Inhalt

Vergabekammer München, Beschluss v. 08.11.2022 – 3194.Z3-3_01-22-6
Titel:

Vertragsschluss, Vergabekammer, Ausschreibung, Teilnahmewettbewerb, Vergabe, Mietvertrag, Wettbewerb, Leistungsbeschreibung, Verhandlungsverfahren, Feststellung, Verfahren, Zuschlag, Verletzung, Vergaberecht, Kosten des Verfahrens, Zeitpunkt der Entscheidung, Sinn und Zweck

Normenketten:
VgV § 14 Abs. 4 Nr. 2 b), 14 Abs. 6
GWB § 169 Abs. 1
BGB § 134
Leitsätze:
1. Bei einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit einem Wirtschaftsteilnehmer, das auf § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV gestützt wird, kann in vielen Fällen einzig eine umfassende Analyse bestehender Lösungen den Nachweis erbringen, dass die geforderte Lösung alternativlos i.S.d. § 14 Abs. 6 VgV ist und nicht das Ergebnis einer künstlichen Markteinschränkung durch den Auftraggeber.
2. Eine „Marktanalyse“ bei der der Auftraggeber nur seinem gewünschten Vertragspartner die notwendigen Informationen zur Leistungserbringung zukommen hat lassen und weiteren Marktteilnehmern die exakten Rahmenbedingungen des Beschaffungsbedarfs nicht mitgeteilt hat, ist von vorneherein ungeeignet, Alleinstellungsmerkmale i.S.d. § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) VgV i.V.m. § 14 Abs. 6 VgV zu begründen.
Schlagworte:
Vertragsschluss, Vergabekammer, Ausschreibung, Teilnahmewettbewerb, Vergabe, Mietvertrag, Wettbewerb, Leistungsbeschreibung, Verhandlungsverfahren, Feststellung, Verfahren, Zuschlag, Verletzung, Vergaberecht, Kosten des Verfahrens, Zeitpunkt der Entscheidung, Sinn und Zweck
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46431

Tenor

Der Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufgegeben, die streitgegenständliche Leistung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer in einem vergaberechtskonformen Verfahren auszuschreiben.
1. Die am 10.01.2022 trotz des am 07.01.2022 erteilten Zuschlagsverbots zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Verträge „Mietvertrag und Reagenzien-Liefervereinbarung“, „Vertrag über AlinIQ/Softwareprodukte und Professionelle Dienstleistungen“ und „Auftragsverarbeitungsvertrag über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Auftrag gemäß Artikel 28 EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) inklusive Fernzugriff und/oder Fernwartung von Analysensystemen Nr. 56689471.20211209.DSV-v01“ sind von Gesetzes wegen nach § 134 BGB nichtig.
2. Die Antragsgegnerinund die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin je zur Hälfte.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
1
Am 31.01.2019 hatte die Antragsgegnerin ein Verfahren zur Neubeschaffung einer Labordiagnostik europaweit bekannt gemacht. Dieses Verfahren wurde jedoch aufgehoben.
2
Am 28.12.2021 veröffentlichte die Antragsgegnerin eine freiwillige Ex-ante-Transparenzmachung. Die Vergabe sei in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung erfolgt, da aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden sei. Entgegen der ursprünglichen Pläne, die 2019 zu einer europaweiten Ausschreibung des Auftrags geführt hätten, sei kein Anbau mehr geplant und die Realisierung müsse innerhalb des Bestandbaus stattfinden, wobei aus bautechnischen Gründen jegliche bauliche Anpassung zwingend unterbleiben müsse. Eine sorgfältige Prüfung hätte ergeben, dass die bestehenden Räumlichkeiten lediglich zu einem System eines bestimmten Herstellers passen würden. Die Prüfung in Form einer Markterkundung, in deren Rahmen auch Gespräche mit der Antragstellerin und der Beigeladenen erfolgten, hätte ergeben, dass alle Alternativen zu bedeutsamen Folgeinvestitionen insbesondere baulicher Natur führen würden, für diese hätte die Antragsgegnerin jedoch keine Finanzmittel zur Verfügung.
3
Am 20.12.2021 erfolgte die Vertragsunterzeichnung durch die Antragsgegnerin und der Versand an die Beigeladene.
4
Mit Schreiben vom 07.01.2022 wurde von einer Wettbewerberin im Verfahren mit dem Geschäftszeichen 3194.Z3-3_01-22-2 ein Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB gestellt. Die Vergabekammer informierte die Antragsgegnerin, die in beiden Verfahren dieselbe ist, am gleichen Tag über die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.
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Am 10.01.2022 unterzeichnete die Beigeladene ihrerseits den Vertrag.
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Mit Schreiben vom 20.01.2022 rügte die Antragstellerin, dass der mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag unwirksam sei, weil die Vergabe des Auftrags ohne vorherige Veröffentlichung im Amtsblatt der EU nicht gestattet gewesen sei und insbesondere kein Grund für die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vorgelegen habe. Ferner sei die Bekanntmachung vom 28.12.2021 unzutreffend als „Freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung“ bezeichnet worden und es seien die Angaben zum Auftragswert fehlerhaft.
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Die Antragsgegnerin reagierte innerhalb der von der Antragstellerin gesetzten Frist nicht auf die Rüge.
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Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.01.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
9
Die Antragstellerinträgt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die Antragstellerin sei auch antragsbefugt, da sie ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe von Konzepten, um deren Vorlage die Antragsgegnerin informell gebeten habe, deutlich gemacht habe. Zudem folge ihr Interesse am Auftrag aus der Ausrichtung ihres Geschäftsbetriebs unter anderem auf die Errichtung von Laborstraßen. Sie stelle verschiedenste Labor- und Messgeräte für chemische Laboratorien und generell den Medizinbereich her. Ein drohender Schaden bestehe darin, dass die Antragstellerin sich bei einem Verfahren mit Teilnahmewettbewerb hätte bewerben können und Zuschlagschancen gehabt hätte. Durch die Entscheidung der Antragsgegnerin für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb habe die Antragstellerin von vornherein nicht in das Vergabeverfahren mit einbezogen werden können. Auch sei die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit ordnungsgemäß nachgekommen.
