Titel:
Erwirkung erfordert schutzwürdiges Vertrauen
Normenketten:
ZPO § 256
BGB § 242
Leitsätze:
1. Eine Klage, ob der Beklagte in der Vergangenheit zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet gewesen wäre, wäre nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Erwirkung ist eine über einen längeren Zeitraum erfolgte Einräumung einer günstigen Rechtsposition unter Umständen, die ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der günstigen Situation begründen, erforderlich, wobei höhere Anforderungen als bei einer Verwirkung gelten. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsklage, Vergangenheit, Rechtsfolgen, Erwirkung, Vertrauen, Verwirkung
Vorinstanz:
LG Kempten, Endurteil vom 28.08.2020 – 32 O 1105/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 30.03.2023 – III ZR 99/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46866
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 28.08.2020, Az. 32 O 1105/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu je 50% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger zu 1) gegen den Beklagten für die Jahre 2018 bis 2024 Anspruch auf Erteilung eines Hochseepatents mit der Erlaubnis zur Verwendung von fünf (und nicht nur von vier) Schwebnetzen hatte und hat, und ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 2) zu gestatten, sich bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Kläger zu 1) vertreten zu lassen.
2
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitsands in erster Instanz und wegen der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den – mit Beschluss vom 28.10.2020 (s. zu Blatt 154/162 der Akten) berichtigten – Tatbestand des angefochtenen Endurteils (Blatt 155/158 der Akten) verwiesen.
3
Das Landgericht hat die Klagen beider Kläger abgewiesen.
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Bezüglich der Abweisung der Klage des Klägers zu 1) hat es unter Bezugnahme und Verweisung auf das Urteil des Senats vom 18.06.2020, Az.: 14 U 1479/19, zur Begründung ausgeführt, dass ein etwaiger Anspruch betreffend das Jahr 2020 jedenfalls erfüllt sei, unabhängig davon, ob überhaupt ein Anspruch bestanden habe. Im Übrigen habe der Kläger zu 1) weder aufgrund eines – unstreitig nicht geschlossenen – Erlaubnisvertrags noch aufgrund sonstiger Anspruchsgrundlagen (solche bestünden nicht) Anspruch auf die von ihm begehrte Erteilung eines Hochseepatents in der von ihm gewünschten Ausgestaltung.
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Die Klage des Klägers zu 2) hat das Landgericht im Wesentlichen unter Verweis auf die bezüglich der Abweisung der Klage des Klägers zu 1) ausgeführten Gründe abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass angesichts des Urteils des Senats vom 18.06.2020, Az.: 14 U 1479/19, darauf hinzuweisen sei, dass die Handhabung der Altersgrenze durch den Beklagten unabhängig davon, ob überhaupt der Schutzbereich des Art. 12 GG eröffnet sei, nicht als subjektive Zulassungsvoraussetzung im Sinn des Art. 12 GG, sondern nur als bloße Regelung der Art und Weise der Berufsausübung einzuordnen sei.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils (Blatt 158/161 der Akten) verwiesen.
7
Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt und erklärt, das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang anzufechten. Der Kläger zu 1) hat in der Berufung zunächst nur die Verurteilung des Beklagten beantragt, ihm für die Jahre 2022 bis 2024 ein Hochseepatent mit der Erlaubnis zur Verwendung von fünf Schwebnetzen, davon das fünfte mit der kleinsten zulässigen Maschenweite (derzeit 38 mm), zu erteilen. Der Kläger zu 2) hat in der Berufung zunächst nur den bereits erstinstanzlich gestellten Sachantrag wiederholt, ihm zu gestatten, sich bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Kläger zu 1) vertreten zu lassen. Zur Begründung der Berufung führen die Kläger im Wesentlichen aus:
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Es werde die sachliche Unzuständigkeit der Zivilgerichte gerügt und weiterhin die Abgabe des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Augsburg beantragt. Der streitgegenständliche Sachverhalt sei öffentlich-rechtlicher Natur. Die Erteilung des Hochseepatents erfolge durch einen „Erlaubnisschein“, für den die Berufsfischer eine – einseitig vom Beklagten festgesetzte – Gebühr entrichten müssten. Auch liege kein originärer Pachtvertrag vor. Die Ausübung der Fischerei werde vielmehr als Ausfluss eines Staatsvertrages durch Beschlüsse der IBKF geregelt. Damit sei kein Gleichordnungsverhältnis anzunehmen. Ein regulärer Pachtvertrag hätte zudem nach Art. 25 BayFiG eine festgeschriebene Laufzeit von mindestens zehn Jahren. Die Erlaubnisscheine des Beklagten hätten nur eine Gültigkeit von einem Jahr.
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Die Weigerung des Beklagten, dem Kläger zu 1) das begehrte Hochseepatent in der beantragten Ausgestaltung zu erteilen, und dem Kläger zu 2) zu gestatten, sich bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Kläger zu 1) vertreten zu lassen, sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Grundrechten.
