Titel:
Verfahren um Zuordnung eines vereinbarten Zinssatzes in einer Versorgungszusage zu einer verdeckten Gewinnausschüttung
Normenketten:
EStG § 6a Abs. 3 S. 3
BetrAVG § 1 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für die Bestimmung der Obergrenze der Verzinsung von Versorgungskapital ist nicht der Garantiezins von Lebensversicherungen maßgeblich. Eine angemessene Verzinsung des Versorgungskapitals kann auch nicht nach den auf dem Kapitalmarkt zum Zeitpunkt der Zusage vorherrschenden langfristigen Zinssätze bestimmt werden. Vielmehr hat sich ein externer Fremdvergleich an der wahrscheinlich zu erwartenden Rendite zu orientieren.
2. Bei einer noch über 40 Jahre laufenden Beitragszeit erscheint die Verzinsung einer betrieblichen Versorgungszusage mit 6% nicht unangemessen.
3. Eine arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage, für die der Arbeitgeber neben dem den Gehaltszahlungen auch den Zinsaufwand zu tragen hat, ist nicht mit einer arbeitnehmerfinanzierten Versorgungszusage durch Entgeltumwandlung vergleichbar, die den Arbeitgeber nur durch die zugesagte Verzinsung belastet.
4. Eine mangelnde Vergleichbarkeit von Versorgungszusagen kann sich auch aufgrund unterschiedlicher beruflichen Stellung im Unternehmen ergeben – hier: alleiniger und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer mit Prokura im Gegensatz zu einem einfachen Angestellten.
Schlagwort:
Verdeckte Gewinnausschüttung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – I R 4/23
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2023, 1025
DStRE 2024, 15
LSK 2022, 46450
BeckRS 2022, 46450
Tenor
1. Unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 2013 und 2014, sowie der Gewerbesteuermessbescheide 2013 und 2014 jeweils vom 14.03.2018 wird die Körperschaftsteuer 2013 auf ... €, die Körperschaftsteuer 2014 auf ... €, sowie der Gewerbesteuermessbetrag 2013 auf ... € und der Gewerbesteuermessbetrag 2014 auf ... € herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob der vereinbarte Zinssatz in einer Versorgungszusage zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt.
2
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Bau und die Entwicklung von Maschinen und Maschinenbauteilen ist. Gesellschafter sind seit August 2012 C. mit 40% und seine Mutter mit 60%. Dem Minderheitsgesellschafter C. steht vertraglich ein Vetorecht bei allen Entscheidungen zu und er ist Geschäftsführer der Klägerin. Seine Schwester Ca. ist als Führungskraft bei der Klägerin tätig und hat Prokura.
3
Am 25.11.2013 erteilte die Klägerin ihrem Arbeitnehmer D. (geb. ...1972) eine arbeitgeberfinanzierte (AGfinanzierte) Versorgungszusage, bei der die Beiträge von 200 € monatlich von der Klägerin getragen werden. Die Versorgungszusage ist durch den Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) insolvenzgeschützt. Die Versorgungszusage enthält unter Ziffer 5 folgende Regelung zur Verzinsung: „Der maßgebliche Zinssatz beträgt 3% p. a.“
4
Mit Verträgen vom 16.12.2013 erteilte die Klägerin C. (geb. ...1978) und Ca. (geb. ...1987) arbeitnehmerfinanzierte (ANfinanzierte) Versorgungszusagen. Den Arbeitnehmern zustehende Urlaubs- und Weihnachtsgelder in Höhe von jährlich 6.500 € (ab 2014 jeweils 3.250 € im Juni und November) werden in Altersversorgung umgewandelt. Die Versorgungszusagen sind nicht durch den PSVaG insolvenzgesichert. Die individuellen Versorgungszusagen an C. und Ca. enthalten unter Ziffer 5 jeweils folgende streitgegenständliche Regelung zur Verzinsung: „Der maßgebliche Zinssatz beträgt 6% p. a.“
5
C. hatte bereits im Jahr 2011 eine weitere, arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusage erhalten.
6
Hinsichtlich der weiteren Regelungen wird auf die Pensionszusagen vom 25.11.2013 und vom 16.12.2013 Bezug genommen.
