Titel:
Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehensvertrag
Normenkette:
BGB § 242, § 488 Abs. 1
Leitsatz:
Die Verletzung eigener Pflichten begründet vorrangig Schadensersatzansprüche und führt nur in engen Ausnahmefällen zu einem Wegfall des Gläubigeranspruches und damit zu einem Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners gem. § 242 BGB. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlehensvertrag, Rückzahlungsanspruch, Leistungsverweigerungsrecht, Tilgung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 22.03.2023 – 7 U 1832/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46618
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.886,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 8.407,69 € seit dem 09.02.2021, aus einem Betrag von 4.203,69 € seit dem 27.02.2021 sowie aus einem Betrag von jeweils 4.197,92 € seit dem 31.03.2021, seit dem 01.05.2021, seit dem 01.06.2021 und seit dem 01.07.2021, ferner Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.310,81 € seit dem 07.08.2021, einem Betrag von 1.310,71 € seit dem 31.08.2021 sowie aus einem Betrag von jeweils 1.310,31 € seit dem 01.10.2021, seit dem 30.10.2021, seit dem 01.12.2021, seit dem 31.12.2021, seit dem 31.01.2022 und seit dem 28.02.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 30.03.2022 bis einschließlich 28.02.2027 jeweils zum 30. Eines jeden Kalendermonats monatlich einen Betrag in Höhe von 4.111,25 € zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 212.558,94 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Zahlung von Darlehensannuitäten in Höhe von 39.886,44 € sowie monatlich 4.111,25 € ab 30.03.22 bis 28.02.2027.
2
Der Kläger ist zu 50 % Gesellschafter der im Jahr 1990 gegründeten Muttergesellschaft der Beklagten (…, Anlage K 1) und war bis August 2020 Geschäftsführer der Beklagten.
3
Die Beklagte wurde im Jahr 2012 als Tochtergesellschaft der … gegründet, um Grundbesitz auf der Insel Rügen zu erwerben und zu entwickeln (Anlage K 2).
4
Zum Erwerb einer Immobilie, dem sogeannten …, in der Gemeinde … (Kaufpreis 750.000,00 €) nahm die Beklagte am 29.03.2012 ein Darlehen bei … … in Höhe von 600.000,00 € auf, dessen Laufzeit bis 31.12.2016 vereinbart wurde und auch durch eine Bürgschaft des Klägers abgesichert war (Anlage K 5).
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Am 07.03.2017 nahm der Kläger ein Darlehen über 650.000,00 € bei der … mit einer Zinsbindung bis 28.02.22 auf (Anlage K 6). Der Darlehensbetrag wurde an die Beklagte weitergereicht und damit das Darlehen bei dem Bankhaus … abgelöst. Bis November 2020 bezahlte die Beklagte die Darlehensannuitäten bei der … (Anlage K 9 bis K 12). Ab Dezember wurden die monatlichen Raten in Höhe von 4.197,92 € von dem Kläger beglichen, ab Juli 21 erfolgten nur noch Zinszahlungen in Höhe von 1.310,31 € monatlich. Ab März 22 bis Februar 2027 beträgt die monatliche Rate nach der Anschlusszinsvereinbarung 4.111,25 €.
6
Im Jahresabschluss der Beklagten zum 31.12.2017 ist unter Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten der … mit 0,00 € bewertet und ein Darlehen … mit 650.000,00 € aufgelistet (Anlage K 8).
7
Mit Schreiben vom 18.02.21 (Anlage K 13) forderte der Kläger die Beklagte zur Begleichung der Darlehensraten auf und mahnte diese am 12.03.21 (Anlage K 14). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 26.03.21 (Anlage K 15) eine Zahlung ab.
8
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus Darlehensvertrag zu. Zwischen den Parteien sei ein Darlehensvertrag zu den gleichen Konditionen wie gegenüber der … zustande gekommen. Der Kläger habe den Darlehensvertrag als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer wirksam abschließen können. Ein Schriftformerfordernis hierfür bestehe nicht. Die Umschuldung sei aus dem Jahresabschluss zum 31.12.2017 ersichtlich. Es handele sich weder um eine Schenkung durch den Kläger noch um eine Einlageleistung, der Kläger sei auch nicht Gesellschafter der Beklagten und eine Überschuldung der Beklagten sei nicht gegeben. Ein Gesellschafterbeschluss sei für den Abschluss eines Darlehens nicht erforderlich gewesen.