10
Es liege ein Verstoß gegen Art. 12 GG vor.
11
Das Grundrecht auf Berufsfreiheit stehe gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG unter einem Gesetzesvorbehalt. Da sich im bayerischen Fischereirecht keine gesetzliche Regelung und auch keine Verordnungsermächtigung zur Kontingentierung der auszugebenden Patente bzw. Schwebnetze finde, verstoße die Versagung der Erteilung eines Patents in der beantragten Ausgestaltung an den Kläger durch das für den Beklagten handelnde Landratsamt L. schon aus diesem Grund gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.
12
Im Übrigen sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Unterscheidung zwischen objektiven Zulassungsbeschränkungen, subjektiven Zulassungsbeschränkungen und Ausübungsregelungen zu beachten. Ausübungsregelungen seien bereits durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen dürften zusätzlich nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen. Objektive Zulassungsvoraussetzungen seien ausschließlich zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zulässig. Außerdem dürfe der Gesetzgeber Regelungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Stufe treffen, die den geringsten Freiheitseingriff mit sich bringe, aber dennoch Erfolg bei der Verwirklichung des angestrebten Zwecks verspreche. In casu fehle es an einer Rechtfertigung nach diesem Maßstab für die Kontingentierung der Fischereipatente bzw. Schwebnetzzahlen. Es gehe um eine Reaktion auf die Rückläufigkeit der Fischbestände im Bodensee. Diese sei nicht auf eine Überfischung, sondern auf den gesunkenen Phosphorgesamtgehalt im Bodenseewasser zurückzuführen. Die Reduzierung der Zahl der Patente bzw. Schwebnetze habe in der Vergangenheit nicht zu einem Anstieg der Fischzahlen im Bodensee geführt. Dies werde auch zukünftig nicht der Fall sein. Sie werde nur dazu führen, dass die verbliebenen Patentinhaber Aussicht auf höhere Fangzahlen haben. Die Fangzahlen der Berufsfischer am Bodensee seien aber kein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Die Festlegung einer Höchstzahl von Patenten bzw. Schwebnetzen sei daher unverhältnismäßig.
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Auch die Altersgrenze zum Nachteil des Klägers zu 2) als subjektive Zulassungsvoraussetzung sei unverhältnismäßig. Dahinter stehe wohl die Vorstellung, dass ein Berufsfischer im Alter von 70 Jahren sein Berufsleben beenden und von einer bis dahin erworbenen Altersversorgung leben könne. Dies treffe auf Berufsfischer im Allgemeinen und den Kläger zu 2) im Besonderen jedoch nicht zu. Die Berufsfischerei sei ein freier Beruf. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gebe es nicht. Es sei der Regelfall, dass Berufsfischer, soweit sie gesundheitlich dazu noch in der Lage seien, ihren Altersbedarf weiterhin mit einer (evtl. reduzierten) Tätigkeit als Berufsfischer bestritten. Auch fehle jeder Anhaltspunkt, weshalb die Altersgrenze auf 70 Jahre festgesetzt worden sei. Dies entspreche keinem der Leitbilder gesetzlicher Regelungen zum Eintritt in den Ruhestand und verkenne, dass es bei freien Berufen gerade keine Regelaltersgrenze geben könne. Eine faktisch zum Ausschluss vom Beruf führende Altersgrenze setze regelmäßig schonende Übergangslösungen voraus (vgl. BVerfGE 25, 236, 248; 55, 185, 201 ff.; 64, 72, 83 f.; 75, 246, 278 ff.; 98, 265, 309 f.). Eine solche fehle im vorliegenden Fall. Der Kläger zu 2) sei durch die Entscheidung des Beklagten beschwert, weil die Stellvertretung durch den Kläger zu 1) nicht mehr erlaubt sei. Für diese Einschränkung bestehe keine Rechtfertigung.
14
Es liege auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG vor. Wenn die Eigentumsfreiheit nicht vorschnell auf bestimmte Lebensbereiche beschränkt werden solle, müsse jede privatrechtlich begründete Rechtsinhaberschaft einer Person in Bezug auf Vermögensgegenstände oder jedwede Freiheit im Bereich der privaten vermögenswerten Rechte geeigneter Schutzgegenstand des Art. 14 GG sein. Der Gesetzgeber eröffne den eigentumstypischen Spielraum personenbezogener Freiheit und Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeit mit jedem vermögenswerten Recht, das er dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie das Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung zuordne. Es würden daher im Bereich des Privatrechts grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte durch Art. 14 geschützt.
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Auch verstoße die Entscheidung des Landgerichts, die eine Altersdiskriminierung darstelle, gegen Europarecht, insbesondere RL 2000/78 und Art. 21 EU-GrCh. Das Landgericht hätte daher die entgegenstehenden Maßnahmen des Beklagten und die Bestimmungen, in deren Umsetzung sich der Beklagte auf die Altersbegrenzung beziehe (hier die Beschlüsse der IBKF aus 2015) unangewendet lassen müssen (vgl. EuGH, EuZW 2019, 480).