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Die Klägerin bildete in ihren Bilanzen ab 2013 entsprechende Pensionsrückstellungen.
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Für die Jahre 2011 bis 2014 fand eine Betriebsprüfung statt, an der die Fachprüfung für versicherungsmathematische Fragen und betriebliche Altersversorgung vom Bayerischen Landesamt für Steuern beteiligt war. Der Fachprüfer traf die Feststellung, dass die vertraglich vereinbarte Verzinsung des Versorgungskapitals von C. und Ca. lediglich in Höhe von 3% p. a. angemessen sei. Dies ergebe sich aus dem internen Fremdvergleich, da dem Arbeitnehmer D. zeitnah lediglich eine Verzinsung in dieser Höhe zugebilligt worden war. Den seines Erachtens unangemessenen Teil der Zuführung zu den Pensionsrückstellungen behandelte der Fachprüfer als vGA, wobei er Ca. als den Gesellschaftern nahestehende Person behandelte. Wegen Einzelheiten wird auf den Bericht des Fachprüfers für versicherungsmathematische Fragen vom 11.12.2017 Bezug genommen.
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Das Finanzamt folgte den Feststellungen und erließ am 14.03.2018 geänderte Bescheide. Für das Jahr 2013 wurden eine vGA in Höhe von 18.417 € und für das Jahr 2014 in Höhe von 6.406 € angesetzt. Es setzte die Körperschaftsteuer auf ... € (2013) und ... € (2014) und den Gewerbesteuermessbetrag auf ... € (2013) und ... € (2014) fest.
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Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 28.03.2018 Einsprüche eingelegt und sich gegen die Feststellungen des Pensionsfachprüfers gewandt.
11
Während des Rechtsbehelfsverfahrens bat die Klägerin mit Schreiben vom 31.01.2020 um eine zeitnahe Entscheidung. Daraufhin erließ das Finanzamt am 13.03.2020 eine an die Kanzlei des Klägervertreters adressierte Teil-Einspruchsentscheidung und wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Nicht entschieden hat es über den Rechnungszinsfuß von 6% p. a. bei der Teilwertberechnung von Pensionsrückstellungen nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG, da hierzu ein Verfahren vor dem BVerfG (2 BvL 22/17) anhängig ist und insofern keine Bestandskraft eintrete. Die Aufgabe zur Post durch einen Bediensteten der Poststelle erfolgte ausweislich des Absendevermerks am Freitag den 13.03.2020, wobei dieser handschriftliche Eintrag augenscheinlich ausgebessert wurde. Zudem enthält der Absendevermerk handschriftliche Ergänzungen hinsichtlich der Bescheide für das Streitjahr 2014. Auf die Teil-Einspruchsentscheidung erfolgte keine Reaktion von Seiten der Klägerin.
12
Im April 2021 erkundigte sich die Klägerin beim Betriebsprüfer, wann mit einer Entscheidung über die Einsprüche zu rechnen sei. Nachdem der Betriebsprüfer bei der Rechtsbehelfsstelle Rücksprache gehalten hatte, übersandte diese am 21.04.2021 eine Kopie des Entwurfs der Teil-Einspruchsentscheidung an die Prozessbevollmächtigte.
13
Am 21.04.2021 erhob die Prozessbevollmächtigte Untätigkeitsklage bei Gericht.
14
Zur Begründung der Untätigkeitsklage führte die Prozessbevollmächtigte aus:
15
Nachdem sie die Kopie des Entwurfs der Teil-Einspruchsentscheidung am 23.04.2021 erhalten habe, richte sich die Klage nun gegen diese. Sie habe die Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 nicht erhalten. Der Posteingang werde in der Kanzlei sofort nach Leerung des Briefkastens eingescannt und in der elektronischen und der Papierakte abgelegt. Dort befände sich keine Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020; die Prozessbevollmächtigte bestreite daher den Zugang. Als Nachweis legte sie den Fristenkalender für „erledigte“ Fristen für den Zeitraum 03.09.2019 bis 21.08.2020 vor. Die einzige zur Klägerin vermerkte Frist sei die vom 28.02.2020, betreffend eine Gegenvorstellung zu den Einsprüchen vom 28.03.2018, die mit Schreiben an das Finanzamt Regensburg vom 26.02.2020 erledigt worden sei.