9
Hilfsweise sieht der Kläger einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.886,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 8.407,69 € seit dem 09.02.2021, aus einem Betrag von 4.203,69 € seit dem 27.02.2021 sowie aus einem Betrag von jeweils 4.197,92 € seit dem 31.03.2021, seit dem 01.05.2021, seit dem 01.06.2021 und seit dem 01.07.2021, ferner Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.310,81 € seit dem 07.08.2021, einem Betrag von 1.310,71 € seit dem 31.08.2021 sowie aus einem Betrag von jeweils 1.310,31 € seit dem 01.10.2021, seit dem 30.10.2021, seit dem 01.12.2021, seit dem 31.12.2021, seit dem 31.01.2022 und seit dem 28.02.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 30.03.2022 bis einschließlich 28.02.2027 jeweils zum 30. Eines jeden Kalendermonats monatlich einen Betrag in Höhe von 4.111,25 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
12
Die Beklagte wendet ein, die Darlehensaufnahme durch den Kläger sei erfolgt, da weder die Beklagte noch deren Muttergesellschaft wirtschaftlich zur Ablösung des Darlehens in der Lage gewesen seien. Zwischen dem Kläger und den Gesellschaftern bzw. Treugebern der Muttergesellschaft hätten sich Streitigkeiten entwickelt. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe die Muttergesellschaft geplündert und unberechtigte Entnahmen vorgenommen. Eine Absprache hinsichtlich des Darlehens sei mit der Beklagten nicht erfolgt, es gebe hierzu auch keine Dokumentation. Zu den Jahresabschlüssen 2016 und 2017 seien keine Gesellschafterbeschlüsse gefasst worden, die buchhalterische Erfassung sei jeweils auf Zuruf des Klägers erfolgt.
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Der Darlehensposten hätte vielmehr bei einer Abrechnung/Beendigung der Gesellschafter/Treuhandverhältnisse zum Ausgleich gebracht werden sollen.
14
Eine Zahlung der Annuitäten durch die Beklagte sei nicht vereinbart gewesen. Es sei auch keine Abtretung der Grundschuld erfolgt.
15
Das Darlehen habe vielmehr Einlagencharakter gehabt, die Beklagte sei seit Jahren überschuldet. Der Kläger habe keine Rangrücktrittserklärung für das Darlehen abgegeben. Der Beklagten stünde jedenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 242 BGB zu.
16
Die Beklagte behält sich die Erhebung einer Widerklage über Schadensersatzansprüche und Rückzahlung der bezahlten Annuitäten vor.
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Im übrigen wird zur Ergänzung auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
19
Die Zuständigkeit des LG München I ergibt sich sachlich aus §§ 71, 23 GVG und örtlich aus § 17 ZPO. Die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen beruht auf § 95 I Nr. 1 GVG.
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Die Klage auf künftige Leistung ist nach § 257 ZPO zulässig.
21
Die Klage erweist sich auch in vollem Umfang als begründet.
22
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Darlehensraten für die Vergangenheit und auf weitere monatliche Zahlung der Darlehensraten für die Zukunft aus § 488 I BGB zu.
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Durch die Tilgung der beim Bankhaus … bestehenden Darlehensverbindlichkeit der Beklagten und den Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der … ist zumindest konkludent auch zwischen den hiesigen Parteien ein Darlehensvertrag zustande gekommen.
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Der Kläger hat persönlich am 07.03.2017 ein Darlehen bei der … aufgenommen und unstreitig den gesamten Darlehensbetrag der Beklagten zur Tilgung ihrer Darlehensverbindlichkeit beim Bankhaus … zur Verfügung gestellt. Damit ist der Kläger seiner Verpflichtung aus einem Darlehensvertrag mit der Beklagten nach § 488 I Satz 1 BGB nachgekommen. Im Gegenzug ist die Beklagte nach § 488 I Satz 2 BGB verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das geschuldete Darlehen zurückzuzahlen.
25
Aus den äußeren Umständen ergibt sich, dass die Beklagte im Gegenzug zur Verfügungstellung des Darlehensbetrages verpflichtet ist, Zinsen und Tilgungsanteile an den Kläger in derselben Höhe zu bezahlen, in welcher dieser seinerseits Raten an die … bezahlen muss. Der Kläger hat mit der persönlichen Darlehensaufnahme bei der … keine persönliche Schuld beglichen, sondern das Darlehen aufgenommen, um der Rückzahlungspflicht der Beklagten gegenüber dem Bankhaus … nachzukommen. Es handelte sich damit um eine reine Umschuldungsmaßnahme, welche nicht von der Beklagten selbst, sondern über den Kläger vorgenommen wurde. Die Höhe der von der Beklagten gegenüber dem Kläger geschuldeten Zinsen und Tilgungsanteile ergibt sich deshalb aus den zwischen dem Kläger und der … vereinbarten Raten, da die Darlehenshöhe und der Anlass für die Darlehensverträge (Tilgung der Verbindlichkeit der Beklagten) identisch sind. Seit Abschluss des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der … und zwischen den Parteien waren die geschuldeten Darlehensraten auch bis Dezember 2020 und damit über 3 Jahre jeweils ordnungsgemäß und pünktlich durch Leistung an die … nach § 362 II BGB bezahlt worden. Nachdem zwischenzeitlich keine anderweitige Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde, schuldet die Beklagte gegenüber dem Kläger auch weiterhin die von dem Kläger an die … zu leistenden Raten.