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Das Landgericht habe auch einfachgesetzliches materielles Recht verletzt. Nachdem die Kläger - ohne explizite vertragliche Vereinbarung – Jahr für Jahr die entsprechende Erlaubnis gegen Bezahlung der erhobenen Gebühr erhalten hätten, habe sich ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Kläger gebildet, dass diese ihren angestammten Beruf als Bodenseeberufsfischer ohne zeitliche Begrenzung ausüben könnten. Es habe daher aus Gewohnheitsrecht und aufgrund der Zusicherung des Bestandsschutzes eine Anspruchsgrundlage ergeben.
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Soweit das Landgericht einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz negiere, sei dem entgegenzutreten. Es habe nicht berücksichtigt, dass IBKF-Beschlüsse ausnahmslos nur einstimmig zustande kommen könnten. Der Beklagte hätte also sehr wohl Einfluss auf die Bedingungen der Patentverteilung durch sämtliche Anrainerstaaten an die Bodenseeberufsfischer nehmen können. Es könne deswegen die Bindung des Beklagten an die Grundrechte beim Vollzug der Beschlüsse nicht unter Hinweis auf ein Handeln außerhalb eigener Hoheitsgewalt abgelehnt werden.
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Das Landgericht habe auch seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt. Hätte es die Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage nach seiner Ansicht unschlüssig sei, hätte der Kläger seinen Vortrag umgehend dahin konkretisiert, dass er nach seiner Ausbildung von August 1982 bis Juli 1984 mit erfolgreichem Abschluss als Fischwirt ab 01.07.1987 im elterlichen Betrieb als Fischwirt angestellt gewesen sei. Seit dem Abschluss als Fischereimeister im November 1989 gehe er dem Beruf des Bodenseeberufsfischers selbstständig nach. Eine Erlaubnis durch den Beklagten habe der Kläger zu 1) mithin seit 1982 wiederkehrend erhalten. Dementsprechend bestehe aufgrund des vom Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestands gemäß §§ 311, 241, 242 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz ein Anspruch auf die beantragten Patente.
19
Rechtsgrundlage für die Ansprüche der Kläger sei – unverändert – Art. 27 Abs. 1, 26 Abs. 1 Satz 1 BayFiG. Auch wenn diese Vorschrift als Kannbestimmung ausgestaltet sei, stehe es dem Beklagten im Verhältnis zu einem langjährigen Bodensee-Berufsfischer nicht frei, ob er ihm einen Erlaubnisschein ausstelle. Die Vergabe der Erlaubnisscheine stehe vielmehr im gebundenen Ermessen des Freistaats. Dieses Ermessen sei aufgrund des Grundrechts der Kläger auf freie Berufsausübung auf „0“ reduziert. Das bayerische Fischereigesetz sei durch Gesetz vom 23.07.2021 (GVB L. S. 434, in Kraft seit 01.08.2021) geändert worden (siehe hierzu Schriftsatz vom 04.03.2022. 1. A). Wie bereits vorgetragen, seien die bis einschließlich 2021 vom zuständigen Landratsamt des Beklagten auf Grundlage von Art. 27, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayFiG (bzw. der entsprechenden Vorgängervorschriften) erteilten Fischereipatente als hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen (Fischerei-) Rechts und damit als Verwaltungsakte zu qualifizieren.
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Dass der Kläger zu 2) den Patentvertrag für 2022 (Anlage BK4) und damit auch die Klausel unterzeichnet habe, wonach eine Stellvertretung bei Alterspatenten nicht zulässig sei, stehe dem geltend gemachten Anspruch auf Gestattung der Stellvertretung für das laufende Jahr 2022 nicht entgegen.
21
Mit dem Schriftsatz zur Berufungsbegründung vom 08.01.2021 (Bl. 196 ff d. A.) hatten die Kläger zunächst folgende Anträge gestellt:
1. Das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) Az. 32 O 1105/18 vom 28.08.2020 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) für die Jahre 2021 bis 2024 ein Hochseepatent mit der Erlaubnis zur Verwendung von fünf Schwebnetzen, davon das fünfte mit der kleinsten zulässigen Maschenweite (derzeit 38 mm), zu erteilen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) zu gestatten, bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Beklagten zu 1) vertreten zu werden (Stellvertretung).
22
Mit Schriftsatz vom 04.03.2022 erklärten die Kläger, dass nunmehr im Hinblick darauf, dass die Kläger die landgerichtliche Entscheidung ausdrücklich in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt hätten, klargestellt werde, dass mit dem zunächst auf die Jahre 2021 bis 2024 beschränkten Leistungsantrag des Klägers zu 1) keine Einschränkung der Berufung verbunden gewesen sein sollte (offenkundiges Schreibversehen). Die Leistungsanträge der Kläger bezogen auf die Jahre 2018 und 2019 hätten sich durch Zeitablauf erledigt; die Kläger hätten insoweit aber jeweils ein Feststellungsinteresse zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses. Bezogen auf die Jahre 2020 und 2021 habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt; das Landratsamt habe dem Kläger zu 1) die zunächst verweigerte Erlaubnis zur Verwendung eines fünften Schwebnetzes jeweils noch vor Saisonbeginn erteilt.
