Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 06.02.2022 – RO 4 S 22.1388
Titel:

Bescheid, Waffen, Widerruf, Vollziehung, Sofortvollzug, Landratsamt, Schusswaffen, Staatsanwaltschaft, Vollziehbarkeit, Waffenhandelserlaubnis, Widerspruch, Erlaubnis, Technik, Anordnung, konkrete Gefahr, aufschiebende Wirkung, Stand der Technik

Schlagworte:
Bescheid, Waffen, Widerruf, Vollziehung, Sofortvollzug, Landratsamt, Schusswaffen, Staatsanwaltschaft, Vollziehbarkeit, Waffenhandelserlaubnis, Widerspruch, Erlaubnis, Technik, Anordnung, konkrete Gefahr, aufschiebende Wirkung, Stand der Technik
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46442

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Widerruf einer Waffenhandelserlaubnis.
2
Mit Bescheid vom 8.12.2020 erteilte das Landratsamt Regensburg (im Weiteren: Landratsamt) der Antragstellerin eine Erlaubnis zum Handel mit näher bestimmten Waffen und Munition. Als Betriebsstätten des Waffenhandels wurde …, T… (Hauptsitz) und …, G… (unselbständige Zweigstelle) angegeben. Herr … (im Weiteren Verantwortlicher der Antragstellerin) ist Geschäftsführer der Komplementärin der Antragstellerin.
3
Aus einer Mitteilung des Polizeipräsidiums Niederbayern an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration vom 14.4.2021 ergibt sich, dass anlässlich eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts mehrerer Verstöße gegen das Waffengesetz u.a. gegen den Verantwortlichen der Antragstellerin am 13.4.2021 ab 8:00 Uhr (Ende: 16:45 Uhr) der Vollzug von Durchsuchungsbeschlüssen in den Wohn- und Geschäftsräumen u.a. des Verantwortlichen der Antragstellerin, an dazugehörigen Außensportschießanlagen in G… und S… (Landkreis Straubing-Bogen) sowie in T… und Neumarkt (Landkreis Regensburg) erfolgt sei.
4
Aus dem Beweissicherungsbericht der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 13.4.2021 anlässlich der Durchsuchung auf Weisung der KPI Straubing i.S. „Waffen …“ in …, G… ergibt sich Folgendes:
„[…] In allen o.g. Räumen konnten diverse Schusswaffen, welche nicht gegen Wegnahme gesichert waren, aufgefunden werden. Die im Verkaufsraum angebotenen Waffen waren nicht, oder nur unzureichend gesichert. Teilweise hingen die Sicherungsdrähte lose herab. Bei allen anderen Sicherungsdrähten zeigte das Zahlenschloss die Ziffern: „0000“. Dies war die Kombination zum Öffnen der Schlösser. Somit waren alle Waffen in diesem Raum nicht gegen Wegnahme gesichert. In den anderen o.g. Räumen konnten mehrere Waffen, Waffenteile und Munition aufgefunden werden, welche teilweise frei auf Tischen oder in Waffenregalen herumlagen, ohne gesichert zu sein. Im Büroraum des 1. OG waren zwei Fenster mit der Kennung […] verbaut. Diese sind augenscheinlich nicht einbruchssicher. Von diesem Raum war es möglich, ungehindert bis in den Tresorraum, den Gang, sowie den Büroraum des Erdgeschosses zu gelangen. In diesen Räumen wurde[n], […] diverse Waffen, Waffenteile und Munition gelagert. Der Weg vom Büroraum „M“ zum Treppenhaus „C“ war frei zugänglich, da keine Türen verbaut waren. Vom Treppenhaus ist es möglich durch die Öffnung am Verkaufstresen auch bei geschlossener Tür in den Gang „E“ zu gelangen. Von diesem gelangt man in den Lagerraum „F“, welcher zum Tresorraum „G“ führt. Die Tür zum Tresorraum war nicht verschlossen und somit frei zugänglich. Des Weiteren ist zwischen dem Treppenhaus „C“ und dem Büroraum „D“ keine Tür verbaut. Somit war auch dieser Raum zugänglich. Insgesamt konnten 197 ungesicherte Langwaffen, sowie diverse Kurzwaffen festgestellt werden. […]“
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Ausweislich eines Aktenvermerks des Landratsamts – Sachgebiet S21 Waffen- und Sprengstoffrecht – vom 19.4.2021 sei während der Durchsuchung am 13.4.2021 durch die Polizei auf Hinweis der vormals zuständigen Unteren Waffenbehörde, Landratsamt Straubing-Bogen, festgestellt worden, dass im Widerspruch zum bestehenden, im Jahr 2011 genehmigten Aufbewahrungskonzept für die Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition nachträglich eine Treppe vom Erdgeschoss ins Obergeschoss eingebaut worden sei, die nicht durch eine Tür von den genehmigten Räumlichkeiten zur Aufbewahrung von Waffen und Munition abgetrennt gewesen sei. Im Obergeschoss seien nur einfache Fenster verbaut worden, die zum Zeitpunkt der Kontrolle weder an die Alarmanlage angeschlossen noch einbruchhemmend verstärkt gewesen seien. Die bauliche Änderung durch den erstmaligen Einbau der Treppe sei gegenüber der Waffenbehörde nicht angezeigt und auch nicht beantragt worden, obwohl dadurch die sichere Aufbewahrung der Waffen und Munition nach dem genehmigten Aufbewahrungskonzept aus Sicht der Waffenbehörde nicht mehr im geforderten und notwendigen Maß gegeben gewesen sei. Durch den Einbau der Treppe ohne weitere Sicherungsmaßnahmen sei aus Sicht des Landratsamts die Zeit, die ein Einbrecher benötigen würde, um in das Gebäude einzudringen und um Waffen und Munition zu entwenden, deutlich reduziert worden.
6
Mit Schreiben vom 7.5.2021 (BA S. 370) informierte das Landratsamt den Verantwortlichen der Antragstellerin über die Erkenntnisse aus der aktuellen Kontrolle der Schießanlage B… und teilte mit, dass im Wesentlichen festzustellen sei, dass die Aufbewahrung der Waffen und Munition nicht dem festgelegten Konzept und auch nicht der aktuellen Rechtslage entspreche. Weiter wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, anzuordnen, bis zur Herstellung des geforderten Zustands die Aufbewahrung von Waffen und Munition auf der Schießanlage B… zu untersagen. Im Folgenden (BA S. 327) wurde der Verantwortliche der Antragstellerin zur geplanten nachträglichen Anordnung bezüglich der sicheren Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition in der Betriebsstätte und Hauptsitz der Firma, B…, T…, aufgrund von Aufbewahrungsmängeln am Betriebssitz der Firma bzw. auf der Schießstätte B… angehört.