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Weiter trägt die Antragstellerin vor, dass der Vertrag vom 21.12.2021 gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam sei, da die Wahl der Verfahrensart der Antragsgegnerin fehlerhaft gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe den Auftrag nicht in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben dürfen. Entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin, dass aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden sei, sei die Antragstellerin sehr wohl in der Lage den Auftrag zu erbringen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b) VgV seien damit nicht erfüllt. Die Antragsgegnerin könne keine Dokumentation vorlegen, aus der sich ergäbe, welche Informationen sie den einzelnen Marktteilnehmern im Rahmen der durchgeführten Markterkundung zur Verfügung gestellt habe.
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Ferner sei auch die Auftragsbekanntmachung selbst vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe eine freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung gewählt, hätte aber eine Bekanntmachung über einen vergebenen Auftrag wählen müssen. Außerdem habe sie den Auftragswert mit 1.00 EUR beziffert, tatsächlich liege dieser aber wesentlich höher und der Schwellenwert sei deutlich überschritten.
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Die Antragstellerinbeantragt
1. Festzustellen, dass der Vertrag, über die Installation von labortechnischen Anlagen, den die Antragsgegnerin ausweislich Ziffer V.2.1) und V.2.3) der Bekanntmachung 2021/S … vom 28. Dezember 2021 (Anlage ALN 1) am 21. Dezember 2021 mit der A… GmbH, abgeschlossen hat, gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB unwirksam ist;
2. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.
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Die Antragsgegnerinbeantragt
1.
Den Nachprüfungsantrag als unzulässig, mindestens jedoch als unbegründet, zurückzuweisen,
2.
Der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen,
3.
Die Hinzuziehung anwaltlicher Vertretung der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
14
Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin bereits unzulässig gewesen sei. Der Auftrag sei bereits vergeben und könne gemäß § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht mehr aufgehoben werden. Außerdem fehle es der Antragstellerin an der Antragsbefugnis, da sie, wie die Markterkundung ergeben habe, nicht in der Lage sei den Auftrag zu erbringen. Ferner habe die Antragstellerin auch nicht wirksam gerügt.
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Die Wahl der Verfahrensart sei ebenfalls zulässig gewesen, da die Markerkundung ergeben habe, dass es keinen anderen Anbieter gebe, der eine passende Labor straße mit Vollautomation ohne bauliche Veränderungen anbieten könne. Auch die Präsentation der Antragstellerin zeige keine gangbare Variation auf. Ferner habe die Antragsgegnerin die Bieter im Vorfeld zu den im Rahmen der Markterkundung stattfindenden Terminen gebeten, Lösungen unter Vorgabe der vor allem räumlich sehr eingeschränkten Möglichkeiten zu erstellen. Der Antragstellerin seien als Bestandslieferantin insbesondere die baulichen Voraussetzungen bekannt gewesen. Selbst wenn ihr die Anforderungen nicht klar gewesen wären, wäre die Antragstellerin verpflichtet gewesen bei der Antragsgegnerin nachzufragen.
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Die Ergebnisse der Markterkundung habe die Antragsgegnerin sorgfältig geprüft und dabei erkannt, dass Handlungs- und Beschaffungsalternativen aus sachlichen Gründen nicht umsetzbar seien. Auch sei die Dokumentation ordnungsgemäß erfolgt. Ferner habe der Auftrag eine gewisse Dringlichkeit, da einige Geräte bereits im Status „End-of-Life“ angekommen seien und dringend ersetzt werden müssten.
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Mit Beiladungsbeschluss vom 07.02.2022 wurde die Beigeladene beigeladen und beantragt
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1. Akteneinsicht nach § 165 Abs. 1 GWB.
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2. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
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3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene wird für notwendig erklärt.
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4. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
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Zur Begründung trägt die Beigeladene vor, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unzulässig und unbegründet sei. Die Beigeladene schließe sich insoweit den Ausführungen der Antragsgegnerin an. Insbesondere habe die Antragsgegnerin eine ordnungsgemäße Markterkundung durchgeführt und aus objektiven und nachvollziehbaren Gründen entschieden und dokumentiert, dass der Auftrag nur von der Beigeladenen erbracht werden könne.
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In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2022 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Zunächst wurde der zeitliche Ablauf des Sachverhaltes mit den Parteien abgeglichen, bevor der Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen näher erörtert wurde. Die Antragsgegnerin hatte den Vertrag am 20.12.2021 unterschrieben und dann an die Beigeladene übersandt, die Beigeladene hatte ihn dann am 10.01.2022 unterschrieben. Während die Antragsgegnerin argumentierte, dass der Vertrag bereits geschlossen und durchgeführt worden sei, weshalb eine Rückabwicklung unzulässig sei, argumentierten die Antragstellerinnen, dass der Vertragsschluss unwirksam gewesen sei, da er nach dem Zuschlagsverbot vom 07.01.2022 geschlossen worden sei und dass ein auf sieben Jahre angelegter Vertrag sehr wohl rückabgewickelt werden könne. Die Vergabekammer wies daraufhin, dass auch sie von einer Rückabwickelbarkeit ausgehe.
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Auf Nachfrage der Vergabekammer erklärten die Antragstellerinnen und die Beigeladene dann, wie der Kontakt mit der Antragsgegnerin verlaufen sei. Während die Antragstellerinnen weder vor ihren Terminen noch danach genauere Anforderungen für das Laborsystem erfuhren, wusste die Beigeladene dies bereits vor ihrer Präsentation und konnte diese entsprechend darauf aufbauen. Weiter erklärten die Antragstellerinnen, dass die Antragsgegnerin sie immer wieder damit vertröstet habe, dass demnächst eine Ausschreibung erfolgen solle auf die sie sich bewerben können würden. Die Antragsgegnerin bestritt dies, sie habe sich in der Entscheidungsphase befunden und selbst nicht gewusst ob es zu einer Ausschreibung kommen werde oder nicht.