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Zuletzt beantragen die Kläger in der Berufung (bei den gemäß Schriftsatz vom 04.03.2022 gestellten Anträgen ist die Ordnungsziffer „3“ doppelt vergeben; die mit diesem Schriftsatz gestellten Anträge werden der Reihenfolge nach – ordnungsgemäß – durchnummeriert; diese Nummerierung wird im Folgenden für die Bezeichnung der Anträge verwendet):
1. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 28.08.2020 zum Aktenzeichen 32 O 1105/18 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die seitens des Beklagten in den Jahren 2018 und 2019 erfolgte Versagung des fünften Schwebnetzes im Hochseepatent des Klägers zu 1) rechtswidrig war.
3. Der Rechtsstreit wird bezogen auf den Leistungsantrag des Klägers zu 1) für die Jahre 2020 und 2021 in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dass dem Beklagten die Kosten des Verfahrens insoweit aufzuerlegen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) für die Jahre 2022 bis 2024 ein Hochseepatent mit der Erlaubnis zur Verwendung von 5 Schwebnetzen, davon das fünfte mit der kleinsten zulässigen Maschenweite (derzeit 38 mm), zu erteilen.
5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte in den Jahren 2018 bis 2021 verpflichtet war, dem Kläger 2.) im Rahmen des erteilten Alterspatents zu gestatten, sich bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Kläger zu 1) nach Maßgabe der bis zum Jahr 2017 geltenden Stellvertreterregelung vertreten zu lassen.
6. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) im Rahmen des erteilten Alterspatents auch künftig zu gestatten, sich bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Kläger zu 1) nach Maßgabe der bis zum Jahr 2017 geltenden Stellvertreterregelung vertreten zu lassen.
24
Der Beklagte beantragt in der Berufung,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
25
Zur Begründung macht der Beklagte im wesentlichen geltend, dass es den klägerischen Anträgen an einer jeweiligen Anspruchsgrundlage fehle.
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Soweit weiterhin eine Verurteilung zur Erteilung von Hochseepatenten für den Zeitraum 2021 bis 2024 verfolgt werde, habe der Kläger zu 1) bereits seit dem Jahr 2020 die rechtliche Möglichkeit zur Verwendung von bis zu fünf Netzen. Das Fischen mit bis zu fünf Netzen sei in Bayern zunächst zum 01.01.2020 durch Anordnung des Landratsamts L. vom 18.12.2019 mit Wirkung zum 01.01.2020 festgelegt worden. Mit Wirkung vom 01.01.2021 bestehe diese Möglichkeit aufgrund unbefristeter Änderung der Bodenseefischereiverordnung (BoFiV), insbesondere aufgrund § 7 Abs. 4 und § 8 Abs. 4 BoFiV. Angesichts dessen hätte der Kläger zur 1) bereits Ende des Jahres 2020 den Abschluss eines Vertrags über ein Hochseepatent für die Jahre 2022 und 2023 beantragen können. Der Kläger zu 1) habe tatsächlich nur den Abschluss eines Patentvertrags für das Jahr 2021 beantragt. Bevor er einen Antrag auf Vertragsschluss für die weiteren Jahre bis einschließlich 2024 gestellt habe, könne folglich auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage für diese Zeiträume bestehen. Gleiches gelte für die Klage über die Ausstattung der begehrten Hochwasserpatente, für welche aktuell und unbefristet maximal 5 Netze vorgesehen sein.
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Für die vom Kläger zu 2) begehrte Vertreterregelung gebe es keine Anspruchsgrundlage.
28
Soweit die Kläger weiterhin geltend machten, dass das (von den Klägern selbst angerufene) Zivilgericht für die Entscheidung nicht zuständig sei, verfange dies im Ergebnis nicht. Insoweit werde auf die Gründe des rechtskräftigen Beschlusses des Oberlandesgerichts München, Az. 14 W 1188/19 verwiesen. Dieser Beschluss sei für die Parteien auch in zweiter Instanz bindend.
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In der Sache liege weder ein Verstoß gegen Art. 12 Grundgesetz noch ein solcher gegen Art. 14 Grundgesetz vor. Auch einfach-rechtliche Gesetzesverstöße seien dem Beklagten nicht anzulasten.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet, da das angefochtene Endurteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht, noch die der Berufungsentscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere als die vom Landgericht getroffene Entscheidung rechtfertigen.