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Ausweislich einer Stellungnahme des öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für die Sicherheit von nichtmilitärischen Schießanlagen Dieter … zur Aufbewahrung erlaubnispflichtiger Schusswaffen und Munition im Waffenhandel … in G… vom 30.5.2021 (BA S. 332 ff.) hätten sich bei der Ortseinsicht am 4.5.2021 in den Regalen im Verkaufsraum offen abgestellte Langwaffen befunden, wobei zum Großteil die Seilsicherungen nicht eingehängt gewesen seien, sodass sie nicht gegen unbefugte Wegnahme gesichert gewesen seien. Im „Pulverlager 4 – Büro ‚D‘“ habe sich ein altes Stahlblechbehältnis ohne Klassifizierung befunden, in welchem erlaubnispflichtige Kurzwaffen aufbewahrt worden seien und wofür das Behältnis nach Stand der Technik nicht geeignet sei. Zudem wurde festgehalten, dass aufgrund der nachträglich eingebauten Treppe in das Obergeschoss im Durchgang und einer fehlenden Tür ungehindert vom Obergeschoss in das „Munitionslager 6 – Lagerraum ‚F‘“ gelangt werden könne, der auch zur Lagerung von Waffen genutzt werde. Außerdem werde der „Abstellraum 7 – Tresorraum ‚G‘“ zur Lagerung von Langwaffen offen in Regalen und von Kurzwaffen in einem nicht zertifizierten Tresor genutzt, der hierfür im gewerblichen Bereich nicht geeignet sei. Darüber hinaus sei im Aufbewahrungsraum für reparierte Waffen anstelle der vorgesehenen zertifizierten Tür ein mit einem verschiebbaren Gitter versehener Mauerdurchbruch vorhanden. Dies gewährleiste keine sichere Aufbewahrung der Schusswaffen, da das verschiebbare Gitter mit Zylinderschloss nicht dem geforderten Sicherheitsniveau entspreche. Weiter wurde ausgeführt, durch die bauliche Veränderung des „Pulverlagers“ Raum 4 mit dem Wanddurchbruch zum Durchgang sei dieser für eine sichere Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen nicht mehr geeignet. Dennoch hätten sich in diesem Raum in Regalen offen abgestellte Langwaffen befunden. Der in diesem Raum vorhandene alte Tresor besitze keine Zertifizierung und sei demnach für eine waffenrechtskonforme Aufbewahrung von Kurzwaffen nicht geeignet. Durch den offensichtlich nachträglich geschaffenen offenen Treppenaufgang im Durchgang in das Obergeschoss sei bei dessen unzureichender baulicher Absicherung sowie fehlenden mechanischen Sicherungseinrichtungen bzw. Fehlen einer Einbruchmeldeanlage im Obergeschoss der Sicherheitsbereich Munitionslager/Aufbewahrung reparierte Waffen mit Raum 6, 7 und 10 im jetzigen Zustand für eine Aufbewahrung nicht geeignet. Entgegen der ursprünglichen Planung (abgeleitet aus der Bezeichnung Munitionslager) werde der Raum 6 jetzt auch zur Lagerung von Waffen genutzt, wofür dieser aber in dem am 4.5.2021 festgestellten Zustand nicht geeignet sei. Gleiches gelte für den Abstellraum 7, der jetzt auch entgegen der ursprünglichen Beschreibung zur Aufbewahrung einer nicht unerheblichen Anzahl von Langwaffen genutzt werde. Der in diesem Raum vorhandene alte Tresor besitze ebenfalls keine Zertifizierung und sei demnach für eine waffenrechtskonforme Aufbewahrung von Kurzwaffen nicht geeignet. Im Beweissicherungsbericht der Bayerischen Bereitschaftspolizei werde zudem offen in den Verkaufsräumen liegende Munition beschrieben; dies sei in der beschriebenen Form nicht zulässig. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass die bei der Begehung am 4.5.2021 festgestellten Abweichungen von dem genehmigten Plan, die Nutzung von nicht hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten zur Waffenaufbewahrung und Lagerung und damit verbunden die fehlenden bzw. unzureichenden Sicherungseinrichtungen, wie diese im Konzept der KPI Straubing gefordert worden seien, zur Folge hätten, dass aus technischer Sicht eine sichere Aufbewahrung – entsprechend waffenrechtlicher Vorgaben – im Anwesen … nicht gewährleistet werde.
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Mit Schreiben vom 10.6.2021 (BA S. 330) teilte das Landratsamt dem Verantwortlichen der Antragstellerin mit, dass die Entscheidung über die derzeit beantragten Einzelverbringungserlaubnisse nach § 29 WaffG sowie die beantragte Allgemeine Verbringungserlaubnis nach § 30 WaffG für die Antragstellerin nach § 5 Abs. 4 WaffG ausgesetzt werde, da gegen ihn ein Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft Straubing, u.a. wegen Vergehen nach dem Waffengesetz geführt werde.
9
Mit Schreiben vom 20.12.2021 (BA S. 199 ff.) wurde der Verantwortliche der Antragstellerin zum beabsichtigten Widerruf der Waffenhandelserlaubnis vom 8.12.2020 aufgrund nachträglich eingetretener waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit ihres Verantwortlichen angehört. Dem Schreiben wurde u.a. eine Auflistung der ohne Erlaubnis verbrachten Schusswaffen im Zeitraum vom 8.12.2020 bis 14.6.2021 als Anlage beigefügt.