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Die Nachfrage der Vergabekammer, ob die Antragstellerinnen denn in der Lage seien zu leisten, jetzt wo sie genaueres bezüglich der Anforderungen wüssten, bejahten beide ausdrücklich. Dem wiedersprach die Antragsgegnerin, da ihre Markterkundung ergeben habe, dass die Antragstellerinnen nicht leistungsfähig seien.
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Im Anschluss diskutierten die Parteien kontrovers, ob eine ausreichende und damit aussagekräftige Markterkundung durch die Antragsgegnerin stattgefunden habe. Da, wenn man sich zur Rechtfertigung einer Direktvergabe auf eine Markterkundung stützen wolle, diese hohen Anforderungen genügen müsse.
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Der ehrenamtliche Beisitzerhat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle einer Verfahrenseinstellung auf die Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.
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Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
29
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
30
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
31
Gegenstand der Vergabe ist ein Liefer-/Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 und 4 GWB. Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 2 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert. Soweit die Antragstellerin den von der Antragsgegnerin in der freiwilligen Ex-ante-Transparenzbekanntmachung unter Ziffer V.2.4.) angegebenen Gesamtwert des Auftrags, der dort mit „1.00 EUR“ angegeben wurde, inhaltlich hinterfragt, ist diese Angabe für den tatsächlichen geschätzten Auftragswert unschädlich. Diese Angabe in der Bekanntmachung ist nur fakultativ anzugeben. Von derartigen Angaben wird in der Praxis zuweilen selten Gebrauch gemacht, entweder weil sie den Wettbewerb beschränken oder zu einer unwirtschaftlichen Vergabe führen können, wenn die tatsächlichen Kosten geringer sind (Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 37 Rn. 15) oder weil durch die Angabe berechtigte geschäftliche Interessen eines Unternehmens geschädigt werden würden. Im Übrigen geht die Antragstellerin selbst von einer deutlichen Überschreitung des maßgeblichen Schwellenwertes aus. Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
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1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
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1.1. Der Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen steht der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags nicht entgegen. Es liegt bereits kein wirksamer Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen vor. Zur Überzeugung der Vergabekammer fand der Vertragsschluss zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen am 10.01.2022 durch Gegenzeichnung des Vertrages durch die Beigeladene statt. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es habe am 20.12.2021 einen Präsenz-Termin zwischen ihr und der Beigeladenen gegeben, in der diese die drei Verträge „Mietvertrag und Reagenzien-Liefervereinbarung“, „Vertrag über AlinIQ/Softwareprodukte und Professionelle Dienstleistungen“ und „Auftragsverarbeitungsvertrag über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Auftrag gemäß Artikel 28 EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) inklusive Fernzugriff und/oder Fernwartung von Analysensystemen Nr. 56689471.20211209.DSV.v01“ mitgebracht habe, ist hierin von Seiten der Beigeladenen eine bloße zivilrechtliche invitatio ad offerendum, eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, zu sehen. An diesem Tag waren von Seiten der Beigeladenen keine zeichnungsbefugten Personen anwesend. Die Antragsgegnerin unterzeichnete die Verträge am 20.12.2021, gab also ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages ab und versandte die Verträge per Post an die Beigeladene zwecks Gegenzeichnung. Die Beigeladene hat den Vertrag dann am 10.01.2022 nach Rückkehr aus der Weihnachtspause gegengezeichnet und nahm den Vertrag damit an. Der am 10.01.2022 erfolgte Vertragsschluss durch Annahme des Angebots durch die Beigeladene verstößt gegen § 169 Abs. 1 GWB. Hiernach darf der Auftraggeber, wenn die Vergabekammer ihn in Textform über den Antrag auf Nachprüfung informiert hat, vor einer Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist nach § 172 Abs. 1 GWB den Zuschlag nicht erteilen. Die Vorschrift zielt dabei trotz des zivilrechtlich in diesem Zusammenhang nicht gebräuchlichen Begriffs des „Zuschlags“ bzw. des „Zuschlagsverbots“ auf das Zustandekommen eines wirksamen Vertrags durch Angebot und Annahme. Es ist dabei nicht von Relevanz, von welcher Partei das Angebot auf Abschluss eines Vertrages ausgeht und welche Partei das Angebot folglich annehmen kann. Das Vertragsverbot bzw. dessen Wirkung tritt sowohl in dem Fall ein, in dem der öffentliche Auftraggeber eines der ihm bereits vorliegenden Angebote unverändert durch entsprechende Willenserklärung annimmt als auch in dem Fall, dass er selbst das Angebot auf Abschluss des Vertrags macht und der Mitbieter die Annahme erklärt (Bork-Galle, in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 169 GWB, Rn. 4).
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Im parallelen Nachprüfungsverfahren mit dem Geschäftszeichen 3194.Z3-3_01-22-2 wurde am 07.01.2022 ein Nachprüfungsantrag gestellt. Noch am selben Tag ist eine Information in Textform durch das Telefax der Vergabekammer vom 07.01.2022 an die Antragsgegnerin erfolgt. Der Eingang wurde durch die Antragsgegnerin zudem am gleichen Tag durch unterzeichnetes Empfangsbekenntnis bestätigt.
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Der entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 169 Abs. 1 GWB vorgenommene Vertragsschluss ist nichtig (§ 134 BGB), ohne dass es wie in den Fällen des § 135 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 einer nach rechtzeitigem Antrag ausgesprochenen Feststellung der Vergabekammer bedürfte. Diese Rechtsfolge tritt unabhängig von der Kenntnis des Auftraggebers ein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.03.2013, VII-Verg 53/12; Bork-Galle, in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 169 GWB, Rn. 5).
