Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 20.12.2022 – Au 7 S 22.2189
Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtvorlage eines Fahreignungsgutachtens (Depression, Schlafapnoe) - einstweiliger Rechtsschutz

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 2 Abs. 8, § 3 Abs. 1 S. 1, S. 3
FeV § 11 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Abs. 8, § 46 Abs. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 7.5, Nr. 9.6, Nr. 11.2.3
Leitsätze:
1. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war. Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens (vgl. VGH München BeckRS 2022, 12057 Rn. 17 mwN). (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beibringungsanordnung setzt nicht voraus, dass eine Erkrankung oder ein Mangel iSv § 11 Abs. 2 S. 2 FeV bereits feststeht. Es genügt der Hinweis auf eine Erkrankung nach Anl. 4 FeV bzw. ein Anfangsverdacht, also das Bestehen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte; dagegen darf es nicht auf einen bloßen Verdacht "ins Blaue hinein" bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden. Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (stRspr vgl. VGH München BeckRS 2022, 204 Rn. 20 mwN). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Fahrerlaubnisbehörde darf nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FeV neben einem angeordneten ärztlichen Gutachten nicht gleichzeitig eine medizinisch-psychologischen Untersuchung fordern, sondern erst dann, wenn diese nach Würdigung des zunächst nach § 11 Abs. 2 FeV eingeholten ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich ist. In dem Umstand, dass die medizinisch-psychologische Begutachtung von der Würdigung eines ärztlichen Gutachtens abhängt, kommt ein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragendes Stufenverhältnis zwischen der ärztlichen und der – eingriffsintensiveren – medizinisch-psychologischen Begutachtung zum Ausdruck (vgl. VGH München BeckRS 2021, 7392 Rn. 16 f. mwN). Ist danach eine Anordnung nur teilweise zu Unrecht erfolgt, ist die Beibringungsanordnung insgesamt rechtswidrig. (Rn. 67 und 68) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, mangelnde Fahreignung, Depression, Schlafapnoe, Anordnung eines ärztlichen Gutachtens (rechtmäßig), gleichzeitige Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in Form einer verkehrspsychologischen Leistungstestung (rechtswidrig), Rechtswidrigkeit der Beibringungsanordnung insgesamt, Rechtmäßigkeit der Anordnung, feststehende Erkrankung, zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, Einzelfallwürdigung, gleichzeitige medizinisch-psychologische Untersuchung, Vorrang ärztliches Gutachten, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Stufenverhältnis, Anordnung nur teilweise zu Unrecht
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46367

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (Au 7 K 22.2188) gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 10. November 2022 wird hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 3 des Bescheids angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
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1. Dem am ... geborenen Antragsteller wurde am 30. November 1990 eine Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3 erteilt.
3
Durch ein Schreiben des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 9. Mai 2022 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts ... (Landratsamt) bekannt, dass der Antragsteller das Amtsgericht am selben Tag mit einem beigefügten Telefax von einem Suizidversuch mit seinem PKW informiert habe. Das Amtsgericht bat das Landratsamt um Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen. Im beigefügten Telefax vom 9. Mai 2022 gab der Antragsteller an, dass er am 8. Mai 2022 um 10.30 Uhr nahe G. mit seinem PKW nicht angeschnallt und mit überhöhter Geschwindigkeit „einen leider missglückten Suizidversuch“ unternommen habe; zu diesem Suizidversuch hätten neben dem Amtsgericht Kaufbeuren auch das Landgericht Kempten, das Amtsgericht München bzw. das Landgericht München sowie das Bundesverfassungsgericht aktiv beigetragen. Konkret betreibe das Amtsgericht Kaufbeuren ein „inszeniertes“ Strafverfahren wegen angeblicher übler Nachrede zulasten einer „Abzockanwältin“ gegen ihn und versuche, ihm seine Meinung zu nehmen.
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Mit Schreiben vom 2. Juni 2022 (Betreff u.a. „Überprüfung ihrer Fahreignung“) forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Hinweis auf sein Schreiben an das Amtsgericht Kaufbeuren zur Vorlage eines Attests des Hausarztes bis zum 16. Juni 2022 auf. Das Attest sollte u.a. sämtliche Diagnosen sowie einen aktuellen Medikamentenplan beinhalten.
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Daraufhin legte der Antragsteller dem Landratsamt u.a. einen Bericht des Bezirkskrankenhauses (BKH) ... vom 14. Januar 2022 vor. Demnach habe er sich dort vom 30. Dezember 2021 bis zum 21. Januar 2022 erstmals in stationär-psychiatrischer Behandlung befunden. Als Diagnose war „F33.2 Rezidivierende depressive Störung, ggf. schwere Episode ohne psychotische Symptome“ angegeben. Unter „Anlass der Aufnahme“ bzw. „Aktuelle Vorgeschichte“ war ausgeführt, dass der Antragsteller wegen einer aktuellen Krise mit Suizidgedanken freiwillig zur stationären Aufnahme gekommen sei. Unter „Psychiatrische Anamnese“ war angegeben, dass der Antragsteller sich bereits zweimal (2001, 2018) aufgrund depressiver Symptome mit Suizidversuch durch Tablettenintoxikation in stationär-psychiatrischer Behandlung befunden habe. Vom 24. Januar 2019 bis zum 28. Februar 2019 sei er in stationärer psychosomatischer Behandlung gewesen. Unter „Therapie und Verlauf“ war angegeben, dass der Antragsteller auf eigenen Wunsch in gebessertem Allgemeinzustand in die weitere ambulante Behandlung nach Hause entlassen worden sei. Zum Zeitpunkt der Entlassung habe es keinen Anhalt für Suizidalität oder Fremdgefährdung gegeben. Als „Medikation bei Entlassung“ war „Venlafaxin ret.mg 150-37,5-0-0“ sowie „Promethazin Trpf. 10-20 bei Bedarf bis max. 3x/Tag“ angegeben.