16
Inhaltlich trägt sie im Wesentlichen vor, die Ermittlung der angemessenen Verzinsung von 3% p. a. sei nicht nachvollziehbar. Soweit sich der Fachprüfer insofern lediglich auf den Kapitalmarkzins und seine Prüfungserfahrung berufen habe, halte dies einer näheren Überprüfung nicht stand.
17
In den Versorgungszusagen sei die Verzinsung des aus den umgewandelten Beiträgen gebildeten Versorgungskapitals mit 6% p. a. zivilrechtlich wirksam vereinbart worden.
18
Die Versorgungszusagen, die C. und Ca. erteilt worden seien, sei mit der D erteilten schon deshalb nicht vergleichbar, da das BetrAVG anders als auf den Arbeitnehmer D weder auf C. noch auf Ca. anwendbar sei.
19
Die angemessene Verzinsung des Versorgungskapitals sei danach zu bestimmen, ob die Versorgungszusage das Unternehmen wirtschaftlich überfordern würde. Es gehe daher um die Frage der Finanzierbarkeit, welche nur bei der Erteilung der Zusage im Streitjahr 2013 zu prüfen sei. Es werde darauf abgestellt, ob die Passivierung des Anwartschaftsbarwertes zu einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne führen würde. Die Finanzierbarkeit sei jedoch vom Fachprüfer nie in Zweifel gezogen worden und hätte auch bei einer Verzinsung von 6% p. a. nie in Frage gestanden. Unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit sei die Annahme einer angemessenen Obergrenze von 3% p. a. durch den Fachprüfer rein willkürlich.
20
Die Entgeltumwandlung sei eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Sie sei in Anlehnung an die Entscheidung des BFH zur Übertragung von Pensionsverpflichtungen im Grundsatz frei aushandelbar.
21
Ein interner Fremdvergleich mit dem Arbeitnehmer D. gehe fehl, da weder die Art der Finanzierung der Versorgungszusagen noch die berufliche Stellung der Personen vergleichbar seien. D. habe eine AGfinanzierte Versorgungszusage erhalten, wohingegen C. und Ca. ANfinanzierte Versorgungszusagen erhalten hätten. Zudem wäre es arbeitsrechtlich zulässig gewesen, D. keine betriebliche Altersversorgung zuzusagen. Daraus folge, dass die Zusage mit einer Verzinsung von 3% p. a. steuerlich nicht beanstandet werden könne.
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Auch ein externer Fremdvergleich spreche nicht gegen diese Verzinsung, denn diesen gebe es im Streitfall nicht. Die Anlehnung an den Kapitalmarktzins sei ein untaugliches Kriterium. Der steuerrechtliche Rechnungszinsfuß in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG selbst sei ebenso nicht unrealistisch hoch, liege gleichfalls bei 6% p. a. und orientiere sich auch nicht am Fremdkapitalzins. Die 6% p.a. seien womöglich die Obergrenze im Rahmen der Bandbreite, aber nicht unangemessen.
23
Die Pensionszusage sei nur unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Gesamtausstattung zu würdigen. Dies habe die Betriebsprüfung jedoch nicht geprüft.
24
Die Klägerin hat beantragt,
die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide der Jahre 2013 und 2014 jeweils vom 14.03.2018 dahingehend zu ändern, dass die vGA von 18.417 € (2013) und 6.406 € (2014) entfällt.
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Das Finanzamt hat Klageabweisung beantragt.
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Zur Begründung führt es aus, dass die Versorgungszusagen von C. und Ca. hinsichtlich der Verzinsung einem Fremdvergleich nicht standhielten.