31
Soweit die Kläger zur Begründung der Berufung die Unzuständigkeit der Zivilgerichte rügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Augsburg beantragt, kann dies die Berufung nicht begründen. Gemäß § 17a Abs. 5 GVG ist aufgrund der mit Beschluss des Einzelrichters des Oberlandesgerichts vom 13.05.2020 – Az.: 14 W 1188/19 – getroffenen Entscheidung bindend der Rechtsweg zu den Zivilgerichten festgestellt, da mit diesem Beschluss rechtskräftig der zu den Zivilgerichten beschrittene Rechtsweg für zulässig erklärt worden ist. Das Beschwerdegericht kann den Rechtsweg für zulässig erklären und die Sache zurückverweisen, wenn das erstinstanzliche Gericht ihn zu Unrecht für unzulässig gehalten hat (s. MüKoZPO/Pabst, 6. Aufl. 2022, GVG § 17a Rn. 34); dies ist vorliegend mit Beschluss vom 13.05.2020 erfolgt. Aufgrund dieser rechtskräftigen Entscheidung ist die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 5 GVG eingetreten.
32
Der vom Kläger zu 1) in der Berufung zuletzt gestellte Antrag Ziffer 2. und der vom Kläger zu 2) zuletzt gestellte Antrag Ziffer 5. sind in der Berufung gemäß § 533 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zulässig. Bei beiden Anträgen handelt es sich um Klageänderungen, denen der Beklagte nicht zugestimmt hat und die auch nicht sachdienlich sind. Es bedarf daher keiner näheren Erörterung der Frage, ob die damit einhergehende Erweiterung der Berufungsanträge des Klägers zu 1) (innerhalb der Berufungsbegründungsfrist wurden von ihm nur auf die Jahre 2021 bis 2024 bezogene Sachanträge gestellt) überhaupt möglich wäre.
33
1. Durch die Anträge Ziffer 2. und 5. erfolgt jeweils eine Klageänderung. Beide Kläger haben in erster Instanz andere Anträge gestellt. Sie haben erstinstanzlich die nun beantragte Feststellung nicht begehrt.
34
2. § 264 Nr. 3 ZPO führt nicht dazu, dass die beiden erstinstanzlich nicht gestellten Anträge nicht als Klageänderung gelten. Mit diesen neuen Anträgen wird nicht statt des ursprünglichen Klagegegenstands das Interesse (zum Beispiel Schadensersatz oder die Feststellung der Schadensersatzpflicht) begehrt. Gegenstand des zuletzt vom der Kläger zu 1) gestellten Antrags Ziffer 2. ist nämlich nicht die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten, sondern die Feststellung, dass das Verhalten des Beklagten rechtswidrig gewesen sei. Auch der Kläger zu 2) begehrt mit Antrag Ziffer 5. nicht die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten, sondern die Feststellung, dass der Beklagte in der Vergangenheit (in den Jahren 2018 bis 2022) zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet gewesen wäre.
35
Soweit die Kläger nunmehr klargestellt haben, dass die Anträge gemäß Ziffer 2. und 5. auch (teilweise) Erledigterklärungen seien (s. Schriftsatz vom 17.03.2022 = Bl. 265/268 d. A.), hat der Beklagte diesen zugestimmt. Sowohl die Erledigterklärung wie auch die Zustimmung hierzu sind auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung möglich. Die Erledigung kann auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung geschehen. (Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 91a Rn. 15). Angesichts der Zustimmung des Beklagten ist aber bezüglich des für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits nur noch gemäß § 91a ZPO über die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits zu befinden. Eine streitige Entscheidung (durch Feststellungsurteil) darüber, ob der Rechtsstreit tatsächlich in der Hauptsache erledigt ist, hat nicht zu erfolgen. Übereinstimmende Erledigungserklärungen beenden zwingend die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits in der Hauptsache. Das Gericht muss und darf nur noch über die Kosten entscheiden. Es ist gebunden und darf nicht prüfen, ob durch ein erledigendes Ereignis wirklich eine zunächst zulässige und begründete Klage nachträglich unzulässig oder unbegründet wurde (Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 91a Rn. 17).
36
3. Die Klageänderungen sind gemäß § 533 Nr. 1 ZPO unzulässig.
37
Der Beklagte hat zwar den Erledigterklärungen, nicht aber den Klageänderungen zugestimmt, sondern ihnen widersprochen (Schriftsatz vom 07.03.2022). Die Klageänderungen sind nicht als sachdienlich zuzulassen, da die Entscheidung über sie nicht geeignet wäre, den Streitstoff der Parteien endgültig zu beseitigen. Beide Klageanträge wären nämlich als unzulässig abzuweisen. Diese Entscheidung wäre nicht geeignet, den Streit der Parteien bezüglich des jeweils von den neuen Klageanträgen umfassten Zeitraums zu beseitigen, da hierdurch in der Sache keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den Streit der Parteien erginge (vgl. Musielak/Voit/Foerste, 18. Aufl. 2021, ZPO § 263 Rn. 7 unter Hinweis auf BGH, NJW-RR 2002, 929, beck-online).