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Zudem legte der Antragsteller einen Befundbericht des BKH ... vom 30. Mai 2022 für die Deutsche Rentenversicherung vor. Hier war als Diagnose ebenfalls „Rezidiv. depress. Störung, schwere Episode ohne psychot. Symptome (ICD-10 F33.2)“ angegeben. Zugleich war aber vermerkt, dass der letzte Patientenkontakt am 21. Januar 2022 stattgefunden habe und der Krankheitsverlauf seit der Entlassung des Antragstellers im Januar 2022 nicht beurteilt werden könne.
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Mit Schreiben vom 21. Juni 2022 forderte das Landratsamt den Antragsteller sodann auf, einen aktuellen Bericht des Hausarztes oder – soweit er dort noch in Behandlung sei – des BKH ... bis zum 5. Juli 2022 vorzulegen, der den Anforderungen aus dem behördlichen Schreiben vom 2. Juni 2022 entspricht.
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Am 13. Juli 2022 legte der Antragsteller ein Attest einer ... Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 11. Juli 2022 vor. Demnach seien beim Antragsteller, der sich dort seit Juli 2020 in Behandlung befinde, folgende Diagnosen bekannt:
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„1. Majore Depression, rezidivierend (F33.2), Datum ED unbekannt, jedoch anamnestisch seit vielen Jahren mit
2. Z.n. Suizidversuch (mehrfach) (Z91.8G), Datum ED unbekannt
3. Allergisches Asthma (J45.0), Datum ED unbekannt, anamnestisch
4. Schlafapnoe (G47.39G), Datum ED unbekannt, anamnestisch
5. Unklare Transaminasenerhöhung (R74.0G), Datum ED unbekannt, anamnestisch“
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Im Attest war u.a. ausgeführt, dass der Medikationsplan aus dem Bericht des BKH ... vom Januar 2022 nach Auskunft des Antragstellers inzwischen durch den behandelnden Facharzt für Psychiatrie um „Tianeptin 25 mg 1-0-0“ ergänzt worden sei. In einem dem Attest beigefügten Medikamentenplan des Neurozentrums ... vom 2. Juli 2020 war „Venlafaxin 225 mg ret 1-0-0-0“ und „Lamotrigin 100 mg 1-0-0-0“ sowie nach sieben Tagen „Lamotrigin 50 mg 1-0-0-0“ und „Quetiapin 50 mg ret 0-0-1-0“ angegeben. Im Medikamentenplan waren die Eintragungen bis auf „Venlafaxin 225 mg ret 1-0-0-0“ händisch durchgestrichen worden, wobei bei Venlafaxin die Angabe „225 mg“ handschriftlich auf „185 mg“ geändert worden war.
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Am 15. Juli 2022 ging beim Landratsamt noch ein Schreiben der den Antragsteller behandelnden Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 14. Juli 2022 ein. Demnach befinde sich der Antragsteller dort seit Oktober 2017 unregelmäßig in Behandlung, die letzte Behandlung habe am 31. Mai 2022 stattgefunden. Unter „Psychischer Befund“ war „Bewusstseinsklar, in allen Qualitäten orientiert. Keine Wahrnehmungsstörung, keine Denkstörung. Wechselnde Stimmungslage, in der Vergangenheit mehrfach depressive Episoden. Aktuell war die Stimmungslage gebessert.“ angegeben. Als Diagnosen war „Remittierte Depression F32.9 G“ angegeben. Als Medikamente seien „Venlafaxin 150 mg 1x1“, „Venlafaxin 37,5 mg 1x1“ und „Tianeptin 12,5 mg 3x1“ verschrieben worden. Es bestehe kein Zweifel an der Medikamenteneinnahme, die regelmäßig erfolge.
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2. Mit Schreiben vom 26. Juli 2022 – zugestellt am 29. Juli 2022 – ordnete das Landratsamt sodann an, dass der Antragsteller bis zum 10. Oktober 2022 ein verkehrsmedizinisches Gutachten eines Arztes an einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen hat. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die vorliegenden ärztlichen Dokumente (Diagnosen: Depression, Schlafapnoe) Tatsachen darstellten, die nach den Nrn. 7.5, 11.2.3 und 9.6 der Anlage 4 zur FeV Bedenken gegen die körperliche oder geistige Fahreignung begründeten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV). Beim Antragsteller bestehe der dringende Verdacht, dass relevante negative Folgen bzw. Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit durch die Krankheit bestehen. Insbesondere habe er selbst ausgeführt, dass er in suizidaler Absicht gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Nach Abwägung der persönlichen Belange des Antragstellers und des öffentlichen Interesses der Verkehrssicherheit sei die Beibringungsanordnung getroffen worden. Das Gutachten sollte folgende Fragen klären:
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„1. Ist der [Antragsteller] trotz des Vorliegens von Erkrankungen (Depression, Schlafapnoe), die nach den Nrn. 7.5 und 11.2.3 der Anlage FeV die Fahreignung in Frage stell[en], (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 vollständig gerecht zu werden?