27
Der interne Fremdvergleich mit der nur wenige Wochen zuvor abgeschlossenen AGfinanzierten Versorgungszusage von D. führe dazu, dass ein Zinssatz von nur 3% p. a. angemessen sei. Die drei Versorgungszusagen seien mit Ausnahme des Zinssatzes inhaltsgleich, ob es sich um arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanzierte Versorgungszusagen handle spiele keine Rolle. Die höhere Verzinsung der Versorgungszusagen von C. und Ca. von 6% p. a. sei gesellschaftsrechtlich veranlasst, da dem Arbeitnehmer D. eine solche Verzinsung nicht gewährt worden sei. Der Unterschied sei auch nicht mit der beruflichen Stellung im Unternehmen zu rechtfertigen, da diese bei einer Innenfinanzierung der Versorgungsverpflichtungen kein Indiz sei.
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Auch der externe Fremdvergleich komme zu diesem Ergebnis. Eine Entgeltumwandlung habe nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG wertgleich zu erfolgen, d.h. Entgeltansprüche seien in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umzuwandeln. Der Mindestrechnungszinsfuß sei zur Bestimmung der Wertgleichheit am Kapitalmarktzins auszurichten. Hierfür sei u.a. auf den Garantiezins für Lebensversicherungen als Fremdvergleichsmaßstab abzustellen (unter Verweis auf BAG-Urteil vom 30.08.2016 3 AZR 272/15, juris, Rn 18 und seine Prüfungserfahrung). In den Streitjahren sei dieser lediglich bei 1,75% gelegen.
29
Das Kriterium der Finanzierbarkeit sei nicht geprüft worden, weil die entsprechenden Finanzmittel an die Versorgungsberechtigten verpfändet worden seien. Die Klägerin habe die Verpfändungsanzeigen angekündigt und nach Abschluss der Prüfung vorgelegt.
30
Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten, auf die Finanzgerichtsakte, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 25.10.2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
31
Die Klage ist zulässig und begründet.
32
Die Untätigkeitsklage ist zulässig.
33
Nach § 46 Abs. 1 FGO ist eine Klage – abweichend von § 44 Abs. 1 FGO – ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden worden ist. Gegenstand der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO ist der mit dem Einspruch angefochtene Verwaltungsakt. Die Untätigkeitsklage wird nicht durch Umstände, die nach Klageerhebung eingetreten sind, unzulässig (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.2006 IV R 18/04, juris).
34
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die am 21.04.2021 von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage zulässig. Die Körperschaftsteuerbescheide 2013 und 2014 sowie die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2013 und 2014 vom 14.03.2018 sind zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.
35
Die Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 ist der Klägerin nicht zugegangen.
36
Den Beweis des Zugangs des Verwaltungsakts und des Zeitpunkts des Zugangs hat nach § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO im Zweifel das Finanzamt zu erbringen (vgl. BFH-Urteil vom 05.12.1974 V R 111/74, BStBl II 1975, 286). Bestreitet der Bekanntgabeadressat, dass ihm die Sendung überhaupt zugegangen ist, obliegt dem Finanzamt der volle Beweis über den Zugang (vgl. BFH-Beschluss vom 07.12.2004 XI B 98/03, BFH/NV 2005). Dies gilt nach st. Rechtsprechung auch dann, wenn der Nichtzugang erst nach Jahren oder in einem längeren Zeitraum mehrfach ein Nichtzugang von Verwaltungsakten geltend gemacht wird. Vom Bekanntgabeadressaten kann kein substantiierter Vortrag über die für den Nichtzugang ursächlichen Gründe erwartet werden. Der vom Finanzamt zu erbringende volle Beweis kann jedoch auf Indizien gestützt werden, aus denen sich auf den tatsächlichen Zugang schließen lässt (BFH-Urteil vom 12.03.2003 X R 17/99, BFH/NV 2003, 1031, m.w.N.). Im Rahmen des Indizienbeweises können Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Verwaltungsaktes im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung unter Berücksichtigung der hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein abgesandtes Schriftstück auch seinen Empfänger erreicht, dahingehend gewürdigt werden, dass der Verwaltungsakt zugegangen ist (BFH-Urteil vom 14.03.1989 VII R 75/85, BStBl II 1989, 534). Für den Zugangsnachweis sind ein an die Aufgabe zur Post anknüpfender Anscheinsbeweis oder anderweitige Beweiserleichterungen ausgeschlossen (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 14.03.1989, a.a.O.).
