des Bescheids vom 11. Oktober 2022 keine Anfechtungsklage statthaft. Die Ziffer 10 des Bescheids stellt mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt dar. Vielmehr gilt die Aufenthaltsbeschränkung für den Antragsteller auf das Stadtgebiet … bereits kraft Gesetzes. Nach § 56 Abs. 2 AufenthG ist der Aufenthalt des Antragstellers auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt. Zwar hat vorliegend nicht die Stadt, sondern das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen die Ausweisung verfügt. Der „Bezirk der Ausländerbehörde“ i.S.d. § 56 Abs. 2 AufenthG ist aber derjenige der unteren Ausländerbehörde, und zwar auch dann, wenn – wie hier – die Ausweisung durch eine Landesoberbehörde erlassen wurde (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 56 Rn. 15). Andernfalls würde ohne nachvollziehbaren Grund die Reichweite der kraft Gesetzes geltenden Aufenthaltsbeschränkung davon abhängen, ob die örtlich zuständige Ausländerbehörde die Ausweisung verfügt hat oder aber das Landesamt im Einzelfall die Zuständigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 2 ZustVAuslR teilweise übernommen hat.
21
2. Im Übrigen ist der Antrag zulässig und weit überwiegend begründet. Lediglich hinsichtlich Ziffer 14 des Bescheids vom 11. Oktober 2022 ist der Antrag unbegründet.
22
Der Eilantrag ist insoweit zulässig, weil entweder der Sofortvollzug vom Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist (Ziffer 17 i.V.m. Ziffern 1, 2 und 9 des Bescheids) oder die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG bzw. § 56 Abs. 5 Satz 2 VwGO kraft Gesetzes entfallen ist (Ziffern 7, 8, 11, 12, 13, 14, 15 und 16 des Bescheids).
23
a) Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen sofort vollziehbaren oder für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Es hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 90 ff.). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese voraussichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Hoppe: in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93.).
24
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben fällt hinsichtlich der für sofort vollziehbar erklärten Ausweisungsverfügung (Ziffer 1 i.V.m. Ziffer 17 des Bescheids vom 11. Oktober 2022) die anzustellende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiegt. Zwar erachtet das Gericht nach summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Ausweisungsverfügung eher als gering an. Angesichts der strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers durch das OLG München vom 11. Mai 2022 wegen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten ist derzeit und sofern das Urteil des OLG München nicht durch den Bundesgerichtshof aufgehoben werden wird, von einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auszugehen, das unter Berücksichtigung aller individueller Umstände und unter Beachtung der Maßgaben des § 53 Abs. 3a AufenthG das persönlichen Bleibeinteresse des Antragstellers, das insbesondere nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG schwer wiegt, voraussichtlich überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG). Allerdings ist ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisung, das über jenes Interesse hinausgeht, das die Ausweisung selbst rechtfertigt, nicht gegeben.
25
Ist das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung in einer den Formerfordernissen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet worden, dass eine erneute Straffälligkeit des Antragstellers und damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit noch vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens verhindert werden sollen, erfordert die Verfahrensgewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B.v. 18.1.2017 – 2 BvR 2259/17 – juris Rn. 17; B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – NVwZ 2007, 946). Zudem setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Weiteren die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2005 – 2 BvR 485/05 – NJW 2005, 3275; BayVGH, B.v. 14.3.2019 – 19 CS 17.1784 – juris Rn. 7, B.v. 19.2.2009 – 19 CS 08.1175 – juris Rn. 49 jeweils m.w.N.).