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2. Liegt eine ausreichende Compliance (u.a. Krankheitseinsichtigkeit, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßige überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf – ggf. selbstinduzierte Unter- oder Überdosierung]) vor und wird diese auch umgesetzt (Adhärenz)?
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3. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppen 1 und 2 weiterhin gerecht zu werden?
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4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten (Nach-)Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?“
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Ferner ordnete das Landratsamt mit demselben Schreiben im Hinblick auf eine bestehende Dauerbehandlung mit Arzneimitteln (Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV) zur Prüfung der psycho-physischen Leistungsfähigkeit gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in Form einer verkehrspsychologischen Leistungstestung ebenfalls bis zum 10. Oktober 2022 an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei einer Dauerbehandlung mit Arzneimitteln wie beim Antragsteller die psycho-physische Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs beeinträchtigt sein könne. Zudem könnten sich die beim Antragsteller diagnostizierten Erkrankungen auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Dieses Gutachten sollte folgende Fragen klären:
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„Liegt – vor dem Hintergrund einer möglichen Wahrnehmungsbeeinträchtigung und der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln (Venlafaxin, Tianeptin) – die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppen 1 und 2 vor?
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Andernfalls kann, sofern nicht bereits aus medizinischer Sicht die Fahreignung ausgeschlossen ist, eine Kompensation mittels Fahrverhaltensbeobachtung geprüft werden.
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Ist unter Berücksichtigung besonderer Umstände (z.B. grenzwertige Prozentränge, gesundheitliche Risikofaktoren, altersbedingter Leistungsabbau) eine fachlich einzelfall-begründete Nachuntersuchung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 notwendig? Wenn ja, in welchem zeitlichen Abstand?“
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Abschließend wies das Landratsamt u.a. darauf hin, dass es gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung zum Führen von (Kraft-)fahrzeugen schließen könne, wenn der Antragsteller sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt; dies hätte zur Folge, dass der „Führerschein“ entzogen werden müsse.
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Nachdem der Antragsteller vergeblich versucht hatte, sich verwaltungsgerichtlich (Az. Au 7 K 22.1563; Au 7 E 22.1564) gegen die behördliche Beibringungsanordnung zu wenden, übersandte er schließlich dem Landratsamt im Nachgang an eine behördliche Hinweis-E-Mail vom 10. August 2022 eine unterzeichnete Einverständniserklärung, nach der die Begutachtung durch den DEKRA e.V. ... in ... stattfinden sollte. Mit E-Mail vom 1. September 2022 übersandte der Antragsteller dem Landratsamt eine Ablichtung eines Schreibens der Begutachtungsstelle vom 31. August 2022. Hiernach werde zur Erstellung des Fahreignungsgutachtens noch ein ärztlicher Befund zur Kontrolle bei einem Schlafapnoe-Syndrom benötigt; der Antragsteller wurde um Vorlage bis zum 15. September 2022 gebeten. Auf dem Schreiben hatte der Antragsteller handschriftlich „Erstmöglicher Termin: 26.09.2022 um 15.30 h!“ vermerkt und seine Unterschrift beigefügt.
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Nachdem der Antragsteller bis zu diesem Zeitpunkt kein Fahreignungsgutachten beigebracht hatte, hörte ihn das Landratsamt mit Schreiben vom 12. Oktober 2022 zur Entziehung der Fahrerlaubnis an. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Oktober 2022 gegeben.
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Mit E-Mail vom 14. Oktober 2022 teilte der Antragsteller dem Landratsamt u.a. mit, dass er sich mit dem „Brief vom 12.10.“ „den Hintern abgewischt habe“. Er werde seinen Führerschein nicht abgeben, „eher fresse [er] ihn auf“. Es stehe außer Frage, dass er „führerscheintauglich“ sei; lediglich eine Prüfung des Apnoegeräts stehe noch aus. Er sei derzeit auch durch Aktionen wie des Landratsamts arbeitslos und mit wichtigeren Dingen beschäftigt, „als [sich] mit derartigem ‚Rotz‘ zu beschäftigen.“ Das Landratsamt solle tun, was es meine, tun zu müssen.
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Mit E-Mail vom 15. Oktober 2022 übersandte der Antragsteller dem Landratsamt eine unterzeichnete Erklärung, dass es dem Landratsamt gestattet sei, bei der Begutachtungsstelle den Stand der Begutachtung zu erfragen und für ihn einen Termin beim MVZ ... zu vereinbaren, da er vom 15. Oktober 2022 bis 31. Oktober 2022 in Urlaub und zum Zeitpunkt des zuerst vereinbarten Termins „coronapositiv“ gewesen sei.
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Mit E-Mail vom 27. Oktober 2022 teilte der Antragsteller dem Landratsamt mit, dass ein neuer Termin beim MVZ ... erst am 2. Februar 2023 möglich sei.
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Auf eine Sachstandsanfrage des Landratsamts bereits vom 18. Oktober 2022 hin teilte die Begutachtungsstelle schließlich am 7. November 2022 mit, dass eine Begutachtung des Antragstellers bereits stattgefunden habe. Ein Gutachten sei bislang jedoch nicht erstellt worden, da die zuständige Ärztin der Begutachtungsstelle noch bis einschließlich der 45. KW (7.-13.11.2022) erkrankt sei. Die leistungspsychologische Begutachtung habe mit positivem Ergebnis stattgefunden. Die durch die Begutachtungsstelle mit Schreiben vom 31. August 2022 beim Antragsteller angeforderten aktuellen Befundberichte des Schlaflabors seien der Begutachtungsstelle bislang nicht vorgelegt worden. Der Antragsteller habe bisher lediglich eine Bescheinigung seiner Psychologin hinsichtlich der Depressionen eingereicht.