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Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der unstreitig erfolgten Tilgung der Verbindlichkeit der Beklagten um eine Schenkung des Klägers oder eine Einlage in die Beklagte handeln sollte, ergeben sich dagegen nicht. Auch die Beklagte geht nach ihrem Vortrag davon aus, dass der Darlehensposten bei einer Abrechnung/Beendigung der Gesellschafter/Treuhandverhältnisse zum Ausgleich hätte gebracht werden sollen. Ein endgültiger Verbleib bei der Beklagten, wie dies bei einer Schenkung der Fall wäre, war daher auch nach Auffassung der Beklagten nicht geplant. Eine Einlage des Klägers in die Beklagte kann aber ebenfalls nicht vorliegen, da der Kläger nicht als Gesellschafter an der Beklagten beteiligt und damit eine Einlageleistung nicht möglich ist.
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Der Abschluss eines Darlehensvertrages ist auch grundsätzlich formfrei möglich, soweit es sich nicht um einen Verbraucherdarlehensvertrag nach §§ 491, 492 BGB handelt, was vorliegend nicht der Fall ist. Zutreffend erfasst wurde die Darlehensverbindlichkeit jedoch in der Bilanz zum 31.12.2017, auch wenn der Jahresabschluss entgegen §§ 42a, 46 GmbHG noch nicht durch die Gesellschafter festgestellt worden war. Dem Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen den Parteien steht daher nicht entgegen, dass ein schriftlicher Darlehensvertrag nicht vorhanden ist, zumal dieser ebenfalls durch den Kläger als damals alleinvertretungsberechtigtem und von § 181 BGB befreitem Geschäftsführer der Beklagten mit sich selbst verfasst worden wäre.
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Ebenfalls steht dem Zustandekommen eines Darlehensvertrages nicht entgegen, dass Rechtsanwalt … nicht in die Darlehensaufnahme mit eingebunden war. Dieser ist weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der Beklagten und musste deshalb in den Vertragsabschluss nicht einbezogen werden.
29
Gegen das Zustandekommen eines Darlehensvertrages zwischen den Parteien spricht auch nicht das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten als Geschäftsführer der Beklagten. Dieses kann möglicherweise Schadensersatzansprüche begründen, bringt aber den Darlehensvertrag selbst nicht zum Erlöschen.
30
Der Beklagten steht auch kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 242 BGB zu. Die Verletzung eigener Pflichten führt nur in engen Ausnahmefällen zu einem Wegfall des Gläubigeranspruches (vgl. Grüneberg, 81. Auflage 2022, § 242 BGB, Rdnr. 46 ff), da sie vorrangig Schadensersatzansprüche begründen.
31
Eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen oder die Erhebung einer Widerklage waren bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung lediglich angekündigt, aber nicht erhoben worden.
32
Die von der Beklagten behauptete Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Zeitpunkt des Darlehensabschlusses lässt sich anhand der vorgelegten Unterlagen nicht bestätigen. Kontoauszüge, welche eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft belegen würden, liegen nicht vor. Aus dem als Anlage K 8 vorgelegten Jahresabschluss zum 31.12.2017 ergibt sich zwar ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 249.087,36 €. Ein Teil der Verbindlichkeiten begründet sich jedoch mit einem Darlehen der Muttergesellschaft … in Höhe von 339.107,01 €, für welche ausweislich des Anhangs zu dem Jahresabschluss zur Vermeidung der Überschuldung eine Rangrücktrittsvereinbarung unterzeichnet worden war. Die als Anlage K 18 vorgelegten Rangrücktrittsvereinbarungen datieren teilweise bereits vom 11.01.2016 und 27.05.2016 und damit vor Abschluss des Darlehensvertrages mit der … und dem Kläger. Dementsprechend wurde auch bislang durch die seit 05.05.2020 eingetragene neue Geschäftsführerin der Beklagten kein Insolvenzantrag gestellt.
33
Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hat der Kläger im Zeitraum Dezember 2020 bis Februar 2022 insgesamt Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber der … in Höhe von 39.886,44 € erbracht, welche in derselben Höhe von der Beklagten an ihn zu bezahlen sind.
34
Aus dem Angebot vom 19.01.2022 für die Anschlusszinsvereinbarung (Anlage K 19) ergibt sich zudem, dass die monatliche Zins- und Tilgungsrate ab März 2022 jeweils 4.111,25 € beträgt. Nachdem der Darlehensvertrag zwischen den Parteien unverändert fortbesteht, sind auch diese monatlichen Raten bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist im Februar 2022 von der Beklagten geschuldet.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
36
Der Streitwert setzt sich aus der Summe des bezifferten Antrages in der Hauptsache (39.886,44 €) und gemäß § 9 ZPO dem dreieinhalbfachen Jahreswert der für den Zeitraum März 2022 bis Februar 2027 zu leistenden monatlichen Raten à 4.111,25 €, mithin 172.672,50 €, zusammen.