26
Der Antragsgegner begründet die Anordnung des Sofortvollzugs der Ausweisung im vorliegenden Fall mit der Unterbindung von Gefahren, die vom Antragsteller ausgingen. Es sei damit zu rechnen, dass der Antragsteller im Falle eines Zuwartens bis zu einer Entscheidung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren auch weiterhin die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde, denn es sei davon auszugehen, dass er auch weiterhin in der beschriebenen Form die PKK unterstützen werde. Ein Absehen von der sofortigen Vollziehung der Ausweisung hätte zur Folge, dass er bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheids weiter wie bisher agieren könne. Es bestehe deshalb ein erhebliches öffentliches Interesse, eine weitere Unterstützung der PKK auch mit ausländerrechtlichen Mitteln wirksam und sofort zu unterbinden, indem der Aufenthalt im Bundesgebiet von Unterstützern einer terroristischen Organisation konsequent beendet werde. Ohne Anordnung des Sofortvollzugs müssten während eines möglicherweise länger andauernden gerichtlichen Hauptsacheverfahrens Gefahren für hochrangige Rechtsgüter in Kauf genommen werden, die mit der Intention der vorliegend erfüllten Ausweisungsinteressen und einer effektiven Gefahrenabwehr zum Schutz höchster Rechtsgüter nicht vereinbart werden könnten.
27
Diese vom Antragsgegner gegebene Begründung des Sofortvollzugs ist weder nachvollziehbar, noch vermag sie ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisung zu begründen. Als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren ist die Anordnung des Sofortvollzugs jedenfalls nicht erforderlich. Der Antragsgegner führt nicht näher nachvollziehbar aus, inwiefern die Anordnung des Sofortvollzugs der Ausweisung geeignet und erforderlich ist, um den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zu beenden und damit die von ihm ausgehenden Gefahren abzuwehren. Der Antragsteller ist jedenfalls nach wie vor im Besitz der Flüchtlingseigenschaft. Selbst wenn das Bundesamt die dem Antragsteller mit Bescheid vom 7. Februar 2013 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft widerruft, steht dem Antragsteller hiergegen der Rechtsweg offen, sodass nicht absehbar ist, wann ein solcher Widerruf (sollte er überhaupt erfolgen) bestandskräftig werden würde. Derzeit ist eine Abschiebung des Antragstellers aufgrund des bestehenden Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen. Darüber hinaus lässt sich die Anordnung des Sofortvollzugs der Ausweisung auch nicht mit den aus Sicht des Antragsgegners erforderlichen Überwachungsmaßnahmen nach § 56 AufenthG begründen. Hierfür ist die sofortige Vollziehung der Ausweisungsverfügung nicht (mehr) erforderlich. Die Vorschrift des § 56 AufenthG setzt nach Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift lediglich voraus, dass gegen den Ausländer eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG besteht. Die Ausweisungsverfügung muss lediglich wirksam sein. Auf die Vollziehbarkeit kommt es – anders als bei § 54a Abs. 1 Satz 1 aF – nicht mehr an (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 56 Rn. 9).
28
c) Hinsichtlich der dem Antragsteller gesetzten Ausreisefrist fällt die Interessenabwägung ebenfalls zugunsten des Antragstellers aus. Die dem Antragsteller in Ziffer 7 des Bescheids gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen ab Zustellung des Bescheids ist aller Voraussicht nach rechtswidrig. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Die vorgesehene Fristsetzung verfolgt den Zweck, den Ausländer zur freiwilligen Ausreise zu veranlassen und ihm die Möglichkeit zu geben, seine beruflichen und persönlichen Lebensverhältnisse abzuwickeln. Die Fristsetzung muss dabei hinreichend klar sein und dem Ausländer erkennbar machen, ab wann er mit einer Abschiebung zu rechnen hat. Der Fristablauf darf nicht in einen Zeitraum fallen, in dem der Ausländer noch nicht zur Ausreise verpflichtet ist (Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 114. Aktualisierung Februar 2020, § 59 Rn. 59 ff.). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die dem Antragsteller gesetzte Frist zur Ausreise von 30 Tagen ab Zustellung des Bescheids rechtswidrig. Der Antragsteller ist nach wie vor im Besitz der Flüchtlingseigenschaft, sodass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei besteht. Aus diesem Grund kann von ihm als türkischem Staatsangehörigen derzeit (jedenfalls noch) nicht verlangt werden, das Bundesgebiet in Richtung Türkei zu verlassen. Darüber hinaus wäre dem Antragsteller faktisch die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise verwehrt, denn die Ausreisefrist wäre bereits abgelaufen, bevor er ggf. verpflichtet wäre, das Bundesgebiet zu verlassen. Denn nach § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG dürfte ihm der Termin der Abschiebung und damit die Gelegenheit, vorher freiwillig ausreisen zu können, nicht mehr angekündigt werden.