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3. Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 10. November 2022 – zugestellt am 12. November 2022 – wurde dem Antragsteller daraufhin die Fahrerlaubnis sämtlicher Klassen entzogen (Nr. 1). Der Führerschein sei spätestens drei Tage nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall einer nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld i.H.v. EUR 500,- angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4).
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Zur Begründung wurde u.a. angeführt, dass von der nicht fristgerechten Vorlage eines Fahreignungsgutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers geschlossen werde (§ 11 Abs. 8 FeV). Eine Fristverlängerung bis zur Vorlage der aktuellen Befundberichte hinsichtlich der Schlafapnoe durch den Antragsteller bei der Begutachtungsstelle könne im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherheit nicht gewährt werden, zumal die Begutachtungsstelle nicht habe bestätigen können, dass die Fahreignung hinsichtlich der diagnostizierten Depressionen gegeben sei.
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Am 16. November 2022 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 10. November 2022 Klage erhoben (Az. Au 7 K 22.2188), über die noch nicht entschieden ist.
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4. Ebenfalls am 16. November 2022 hat der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Beantragt ist (sinngemäß),
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 10. November 2022 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Er habe sich der behördlich angeordneten Fahreignungsüberprüfung unterzogen. Die psychologischen Reaktionstests seien zu seinen Gunsten ausgefallen. Vorbehaltlich der Compliance mit seiner ambulanten Psychotherapeutin, die hierzu um Stellungnahme gebeten werden sollte, habe es allein aufgrund der Depressionen keine Beanstandungen gegeben. Der Bescheid des Landratsamts sei insoweit falsch, da seine Psychotherapeutin gegenüber der Begutachtungsstelle ein für ihn positives Votum abgegeben habe. Den Termin am 27. September 2022 im Schlaflabor des MVZ ... habe er aufgrund eines positiven COVID-Schnelltests mit Symptomen nicht wahrnehmen können. Ein zunächst mitgeteilter Ersatztermin am 9. Februar 2023 sei am 15. November 2022 auf den 17. November 2022 vorgezogen worden. Dem Landratsamt sei es im Rahmen seines Ermessensspielraums zuzumuten gewesen, ihm eine Fristverlängerung bis zum 20. Dezember 2022 zu gewähren, zumal auch die Begutachtungsstelle sich aufgrund der Erkrankung der dortigen Ärztin nicht in der Lage gesehen habe, kurzfristig das beauftragte Fahreignungsgutachten zu erstellen. Zudem habe die Begutachtungsstelle bislang auch dem Schlaflabor Informationen zur Notwendigkeit einer Vigilanzkontrolle nicht gegeben. Die Begutachtungsstelle arbeite nach alledem mangelhaft. Das Landratsamt habe letztlich den schriftlichen Nachweis zu erbringen, dass es die Begutachtungsstelle um eine Teileinschätzung zur Fahreignung hinsichtlich der mittelgradigen Depression gebeten und sodann von dieser eine negative Einschätzung hierzu erhalten habe. Das Fehlen einer Einschätzung der Begutachtungsstelle stehe einer negativen Einschätzung nicht gleich. Allein eine negative Einschätzung sei jedoch der Schwere des Eingriffs der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis angemessen. Hinsichtlich der Suizidalität gelte, dass er erst nach dem Begutachtungstermin Zugang zu dem psychiatrischen Gutachten des BKH ... vom 22. April 2022 erhalten habe, das von einer Kontrollierbarkeit seiner Symptomatik ausgehe und daher für seine Fahreignung spreche. Dieses der Begutachtungsstelle und dem Landratsamt nachgereichte Gutachten sei im streitgegenständlichen Entziehungsbescheid noch nicht berücksichtigt.
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5. Das Landratsamt ... beantragt für den Antragsgegner,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtmäßig. Der Vortrag des Antragstellers, dass die Begutachtungsstelle hinsichtlich der Depressionen keine Beanstandungen erhoben habe, sei nicht nachgewiesen, insbesondere sei kein entsprechender (Zwischen- bzw. Teil-)Bericht der Begutachtungsstelle vorgelegt worden. Auch die beim Landratsamt erst nach Bescheiderlass eingereichten Dokumente führten zu keinem anderen Ergebnis. Dem Attest, das die Psychotherapeutin des Antragstellers am 13. September 2022 an die Begutachtungsstelle gesandt habe, sei zwar zu entnehmen, dass der Antragsteller aus Sicht der Psychotherapeutin hinsichtlich der depressiven Symptomatik über Krankheitseinsicht und ein angemessenes Problembewusstsein verfüge; eine Beurteilung der Frage, ob dies als ausreichend im verkehrsmedizinischen Sinne zu betrachten sei, obliege jedoch der Begutachtungsstelle. Eine diesbezügliche Einschätzung liege dem Landratsamt jedoch – wie ausgeführt – weiterhin nicht vor. Ebenso verhalte es sich mit dem erst nach Bescheiderlass vorgelegten psychiatrischen Gutachten des BKH ... vom 22. April 2022.