38
3.1. Der zuletzt vom Kläger zu 1) gestellte Antrag Ziffer 2. wäre als unzulässig zurückzuweisen, weil er nicht auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses (z. B. Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber dem Kläger zu 1), sondern nur auf die Klärung der Rechtsfrage gerichtet ist, ob ein bestimmtes Verhalten des Beklagten rechtswidrig gewesen ist oder nicht.
39
3.2. Der zuletzt vom Kläger zu 2) gestellte Antrag Ziffer 5. wäre ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen, weil er nicht auf Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses gerichtet ist, sondern nur die Frage betrifft, ob der Beklagte in der Vergangenheit zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet gewesen wäre. Eine solche Klage ist aber nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben. Anderenfalls verlangt der Kläger ein Rechtsgutachten für einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Sachverhalt. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, eine die Parteien interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären (s. BAG, NJW 2020, 1613 Rn. 13, beck-online). Der vom Kläger zu 2) verfolgte Feststellungsantrag Ziffer 5 ist damit auf die Entscheidung über eine – für einen eventuellen Schadensersatz vorgreifliche – Rechtsfrage mit Vergangenheitsbezug gerichtet, deren alleinige Klärung weder zum Rechtsfrieden zwischen den Parteien führen würde noch ein sonstiges schützenswertes Interesse erkennen lässt (vgl. BAG, NJW 2020, 1613 Rn. 15, beck-online). Die Frage, ob den Beklagten aktuell die Verpflichtung trifft, deren Bestehen der Kläger zu 2) für die Vergangenheit begehrt, ist bereits Gegenstand der Klage des Klägers zu 2) im Übrigen; außerdem hätte die begehrte Feststellung keine Rechtsfolgen für diesen Streit. Die Folgen dieser Feststellung für eventuelle gegenwärtige Ansprüche des Klägers blieben hingegen offen. Letztlich ist nämlich auch dieser Klageantrag nur auf die Klärung der Rechtsfrage gerichtet, ob ein bestimmtes Verhalten des Beklagten rechtswidrig gewesen ist oder nicht. Hierfür besteht kein Feststellungsinteresse, weil damit keine Klärung eines eventuell aktuell noch bestehenden Rechtsverhältnisses der Parteien (Schadensersatzpflicht des Beklagten), sondern nur die einer singulären rechtlichen Vorfrage geklärt würde.
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4. Auch angesichts des erfolgten gerichtlichen Hinweises gemäß § 139 Abs. 1 S. 2 letzte Alternative, Abs. 3 ZPO auf die Unzulässigkeit ihrer zuletzt neu gestellten Anträge zu 2. und 4. mit Verfügung vom 14.03.2022 (Bl. 262 der Akten) hat der Kläger seine Anträge nicht dahingehend umgestellt oder eine solche Umstellung angekündigt, dass er nunmehr die Feststellung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses wie z. B. der Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber den Klägern beantragt, sondern begehrt weiterhin die Klärung einer für ein solches vorgreiflichen Rechtsfrage (Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage). Es bestand daher auch kein Anlass, von der Möglichkeit der Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO Gebrauch zu machen.
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Die Berufungen beider Kläger sind unbegründet, da das Landgericht die Klagen, soweit sie noch Gegenstand der Berufung sind, richtigerweise als unbegründet zurückgewiesen hat.
42
1. Der vom Kläger zu 1) in der Berufung gestellte Sachantrag Ziffer 4 ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Beklagten besteht für einen Leistungsantrag grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis, unabhängig davon, ob der Kläger zu 1) beim Beklagten (über das Landratsamt) die Erteilung des mit der Klage geltend gemachten Hochseepatents beantragt und damit den (an dieser Stelle unterstellten) geltend gemachten Anspruch gegenüber dem Beklagten vorgerichtlich geltend gemacht hat. Die Leistungsbereitschaft berührt das Interesse an der geltend gemachten Titulierung nicht (s. Musielak/Voit, ZPO vor § 253 Rn. 9, beck-online).
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2. Der vom Kläger zu 1) in der Berufung gestellte Sachantrag Ziffer 4 ist aber unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Abgabe einer auf Erteilung eines Hochseepatents für die Jahre 2022 bis 2024 gerichteten Willenserklärung des Beklagten zu.
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2.1. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein Verpflichtungsvertrag, der einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Erteilung eines Hochseepatents begründen würde, zwischen den Parteien nicht geschlossen wurde. Diese Feststellung wird auch von der Berufung nicht angegriffen.
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2.2. Aus der gesetzlichen Regelung des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayFiG ergibt sich der streitgegenständliche Anspruch jedenfalls nicht unmittelbar. Zum einen steht es dem Beklagten grundsätzlich frei, ob er überhaupt Erlaubnisscheine ausstellt, zum anderen steht es ihm – im Falle, dass er Erlaubnisscheine ausstellt – grundsätzlich auch zu, zu entscheiden, wem er die Erlaubnisscheine ausstellt. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch würde einen Kontrahierungszwang voraussetzen, der sich aus Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayFiG jedoch nicht ergibt.