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Mit E-Mail vom 18.2.2022 (BA S. 44 ff) übersandte der Bevollmächtigte der Antragstellerin ein Schreiben des Verantwortlichen der Antragstellerin. Hierin wurde dahingehend Stellung genommen, dass die damalige Geschäftsführerin der Firma … (Anmerkung des Gerichts: laut Schlussvermerk der KPI Straubing übernahm der Verantwortliche der Antragstellerin den Warenbestand der Firma … zum 8.12.2020 und führte die Geschäfte unter der seit dem Jahr 2017 ruhenden Antragstellerin fort), Frau …, und deren Angestellter, Herr …, im Jahr 2019 aus einer Waffenauflösung Waffen und Munition und die Restmenge von 144 Gramm Schwarzpulver entgegengenommen hätten. Frau … (Anmerkung des Gerichts: Ehefrau des Verantwortlichen der Antragstellerin) habe Frau … verboten, die Restmenge in der Toilette zu entsorgen und ihr aufgegeben, das Pulver an die Firma … in P… abzugeben. Frau … habe sich dann entschieden, das Pulver im Munitionsraum zwischenzulagern. Der Verantwortliche der Antragstellerin habe das Schwarzpulver, das von Frau … angenommen worden sei, erst am 13.4.2021 bei der Hausdurchsuchung bemerkt. Zur Aufbewahrung der Waffen und Munition in G… wurde ausgeführt, dass die Waffen, die für Kunden aufbewahrt würden, im Stahlbetonbunker im Geschäftsanbau von 1992 eingelagert seien. Hier sei eine Alarmanlage der Firma …, M…, eingebaut und an LWS-Landshut angeschlossen. Im Geschäft sei ebenso eine Alarmanlage angeschlossen. Im letzten Jahr seien die Fenster im Obergeschoss an das Alarmsystem angeschlossen worden. Er könne gewährleisten, dass im Betrieb immer zwei Personen arbeiteten, eine vorne im Warenverkauf und eine im abgetrennten Teil Versand und Munitionsausgabe. Der Raum für den Egun-Bereich sei durch eine Gittertüre zum Verschieben abgetrennt (Einbau 2021), auch eine verschiebbare Gittertüre zur Munitionsraum sei im Dezember 2021 eingebaut worden. Diese Tür sei aus Edelstahl, weil sie sich direkt neben dem Ofen befinde. Bei der Materialbesorgung habe es Verzögerungen gegeben. Auch für die Werkstatt werde eine Eisengittertüre angebracht, dies könne die Firma erst Ende Februar erledigen. Zwei Tresore älteren Baujahres habe er durch einen Gutachter zertifizieren lassen. Alle Räume in dem Betrieb im Erdgeschoss seien an die Alarmanlage angeschlossen und mit Gittern versehen bzw. seien Fenstermelder an die Alarmanlage angeschlossen und Eisentüren zum Verschließen eingebaut. Im Jahr 2019 sei eine Überwachungskamera gekauft worden, welche den Außen- und Innenbereich aufzeichne. Im Jahr 2009 hätte im Anbau nachträglich eine Betondecke durch eine Baufirma eingezogen werden müssen. Jetzt sei der Sachverständige, Herr …, der Meinung, dass dies überflüssig sei. Die Exportgenehmigung von Händler zu Händler sei am 4.7.2020 auf die Firma … ausgestellt worden. Am 8.12.2020 habe er den Bescheid bezüglich der Waffenhandelserlaubnis für die Antragstellerin bekommen. Mitte Mai habe Herr … angerufen und mitgeteilt, dass die Antragstellerin eine neue Exportgenehmigung brauche. Am 25.5. habe Herr … mitgeteilt, dass die Prüfung der Genehmigung noch etwas Zeit in Anspruch nehme. Bis Mitte Mai habe die Antragstellerin Aufträge für die Firma … und private österreichische Kunden angenommen, da sie in Österreich die Genehmigung habe, Waffen zu importieren. Die privaten Kunden seien dann, nachdem sie an die österreichische Firma gemeldet worden seien, im Zentralen Waffenregister (ZWR) registriert worden. Seit dem Nationalen Waffenregister (NWR) in Deutschland sei keine genaue Regelung in Deutschland mehr vorhanden gewesen, österreichische Händler hätten somit keine ID Nummer zu melden. Vor dem NWR habe man die Waffen dem Bundeskriminalamt (BKA) oder Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gemeldet und dann exportiert. Herr … sei von April bis Dezember 2021 bestimmt achtmal im Geschäft gewesen, habe es aber erst im Juni für nötig gehalten, dies zur Sprache zu bringen. Er betreibe das Waffengeschäft seit 1980 ohne Verlust von Waffen oder dergleichen. Die Schießanlage B… werde seit 2005 betrieben, bis jetzt ohne Zwischenfälle.
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Mit Bescheid vom 26.4.2022 widerrief das Landratsamt die am 14.12.2020 erteilte Waffenhandelserlaubnis der Antragstellerin (Nr. 1) und ordnete an, dass der Erlaubnisbescheid bis spätestens drei Monate nach Vollziehbarkeit des Bescheids an das Landratsamt zurückzugeben sei (Nr. 2) und Waffen und Munition bis spätestens drei Monate nach Vollziehbarkeit des Bescheids an Berechtigte zu überlassen oder unbrauchbar zu machen seien, worüber dem Landratsamt Regensburg ein Nachweis zu erbringen sei (Nr. 3). In Nr. 4 des Bescheids wurde für die Nr. 2 und 3 der Sofortvollzug angeordnet.