29
d) Bezüglich der Abschiebungsandrohung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung, denn die in Ziffer 8 des Bescheids verfügte Abschiebungsandrohung ist nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtswidrig. Zwar steht nach der Vorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dem Erlass der Androhung einer Abschiebung das Vorliegen von Abschiebungsverboten nicht entgegen. Eine Abschiebungsandrohung ist aber rechtswidrig, wenn – wie hier – aufgrund der Prüfung des Asylbegehrens zweifelsfrei feststeht, dass eine Androhung auf Vorrat den vom Gesetzgeber verfolgten Ermächtigungszweck ausnahmsweise verfehlt, weil eine zwangsweise Abschiebung und eine freiwillige Rückkehr in diesen Staat praktisch auf unabsehbare Zeit unmöglich erscheinen. Kann demnach eine Abschiebung langfristig nicht durchgeführt werden, weil bezüglich des Heimatstaates auf unabsehbare Zeit ein Abschiebungshindernis besteht, das also nicht nur vorübergehenden Charakter hat, und kommt auch kein anderer Staat in Betracht, in den der Ausländer abgeschoben werden könnte, so läuft die Abschiebungsandrohung ins Leere und kann ihr Ziel nicht erreichen. Unter diesen Umständen darf eine Abschiebungsandrohung „auf Vorrat“ nicht ergehen (BVerwG, U.v. 10.07.2003 – 1 C 21.02 –, juris Rn. 13).
30
Vorliegend hat der Antragsteller die Abschiebungsandrohung trotz eines bestehenden Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG erlassen. Ob und wann ein vom Bundesamt eingeleitetes Widerrufsverfahren bestandskräftig abgeschlossen werden kann, ist derzeit noch völlig ungeklärt. Selbst wenn das Bundesamt die dem Antragsteller mit Bescheid vom 7. Februar 2013 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft widerruft, steht dem Antragsteller hiergegen der Rechtsweg offen, sodass nicht absehbar ist, wann ein solcher Widerruf (sollte er erfolgen) bestandskräftig werden würde. Derzeit ist auch kein anderer Staat ersichtlich, in den der Antragsteller in absehbarer Zeit abgeschoben werden könnte. Unter diesen Bedingungen durfte der Antragsgegner die Abschiebungsandrohung (jedenfalls noch) nicht erlassen.
31
Darüber hinaus bestehen an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung auch deswegen erhebliche Zweifel, weil entgegen § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG die Türkei nicht klar als Staat bezeichnet worden ist, in den der Antragsteller nicht abgeschoben werden darf. Der Antragsgegner hat jedenfalls nicht eindeutig und unmissverständlich formuliert, dass der Antragsteller in die Türkei derzeit nicht abgeschoben werden darf. Lediglich aufgrund des Umstands, dass der Antragsgegner die Abschiebung zeitlich („nach bestandskräftigem Widerruf der Flüchtlingseigenschaft“) und inhaltlich bedingt („bei Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten hinsichtlich der Türkei“) angedroht hat, lässt sich schlussfolgern, dass wohl auch der Antragsgegner nicht davon ausgeht, dass der Antragsteller aktuell in die Türkei abgeschoben werden kann. Eine klare und hinreichend bestimmte Bezeichnung, dass der Antragsteller derzeit nicht in die Türkei abgeschoben werden darf, ist darin voraussichtlich aber nicht zu sehen.