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1.2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 3 GG) dürfen an die in § 160 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden; die Darlegungslast des Antragstellers darf grundsätzlich nicht überspannt werden (BVerfG, NZBau 2004, 564 = NJW 2004, 3483 Ls.; BGHZ 162, 116 = NZBau 2005, 290 = NJW-RR 2005, 1439; OLG Jena, NZBau 2011, 256 Ls. = BeckRS 2010, 28862). Das Zulässigkeitsmerkmal der Antragsbefugnis hat lediglich die Funktion eines groben Prüfungsfilters. Es dient dem Zweck, evidente Fälle von einer Nachprüfung auszunehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.2.2012 – VII-Verg 75/11, BeckRS 2012, 08570 mwN; NZBau 2012, 785). Voraussetzung ist insbesondere nicht, dass ein Vergabeverfahren durchgeführt wurde, an dem sich die Antragstellerin beteiligt hat. Eine Antragsbefugnis liegt vielmehr auch dann vor, wenn eine den geltenden vergaberechtlichen Bestimmungen widersprechende Auftragserteilung ohne Vergabeverfahren, also eine De-facto-Vergabe, im Raum steht und der Antragsteller geltend macht, ein Interesse an dem Auftrag gehabt zu haben. Insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller darlegt, durch den behaupteten Verstoß gegen Vorschriften des Vergaberechts an der Abgabe eines Angebots und der Erlangung des Auftrags gehindert gewesen zu sein (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.11.2012 – 15 Verg 9/12, BeckRS 2013, 18348). Voraussetzung ist darüber hinaus, dass ein Schadenseintritt nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (OLG Jena, NZBau 2011, 256 Ls. = BeckRS 2010, 28862). Hat ein geregeltes Vergabeverfahren bislang nicht stattgefunden, genügt für die Annahme eines drohenden Schadens grundsätzlich, dass der behauptete Vergaberechtsverstoß geeignet ist, die Aussichten auf Erhalt des Zuschlags zu beeinträchtigen. Das ist bei einem am Vergabeverfahren nicht beteiligten Unternehmen immer dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren, dass unter für alle Interessierte gleichen Bedingungen und ohne weitere Verhandlungen mit nur einem oder nach unzulässigen Gesichtspunkten bestimmten ausgewählten Bietern stattfindet, der Antragsteller den Zuschlag erhalten hätte (OLG Jena, NZBau 2011, 256 Ls. = BeckRS 2010, 28862). Für das Interesse des Antragstellers am Auftrag spricht dabei in der Regel schon, dass er die Auftragserteilung gerügt hat und das wirtschaftliche Risiko eines Nachprüfungsverfahrens eingegangen ist (vgl. OLG Celle, NZBau 2007, 126; OLG Jena, NZBau 2011, 256 Ls. = BeckRS 2010, 28862).
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Die erforderliche Antragsbefugnis der Antragstellerin ist gegeben. Die Antragstellerin ist Anbieterin der von der Antragsgegnerin gesuchten Laboreinrichtungen. Durch ihre Teilnahme an den Terminen am 13.04.2021 und 19.07.2021 sowie die Rüge und Einleitung des Nachprüfungsverfahrens hat die Antragstellerin ihr Interesse am Auftrag bekundet. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere dadurch geltend gemacht, dass sie die Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV für nicht gegeben erachtet. Mit ihrem Nachprüfungsantrag macht die Antragstellerin insbesondere geltend, dass die Antragsgegnerin ihr die Rahmenbedingungen, zu denen sie den Auftrag erteilen würde, zu keinem Zeitpunkt klar kommuniziert hat. Es seien keine konkreten Anforderungen an das Laborsystem von Seiten der Antragsgegnerin mitgeteilt worden. Insbesondere habe die Antragsgegnerin auch nicht erklärt, dass jegliche Umbauten am vorhandenen Gebäudebestand ausgeschlossen sind. Das durchgeführte Markterkundungsverfahren sei nicht dem Vergaberecht entsprechend durchgeführt worden und der Zuschlag sei ohne Beteiligung anderer Bieter als Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erteilt worden. Der Antragstellerin sei somit eine Teilnahme an dem eigentlich gebotenen Wettbewerb und damit die Erlangung des Auftrags vorenthalten worden.
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Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass der Antragstellerin kein Schaden entstehen könne, weil sie bereits tatsächlich nicht in der Lage sei, die nachgefragte Leistung in der benötigten Form überhaupt zu erbringen, ist dies für das Vorliegen der Antragsbefugnis nicht relevant. Es reicht zur Bejahung der Antragsbefugnis der schlüssige Vortrag aus, dass der Antragsteller die in Rede stehenden Leistungen überhaupt anbietet und er ein entsprechendes Auftragsinteresse hat. Dies hat die Antragstellerin getan, indem sie schlüssig vorgetragen hat, sich als Marktteilnehmerin in dem gefragten Marktsegment an einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren hätte beteiligen zu wollen, ihr dies aufgrund des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb jedoch nicht möglich war. Sie hat zudem schlüssig vorgetragen, die von der Antragsgegnerin begehrte Leistung erbringen zu können. Dies stellt einen potentiellen Schaden i. S. d. § 160 Abs. 2 GWB dar.
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Auch soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass sich eine Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags bereits deshalb ergebe, weil die streitgegenständliche Leistung bereits mittlerweile vollständig realisiert wurde und es daher an einem drohenden Schaden für die Antragstellerin fehle, geht sie in ihrer Annahme fehl. Zwar kann eine Erledigung in sonstiger Weise i. S. d. § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB auch aus objektiven Gründen eintreten, wenn die Durchführung der Dienstleistung, die auszuschreiben war, inzwischen weitgehend abgeschlossen ist (Steck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 168 GWB, Rn. 34). Allerdings ist diesen Fallkonstellationen gemein, dass sie Sachverhalte betreffen, in denen die Leistung aus keinem erkennbaren Blickwinkel mehr rückgängig gemacht werden kann, sei es aufgrund Zeitablauf oder weil bspw. Abbrucharbeiten vollständig erledigt wurden (letzteres bspw. in VK Bund, Beschluss vom 24.07.2007, VK 2-69/07). Der von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zitierte Beschluss des Kammergerichts Berlin, Beschluss vom 10.05.2022, Verg 1/22 ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Das Kammergericht Berlin hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem Gegenstand eine zu erbringende Leistung in einem festgelegten Zeitraum war. Dieser Zeitraum war zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Nachprüfungsinstanzen bereits abgelaufen und der Antragsteller konnte unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt den Auftrag noch erhalten, weil dieser schon durchgeführt wurde und mangels Zeitablauf auch nicht mehr rückabgewickelt werden konnte. Damit unterscheidet sich dieser Sachverhalt von dem streitgegenständlichen. Auch wenn der Auftrag im hiesigen Verfahren bereits abgewickelt wurde, ist dennoch eine Rückabwicklung des Vertrages jederzeit möglich, indem die Labor straße rückgebaut wird. Der mit der Beigeladenen abgeschlossene Vertrag beinhaltet einen Mietvertrag über die Labor straße für 7 Jahre. Auch wenn der Vertrag bereits faktisch schon seit Beginn des Jahres ausgeführt wird, ist der Mietzeitraum noch nicht abgelaufen, eine Rückabwicklung daher jederzeit möglich.