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6. Dem durch den Antragsteller am 13. November 2022 dem Landratsamt und der Begutachtungsstelle zugeleiteten psychiatrischen Gutachten des BKH ... vom 22. April 2022 – beauftragt durch das Amtsgericht Kaufbeuren als Strafgericht – ist zu entnehmen, dass beim Antragsteller eine rezidivierende depressive Störung bestehe. Zum Zeitpunkt der Exploration sei eine leichte bis mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F33.1) festzustellen gewesen. Im Falle einer Gerichtsverhandlung bestehe beim Antragsteller ein konkretes Suizidrisiko. Ausweislich eines ebenfalls vorgelegten Schreibens des Antragstellers an die Staatsanwaltschaft K. hatte er im Rahmen einer Einsicht in seine Strafakte bereits am 27. September 2022 Kenntnis von dem psychiatrischen Gutachten erlangt.
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Dem durch den Antragsteller am 22. November 2022 dem Landratsamt und der Begutachtungsstelle zugeleiteten Attest der ihn behandelnden Psychologischen Psychotherapeutin vom 13. September 2022 ist als Diagnose „Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1 G)“ zu entnehmen. Er sei dort seit dem 12. Juli 2022 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und nehme wöchentliche Termine wahr. Unter „Zusammenfassende Beurteilung“ ist angegeben, dass der Antragsteller über eine Krankheitseinsicht und angemessenes Problembewusstsein hinsichtlich der depressiven Symptomatik verfüge.
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7. Nach Aktenlage hat der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt bislang nicht abgeliefert. Ob – wie der Antragsteller beim Landratsamt vorgetragen hat – der Führerschein tatsächlich im Zuge einer Unterbringung des Antragstellers durch die Polizei aufgrund Selbstgefährdung am 11. November 2022 polizeilich beschlagnahmt worden ist, ist nach Aktenlage unklar. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
40
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat Erfolg.
41
1. Das Landratsamt hat zwar bei der Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten formellen Begründungsanforderungen in ausreichender Weise Rechnung getragen.
42
An den Inhalt der schriftlichen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16; B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13 m.w.N.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55, 46). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn. 20).
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Diesen Anforderungen hat das Landratsamt vorliegend hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 des Bescheids genügt. Es ist davon ausgegangen, dass ein dringendes öffentliches Interesse daran bestehe, dass der Antragsteller nicht weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnimmt. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs sei höher zu bewerten als etwaige Belange des Antragstellers. Anderenfalls sei zu befürchten, dass andere Verkehrsteilnehmer in ihrer körperlichen Unversehrtheit oder in ihrem Vermögen ernstlich gefährdet werden, falls der Antragsteller bis zu einer etwaigen gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnimmt (Behördenakte S. 266).
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2. Jedoch geht die im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zugunsten des Antragstellers aus.
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Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt im Rahmen einer summarischen Prüfung als rechtswidrig und verletzt er den Betroffenen in seinen Rechten, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig zu verneinen. Bestehen umgekehrt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts und liegen ausreichende Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs vor, ist der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel abzulehnen. Bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind die Vollzugsinteressen gegen die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen abzuwägen.
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Hiervon ausgehend ist die Entziehungsentscheidung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses bei summarischer Überprüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
47
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde.
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Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u.a. angeordnet werden, wenn nach Würdigung des ärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten zusätzlich erforderlich ist.
49
Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 11 ZB 21.1964 – juris Rn. 14, 16 f.).
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Hiervon ausgehend waren vorliegend zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV nach Aktenlage nicht gegeben.
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aa) Die Beibringungsanordnung vom 26. Juli 2022 (Behördenakte S. 55-62) war zwar formell rechtmäßig.
52
Der Antragsteller konnte der Beibringungsanordnung entnehmen, was konkret ihr Anlass war, und prüfen, ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 – juris Rn. 21). So hat das Landratsamt in der Beibringungsanordnung ausführlich den Verfahrensgang und den Inhalt des Schreibens des Antragstellers an das Amtsgericht Kaufbeuren sowie der vorgelegten ärztlichen Dokumente nebst Diagnosen (Depressionen, Schlafapnoe-Syndrom) und Medikation (Venlafaxin, Tianeptin) wiedergegeben. Ferner hat es die Aussagen der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung zu den in den vorgelegten ärztlichen Dokumenten enthaltenen Diagnosen (Depressionen, Schlafapnoe-Syndrom) bzw. der sich hieraus ableitenden Sachlage (Dauerbehandlung mit Arzneimitteln) wiedergegeben und auch die einschlägigen Nrn. 7.5, 11.2.3 und 9.6 der Anlage 4 zur FeV benannt. Sodann hat das Landratsamt ausgeführt, dass beim Antragsteller der dringende Verdacht bestehe, dass die wiedergegebenen negativen Folgen bzw. Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit durch die Krankheit bestehen. Insbesondere habe er selbst ausgeführt, dass er in suizidaler Absicht gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Zur Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens in Form einer verkehrspsychologischen Leistungstestung hat das Landratsamt gesondert ausgeführt, dass die beim Antragsteller gegebene Dauermedikation die psycho-physische Leistungsfähigkeit und damit die Fahreignung beeinträchtigen könne, so dass dies durch eine Begutachtung zu klären sei, zumal sich auch die beim Antragsteller diagnostizierten Erkrankungen auf die Leistungsfähigkeit auswirken könnten.
53
Die Beibringungsanordnung war auch mit dem nach § 11 Abs. 8 FeV erforderlichen Hinweis auf die Folgen einer nicht fristgemäßen Beibringung der geforderten Fahreignungsgutachten versehen. Ebenso wenig waren die jeweiligen Fragestellungen zu beanstanden. Weiter war auch die Länge der Beibringungsfrist von etwa zwei Monaten und zwei Wochen grundsätzlich ausreichend bemessen (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1782 – ZfSch 2021, 56 – juris Rn. 3, 18; 2 Monate).