12
Zur Begründung führt der Bescheid aus, der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 WaffG stütze sich auf das nachträgliche Entfallen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Verantwortlichen der Antragstellerin. Die Hinweise zur zukünftigen gesetzeskonformen Waffen- und Munitionsaufbewahrung seien mit dem Verantwortlichen der Antragstellerin und dessen Mitarbeitern am 4.5.2021 vor Ort besprochen worden. Der Verantwortliche der Antragstellerin habe zugesichert, die entsprechenden Maßnahmen zeitnah umzusetzen. Größere bauliche Maßnahmen wären dazu auch nicht nötig gewesen. Bei der zweiten Durchsuchung der Niederlassung G… am 8.12.2021 durch die Kriminalpolizei Straubing sei die Waffen- und Munitionsaufbewahrung verglichen mit dem Stand am 13.4.2021 weitgehend unverändert gewesen, wesentliche Mängel hätten weiterhin bestanden. Weiter seien vom 8.12.2020 bis 14.6.2021 durch die Antragstellerin mindestens 134 Schusswaffen bzw. erlaubnispflichtige Waffenteile ohne die erforderliche Erlaubnis ins Ausland, überwiegend nach Österreich, an Händler und Endkunden verbracht worden. In der Stellungnahme des Verantwortlichen der Antragstellerin verweise dieser teilweise auf bauliche Sicherungsmaßnahmen, die erst nach der ersten Durchsuchung am 13.4.2021 durchgeführt worden und somit für die festgestellten Verstöße nicht mehr erheblich seien. Durch die wiederholt festgestellten Aufbewahrungsmängel u.a. in der Niederlassung in G… sei die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Verantwortlichen der Antragstellerin nachträglich entfallen, da Waffen und Munition in seinem Waffenhandel nicht sorgfältig entsprechend der gesetzlichen Mindestanforderungen aufbewahrt würden und er hierfür als Verantwortlicher für den Waffenhandel zuständig sei. Weiterhin werde hierdurch zumindest der objektive Tatbestand eines Vergehens nach dem Waffengesetz (§ 52 Abs. 3 Nr. 7a WaffG) erfüllt, da durch die mangelhafte Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition die Gefahr verursacht worden sei, dass eine Schusswaffe oder Munition abhandenkomme oder darauf unbefugt zugegriffen werde. Es handle sich somit auch um einen gröblichen Verstoß i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 WaffG. Dass die Gefahr des Abhandenkommens von Schusswaffen konkret bestanden habe, zeige bereits die große Anzahl von Schusswaffen und erlaubnispflichtiger Waffenteile, die von der Polizei nach derzeitigen Ermittlungen als verloren eingestuft würden. Der Einwand des Verantwortlichen der Antragstellerin, er habe zwei alte Tresore ohne Zertifikate nachträglich durch einen Gutachter prüfen lassen mit dem Ergebnis, dass diese zur Unterbringung geeignet seien, sei zwar richtig. Allerdings sei dieses Gutachten dem Bayerischen Landeskriminalamt zur Prüfung vorgelegt worden. Dieses habe bestätigt, dass die beiden Tresore den notwendigen Sicherheitsgrad für eine Aufbewahrung von Kurzwaffen nicht erreichten. Weiter erhöhten die nach der ersten bzw. zweiten Durchsuchung des Geschäfts errichtete Sicherheitstechnik bzw. zusätzliche Türen zwar nachträglich die Sicherheit, könnten aber die schon vorher bestandenen eklatanten Aufbewahrungsmängel nicht nachträglich heilen. Der am 5.4.2021 (Anmerkung des Gerichts: gemeint ist wohl 4.5.2021) nach gemeinsamer Begehung des Geschäfts mündlich durch Herrn … erteilten Anweisung, Waffen und Munition außerhalb der Öffnungszeiten nur noch im Bereich des ordnungsgemäß gesicherten Verkaufsraums aufzubewahren, sei der Verantwortliche der Antragstellerin nicht nachgekommen. Auch seien im Waffenraum des Wohn- und Bürogebäudes G… bei der Durchsuchung am 13.4.2021 insgesamt 145,7 Gramm Schwarzpulver ohne erforderliche Erlaubnis aufbewahrt worden. Unzuverlässig nach dem Waffengesetz sei in der Regel auch, wer gröblich gegen das Sprengstoffgesetz verstoße, § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Der unerlaubte Besitz von Schwarzpulver sei ein Vergehen nach dem Sprengstoffgesetz (§ 40 Abs. 1 Sprengstoffgesetz). Da der Verantwortliche der Antragstellerin gewusst habe, dass seine sprengstoffrechtliche Erlaubnis bereits im März 2018 durch das Gewerbeaufsichtsamt Landshut widerrufen worden sei, sei der unerlaubte Besitz auch vorsätzlich. Über den Besitz des Schwarzpulvers in seinen Geschäftsräumen habe er sich als Verantwortlicher auch im Klaren sein müssen, da zumindest seine Mitarbeiter und seine Ehefrau über das Vorhandensein des Schwarzpulvers informiert gewesen seien. Der unerlaubte Besitz des Schwarzpulvers habe speziell auch bei der Übergabe der Waffen und Munition von der Firma … an die Antragstellerin, bei der wohl eine Bestandsinventur stattgefunden habe, auffallen müssen. Selbst eine fahrlässige Begehung stelle nach § 40 Abs. 4 SprengG ein Vergehen dar. Eine neue sprengstoffrechtliche Erlaubnis für die Antragstellerin sei durch das Gewerbeaufsichtsamt auch nicht erteilt worden. Gründe, von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG abzusehen, seien nicht ersichtlich. Die Einlassung des Verantwortlichen der Antragstellerin, vom Besitz des Schwarzpulvers erst am Tag der Durchsuchung Kenntnis erhalten zu haben, werde als Schutzbehauptung gewertet, könne ihn aber ohnehin nicht entlasten, da er als Inhaber der Waffenhandelserlaubnis für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften verantwortlich gewesen sei und sich die Kenntnis seiner Mitarbeiter über den Besitz des Schwarzpulvers zurechnen lassen müsse. Zudem stelle die unerlaubte Verbringung von Schusswaffen bzw. wesentlichen Teilen von Schusswaffen in 134 Fällen in jedem einzelnen Fall ein Vergehen nach dem Waffengesetz nach § 52 Abs. 3 Nr. 4 a WaffG dar. Es handle sich damit sowohl um wiederholte als auch jeweils um gröbliche Verstöße. Der Verantwortliche der Antragstellerin habe als waffenrechtlich fachkundiger und langjähriger Waffenhändler die gültigen Bestimmungen gekannt bzw. hätte diese kennen müssen. Die erforderlichen Erlaubnisse hätten für die Verbringung von Waffen zweifellos nicht vorgelegen, da der Antragstellerin für diese Waffen weder Einzelverbringungserlaubnisse noch eine allgemeine Ausfuhrerlaubnis zu Händlern in EU-Staaten erteilt worden sei. Soweit moniert werde, dass die rechtlichen Vorgaben für die Verbringung seit Inkrafttreten der Änderungen des Nationalen Waffenregisters Teil II (NWR II) nicht mehr eindeutig gewesen seien, entspreche dies nicht den Tatsachen. Wären ihm die Vorgaben zur Durchführung von Verbringungen von Schusswaffen tatsächlich unklar gewesen, hätte er sich damit auch an das Landratsamt wenden können, um die Unklarheiten zu beseitigen. Der Vorwurf, dass seitens des Landratsamtes nicht bereits vorher auf die fehlende Erlaubnis hingewiesen worden sei, sei nicht richtig, da einer Mitarbeiterin der Antragstellerin mit E-Mail vom 14.12.2020 mitgeteilt worden sei, dass die Firma … eine allgemeine Verbringungserlaubnis besessen habe und dass diese ggf. dann auch für die Antragstellerin zu beantragen sei. Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde ausgeführt, es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die unter Nr. 2 und 3 getroffenen Anordnungen vor Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs und der unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam würden. Bei der Abwägung der geschäftlichen Interessen des Verantwortlichen der Antragstellerin am weiteren Handel mit Schusswaffen und Munition gegenüber dem öffentlichen Interesse überwiege Letzteres. Vor allem in Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgingen, dürfe ein Restrisiko nicht hingenommen werden, daher müsse das wirtschaftliche Interesse des Herrn … zurückstehen.