32
e) Die Interessenabwägung fällt auch bezüglich der dem Antragsteller auferlegten Meldepflicht (Ziffer 9 des Bescheids) zugunsten des Antragstellers aus, weil die angeordnete Meldepflicht bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtswidrig ist. Nach der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nrn. 2 – 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gerade die Bezugnahme auf ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verdeutlicht, dass auch bei einem Terrorismusbezug der Gesetzgeber grundsätzlich die wöchentliche Meldepflicht als ausreichend ansieht, um den Überwachungszweck regelmäßig zu erreichen (OVG Lüneburg, B.v. 16.08.2017 – 13 ME 173/17 – juris, Rn. 11; Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 114. Aktualisierung Februar 2020, § 56 Rn. 8). Unabhängig davon kann die Ausländerbehörde im Einzelfall gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aber eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende Anordnung treffen („soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt“). Sieht die Ausländerbehörde im Einzelfall eine größere Häufigkeit der Meldepflicht als erforderlich an, hat sie die Gründe dafür im Rahmen der Ermessensausübung zu benennen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Gewicht der konkreten Gefahr näher in den Blick zu nehmen. Aus den Erwägungen muss sich nachvollziehbar ergeben, warum die zeitlich engmaschigere Feststellung des Aufenthaltsorts als geboten angesehen wird. Kein taugliches Argument ist dabei, dass die Meldepflicht umso effektiver ist, je häufiger ihr nachgekommen wird (Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 114. Aktualisierung Februar 2020, § 56 Rn. 8; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 56 Rn. 11). Darauf beschränkt sich letztlich im vorliegenden Fall des Antragstellers allerdings die Begründung des Antragsgegners. Dieser geht in seiner Begründung im Wesentlichen davon aus, dass eine häufigere Meldepflicht wirksamer sei, als eine ausschließlich wöchentliche. So führt der Antragsgegner insbesondere aus, dass die intensiven Unterstützungshandlungen des Antragstellers zugunsten der PKK, u.a. in Form von Reisen innerhalb Bayerns und Deutschlands, beispielsweise im Rahmen von Spendensammlungen, sowie ins europäische Ausland zu Veranstaltungen, effektiv eingedämmt werden müssten. Damit sei dem Antragsteller keine Möglichkeit gegeben, sich außerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs länger unbemerkt aufzuhalten. Weiter wird ausgeführt, dass die Anordnung einer vier Mal wöchentlichen Meldepflicht auch erforderlich sei, um seine Mobilität in erforderlicher Weise einzuschränken. Diese vom Antragsgegner ausgeführten Erwägungen tragen die Anordnung einer vierfachen, gegenüber dem gesetzlichen Regelfall der wöchentlichen Meldepflicht abweichenden Meldepflicht voraussichtlich nicht. Letztlich geht der Antragsgegner von der unzulässigen pauschalen Annahme aus, dass die Meldepflicht umso effektiver ist, je häufiger ihr nachgekommen werden muss. Nicht näher nachvollziehbar ausgeführt wird hingegen, welchen konkreten sicherheitsgefährdenden Handlungen entgegengewirkt werden können soll, wenn der Antragsteller sich nicht nur – wie es der gesetzliche Regelfall ist – einmal wöchentlich, sondern vier Mal wöchentlich bei der örtlich zuständigen polizeilichen Dienststelle melden muss. Soweit der Antragsgegner insbesondere darauf verweist, dass dem Antragsteller Reisen außerhalb des ihm zugewiesenen Bereichs, dem Stadtgebiet, erschwert werden sollen, vermögen diese Erwägungen nicht zu überzeugen. Denn selbst bei der angeordneten Meldepflicht ließen sich allein durch die Meldepflicht derartige Reisen nicht unterbinden, denn der Antragsgegner hat den Antragsteller insbesondere verpflichtet, sich freitags- und sonntags zu melden. Doch selbst diese, den Antragsteller aufgrund der Häufigkeit intensiv belastende Meldepflicht, ist schon nicht geeignet, das vom Antragsgegner vorgebrachte Ziel zu erreichen oder zumindest zu fördern, denn der Antragsteller könnte am Freitagmorgen seiner Meldepflicht nachkommen und wäre in der Lage, bis Sonntagabend zweieinhalb Tage für Reiseaktivitäten zu nutzen. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass damit sowohl eine Reiseaktivität innerhalb als auch außerhalb Bayerns möglich wäre. Darüber hinaus hat der Antragsgegner gar nicht in den Blick genommen und näher begründet, dass bzw. warum beim Antragsteller derzeit mit intensiven Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK zu rechnen sei. Umgekehrt ging der Antragsgegner in seinem Bescheid vielmehr an anderer Stelle selbst davon aus, dass der Antragsteller derzeit keinen Unterstützungshandlungen nachgeht. So heißt es auf Seite 51 des Bescheids wörtlich: „Der Umstand, dass tagesaktuell keine sicherheitsgefährdenden Verhaltensweisen ihrerseits bei den Behörden bekannt werden, die die Realisierung der Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland weiter fördern, ist nicht Ausfluss dessen, dass Sie von diesen Aktivitäten Abstand genommen hätten. Vielmehr ist dieser Umstand als taktische Zurückhaltung seit Ihrer Untersuchungshaft zu bewerten.“
33
f) Erhebliche rechtliche Bedenken bestehen hinsichtlich des vom Antragsgegner in Ziffer 11 des Bescheids angeordneten umfangreichen Kontaktverbots, sodass auch diesbezüglich das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse überwiegt. Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann nach der Vorschrift des § 56 Abs. 4 AufenthG der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen soweit die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Die Voraussetzungen für die Verfügung eines Kontaktverbots sind wegen der sehr weitgehenden Einschränkungen, die einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darstellen, eng gefasst. Die Anordnung eines Kontaktverbots muss zudem hinreichend bestimmt sein, auf tragfähige Ermessenserwägungen gestützt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zunächst ist das Kontaktverbot nicht hinreichend bestimmt gefasst, weil die Anordnung in sich widersprüchlich formuliert ist. So wird der Antragsteller zwar verpflichtet, zu den genannten Personen keinen Kontakt aufzunehmen und sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen. Andererseits wird dem Antragsteller ausweislich des eindeutigen Wortlauts zugleich aufgegeben, mit den genannten Personen zu verkehren. Darüber hinaus ist das angeordnete Kontaktverbot auch deswegen rechtswidrig, weil es ermessensfehlerhaft ergangen ist. Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt nicht nur ein ordnungsgemäßes Entschließungsermessen voraus, sondern erfordert auch die Ausübung eines fehlerfreien Auswahlermessens (ausführlich hierzu VGH BW, B.v. 18.11.2020 – 11 S 1465/19 – juris Rn. 48 ff.). Vorliegend ergibt sich aber weder aus dem Bescheid, noch aus der Behördenakte eine ordnungsgemäße Ausübung des Auswahlermessens. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, aus welchen Gründen der Antragsgegner es für geboten erachtet, ein Kontaktverbot des Antragstellers zu den einzeln im Bescheid aufgeführten Personen auszusprechen. Die verfügende Behörde hat hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Personen selbst überhaupt keine Erwägungen angestellt, sondern ohne erkennbar eigene Auseinandersetzung eine vom Bayerischen Landeskriminalamt per E-Mail vom 26. August 2022 übersandte Liste ohne weitere ersichtliche Prüfung übernommen. In dieser E-Mail heißt es lediglich in einem Satz, dass seitens des Bayerischen Landeskriminalamts ein Kontaktverbot des Antragstellers zu bestimmten Personen befürwortet werde. Im Anschluss folgen zwei Aufzählungen, die mit „Quelle: Urteil des Oberlandesgerichts München, Az. 8 St 5/21, gegen A., Y.“ bzw. „Quelle: Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft München, Az. 504 OJs 19/20, in der Strafsache B., M.“ überschrieben sind. Nähere Ausführungen zum Auswahlermessen hinsichtlich der enumerativ aufgeführten Personen fehlen im streitgegenständlichen Bescheid. Lediglich in wenigen Sätzen wird ausgeführt, dass es sich bei den einzeln aufgeführten Personen um Mitglieder und Unterstützer der PKK in Deutschland handele, zu denen der Antragsteller in der Vergangenheit im Rahmen seiner Tätigkeit als Frontarbeiter intensiven Kontakt gepflegt habe.