54
bb) Die Beibringungsanordnung vom 26. Juli 2022 war jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung materiell rechtswidrig.
55
(1) Soweit es die angeordnete Beibringung eines ärztlichen Gutachtens betrifft, hat das Landratsamt diese zwar zutreffend auf § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV gestützt. Hiernach kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen.
56
Die Beibringungsanordnung setzt nicht voraus, dass eine Erkrankung oder ein Mangel im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV bereits feststeht (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2021 – 11 CS 21.1727 – juris Rn. 19 m.w.N.). Es genügt der Hinweis auf eine Erkrankung nach Anlage 4 zur FeV (§ 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 FeV) bzw. ein Anfangsverdacht (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78 – juris Rn. 22; U.v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230 – juris Rn. 17), also das Bestehen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte. Allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteile, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden. Ob die der Behörde vorliegenden Tatsachen ausreichen, ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 5.1.2022 – 11 CS 21.2692 – juris Rn. 20).
57
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze war die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens im Fall des Antragstellers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beibringungsanordnung grundsätzlich nicht zu beanstanden.
58
(a) Dies gilt zunächst mit Blick auf die psychische Erkrankung des Antragstellers.
59
Nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung bei allen (akuten) Manien und (akuten) sehr schweren Depressionen nicht gegeben. Gemäß Nr. 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung nach Abklingen der manischen Phase und der relevanten Symptome einer sehr schweren Depression gegeben, wenn nicht mit einem Wiederauftreten gerechnet werden muss, ggf. unter medikamentöser Behandlung. Nach Nr. 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (VkBl S. 110) in der Fassung vom 17. Februar 2021 (VkBl. S. 198) sind bei jeder sehr schweren Depression, die z.B. mit depressiv-wahnhaften, depressiv-stuporösen Symptomen oder mit akuter Suizidalität einhergeht, und bei allen manischen Phasen die für das Kraftfahren notwendigen psychischen Fähigkeiten so erheblich herabgesetzt, dass ein ernsthaftes Risiko des verkehrswidrigen Verhaltens besteht. Nach Abklingen der manischen Phase und wenn die relevanten Symptome einer sehr schweren Depression nicht mehr vorhanden sind und – ggf. unter regelmäßig kontrollierter medikamentöser Prävention – mit ihrem Wiederauftreten nicht mehr gerechnet werden muss, ist in der Regel von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen. Auswirkungen der antidepressiven Pharmakotherapie sind zu berücksichtigen, insbesondere in den ersten Tagen nach rascher Dosissteigerung.
60
Hiervon ausgehend ergaben sich vorliegend zum Zeitpunkt der Beibringungsanordnung aus den dem Landratsamt vorliegenden Informationen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass beim Antragsteller eine die Fahreignung ausschließende Depression gegeben sein könnte.
61
Insoweit ist zunächst auf den vorgelegten Bericht des BKH ... vom 14. Januar 2022 (Behördenakte S. 16-19) zu verweisen, nach dem beim Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt die Diagnose „F33.2 Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtige schwere Episode ohne psychotische Symptome“ gegeben war. Der Antragsteller hatte sich dort wegen einer aktuellen Krise mit Suizidgedanken freiwillig in stationäre Behandlung begeben (Aufenthalt: 30.12.2021 – 21.1.2022). Im genannten Bericht war zudem unter „Psychiatrische Anamnese“ angegeben, dass der Antragsteller sich bereits zweimal (2001, 2018) aufgrund depressiver Symptome mit Suizidversuch durch Tablettenintoxikation in stationär-psychiatrischer Behandlung befunden hatte. Sodann war das Telefax des Antragstellers vom 9. Mai 2022 an das Amtsgericht Kaufbeuren (Behördenakte S. 3) zu berücksichtigen, in dem der Antragsteller selbst angegeben hat, am 8. Mai 2022 um 10.30 Uhr nahe ... mit seinem PKW nicht angeschnallt und mit überhöhter Geschwindigkeit „einen leider missglückten Suizidversuch“ unternommen zu haben; ein solcher Suizidversuch ist aus Sicht des Gerichts ohne weiteres ein tatsächlicher Anhaltspunkt, dass beim Antragsteller am 8. Mai 2022 eine die Fahreignung ausschließende sehr schwere depressive Episode gegeben gewesen sein könnte. Ferner war auch dem vorgelegten Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 11. Juli 2022 (Behördenakte S. 50-52) zu entnehmen, dass beim Antragsteller anamnestisch seit vielen Jahren die Diagnose „Majore Depression, rezidivierend (F33.2)“ mit mehrfachen Suizidversuchen (Z91.8G) bekannt ist. Angesichts des ICD-10-Diagnosekürzels (F33.2) nahm trotz anderer Wortwahl („Majore Depression“) auch die Fachärztin für Allgemeinmedizin auf das Vorliegen der Diagnose „Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome“ Bezug. Den Anfangsverdacht einer die Fahreignung ausschließenden psychischen Erkrankung konnte auch das zuletzt vorgelegte Schreiben der den Antragsteller behandelnden Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 14. Juli 2022 (Behördenakte S. 48) nicht ausräumen. Zwar enthält dieses Schreiben als Diagnose „Remittierte Depression F32.9 G“, d.h. eine zurückgehende, nicht näher bezeichnete depressive Episode (siehe Bundesministerium für Gesundheit, https://gesund.bund.de/icd-code-suche/f32-9). Jedoch blieb angesichts des verwendeten ICD-10-Diagnosecodes („nicht näher bezeichnete depressive Episode“) der Schweregrad der beim Antragsteller beim letzten Patientenkontakt am 31. Mai 2022 gegebenen Depression offen. Selbst wenn man angesichts der Verwendung des Begriffs „remittiert“ davon ausgeht, dass der Antragsteller am 31. Mai 2022 keine depressiven Symptome (mehr) hatte und bei ihm somit zum damaligen Zeitpunkt keine akute sehr schwere Depression i.S.v. Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV mehr gegeben war, bestanden vorliegend jedoch zum Zeitpunkt der Beibringungsanordnung gerade mit Blick auf die dargelegte Vorgeschichte des Antragstellers (auch die Fachärztin führt in ihrem Schreiben aus: „in der Vergangenheit mehrfach depressive Episoden“) jedenfalls zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass beim Antragsteller mit einem Wiederauftreten einer sehr schweren Depression gerechnet werden musste und daher seine Fahreignung nach Nr. 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV ausgeschlossen sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2006 – 11 CS 06.837 – juris Rn. 32). Denn eine hinreichende Stabilisierung des Antragstellers war im Schreiben der Fachärztin vom 14. Juli 2022 nicht dargelegt. Zwar ging sie von einer aktuell – d.h. am letzten Behandlungstag des 31. Mai 2022 – gebesserten Stimmungslage des Antragstellers aus; zugleich wies sie jedoch auf eine wechselnde Stimmungslage des Antragstellers hin. Auch die bloße Angabe der Fachärztin, dass kein Zweifel an der regelmäßigen Medikamenteneinnahme des Antragstellers bestehe, war nicht geeignet, eine hinreichende Stabilisierung des Antragstellers darzulegen, zumal es offenbar auch unter Einnahme des durch das BKH ... bei Entlassung im Januar 2022 verschriebenen Medikaments „Venlafaxin“ zum Suizidversuch des Antragstellers am 8. Mai 2022 gekommen war.
62
(b) Auch mit Blick auf die Schlafapnoe des Antragstellers ist die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens nach Aktenlage grundsätzlich zurecht angeordnet worden.
63
Nach Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV ist bei einem mittelschweren bzw. schweren obstruktiven Schlafapnoe Syndrom (OSAS) ohne geeignete Therapie keine Fahreignung gegeben. Dabei sieht Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV bei einem OSAS die Möglichkeit vor, als Beschränkung bzw. Auflage eine ärztliche Begutachtung oder regelmäßige ärztliche Kontrollen vorzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 11 CS 19.2518 – juris Rn. 17; Nr. 3.11.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung).
64
Vorliegend war zwar im Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 11. Juli 2022 (Behördenakte S. 50-52) lediglich die Diagnose „Schlafapnoe (G47.39G), Datum ED unbekannt, anamnestisch“ aufgeführt. Nach dem ICD-10-Diagnosecode G47.39 war somit eine nicht näher bezeichnete Schlafapnoe gegeben (siehe Bundesministerium für Gesundheit, https://gesund.bund.de/icd-code-suche/g47-39), d.h. der Schweregrad der Erkrankung war unklar. Hiervon ausgehend lagen gleichwohl zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass im Fall des Antragstellers ein mittelschweres bzw. schweres obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS) gegeben sein könnte, das nicht geeignet therapiert wird und damit die Fahreignung ausschließt. Denn im vorgelegten Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin vom 11. Juli 2022 war ausgeführt, dass sonstige Befunde zum Gesundheitszustand des Antragstellers in der Praxis nicht vorliegen. Ferner war im fachärztlichen Schreiben vom 14. Juli 2022 (Behördenakte S. 48) angegeben, dass ein Hausarzt dort nicht bekannt war. Nachdem auch der Antragsteller selbst dem Landratsamt am 30. Juni 2022 mitgeteilt hatte, keinen Hausarzt zu haben (Behördenakte S. 31), bestanden somit keine weiteren Möglichkeiten für das Landratsamt, im Wege einer Vorabklärung nähere Informationen zur Schlafapnoe-Erkrankung des Antragstellers einzuholen. In dieser Situation musste das Landratsamt zudem davon ausgehen, dass die Schlafapnoe-Erkrankung des Antragstellers zum damaligen Zeitpunkt nicht durch einen Arzt therapiert wurde. Sodann war es jedoch sachgerecht und insbesondere nicht unverhältnismäßig, ein ärztliches Gutachten anzuordnen, um zu klären, ob beim Antragsteller ein mittelschweres bzw. schweres obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS) gegeben ist, das mangels geeigneter Therapie die Fahreignung ausschließt.
65
(2) Jedoch ist nach Aktenlage die zusätzlich zur gleichzeitig erfolgten Anordnung eines ärztlichen Gutachtens auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV gestützte Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in Form einer verkehrspsychologischen Leistungstestung rechtswidrig.
66
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u.a. angeordnet werden, wenn nach Würdigung des ärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten zusätzlich erforderlich ist. Die Prüfung der psycho-physischen Leistungsfähigkeit und eventueller Kompensationsmöglichkeiten kann grundsätzlich nicht von einem ärztlichen Gutachter durchgeführt werden, sondern muss regelmäßig von einem Psychologen im Rahmen einer ggf. zusätzlich anzuordnenden medizinisch-psychologischen Begutachtung aufgeklärt werden (vgl. Nr. 2.5 der Begutachtungsleitlinien; vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2017 – 11 CS 17.1150 – juris Rn. 17; B.v. 11.3.2015 – 11 CS 15.82 – juris Rn. 17).