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Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13.5.2022 Klage erheben (RO 4 K 22.1390) und um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Die dem Verantwortlichen in dem angegriffenen Bescheid vorgeworfenen Verstöße lägen nicht vor und wären daneben nicht geeignet, den Entzug der Waffenhandelserlaubnis zu begründen. Die Behörde stütze sich weitestgehend nicht auf eigene Erkenntnis, sondern auf Feststellungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen. Erkenntnisse aus Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft könnten nicht unreflektiert im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens übernommen werden, zumal es zu keinem rechtskräftigen Abschluss von strafrechtlichen Verfahren gekommen sei. Insofern streite die Unschuldsvermutung für die Antragstellerin, deren Verantwortlichen und die Angestellten. Kritisch zu hinterfragen sei ferner, ob die Ausführungen des Sachverständigen … tatsächlich als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden könnten, da sich dieser vielfach auf Empfehlungen berufe. Somit sei nicht hinreichend klar, von welchen Rechtsgrundlagen der Sachverständige bei seinen Feststellungen ausgehe. Sofern tatsächlich Maßnahmen notwendig gewesen seien, seien diese durch die Antragstellerin umgehend umgesetzt worden. Die Ausführungen im angegriffenen Bescheid zum „Aufbewahrungsverstoß … G…“ seien insoweit auch nicht hinreichend konkretisiert, da lediglich pauschal auf Feststellungen des Sachverständigen … Bezug genommen werde. Gleiches gelte für behauptete Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz oder die unerlaubte Verbringung von Schusswaffen. Unabhängig davon habe der Verantwortliche der Antragstellerin die behaupteten Verstöße im Rahmen seiner Stellungnahme unter Vorlage von Unterlagen widerlegen können. Zu Recht sei insbesondere darauf verwiesen worden, dass mit Blick auf Aufbewahrungsmängel bauliche Sicherungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Der Umstand, dass dies nach dem 13.4.2021 gewesen sei, könne sich nicht nachteilig auswirken. Somit lägen Gründe für den Entzug der Waffenhandelserlaubnis nicht vor. Bei der Entscheidung der Behörde sei gerade auch der Ist-Zustand miteinzubeziehen. Sofern sich das Landratsamt beim Vorwurf der Aufbewahrungsmängel auf „wiederholt festgestellte“ berufe, sei dies nicht nachvollziehbar, die Ausführungen schwiegen sich dazu aus, sodass der Bescheid insofern nicht hinreichend bestimmt sei. Vollkommen unsubstantiiert sei auch die Darstellung, es bestünde die konkrete Gefahr des Abhandenkommens von Schusswaffen, da die Polizei nach Ermittlungsstand Waffen als „verloren“ eingestuft habe. Unabhängig von der Frage der Verwertbarkeit von strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Zusammenhang müsste die Behörde eine konkrete Gefahr darstellen. Gleiches gelte für unterstellte Aufbewahrungsmängel. Die schlichte Bezugnahme auf (bestrittene) Feststellungen des Herrn … sei unzureichend. Die von der Antragstellerin veranlassten Maßnahmen im Baubestand entsprächen in jedem Fall den gesetzlichen Anforderungen. Insoweit böten die vorhandenen Tresore den notwendigen Sicherheitsgrad für die Aufbewahrung der Waffen. Ein gröblicher Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz liege nicht vor. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb auf ein „vorsätzliches“ Handeln des Herrn … geschlossen worden sei. Sofern man von einem Fahrlässigkeitsdelikt ausgehen wollte, würde dies nicht als hinreichender Grund für den Entzug der Waffenhandelserlaubnis ausreichen. Die Ausführungen des Landratsamts zu einer „Zurechnung“ lägen rechtlich wie tatsächlich vollkommen neben der Sache. Bei der Frage der Verbringung von Schusswaffen schweige sich das Landratsamt aus. Herr … habe insoweit dargelegt, dass er nach österreichischem und tschechischem Recht berechtigt sei, Waffen zu verbringen. Der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig, da ein vollständiger Ermessensausfall vorliege. Auch sei das erforderliche öffentliche Interesse angesichts der zeitlichen Abläufe, die das Landratsamt zu vertreten habe, nicht im Ansatz nachvollziehbar. Die der Antragstellerin zur Last gelegten Vorwürfe gingen in das Jahr 2021 zurück. Es sei nicht ersichtlich, woraus sich nunmehr Interesse und Notwendigkeit des Sofortvollzugs ergäben. Hingegen bestünden konkrete Gefahren für den wirtschaftlichen und tatsächlichen Bestand des Unternehmens.
14
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1, 2 und 3 des angegriffenen Bescheids vom 26.4.2022 wiederherzustellen.
15
Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt,
den Antrag abzulehnen.
16
Zur Begründung wird ausgeführt, eine konkrete Gefahr bestehe durch das Abhandenkommen erlaubnispflichtiger Schusswaffen immer. Dass eine Vielzahl von Waffen nicht auffindbar sei, sei aus den Ermittlungsakten ersichtlich und keine reine Vermutung. Bezüglich der Aussage, der Verantwortliche der Antragstellerin sei nach österreichischem und tschechischem Recht befugt gewesen, Waffen zu verbringen, bleibe festzustellen, dass zumindest die nach deutschem Waffenrecht für die Verbringung notwendigen deutschen Erlaubnisse eben nicht vorgelegen hätten. Dass der Verantwortliche der Antragstellerin die rechtlichen Bestimmungen zur Verbringung von Schusswaffen nach dem Waffengesetz als für sich nicht verbindlich ansehe, obwohl er sie wissentlich kenne, zeige sein erneuter Verstoß im Januar 2022, bei dem er sogar persönlich eine Schusswaffe aus Tschechien ohne die notwendige Erlaubnis nach Deutschland verbracht und dabei auch noch unerlaubt geführt habe. Soweit vorgetragen werde, der Bescheid leide an einem vollständigen Ermessensausfall, sei anzumerken, dass der Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse eine gebundene Entscheidung sei. Ein Abweichen von der Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 WaffG komme aufgrund der Anzahl und Schwere der Verfehlungen nicht in Betracht. Zum Vortrag der Gefahren für den wirtschaftlichen und tatsächlichen Bestand des Unternehmens bei gerichtlicher Bestätigung des Sofortvollzugs wurde vorgetragen, die Antragstellerin habe nach Herstellung gesetzeskonformer Zustände bezüglich der Aufbewahrung von Waffen und Munition im Ladengeschäft in G… sowie dem Austausch des waffenrechtlich unzuverlässigen Verantwortlichen die Möglichkeit, den Waffenhandel mit neuen, waffenrechtlich fachkundigen und zuverlässigen Verantwortlichen zu beantragen. Im Übrigen dürften die Vorwürfe nicht deshalb weniger schwer gewichtet werden, weil hiervon der wirtschaftliche und tatsächliche Bestand der Firma abhängig sein könne. Als Verantwortlicher für den Waffenhandel mit einem Bestand von mehreren hundert erlaubnispflichtigen Waffen und Waffenteilen habe der Verantwortliche der Antragstellerin mehr noch als jeder private Waffenbesitzer eine besondere Garantenstellung dafür inne, dass waffenrechtliche Vorschriften auch eingehalten würden. Der Behauptung, dass das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung angesichts der zeitlichen Abläufe des Verfahrens nicht nachvollziehbar sei, könne nicht gefolgt werden. Die Ermittlungen der Waffenbehörde in dem Verfahren, insbesondere auch die Zusammenarbeit mit der Polizei während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur Aufklärung des Sachverhalts, seien äußerst umfangreich und zeitaufwändig gewesen. Zudem widerspräche es sicherheitsrechtlichen Grundsätzen, die Beseitigung einer Gefahr deshalb nicht als besonders dringlich anzusehen, weil die Behörde durch zeitliche Komprimierung des Verwaltungsverfahrens möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt den Widerrufsbescheid einschließlich der Folgeentscheidungen hätte treffen können. Eine zeitliche Komprimierung sei aber ohnehin nicht möglich gewesen.