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1.3. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion entgegen, da gemäß nach § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB die Rügeobliegenheit bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht gilt. Es ist dabei nicht relevant, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26.01.2022 einen Feststellungsantrag auf Unwirksamkeit des Vertrags gestellt hat, es einer gesonderten Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages aufgrund des durch das Zuschlagsverbot ohnehin nach § 134 BGB von Gesetzes wegen nichtigen Vertrages durch die Vergabekammer aber ohnehin nicht bedarf. § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB gilt für sog. De-facto-Vergaben, bei denen es ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 16/10117 nicht sachgerecht ist, den Unternehmen eine Rügeverpflichtung aufzuerlegen. In diesen Fällen kann sofort ein Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt werden (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 16/10117, Teil B, zu Art. 1 Nr. 13). Dabei ist § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB sowohl für Feststellunganträge einschlägig, die zu Recht, als auch irrig in der Annahme, dass bereits ein Zuschlag erteilt wurde, eingelegt wurden. Abzustellen ist stets auf den Horizont des Antragstellers, der aufgrund der Sachlage einer De-facto-Vergabe davon ausgehen durfte, einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit zu stellen und keine vorherige Rüge aussprechen zu müssen.
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Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dass sich die Antragstellerin durch die Erteilung einer Rüge an die Förmlichkeiten der Rüge gebunden habe und sich am Sinn und Zweck einer üblichen Rüge messen lassen müsse, widerspricht dies schon dem klaren Wortlaut des Gesetzes, der in § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB normiert, dass die in Satz 1 enthaltene Rügeobliegenheit nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB gilt.
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2. Der Nachprüfungsantrag istauch begründet.
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Die Vergabekammer hat nicht über eine Unwirksamkeit des Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB zu befinden, da der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossene Vertrag bereits von Gesetzes wegen gemäß § 134 BGB nichtig ist (siehe die Ausführungen unter Ziff. II. 1.1. dieses Beschlusses).
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Die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb mit dem Ziel der Beauftragung der Beigeladenen ist vergaberechtswidrig. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin hat zur Überzeugung der Vergabekammer nicht hinreichend belegt, dass die Beigeladene das einzige Unternehmen ist, welches die Anforderungen der Antragsgegnerin erfüllen kann (dazu 2.1.). Ob die Beigeladene die Anforderungen der Antragsgegnerin erfüllt, kann von der Vergabekammer nicht abschließend beurteilt werden (dazu 2.2.). Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht muss die Antragsgegnerin vor einer Zuschlagserteilung ein vergaberechtskonformes Verfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchführen (dazu 2.3.).
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2.1. Gemäß § 119 Abs. 5 Alt. 2 i. V. m. § 14 Abs. 4 VgV kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 VgV vergeben. Die Antragsgegnerin beruft sich auf die Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV. Danach ist die gewählte Verfahrensart möglich, wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann, weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist. Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV, die Art. 32 Abs. 2 lit. b der RL 2014/24/EU umsetzt, ist als Ausnahmetatbestand eng auszulegen und anzuwenden. Angesichts der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb sollten Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen. Die Ausnahme sollte auf Fälle beschränkt bleiben, in denen von Anfang an klar ist, dass eine Veröffentlichung nicht zu mehr Wettbewerb oder besseren Beschaffungsergebnissen führen würde, nicht zuletzt, weil objektiv nur ein einziger Wirtschaftsteilnehmer in der Lage ist, den Auftrag auszuführen (Erwägungsgrund 50 der RL 2014/24/EU). Der öffentliche Auftraggeber hat dabei das objektive Fehlen von Wettbewerb darzulegen und zu beweisen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.07.2017, VII-Verg 13/17). Hierbei sind stichhaltige Belege beizubringen, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen ergibt (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-275/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.12.2013, VII-Verg 24/13). Die Gründe für die Wahl des Verfahrens sind ordnungsgemäß und sorgfältig sowie vor allem nachvollziehbar vom öffentlichen Auftraggeber zu dokumentieren (Markpert, in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 14 VgV, Rn. 36).
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Dass die von der Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung vom 08.03.2021 aufgeführten Bedingungen ausschließlich von der Beigeladenen erbracht werden können, steht nicht zur Überzeugung der Vergabekammer fest.
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2.1.1. Die Antragsgegnerin hat die Gründe für die Wahl des Verfahrens dokumentiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich diese Dokumentation nicht dem Vergabevermerk selbst (dazu 2.1.1.1.) und auch nicht der rechtlichen Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten (dazu 2.1.1.2.), wohl aber den Terminsberichten (dazu 2.1.1.3.) entnehmen lässt.