37
Im Streitfall hat die Prozessbevollmächtigte den Zugang der Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 bestritten und diesen Vortrag mit dem Fristenkontrollbuch untermauert. Die Aussagekraft dieses Fristenkontrollbuches kann jedoch dahingestellt bleiben, da das Finanzamt den vollen Beweis hinsichtlich des Zugangs der Teil-Einspruchsentscheidung zu erbringen hat und von der Klägerin keine weitere Substantiierung verlangt werden kann.
38
Für das Gericht steht bereits das Postaufgabedatum nicht fest, da der Absendevermerk, der von einem Bediensteten der Poststelle gefertigt worden war, durch seine handschriftlichen Ergänzungen und die Korrektur des Postaufgabedatums am Aussagegehalt dieses Schriftstücks erhebliche Zweifel aufkommen lässt. Das ursprüngliche Postaufgabedatum wurde augenscheinlich vom 15.03.2020 (Sonntag) auf 13.03.2020 (Freitag) ausgebessert.
39
Ferner werfen die handschriftlichen Ergänzungen Unsicherheiten hinsichtlich des vermeintlich versandten Inhalts auf. Der Absendevermerk enthält vorgedruckt nur das Streitjahr 2013, wohingegen die Teil-Einspruchsentscheidung eindeutig die Jahre 2013 und 2014 umfasst.
40
Alleine aus dem Umstand, dass sich die Prozessbevollmächtigte nicht nochmals nach dem Stand des Verfahrens erkundigt hat, obwohl sie auf eine zügige Entscheidung gedrängt hat, lässt nicht auf einen Zugang der Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 innerhalb der Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO schließen. Offenbar war es die Nachfrage der Prozessbevollmächtigten beim Betriebsprüfer, die eine Versendung der Kopie der Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 im Jahr 2021 ausgelöst hat.
41
Da bereits erhebliche Zweifel, die zu Lasten des Finanzamts gehen, am Versand dieses Verwaltungsaktes bestehen, wird der Behauptung des Finanzamts, es habe keinen Rückläufer erhalten, keine weitere Bedeutung beigemessen.
42
Weitere Indizien, die auf einen Zugang bei der Prozessbevollmächtigten schließen lassen, wurden vom Finanzamt nicht benannt und sind nicht ersichtlich.
43
Aufgrund der vorgenannten Ausführungen hält das Gericht es für zweifelhaft, dass der Prozessbevollmächtigten die Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 tatsächlich zugegangen ist; diese Zweifel gehen nach § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO zu Lasten des Finanzamts, das den Vollbeweis im Streitfall nicht erbringen konnte.
44
Das Finanzamt hat der Klägerin keinen hinreichenden Grund in angemessener Frist nach § 46 Abs. 1 FGO mitgeteilt.
45
Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 FGO lässt sich entnehmen, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 30.10.1987 IV B 148/86, BFH/NV 1989, 558 und vom 07.03.2006 VI B 78/04, BFHE 211, 433 m. w. N.).
46
Die Klägerin hat bereits am 28.03.2018 fristgerecht Einsprüche gegen die Bescheide eingelegt und mit Schreiben vom 31.01.2020 um eine zeitnahe Entscheidung gebeten. Mithin sind seit Einspruchseinlegung bis zur Erhebung der Klage mehr als 3 Jahre vergangen und das Finanzamt hat der Klägerin keinen hinreichenden Grund mitgeteilt.
47
Eine wirksame Bekanntgabe der Teil-Einspruchsentscheidung vom 13.03.2020 trat auch nicht durch die Übersendung an die Prozessbevollmächtigte am 21.04.2021 ein; das Finanzamt hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Bekanntgabewille.