67
Vorliegend entspricht die zusätzliche Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in Form einer verkehrspsychologischen Leistungstestung zu einem gleichzeitig angeordneten ärztlichen Gutachten jedoch nicht den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung. Denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV darf die Behörde eine medizinisch-psychologische Untersuchung erst fordern, wenn diese nach Würdigung eines zunächst nach § 11 Abs. 2 FeV eingeholten ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich ist. Daher hätte eine medizinisch-psychologische Untersuchung der Leistungsfähigkeit des Antragstellers erst nach Würdigung des ärztlichen Gutachtens i.S.v. § 11 Abs. 2 FeV angeordnet werden dürfen (vgl. amtl. Begründung zu § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV: BR-Drs. 443/98 v. 7.5.1998, S. 256). In dem Umstand, dass die medizinisch-psychologische Begutachtung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV von der Würdigung eines ärztlichen Gutachtens abhängt, kommt ein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragendes Stufenverhältnis zwischen der ärztlichen und der – eingriffsintensiveren – medizinisch-psychologischen Begutachtung zum Ausdruck. Für ein gestuftes Vorgehen spricht auch die Vorbemerkung 2 der Anlage 4 zur FeV. Danach ist Grundlage der im Rahmen der §§ 11, 13 oder 14 FeV vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel ein ärztliches Gutachten und nur in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 30.3.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 16 f. unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69 – juris Rn. 55; BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 11 ZB 20.1137 – ZfSch 2021, 56 – juris Rn. 15 f.; B.v. 22.5.2019 – 11 C 19.437 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 24.5.2022 – M 19 S 22.1607 – juris Rn. 35; B.v. 7.2.2017 – M 26 S 17.87 – juris Rn. 31; VG Ansbach, B.v. 9.11.2020 – AN 10 S 20.1788 – juris Rn. 35; VG Würzburg, B.v. 13.2.2014 – W 6 S 14.62 – juris Rn. 31; VG Augsburg, B.v. 23.6.2004 – Au 3 S 04.881 – juris Rn. 17; Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. 2022, Stand 20.12.2022, § 11 FeV Rn. 68).
68
(3) Auch wenn somit – wie ausgeführt – im Fall des Antragstellers zum Zeitpunkt der Beibringungsanordnung grundsätzlich aufklärungsbedürftige Fahreignungszweifel bestanden, ist die Beibringungsanordnung vom 26. Juli 2022 vorliegend insgesamt rechtswidrig. Die Beibringungsanordnung soll es dem Betroffenen ermöglichen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht. Er muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 – juris Rn. 21). Dies ist jedoch auch bei einer nur teilweise zu Unrecht erfolgenden Anordnung nicht der Fall. Der Betroffene dürfte in der Regel nicht in der Lage sein zu erkennen, dass ein Teil bzw. welcher Teil der Begutachtungsanordnung rechtmäßig ist. Außerdem ist ihm nicht zuzumuten, eine entsprechende Beschränkung der zur Begutachtung gestellten Fragen bei der Fahrerlaubnisbehörde und der begutachtenden Stelle zu erwirken. Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Fall, in dem in einem behördlichen Schreiben zwar rechtmäßig die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens, jedoch rechtswidrig die gleichzeitige Beibringung eines zusätzlichen medizinisch-psychologischen Gutachtens in Form einer verkehrspsychologischen Leistungstestung angeordnet worden ist. Nach alledem durfte das Landratsamt nach Aktenlage aus der Nichtbeibringung der/s geforderten Gutachten/s nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf eine fehlende Fahreignung des Antragstellers schließen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 6.10.2022 – 11 C 22.2076 – juris Rn. 24 f.).
69
b) Somit ist das Landratsamt nach summarischer Prüfung zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsteller fahrungeeignet ist. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV waren somit nach Aktenlage nicht gegeben.
70
Mit Blick auf die somit nach summarischer Prüfung gegebenen Erfolgsaussichten der erhobenen Hauptsacheklage fällt die Interessensabwägung des Gerichts hinsichtlich des inmitten stehenden Sofortvollzugs vorliegend zugunsten des Antragstellers aus.
71
c) Da die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung nicht standhält, kann es auch nicht beim Sofortvollzug hinsichtlich der akzessorischen Verpflichtung in Nr. 2 des inmitten stehenden Bescheids verbleiben, den Führerschein abzuliefern. Hinsichtlich der gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung aus Nr. 3 des Bescheids war die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
72
3. Nach alledem war dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattzugeben.
73
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Gegenstand der Entziehung ist eine am 30. November 1990 erteilte Fahrerlaubnis der Klasse 3 (Behördenakte S. 7). Diese umfasst nach Abschnitt A I Nr. 19 der Anlage 3 zur FeV die Fahrerlaubnisklassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE sowie L. Maßgeblich sind dabei die Klassen B, BE sowie C1, C1E, für die nach den Nrn. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs jeweils der Auffangwert von EUR 5.000,- (im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte, Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs) anzusetzen ist. Die Fahrerlaubnis der mit den Schlüsselzahlen 79.03, 79.04 versehenen Klassen A und A1 sowie die Führerscheinklasse CE mit der Schlüsselzahl 79 wirken sich hingegen nicht streitwerterhöhend aus (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 19.7.2021 – 11 CS 21.1280 – juris Rn. 31).