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2.1.1.1. Dem der Vergabekammer vorgelegten Vergabevermerk vom 16.12.2021 lässt sich nicht entnehmen, mit welcher Begründung die Antragsgegnerin zu der Erkenntnis gelangte,
dass einzig und allein die Beigeladene die aufgestellten Anforderungen an die zu errichtende Laborvollautomations straße erfüllen kann. Die Antragsgegnerin nimmt in ihrem Vergabevermerk eine umfassende Begründung vor, weshalb die von ihr begehrte Labor straße einzig und allein in die vorhandenen Räumlichkeiten eingebracht werden kann und weshalb bauliche Änderungen nicht vorgenommen werden können. Zudem begründet sie auch, weshalb sie eine Laborvollautomation installieren möchte. An einer Begründung, weshalb nur die Gerätschaften der Beigeladenen in die vorhandenen Räumlichkeiten passen, die eines anderen Marktteilnehmers aber nicht, fehlt es hingegen vollständig. Sie stellt lediglich im Vergabevermerk fest, dass die von ihr durchgeführte Marktanalyse ergeben habe, dass die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten allein zu den Systemen der Beigeladenen passen und dass diese Tatsache abgesichert sei. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf eine Dokumentation in tatsächlicher Hinsicht und auf die darauf fußende rechtliche Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten. Zudem stellt sie fest, dass in den vorhandenen Grundrissen zu dem System der Beigeladenen ernsthaft infrage kommende, gangbare Leistungsalternativen nicht bestünden. Damit hat sie jedoch nur ein Ergebnis mitgeteilt, nicht jedoch, welche Gründe für dieses Ergebnis ausschlaggebend waren.
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2.1.1.2. Der rechtlichen Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 16.11.2021 können ebenfalls keine Begründungen dahingehend entnommen werden, dass die Beigeladene das einzige Unternehmen sei, dass die von der Antragsgegnerin begehrte Leistung zu erbringen vermag. Im Rahmen der Stellungnahme ist der Verfahrensbevollmächtigte auf die Rechtsprechung im Zusammenhang eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb eingegangen und hat der Antragsgegnerin mitgeteilt, wie ein solches rechtssicher auszugestalten ist. Gründe, weshalb die Systeme der Antragstellerin oder eines anderen Marktteilnehmers nicht in die im Rahmen der Leistungsbeschreibung angedachten Räumlichkeiten passen, die Systeme der Beigeladenen aber schon, können den Ausführungen nicht entnommen werden. Es erfolgt der lediglich pauschale Hinweis darauf, dass dem so ist.
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2.1.1.3. Den Terminsberichten, die wohl die Dokumentation in tatsächlicher Hinsicht darstellen sollen und die auf der Grundlage der durch die Antragsgegnerin durchgeführten Marktanalyse basieren, können Gründe dafür, dass das System der Beigeladenen in die angedachten Räumlichkeiten passt immerhin entnommen werden. So enthält der Terminsbericht vom Termin mit der Beigeladenen vom 04.10.2021 folgende Ausführungen: „Die präsentierte Labor straße überzeugt durch ihre schmale und hohe Bauweise. Der Platzbedarf ist dadurch signifikant geringer als bei anderen Anbietern solcher Systeme. Die Labor straße fügt sich optimal in den räumlichen Gegebenheiten des Labors ein, der verfügbare Raum (2466+2477 [Anmerkung der Vergabekammer: gemeint ist hier wohl 2467, nicht 2477]) wird optimal genutzt. Gleichzeitig bleibt genügend Bewegungsspielraum für die Mitarbeitenden übrig. Arbeitsplätze und Türen bleiben offen. Die Fluchtwege sind frei. Die Labor straße erfüllt die Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung. Eingriffe in die Bausubstanz sind nicht notwendig.“ Demgegenüber wird im Terminsbericht vom Termin mit der Antragstellerin vom 13.04.2021 vermerkt: „Die präsentierten Laborgeräte fallen durch ihre wuchtige Größe auf. Das ist im verfügbaren Raum problematisch. Umbaumaßnahmen mit Eingriffen in die Bausubstanz wären nötig. Der 1. Konzeptvorschlag mit Übergang in den benachbarten Raum (Hämatologie) und den damit verbundenen Umbaumaßnahmen wird nach unserem Hinweis deshalb fallengelassen. Stattdessen wird in einem 2. Konzeptvorschlag vom 19.07.2021 dann eine Lösung im benachbarten Raum (Hämatologie) vorgeschlagen, der für das Projekt nicht zur Verfügung steht. Weiterhin werden in diesem Konzeptvorschlag Türen und Fluchtwege zugestellt. Das ist aus Sicherheitsgründen kein gangbarer Weg und entspricht auch nicht den Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung.“ Damit hat die Antragsgegnerin dokumentiert, aus welchen Gründen das System der Beigeladenen die Leistungsanforderungen einhält, das System der Antragstellerin aber nicht.
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2.1.2. Auf die Erkenntnisse aus der Marktanalyse kann sich die Antragsgegnerin aber nicht zur Rechtfertigung des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV berufen. Es bedarf zunächst keiner Entscheidung in der Sache, ob ein sog. Markterkundungsverfahren vorliegend im Rahmen des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb überhaupt vor Vergabe des Auftrags durchzuführen ist oder nicht. In diesem Zusammenhang weist die Vergabekammer darauf hin, dass einzig eine umfassende Analyse bestehender Lösungen den Nachweis erbringen können dürfte, dass die geforderte Lösung alternativlos ist und nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung durch den Auftraggeber (vgl. § 14 Abs. 6 VgV) ist (Markpert, in: Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, § 14 VgV, Rn. 46). Jedenfalls hat sich die Antragsgegnerin einzig und allein auf ihre im Rahmen der Markterkundung ermittelnden Erkenntnisse berufen, wonach sie im Rahmen der Präsenztermine mit drei Marktteilnehmern und in Kontakt mit einem weiteren Marktteilnehmer herausgefunden habe, dass allein die Gerätschaften der Beigeladenen in die angedachten Räumlichkeiten passen würden. Wenn die Erkenntnisse aus der durchgeführten Marktanalyse aber die einzige Begründung für die Annahme des Ausnahmetatbestandes darstellen, dann muss sich die Antragsgegnerin auch an diesen festhalten lassen.