48
Eine wirksame Bekanntgabe nach § 124 Abs. 1 AO erfordert u.a. den Bekanntgabewille der erlassenden Behörde. Dieser muss von einem Bediensteten als Amtsträger i. S. d. § 7 AO gebildet werden, der nach seiner internen Stellung zum Erlass eines Verwaltungsakts generell befugt ist.
49
In der Übersendung einer Kopie eines Verwaltungsakts zu Informationszwecken – wie im Streitfall – ist keine erstmalige Bekanntgabe zu sehen.
50
Die Klage ist begründet. Die Feststellungen des Fachprüfers rechtfertigen nicht den Ansatz einer vGA in den Streitjahren. Die vertraglich vereinbarte Verzinsung des Versorgungskapitals von 6% p.a. ist fremdüblich.
51
Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Abs. 1 GewStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (u.a. BFH-Urteile vom 04.09.2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347 und vom 22.10.2003 I R 37/02, BStBl II 2004, 121, jeweils m. w. N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16.03.1967 I 261/63, BStBl III 1967, 626). Bei Pensionsrückstellungen kann eine vGA insbesondere dann vorliegen, wenn den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen Versorgungszusagen erteilt werden und diese einem (internen oder externen) Fremdvergleich nicht standhalten. Dem innerbetrieblichen Fremdvergleich ist grundsätzlich der Vorrang vor dem außerbetrieblichen einzuräumen, denn beim innerbetrieblichen Fremdvergleich wird ersichtlich, wie sich die Kapitalgesellschaft in einer vergleichbaren Situation gegenüber einem Nichtgesellschafter verhält. Hält die Vereinbarung mit dem Gesellschafter oder einer diesen nahestehenden Person diesem internen betrieblichen Maßstab stand, so ist auf die betriebliche Veranlassung zu schließen; andernfalls ist von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen.
52
Die Versorgungszusagen an C. und Ca. sind nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Sie halten einem Fremdvergleich stand.
53
Ein externer Fremdvergleich führt nicht zu einer Verzinsung von 3% p.a.
54
Die vom Fachprüfer aufgrund seiner Prüfungserfahrung angenommenen Erfahrungssätze sind dem Gericht nicht bekannt.
55
Im Rahmen eines externen Fremdvergleichs sind grundsätzlich gleiche Sachverhalte zu vergleichen. Hierbei würde es sich anbieten die C. und Ca. von der Klägerin erteilten Versorgungszusagen mit Versorgungszusagen, die andere Kapitalgesellschaften ihren Gesellschaftergeschäftsführern oder Angestellten erteilt haben, zu vergleichen. Diese Werte werden statistisch – soweit ersichtlich – nicht erhoben. Es gibt keine Richtwertsammlung anhand derer sich die Unter- und Obergrenze oder ein Meridian – vergleichbar den BBE-Studien bei den Geschäftsführergehältern – entnehmen lässt. Die vom Finanzamt angeführte langjährige Prüfungserfahrung kann vom Gericht nicht verifiziert werden. Zinssätze bei anonymisierten Vergleichsbetrieben wurden dem Gericht nicht vorgelegt, sind nicht ermittelbar und sind diesem auch nicht bekannt.
56
Der Ansatz, die Obergrenze der Verzinsung des Versorgungskapitals am Garantiezins von Lebensversicherungen zu orientieren, ist abzulehnen. Dieser Zinssatz ist nicht auf Versorgungszusagen übertragbar.
57
Der Garantiezins ist ein Teil der Gesamtverzinsung klassischer, kapitalbildender Lebensversicherungen. Er steht zu Vertragsbeginn fest und gilt für die gesamte Laufzeit. Dabei bezieht sich diese Mindestverzinsung nur auf den Sparanteil, d.h. der Teil des monatlichen Beitrags, der nach Abzug der Kosten übrigbleibt. Die Mehrheit der neueren Lebensversicherungsverträge sieht die garantierte Verzinsung nur für einen Teil des Vertragskapitals vor, der andere Teil wird von Versicherungsunternehmen in chancenreichere Anlageklassen investiert. Bei fondsgebundenen Lebensversicherungen hängt die Ablaufleistung zum Ende des Vertrages weniger vom (niedrigen) Garantiezins als vielmehr vom Börsenverlauf ab.