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Ausweislich des Schlussvermerks der KPI Straubing vom 6.9.2022 sei bei der Durchsuchung am 13.4.2021 festgestellt worden, dass sämtliche Verbindungstüren innerhalb des Ladengeschäfts in G… offen gestanden hätten und zahlreiche Langwaffen nicht gesichert gewesen seien. Die dort befindlichen Seilsicherungen seien teilweise nicht eingehängt gewesen bzw. seien die Schlösser dieser Seilsicherungen auf „000“ gestellt gewesen, was durch einfaches Drücken am Schlossbügel zur Öffnung führe. Zu Beginn der Durchsuchung habe kein Geschäftsverkehr stattgefunden. Aufgrund baulicher Veränderungen des Pulverlagers mit Wanddurchbruch sei jedoch das ursprünglich festgelegte Aufbewahrungskonzept von Waffen und Munition nicht mehr erfüllt gewesen. Weiter sei bei der Begehung der Schießanlage B… am 27.4.2021 die erforderliche Einbruchmeldeanlage nicht funktionstüchtig gewesen, weshalb aufgrund der Alleinlage der Schießstätte eine sichere Aufbewahrung nicht mehr gewährleistet sei. Die Aufbewahrung der Langwaffen in einem Stahlblechbehältnis der Sicherheitsstufe „A“ entspreche nicht den waffenrechtlichen Mindestanforderungen. Einzelnen Langwaffen seien in unzulässiger Weise offen abgestellt gewesen. Auch erlaubnispflichtige Munition sei offen gelagert gewesen. Weiter sei am 9.6.2021 während der regulären Geschäftszeit festgestellt worden, dass vier Kettenschlösser an 18 Langwaffen nicht versperrt gewesen seien, ebenso, dass die Langwaffen im Verkaufsraum immer noch mit Kettenschlössern und dem voreingestellten Code unversperrt und somit von jeder Person frei zu öffnen und zu entnehmen gewesen seien. Ein Kunde sei beobachtet worden, wie er eine Langwaffe aus dem Regal genommen und damit hantiert habe, ohne dass Verkaufspersonal anwesend gewesen sei. Am 31.8.2021 habe eine erneute Bestandsaufnahme zur regulären Geschäftszeit stattgefunden. Es sei erneut festgestellt worden, dass Langwaffen ohne die vorgeschriebene Sicherung gegen Abhandenkommen oder unbefugten Zugriff in den Regalen gestanden hätten und dass zwei Kurzwaffen in einer Vitrine ohne Erlaubnis ausgestellt gewesen seien. Am 21.4.2021 (Anmerkung des Gerichts: gemeint ist wohl 13.4.2021) seien bei einer Durchsuchung 145,7 Gramm Schwarzpulver in einem Tresorraum (Anmerkung des Gerichts: in G…) aufgefunden und sichergestellt worden. Weiter sei festgestellt worden, dass im Zeitraum von 8.12.2020 bis 13.4.2021 durch die Antragstellerin insgesamt 104 Waffen ohne Erlaubnis ins europäische Ausland, überwiegend nach Österreich, an Händler und Endkunden verbracht worden seien. Grundlage hierfür sei das handschriftliche Waffenhandelsbuch des Verantwortlichen der Antragstellerin gewesen. Trotz mündlicher Untersagung durch das Landratsamt seien von 13.4.2021 bis 14.6.2021 weiterhin nachweislich 52 Waffen ohne Erlaubnis nach Österreich an Händler und Endkunden verbracht worden. Schließlich wurde festgehalten, dass zuletzt der Verbleib von 249 Waffen, Waffenteilen und Schalldämpfern nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten sowohl bei der Waffenbehörde als auch aus polizeilicher Sicht nicht habe geklärt werden können. Der Fehlbestand erkläre sich infolge der ungenügenden und entgegen der Vorschriften vollzogenen Führung des Waffenhandelsbuches. So seien z.B. Schusswaffen zwecks Reparaturen im Waffenhandelsbuch angenommen, jedoch bei der Ausgabe an den Kunden nicht wieder ausgetragen worden.
18
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akte des Verfahrens RO 4 K 22.1390 wurde beigezogen.
II.
19
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen ist, dass die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 26.4.2022 anzuordnen und gegen Nr. 2 und 3 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen (wenn diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist) oder wiederherstellen (wenn eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt). Das Gericht trifft insoweit eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
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Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe stellt sich der Antrag als unbegründet dar. Die ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (dazu a)). Darüber hinaus ergibt eine summarische Prüfung, dass die erhobene Klage in dem hier interessierenden Umfang in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, sodass das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hinter das Vollziehungsinteresse zurücktritt (dazu b)).