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Auf die durchgeführte Markterkundung kann sich die Antragsgegnerin schon deshalb zur Rechtfertigung des Wettbewerbsausschlusses zu Lasten der Antragstellerin nicht berufen, weil unklar bleibt, ob alle angefragten Firmen im Rahmen des Markterkundungsverfahrens die gleichen Informationen und Kenntnisse hatten, um die Präsentation ihres Portfolios und ihrer Lösungsideen entsprechend auf die konkreten Bedürfnisse der Antragsgegnerin auszurichten. Während die Antragstellerin vortrug, dass sie zunächst von der Antragsgegnerin auf informellem Weg um Vorlage von möglichen Lösungsansätzen für eine stärkere Automatisierung ihres Labors gebeten wurde, dass ihr aber weder im Vorfeld noch in den Terminen am 13.04.2021 und 19.07.2021 selbst oder danach eine genaue Leistungsbeschreibung von Seiten der Antragsgegnerin kommuniziert wurde und ihr ohne Kenntnis dieser Anforderungen unmöglich war, ein dem Beschaffungsbedarf entsprechendes Konzept vorzustellen, trug die Beigeladene im Gegensatz hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, dass bei ihrem ersten Termin mit der Antragsgegnerin am 01.07.2021 die genaue Leistungsbeschreibung erörtert worden sei und sie auch gewusst habe, dass nur bestimmte Räumlichkeiten zur Verfügung stünden. Auf dieser Grundlage habe sie dann in ihrem zweiten Präsenztermin mit der Antragsgegnerin am 01.10.2021 ihr Konzept präsentieren können. Die insoweit beweisbelastete Antragsgegnerin konnte auch nicht nachweisen, dass sie gegenüber der Antragstellerin die genaue Leitungsanforderung kommuniziert hatte. Der Vermerk im Terminsbericht mit der Antragstellerin: „Der 1. Konzeptvorschlag mit Übergang in den benachbarten Raum (Hämatologie) und den damit verbundenen Umbaumaßnahmen wird nach unserem Hinweis deshalb fallengelassen.“ führt zu keiner anderen Entscheidung in der Sache. Den Inhalt des konkret an die Antragstellerin erteilten Hinweises hat die Antragsgegnerin gerade nicht dokumentiert, sodass auch aus dieser Aufzeichnung nicht klar hervorgeht, ob bzw. welche genauen Anforderungen die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin betreffend die zu erstellende Labor straße kommuniziert hat. Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass es der Antragstellerin oblegen hätte, genauere Nachfragen zur konkreten Leistungsbeschreibung vorzunehmen, verkennt sie insoweit die Pflichtenverteilung unter den Teilnehmern. Die Antragsgegnerin möchte sich zur Rechtfertigung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb auf die Erkenntnisse eines vor ihr durchgeführten Markterkundungsverfahrens berufen. Demzufolge obliegt ihr die Pflicht, den im Rahmen der Markterkundung beteiligten Unternehmen die konkreten Anforderungen an das zu konzipierende Laborsystem offenzulegen und zwar allen beteiligten Unternehmen gegenüber die gleichen Informationen. Diesen Umstand konnte die insoweit beweisbelastete Antragsgegnerin nicht nachweisen. Der Antragstellerin wurde damit schon die Möglichkeit genommen, ein Konzept vorzulegen, dass unter Kenntnis der genau zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und der genauen Leistungsanforderungen entstanden ist, die Beigeladene hatte demgegenüber diese Möglichkeit schon und hat diese auch genutzt. Damit hatten die am Markterkundungsverfahren beteiligten Unternehmen nicht die gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der Vorstellung ihrer Systeme. Eine Vergleichbarkeit der vorgelegten Konzepte verbietet sich. Die von der Antragsgegnerin in den Terminsberichten erfolgten Darlegungen sind daher für die Begründung des Vorliegens des Ausnahmetatbestandes nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV gänzlich ungeeignet.
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Eine andere Entscheidung in der Sache ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragsgegnerin vorgetragenen Umstand, dass die Antragstellerin um die genaue Leistungsbeschreibung hätte wissen müssen, da sie bereits Teilnehmerin im Vergabeverfahren 2019 war und darüber hinaus als bisherige Ausstatterin mit den Räumlichkeiten bestens vertraut sein müsse. Das im Jahr 2019 durchgeführte Vergabeverfahren weist keine Verbindung zum Markterkundungsverfahren im Jahr 2021 auf. Weder hätte die Antragstellerin wissen müssen, dass sich über einen Zeitraum von immerhin zwei Jahren die Vorgaben an die Leistungsbeschreibung nicht geändert haben, noch ist die Antragstellerin dafür verantwortlich, die notwendigen Informationen im Vorfeld einer Markterkundung in Erfahrung zu bringen. Dies gilt gleichsam betreffend die Kenntnis der zur Verfügung stehenden Raumsituation. Dass der Antragstellerin die Raumsituation als Bestandslieferantin bekannt sein müsste, hat nichts damit zu tun, ebenso Kenntnis darüber haben zu müssen, in welche genauen Räumlichkeiten die neue Labor straße einzubringen ist. Der Antragsgegnerin hätte es oblegen, allen Marktteilnehmern, die sie im Rahmen der Markterkundung beteiligen möchte, mit Informationen hinsichtlich der genauen Anforderungen an die zu beschaffende Leistung zu versorgen. Dies konnte sie nicht nachweisen.
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Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die ebenfalls im Rahmen der Markterkundung beteiligte Firma S… auch wusste, welche genauen Anforderungen die Antragsgegnerin an das zu beschaffende System stellte, und damit neben der Beigeladenen ein zweites Unternehmen zu nennen sei, die genaue Vorstellungen davon hatten, welche Leistung die Antragsgegner zu beschaffen vermochte, hat dies wenig Aussagekraft. Zunächst kann aufgrund der positiven Kenntnis der Leistungsanforderungen der Firma S… nicht automatisch auf eine positive Kenntnis der Leistungsanforderungen der Antragstellerin geschlossen werden. Zudem wurde die Firma S… ausweislich einer in der Vergabeakte befindlichen E-Mail erst Ende November 2021 in die Markterkundung mit einbezogen und zwar nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin in seiner an die Klinikleitung der Antragsgegnerin gerichteten Stellungnahme zur Prüfung des möglichen Verzichts auf ein wettbewerbliches Verfahren vom 16.11.2021 festgestellt hatte, dass man diese Firma ebenfalls beteiligen müsste, um eine weitere Substantiierung hinsichtlich der Tatsachenlage, dass nur die Systeme der Beigeladenen in die vorhandenen Räumlichkeiten passen, wünschenswert und rechtlich gesehen notwendig seien. Die Firma wurde damit zu einem Zeitpunkt beteiligt, in dem es nur noch darum ging, das Verfahren rechtlich abzusichern, sodass nachvollziehbar ist, dass man dieser Firma gegenüber die notwendigen Leistungsanforderungen kommunizierte.