34
g) Hinsichtlich des verfügten Kommunikationsmittelverbots fällt die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus, denn das dem Antragsteller auferlegte Kommunikationsmittelverbot ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtswidrig. Unter den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie für den Erlass eines Kontaktverbots kann die Ausländerbehörde gemäß § 56 Abs. 4 AufenthG auch ein Kommunikationsmittelverbot anordnen. Demnach ist ein Kommunikationsmittelverbot nur zulässig, um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 AufenthG geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Wie bereits hinsichtlich der Meldeauflage ausgeführt, hat der Antragsgegner gar nicht in den Blick genommen und näher begründet, dass bzw. warum beim Antragsteller derzeit mit intensiven Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK zu rechnen sei. Umgekehrt ging der Antragsgegner in seinem Bescheid vielmehr an anderer Stelle selbst davon aus, dass der Antragsteller derzeit keinen Unterstützungshandlungen nachgeht. So heißt es auf Seite 51 des Bescheids wörtlich: „Der Umstand, dass tagesaktuell keine sicherheitsgefährdenden Verhaltensweisen ihrerseits bei den Behörden bekannt werden, die die Realisierung der Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland weiter fördern, ist nicht Ausfluss dessen, dass Sie von diesen Aktivitäten Abstand genommen hätten. Vielmehr ist dieser Umstand als taktische Zurückhaltung seit Ihrer Untersuchungshaft zu bewerten.“ Darüber hinaus hat das Gericht Zweifel daran, dass das Kommunikationsmittelverbot notwendig ist, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Der Begriff der inneren Sicherheit ist enger auszulegen als der der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die innere Sicherheit ist nur dann betroffen, wenn die Funktionsfähigkeit der staatlichen Organe, der Bestand von staatlichen Einrichtungen oder der innere Frieden gefährdet sind. Um ein Kommunikationsmittelverbot anordnen zu können, muss ausdrücklich festgestellt werden, dass bzw. warum eine Gefahr für die innere Sicherheit von dem betroffenen Ausländer ausgeht (Hailbronner, Kommentar Ausländerrecht, 114. Aktualisierung Februar 2020, § 56 Rn. 49). Dem Bescheid des Antragsgegners ist aber weder eine derartige nachvollziehbare Feststellung zu entnehmen (Seite 46 ff. des Bescheids), noch ist sonst für das Gericht ersichtlich, dass von dem Antragsteller derzeit eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben ausgeht, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen so tiefgreifenden Grundrechtseingriff in das Recht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG rechtfertigen könnte.
35
Unabhängig davon erachtet das Gericht das generelle Verbot von Sprachassistenten für unverhältnismäßig. Sprachassistenten finden ihren Einsatz nicht nur im Bereich der Kommunikation, sondern auch bei der Bedienung von elektronischen Geräten (wie zum Beispiel der Sprachassistent in einem Kraftfahrzeug). Das Verbot eines derartigen Sprachassistenten ist jedoch in dieser Pauschalität nicht geeignet, das in § 56 Abs. 4 AufenthG verankerte Ziel der Kommunikationsbeschränkung zu fördern.
36
h) Nachdem die in den Ziffern 9 (Meldepflicht), 11 (Kontaktverbot) und 12 (Kommunikationsmittelverbot) getroffenen Verfügungen voraussichtlich rechtswidrig sind, sind auch die diesbezüglichen Zwangsgeldandrohungen aller Voraussicht nach rechtswidrig, sodass wiederum das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 13, 15 und 16 ist demzufolge anzuordnen. Gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 14 (Aufenthaltsbeschränkung) bestehen hingegen keine rechtlichen Bedenken. Diesbezüglich hat der Antragsteller weder einen rechtlichen Einwand erhoben, noch ist sonst ein Rechtsfehler ersichtlich.
37
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nachdem die Beteiligten teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, sind die Kosten im tenorierten Umfang zu teilen.
38
4. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.5 und 8.2 des Streitwertkatalogs.
39
5. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zu entsprechen, soweit der Eilantrag im in Ziffer I. des Beschlusses tenorierten Umfang Erfolg hat.
40
Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat bzgl. des Eilverfahrens – wie bereits unter Ziffern 1 – 3 dargestellt – im tenorierten Umfang hinreichende Erfolgsaussichten. Die Beschränkung der Höhe der Prozesskostenhilfe auf die für einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt anfallenden Kosten beruht auf § 121 Abs. 3 ZPO.
Hinsichtlich Ziffern I. bis III. gilt folgende