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a) Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt den formellen Anforderungen. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan. Diese Begründungspflicht verlangt von der zuständigen Behörde, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids unter Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls darzustellen (BayVGH, B. v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356, NVwZ-RR 2002, 646). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat unter anderem eine Warnfunktion für die handelnde Behörde. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters ihrer Anordnung bewusst wird und die konkret betroffenen Interessen sorgsam prüft und abwägt (BayVGH, B. v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797, juris Rn. 2). Nichtssagende, formelhafte Wendungen reichen deshalb nicht aus. Allerdings genügt dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, dass die Behörde diese Interessenlage aufzeigt und deutlich macht, dass sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist. Dies kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch der streitgegenständliche Bescheid gehört, in Betracht (BayVGH, B. v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453, juris Rn. 16).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist die zu prüfende Begründung des Sofortvollzugs nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat sich in genügender Weise auf die hier widerstreitenden Interessen der betroffenen Antragstellerin und das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit bezogen und erläutert, warum er dem öffentlichen Interesse den Vorrang einräumt. In diesem Zusammenhang wurde darauf abgestellt, dass es im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, dass die unter Nr. 2 und 3 getroffenen Anordnungen vor der Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs wirksam werden. Darüber hinaus hat die Behörde dargelegt, dass in Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden kann. Das Vorbringen des Bevollmächtigten der Antragstellerin, angesichts der zeitlichen Abläufe und der Tatsache, dass die der Antragstellerin zur Last gelegten Vorwürfe in das Jahr 2021 zurückgingen, sei nicht ersichtlich, woraus sich nunmehr Interesse und Notwendigkeit des Sofortvollzugs ergäben, vermag die formelle Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung nicht in Zweifel zu ziehen. Denn die Frage, ob die von der Behörde angeführte Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs auch in der Sache trägt, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts (vgl. VG Würzburg, B. v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689, juris Rn. 22).
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b) Bei summarischer Prüfung stellt sich die erhobene Klage in dem hier interessierenden Umfang als zulässig, aber unbegründet dar. Der Bescheid vom 26.4.2022 ist, soweit er im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes angegriffen wurde, rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bedenken im Hinblick auf die notwendige Bestimmtheit der Anordnungen im Bescheid bestehen nicht (dazu aa)). Das Landratsamt hat die Waffenhandelserlaubnis der Antragstellerin auch zurecht widerrufen (dazu bb)). Ferner begegnen die waffenrechtlichen Nebenanordnungen in Nr. 2 und 3 des Bescheids bei summarischer Überprüfung keinen rechtlichen Bedenken (dazu cc)).
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aa) Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Antragstellerin verstoßen die Anordnungen des Bescheids, soweit sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angegriffen wurden, nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.
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Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) schreibt vor, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Verlangt wird, dass für den Adressaten des Verwaltungsakts aus der Verfügung selbst – wenn auch gegebenenfalls erst im Zusammenhang mit den Gründen des Bescheids und den zugrundeliegenden Umständen – die Regelung, die den Zweck, Sinn und Inhalt des Verwaltungsakts ausmacht, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann (BayVGH, B. v. 18.2.1999 – 24 CS 98.3198 – juris Rn. 34). Dies bedeutet, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Der Verwaltungsakt muss geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können (BayVGH, B. v. 17.10.2018 – 10 CS 18.1717, BeckRS 2018, 28749 Rn 17). Maßgeblich ist insofern die am objektiven Empfängerhorizont orientierte Auslegung der behördlichen Anordnung (§ 133, § 157 BGB; BayVGH, B. v. 10.3.2017 – 10 ZB 17.136, juris Rn. 7).
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Unter Heranziehung dieser Grundsätze genügen die Anordnungen des Bescheids den Anforderungen des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Sie lassen zweifelsfrei erkennen, welches Verhalten von der Antragstellerin als Bescheidsadressatin verlangt wird. Vielmehr betrifft das Vorbringen des Bevollmächtigten der Antragstellerin, das Landratsamt berufe sich hinsichtlich der Aufbewahrungsmängel auf „wiederholt festgestellte“ ohne diese genau zu benennen, die Frage, ob diese Aufbewahrungsmängel den Widerruf der Waffenhandelserlaubnis in materieller Hinsicht tragen.
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bb) Der in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Widerruf der Waffenhandelserlaubnis ist nach der gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig.
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenhandelserlaubnis (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 WaffG), zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist allgemein nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG bzw. eine Waffenhandelserlaubnis zudem nach § 21 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG besitzt. Die Zuverlässigkeit fehlt gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG insbesondere solchen Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren. Die für eine Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Handel mit Schusswaffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit ist dabei nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gewerbebezogen und stellt damit weitergehende Anforderungen, als die für die allgemeinen waffenrechtlichen Erlaubnistatbestände erforderliche Zuverlässigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG). Dementsprechend ist ein Antragsteller unzuverlässig im Sinn des § 21 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WaffG, wenn er nach seiner Persönlichkeit, wie sie in dem Gesamtbild seines Verhaltens zum Ausdruck kommt, keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes bietet. Die danach erforderliche Prognose verlangt wie auch sonst im Gewerberecht nicht etwa den Nachweis, der Antragsteller werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht sorgsam umgehen. Es genügt vielmehr allgemein, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung der gewerblichen Tätigkeit besteht (vgl. zu Ganzen BayVGH, B. v. 1.3.2018 – 21 ZB 16.1783, juris Rn. 17 m.w.N.). Hinsichtlich der notwendigen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit kommt es maßgeblich auf den Verantwortlichen der Antragstellerin als gesetzlichen Vertreter der persönlich haftenden Gesellschaft (GmbH), die wiederum gesetzliche Vertreterin der Antragstellerin ist, an (so im Ergebnis auch VG Köln, U. v. 30.5.2011 – 20 K 6635/10, BeckRS 2011, 51621). Vorliegend fehlt diesem bei summarischer Prüfung die Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG.
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Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt demnach eine auf zutreffend ermittelte Tatsachen gestützte Prognose des zukünftig zu erwartenden Verhaltens des Betroffenen voraus (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 18). An die Prognose dürfen indes keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Denn das Zuverlässigkeitserfordernis dient dem Zweck, die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das uneingeschränkte Vertrauen verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (vgl. BVerwG, U. v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – NJW 2015, 1127). Ein Restrisiko braucht folglich nicht hingenommen zu werden (BayVGH, B. v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564, juris Rn. 10). Die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit ist in Anlegung dieses Maßstabs nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U. v. 28.1.2015 – 6 C 1.14, NJW 2015, 3594/3596). Erforderlich sind daher konkrete Tatsachen, die den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss rechtfertigen, dass der Erlaubnisinhaber in Zukunft entweder selbst mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen oder Dritten einen solchen Umgang durch willentliche Überlassung ermöglichen wird (BayVGH, U. v. 10.10.2013 – 21 BV 13.429, juris Rn. 32).