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Die insoweit beweisbelastete Antragsgegnerin konnte nicht nachweisen, allen Teilnehmern im Rahmen der Markterkundung die gleichen Informationen zur Verfügung gestellt zu haben. Sie kann sich somit auf die Erkenntnisse der Markterkundung nicht berufen. Da sie ihre Entscheidung einzig auf die Erkenntnisse der Markterkundung stützte und deren Verwertbarkeit nicht gegeben ist, ist sie den Nachweis eines Alleinstellungsmerkmals der Systeme der Beigeladenen schuldig geblieben. Mangels ausreichender Dokumentation und Nachweise konnte die Vergabekammer nicht zu der Erkenntnis gelangen, dass es sich bei der zu beschaffenden Laborvollautomations- Straße in den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten um eine solche handelt, die ausschließlich durch die Beigeladene geleistet werden kann.
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Der Verzicht auf ein wettbewerbliches Verfahren seitens der Antragsgegnerin ist nicht gerechtfertigt. Die Antragstellerin ist durch diese Vorgehensweise in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Bei Fortbestehen des Beschaffungsbedarfs hat die Antragsgegnerin daher entweder von vornherein ein wettbewerbliches, vergaberechtskonformes Verfahren durchzuführen oder aber unter transparenter Bekanntgabe ihrer Anforderungen eine Markterkundung vorzunehmen, um anhand der Rückläufer beurteilen zu können, ob tatsächlich eine rechtliche und/oder technische Alleinstellung der Beigeladenen besteht.
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2.2. Nur der Vollständigkeit halber weist die Vergabekammer darauf hin, dass eine abschließende Beurteilung dessen, ob das System der Beigeladenen sämtliche an die Anlage gestellten Anforderungen erfüllt, nicht möglich ist. Die Beigeladene trug vor, den Parameter Interleukin 6 (IL6) derzeit nicht auf eigenen Analysesystemen auf dem vollautomatischen System abarbeiten zu können. Aus der der Vergabekammer vorliegenden Leistungsbeschreibung vom 08.03.2021 geht jedoch weder hervor, welches genaue Parameterspektrum durch die Laborautomation abzuarbeiten ist noch in welchem Rahmen. Es bedürfte der näheren Spezifizierung der Angaben im Rahmen der Leistungsbeschreibung durch die Antragsgegnerin, die vorliegend der Vergabeakte nicht zu entnehmen sind.
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2.3. Für die Fortführung des Verfahrens sieht sich die Vergabekammer noch zu folgenden Ausführungen veranlasst: Der Antragsgegnerin ist zuzugestehen, dass die Frage, ob ein Auftrag – wie hier aufgrund eines technischen Alleinstellungsmerkmals – nur von einem bestimmten Unternehmen ausgeführt werden kann, von der Definition des Auftragsgegenstandes durch den Auftraggeber abhängt. Dabei kann es je nach dessen Ausgestaltung durchaus zu der vergaberechtskonformen Folge kommen, dass aufgrund bestimmter Merkmale nur ein Unternehmen in der Lage ist, den Auftrag zu erfüllen, sofern die Antragsgegnerin die ihr zustehende und dem Vergabeverfahren grundsätzlich vorgelagerte Bestimmungsfreiheit, ob und was beschafft werden soll, sachgerecht ausgeübt hat. Die vergaberechtlichen Anforderungen an die Definition des Beschaffungsbedarfs sind nach ständiger Rechtsprechung gewahrt, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen oder notfalls erwiesen) sind, und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.2016, VII-Verg 13/16; VK Bund, Beschluss vom 18.10.2017, VK 2-106/17). Die Vergabekammer sieht jedenfalls in der Festlegung der verfügbaren Räumlichkeiten sowie der Festlegung, dass Umbauarbeiten aufgrund der Asbestsanierung des gesamten Klinikgebäudes zwingend zu vermeiden sind, da ansonsten aufwendige Sanierungsarbeiten drohen, die im laufenden Betrieb nicht möglich sind und deren Kosten nicht refinanzierbar sind, eine zulässige Ausübung des der Antragsgegnerin zustehenden Leistungsbestimmungsrechts.
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3. Kosten des Verfahrens
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Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind vorliegend die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zu gleichen Teilen.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
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Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Auf Grund der bei der Vergabekammer auftretenden Synergieeffekte mit dem ebenfalls anhängigen Nachprüfungsverfahren 3194.Z3-3_01-22-2 wurde die Gebühr entsprechend ermäßigt.
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Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskrafterstattet.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
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Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da es sich beim Vergaberecht und dem Nachprüfungsverfahren um einen komplexen Problemkreis handelt und die Antragstellerin nicht über die für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Kapazitäten verfügt und daher auf eine vertiefte rechtliche Begleitung im Nachprüfungsverfahren durch einen Anwalt angewiesen war. Die im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen waren jedenfalls hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit b) VgV komplex und selbst von einem Bieter, der in europaweiten Ausschreibungen mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung bewandert ist, nicht ohne anwaltliche Beratung zu bewältigen.
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Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB.
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Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Die Beigeladene hat sich den Anträgen der Antragsgegnerin angeschlossen und sich damit gerade nicht mit demselben Rechtsschutzziel wie die obsiegende Antragstellerin am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Daher hat sie ihre Aufwendungen selbst zu tragen.