58
Vielmehr hat sich ein externer Fremdvergleich an der wahrscheinlich zu erwartenden Rendite zu orientieren. Die Beitragsrendite eines ablaufenden Vertrages mit einer Laufzeit von 30 Jahren lag im Jahr 2013 marktdurchschnittlich bei 5,05% (Quelle: https://de.statista.com zur Entwicklung der durchschnittlichen Rendite auf den Beitrag von Kapitallebensversicherungen in den Jahren 2000 bis 2014). Die laufende Verzinsung der Lebensversicherer in Deutschland in den Jahren wies im Jahr 2013 bei Kapitallebensversicherungen einen Zinssatz von 3,58% aus (Quelle: https://de.statista.com zur laufenden Verzinsung der Lebensversicherer in Deutschland von 2006 bis 2022).
59
Eine angemessene Verzinsung des Versorgungskapitals kann auch nicht nach den auf dem Kapitalmarkt zum Zeitpunkt der Zusage vorherrschenden langfristigen Zinssätze bestimmt werden. Auf die zum Zeitpunkt der Versorgungszusagen im Jahr 2013 vorherrschende Niedrigzinsphase ist nicht abzustellen, denn dies ließe die lange Laufzeit der Versorgungszusagen bis zum Renteneintrittsalter unberücksichtigt.
60
C. war bei Erteilung der Versorgungszusage 35 Jahre alt und die Beitragszeit läuft bis zu seinem voraussichtlichen Renteneintritt mit Vollendung des 67. Lebensjahres, also noch 32 Jahre. Bei der 1987 geborenen Ca. läuft die Beitragszeit mithin noch über 40 Jahre. Sofern ein so langer Zeitraum betrachtet wird, erscheinen 6% Zinsen nicht unangemessen. In den Jahren 1970 bis 1974 und 1980 bis 1984 wurden bei den Nominalzinsen jeweils deutlich höhere Werte von 8,9% bzw. 8,8% erreicht (Quelle: https://de.statista.com; Nominale und reale langfristige Zinssätze in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1955 bis 1989) und auch die massive Erhöhung des europäischen Leitzinses im Jahr 2022 lässt darauf schließen, dass die im Jahr 2013 bestehende Niedrigzinsphase beendet ist.
61
Insoweit der Fachprüfer einen internen Fremdvergleich mit dem Arbeitnehmer D. vornimmt, sind die Versorgungszusagen nicht vergleichbar.
62
Die Versorgungszusagen von C. und Ca. sind ANfinanziert, die Versorgungszusage von D jedoch AGfinanziert. Die Finanzierungsform führt zu unterschiedlich hohen Belastungen bei der Klägerin. Für den Arbeitnehmer D muss sie monatlich 200 € aufwenden und das Versorgungskapital wird zusätzlich noch mit 3% p.a. verzinst. Wohingegen bei C. und Ca. die Klägerin keine über die Gehaltszahlungen hinausgehende finanzielle Belastung durch die jeweils 6.500 € jährlich zu tragen hat, da diese Beträge aus den jeweiligen Gehältern umgewandelt werden. Bei den ANfinanzierten Versorgungszusagen ist die Klägerin damit nur durch die zugesagte Verzinsung finanziell belastet. Die Klägerin hat C. und Ca. nach Aktenlage auch keine Gehaltserhöhung in Zusammenhang mit den Versorgungszusagen erteilt und damit auch nicht mittelbar die Entgeltumwandlung finanziert.
63
Im Streitfall besteht zudem die Besonderheit, dass die Klägerin C. im Jahr 2011 eine ANfinanzierte Versorgungszusage mit einer vertraglich vereinbarten jährlichen Verzinsung von 2,75% p. a. erteilt hat. Auch wenn diese zeitlich vor den streitgegenständlichen Zusagen liegt, so führt ein Vergleich der ANfinanzierten Versorgungszusagen an C. und D. dazu, dass die Klägerin ihrem Arbeitnehmer D. eine höhere Verzinsung gewährt hat, als ihrem damaligen Arbeitnehmer und jetzigen Gesellschafter-Geschäftsführer C. Der Fachprüfer hat die hierfür gebildete Pensionsrückstellung der Höhe nach nicht beanstandet, da hierzu auch kein Anlass bestand.