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Dies zugrunde gelegt trägt aus Sicht des Gerichts bereits die Tatsache, dass zuletzt der Verbleib von 249 Waffen, Waffenteilen und Schalldämpfern nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten sowohl bei der Waffenbehörde als auch aus polizeilicher Sicht nicht geklärt werden konnte, nach summarischer Prüfung die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund eines unsachgemäßen Umgangs mit bzw. der fehlenden sorgfältigen Verwahrung von Waffen. Hierdurch hat sich die konkrete Gefahr des Abhandenkommens von Waffen bereits realisiert. Da die für die Erlaubnis zum gewerbsmäßigen Handel mit Schusswaffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit gewerbebezogen ist und damit weitergehende Anforderungen stellt (vgl. BayVGH, B. v. 1.3.2018 – 21 ZB 16.1783, juris Rn. 17 m.w.N.) stützt auch die ungenügende und entgegen der Vorschriften vollzogene Führung des Waffenhandelsbuches gerade den Eindruck, dass der Verantwortliche der Antragstellung keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung des Gewerbes bietet, sondern dass vielmehr die konkrete Gefahr besteht, dass der Verantwortliche der Antragstellerin die Waffen auch in Zukunft nicht ordnungsgemäß verwahren bzw. nicht sachgemäß mit ihnen umgehen wird. Insoweit folgt das Gericht auch ausdrücklich der Einschätzung des Antragsgegners, dass der Verantwortliche der Antragstellerin als Verantwortlicher für den Waffenhandel mit einem Bestand von mehreren hundert erlaubnispflichtigen Waffen und Waffenteilen mehr noch als jeder private Waffenbesitzer in besonderem Maß garantieren muss, dass waffenrechtliche Vorschriften eingehalten werden. Soweit der Verbleib einer derart hohen Anzahl an Waffen, Waffenteilen und Schalldämpfern ungeklärt bleibt, selbst wenn dies nur darauf beruht, dass das Waffenbuch nicht ordnungsgemäß geführt ist, stellt dies ein grob nachlässiges Verhalten dar, in welchem sich – entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin – die konkrete Gefahr des Abhandenkommens von Schusswaffen bereits realisiert hat. Dies rechtfertigt bereits für sich betrachtet die Annahme des Landratsamts zur Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG.
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Gegen den Vorwurf der fehlenden Zuverlässigkeit aufgrund der abhandengekommenen Waffen und Waffenteilen in großer Zahl wurden von Seiten der Antragstellerin auch keine substantiieren Einwände erhoben. Soweit sie sich allgemein darauf beruft, die ihr im Bescheid vorgeworfenen Verstöße lägen nicht vor und wären daneben nicht geeignet, den Entzug der Waffenhandelserlaubnis zu begründen, stellt dies ein lediglich pauschales Vorbringen dar, das jede tiefergehenden Auseinandersetzung vermissen lässt. Unbehelflich ist auch der Einwand des Bevollmächtigten der Antragstellerin, Erkenntnisse aus Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft könnten nicht unreflektiert im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens übernommen werden. Denn zum einen ist es üblich, dass waffenrechtliche Verstöße durch die Polizei festgestellt und diese Vorgänge an die zuständige Waffenbehörde weitergegeben werden; von der Richtigkeit des ermittelten Sachverhalts kann die Waffenbehörde mangels Fehlens anderweitiger Anhaltspunkte in der Regel ausgehen. Zum anderen wirkte Herr … vom Landratsamt im zugrundeliegenden Fall gerade maßgeblich an den Durchsuchungen mit, sodass es sich bei den Erkenntnissen nicht lediglich um solche der Polizei handelt, sondern gerade auch um originäre Feststellungen des Landratsamts als zuständiger Waffenbehörde. Auch vermag die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen, für deren Verantwortlichen und die Angestellten gelte die Unschuldsvermutung, nicht durchzudringen. Hierbei wird nämlich übersehen, dass das Landratsamt vorliegend gerade im Bereich der Gefahrenabwehr – präventiv – tätig wird, sodass bei einem begründeten Verdacht eines nicht vorsichtigen oder sachgemäßen Umgangs mit Waffen zur Gewährleistung einer effektiven Gefahrenabwehr für die (im Strafrecht geltende) Unschuldsvermutung kein Raum ist.
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Nicht zuletzt ist eine waffenrechtliche Erlaubnis bei einem nachträglichen Wegfall der notwendigen Zuverlässigkeit zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre (BayVGH, B v. 7.2.2022 – 24 CS 21.2636, BeckRS 2022, 3142, Rn. 17), sodass ein vom Bevollmächtigten der Antragstellerin gerügter Ermessensausfall nicht besteht.
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Nach Einschätzung des Gerichts fehlt dem Verantwortlichen der Antragstellerin die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bereits in Bezug auf die nicht mehr auffindbaren Waffen und Waffenteile. Auf die Frage, ob der Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis daneben auch auf die geschilderten Aufbewahrungsverstöße und die Veränderungen im Aufbewahrungskonzept bzw. die Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz und das Waffengesetz gestützt werden kann, wofür nach Aktenlage vorliegend Vieles spricht, kommt es für das Gericht mithin nicht mehr entscheidungserheblich an, sodass dies im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dahinstehen kann.
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cc) Rechtlich nicht zu beanstanden sind bei summarischer Prüfung auch die in Nr. 2 und 3 des Bescheids vom 26.4.2022 ergangenen waffenrechtlichen Nebenanordnungen.
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Die Anordnung der Rückgabe des Erlaubnisbescheids in Nr. 2 findet ihre rechtliche Grundlage in § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Demnach hat, wenn Erlaubnisse nach dem Waffengesetz zurückgenommen oder widerrufen werden, der Inhaber alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben. Insofern steht der Behörde auch kein Ermessen zu. Die von der Behörde vorgegebene Frist stellt mit Blick auf die gesetzliche Vorgabe „unverzüglich“ keine für die Antragstellerin rechtswidrig belastende Vorgabe dar, sondern ermöglicht gerade eine ordnungsgemäße Abwicklung des Waffenhandels.
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Rechtsgrundlage der Anordnung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids, die von der Waffenhandelserlaubnis umfassten Waffen und Munition bis spätestens drei Monate nach Vollziehbarkeit des Bescheids an Berechtigte zu überlassen oder unbrauchbar machen zu lassen und dies dem Landratsamt gegenüber nachzuweisen, bildet § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Bedenken hiergegen wurde weder erhoben, noch sind solche ersichtlich.
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2. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 50.4 und 54.2.1). Danach waren mangels anderweitiger Angaben zum Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinn 15.000,- Euro anzusetzen. Mit Blick auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war der Streitwert zu halbieren (Nr. 1.5).