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Die Argumentation des Klägers zu 1), dass er Anspruch auf Erteilung des gewünschten Hochseepatents habe, weil dessen Versagung bereits deshalb gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen würde, weil das bayerische Fischereirecht entgegen dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG weder eine gesetzliche Regelung, noch eine Verordnungsermächtigung zu einer Beschränkung der Schwebnetze enthalte, geht fehl.
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Eine unter Zugrundelegung des Art. 26 erfolgende Beschränkung eines Hochseepatents würde keinen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 GG darstellen, weil die Rechtsposition des Klägers dadurch nicht geschmälert würde. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger ohne die o.g. Regelung ein Recht auf die Erteilung eines Erlaubnisscheines hätte. Dies würde voraussetzen, dass der Beklagte insoweit einem Kontrahierungszwang unterläge. Eine Grundlage dafür ist aber nicht ersichtlich. Der einzelne Bürger hat auch in anderen Bereichen grundsätzlich keine gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften gerichteten Ansprüche auf den Abschluss von – seiner beruflichen Tätigkeit förderlichen – Verträgen. Im Übrigen liefe die Argumentation des Klägers, mangels gesetzlicher Regelungen zur Kontingentierung der Erlaubnisscheine und Beschränkung der Schwebnetze könne ein Patent nicht versagt werden, im Ergebnis darauf hinaus, dass der Beklagte verpflichtet wäre, jedem Interessenten einen Erlaubnisschein in den von diesem gewünschten Umfang zu erteilen. Dies wäre bereits deshalb nicht möglich, weil eine zu große Zahl von Erlaubnisinhabern und / oder eine zu umfangreiche Verwendung von Schwebnetzen eine Überfischung des Fischwassers befürchten ließe, was im Hinblick auf die Hegepflicht des Beklagten gemäß Art. 1 Abs. 2 BayFiG wiederum nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayFiG die Erteilung von Erlaubnisscheinen ausschlösse.
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Schließlich ist auch zu sehen, dass es sich bei den Fischereiberechtigten i.S.d. Art. 26 Abs. 1 Satz 1 nicht nur um öffentlich-rechtliche Körperschaften handelt. Fischereiberechtigt ist grundsätzlich der Eigentümer des Gewässers (Art. 3 S. 1 BayFiG). Eine Verpflichtung des Fischereiberechtigten zur Erteilung von Erlaubnisscheinen würde insoweit in sein Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen. Hierfür wäre jedoch eine Rechtfertigung nicht ersichtlich.
49
Soweit der Kläger zu 1) argumentiert, auch bei einer Reduzierung der Patente oder der Schwebnetze könne die wirtschaftliche Existenz aus dem Fischfang für die einzelnen verbliebenen Fischereifamilien nicht sichergestellt werden, kann daraus kein Argument für den von ihm geltend gemachten Anspruch abgeleitet werden. Der Kläger behauptet nicht, vom Beklagten anders als andere bayerische Berufsfischer behandelt zu werden.
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Sofern – wie der Kläger zu 1) weiter geltend macht – der Rückgang der Fangerträge von den Anrainerstaaten einschließlich des Beklagten verursacht sein sollte, kann dies jedenfalls nicht dazu führen, dass dem Kläger zwingend das begehrte Patent zu erteilen wäre, weil Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayFiG aF wie auch Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayFiG aktueller Fassung nicht das Erwerbsinteresse der (potentiellen) Erlaubnisinhaber, sondern die Fischwasser und den Fischbestand als Teil der natürlichen Lebensgrundlagen schützen soll. Eine Pflicht, ggf. in unüberschaubarem Umfang weitere Fischereierlaubnisse zu erteilen, besteht daher nicht, zumal dies die unstreitig gegebene negative Entwicklung des Fischbestandes noch verstärken würde.
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Ob der Schutz der Fischhege ein überragend wichtiges Gemeingut betrifft – was der Kläger zu 1) anzweifelt –, ist nicht entscheidungserheblich, da ein Eingriff in das Recht des Klägers aus Art. 12 GG nicht vorliegt und sich der Rahmen, innerhalb dessen der Beklagte Erlaubnisscheine erteilen darf, bis 31.07.2021 unmittelbar aus § 29 Abs. 1 Satz 1 BayFiG ergab und seit 01.08.2021 aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayFiG ergibt.
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2.3. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 242 BGB.
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Soweit der Kläger damit argumentiert, aufgrund der langen Dauer des Zeitraums, während dessen der Beklagte ihm die Erlaubnisscheine erteilt habe, würde der Beklagte treuwidrig handeln, wenn er ihm ein Hochseepatent nicht zu gleichen Bedingungen wie bisher (fünf Schwebnetze) erteilen werde, läuft seine Argumentation auf das Rechtsinstitut der Erwirkung hinaus.