64
Eine Vergleichbarkeit der Versorgungszusagen von D., C. und Ca. ist auch aufgrund ihrer beruflichen Stellung im Unternehmen der Klägerin nicht gegeben.
65
Im Streitfall ist C. der alleinige und einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin, Ca. hat eine leitende Stellung im Unternehmen inne und hat Prokura. Dagegen ist D ein einfacher, wenn auch verdienter, Angestellter.
66
Der Prozessbevollmächtigten ist beizupflichten, wenn sie ausführt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, allen Mitarbeitern eine Versorgungszusage zu unterbreiten, wenn sie angestellten Gesellschaftern oder denen nahestehenden Personen eine Versorgungszusage erteilt. Ansonsten wäre der Großteil der Versorgungszusagen unangemessen.
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Die mangelnde Vergleichbarkeit zeigt sich auch an der Anwendbarkeit des BetrAVG. Nach § 17 Abs. 1 BetrAVG sind Arbeitnehmer im betriebsrentenrechtlichen Sinne alle Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Mithin werden vom BetrAVG alle in einer abhängigen Tätigkeit Beschäftigten erfasst, deren Tätigkeit auf einem Dienst- oder Anstellungsverhältnis beruht. Dabei erfasst § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG auch die nicht beteiligten Organe einer Kapitalgesellschaft, d.h. die Vorstände und rein angestellten Geschäftsführer (vgl. BGH-Urteil vom 13.07.2006 IX ZR 90/05, DB 2006, 1951).
68
Unter den persönlichen Anwendungsbereich des BetrAVG fallen nur D. und Ca., nicht jedoch C. Dieser ist an der Klägerin mit 40% beteiligt, dennoch ist seine Stellung mit der eines Mehrheitsgesellschafters vergleichbar, da ihm bei allen Entscheidungen ein Vetorecht zusteht. In seinem Bericht hat der Fachprüfer jedoch keine Unterscheidung diesbezüglich getroffen, sondern bei den Feststellungen zur Versorgungszusage von C. auf seine Ausführungen bei Ca. verwiesen.
69
Andere Aspekte, die dazu führen, dass die Versorgungszusagen an C. und Ca. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, liegen nicht vor.
70
Die im Streit stehenden Versorgungszusagen sind für die Klägerin finanzierbar. Der Fachprüfungsbericht vom 11.12.2017 enthält keine Ausführungen zur Finanzierbarkeit der Versorgungszusagen. Aufgrund der finanziellen Ausstattung der Klägerin ist jedoch davon auszugehen, dass diese finanzierbar sind und dies zwischen den Parteien unstreitig ist.
71
Die Gesamtausstattung von C. und Ca. ist nicht unangemessen.
Berechnungen Körperschaftsteuer
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2013
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2014
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zu versteuerndes Einkommen FA
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565.776 €
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350.311 €
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Wegfall vGA
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- 18.417 €
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- 6.406 €
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zu versteuerndes Einkommen FG
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547.359 €
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343.905 €
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festgesetzte Körperschaftsteuer FG
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15%
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82.103 €
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51.585 €
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Gewinn FG
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547.359 €
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343.905 €
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verbleibender Betrag
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547.359 €
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343.905 €
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Gewerbeertrag, abgerundet
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547.300 €
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343.900 €
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Steuermessbetrag
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3,50%
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19.155 €
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12.036 €
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Gewerbesteuermessbetrag FG
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19.155 €
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12.036 €
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72
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
73
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
74
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.
75
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr.1 und Nr. 2 FGO zuzulassen, da höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob es einen Höchstprozentsatz für die Verzinsung einer Versorgungszusage gibt und ob die Herkunft der Mittel (AG- oder ANfinanziert) auf die Höhe der zulässigen Verzinsung einen Einfluss hat.