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Die Erwirkung stellt das Gegenstück zur Verwirkung dar, weshalb ihre Voraussetzungen im Ausgangspunkt auch denen der Verwirkung entsprechen. Erforderlich ist demnach eine über einen längeren Zeitraum erfolgte Einräumung einer günstigen Rechtsposition unter Umständen, die ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der günstigen Situation begründen. Da jedoch nicht nur das Vertrauen auf einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand geschützt werden soll, die Rechtsfolge also weiter als in den Fällen der Verwirkung geht, gelten insoweit höhere Anforderungen. Im Hinblick auf die Rechtsfriedensfunktion ist eine Erwirkung eher bei Positionen gerechtfertigt, deren genaue Rechtslage nicht einfach zu ermitteln ist. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anerkennung neuer Rechte die Ausnahme ist, zumal sie für den damit Belasteten regelmäßig einen gravierenden Eingriff bedeutet. Daher müssen strenge tatbestandliche Anforderungen hinsichtlich des Umstandsmoments bzw. bei der Würdigung der Interessenlage gelten (MüKo BGB/Schubert, § 242 BGB, Rdnr. 445, 447; NK-BGB/ Krebs, § 242 BGB, Rdnr. 116).
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Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen einer – nur ausnahmsweise anzunehmenden – Erwirkung zu verneinen:
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Zwar ist das Tatbestandsmerkmal des längeren Zeitraums erfüllt. Es fehlt jedoch an einem schutzwürdigen Vertrauen des Klägers auf die Fortsetzung der praktizierten Handhabung, ihm jährlich die gewünschten Erlaubnisscheine zu erteilen. Zum einen ist schon nicht ersichtlich, inwieweit ein Umstandsmoment gegeben wäre, der Kläger also im Vertrauen auf die künftige Erteilung der Erlaubnisscheine Dispositionen getroffen hätte, die sich nun als für ihn nachteilig erweisen. Vor allem aber ist ein schutzwürdiges Interesse dadurch ausgeschlossen, dass die gesetzliche Regelung des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayFiG bis zum 31.07.2021 eine maximale Geltungsdauer der Erlaubnisscheine von drei Jahren vorsah und die Erlaubnisscheine im konkreten Fall tatsächlich jährlich erteilt wurden. Die gesetzliche wie auch die tatsächliche Befristung dienten vor dem Hintergrund des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 BayFiG in der bis zum 31.07.2021 gültigen Fassung gerade auch dem Erfordernis, im Hinblick auf zu befürchtende Nachteile für das Fischwasser u.U. die zuvor praktizierte Handhabung der Erteilung von Erlaubnisscheinen zu überprüfen und ggf. zu ändern. Eben diese Situation ist auch für den Beklagten eingetreten.
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3. Der vom Kläger zu 2) zulässig gestellte Sachantrag Ziffer 6) ist unbegründet.
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Wie eben bezüglich des Klägers zu 1) ausgeführt, besteht auch in der Person des Klägers zu 2) kein Anspruch auf Erteilung eines Patents und erst recht kein solcher auf eine bestimmte Ausgestaltung, insbesondere nicht auf die vom Kläger zu 2) gewünschte Stellvertreterregelung. Insofern wird zunächst auf die Ausführungen unter Punkt C. 2. verwiesen.
59
Die Argumentation des Klägers zu 2), der Beklagte habe ihm gegenüber eine unzulässige, gegen Art. 3 GG, Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, sowie die RL 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verstoßende Altersdiskriminierung vorgenommen, vermag dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen.
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Der Kläger zu 2) begehrt vom Beklagten kein Hochseepatent, sondern will nur die Beibehaltung der bisherigen Vertreterregelung betreffend sein Alterspatent erreichen. Die Frage, ob die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Entscheidung, ob einem Bewerber ein Hochseepatent erteilt wird, zu einem solchen Verstoß führt, bedarf deswegen keiner näheren Erörterung.
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Will aber ein Berufsfischer selbst keinen Pachtvertrag im Umfang eines Hochseepatents abschließen, kann er sich nicht auf eine Diskriminierung wegen Alters berufen, nur weil der Beklagte ihm bei der von ihm selbst gewünschten Erteilung nur eines sog. Alterspatents nicht die von ihm gewünschte Stellvertreterreglung ermöglicht. Wenn der Beklagte für ältere Berufsfischer, die kein Hochseepatent mehr beantragen, die Möglichkeit eines Alterspatents schafft, gebietet das Verbot der Diskriminierung wegen Alters keine Stellvertreterregelung nach den Wünschen des Klägers zu 2). Der Kläger zu 2) macht selbst nicht geltend, dass Berufsfischer in einem anderen Alter als der Kläger zu 2) die Möglichkeit hätten, ein Alterspatent mit anderer Stellvertreterregelung zu erhalten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO sowie aus § 91a ZPO. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hatte die Klage aus den dargestellten Gründen keine Erfolgsaussichten.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
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Die Voraussetzungen der Revisionszulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Das Verfahren betrifft einen Einzelfall, der keine grundsätzlichen Fragen aufwirft.