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VG Augsburg, Urteil v. 21.11.2022 – Au 7 K 21.2491
Titel:

Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entziehung, Eintragung in Spalte 10 des Führerscheindokuments

Normenketten:
StGB § 69
StVG § 2
FeV § 20
FeV § 76 Nr. 9, 11b
RL 2006/126/EG Art. 11
RL 2006/126/EG Anhang I Nr. 3
Fahrerlaubnis-Verordnung Nr. I.2.2 Anl. 8
Schlagworte:
Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entziehung, Eintragung in Spalte 10 des Führerscheindokuments
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 10.05.2023 – 11 ZB 22.2614
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46366

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Abänderung seines Führerscheins im Hinblick auf die Eintragung des Erteilungsdatums in Spalte 10 des Führerscheins.
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1. Der im Jahr ... geborene Kläger war seit dem Jahr 1983 im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse 1b und seit dem Jahr 1985 im Besitz von Fahrerlaubnissen der Klasse 1 und 3. Am 18. September 2012 beantragte er die Umstellung des Führerscheins der Klassen 1 und 3 alt. Im Jahr 2015 beantragte er die Ersetzung seines Führerscheins, weil er diesen durch Diebstahl verloren hatte. Dem Kläger wurde am 24. Juni 2015 ein EU-Kartenführerschein für die Klassen A, B, BE, C1, C1E, CE und enthaltene Klassen ausgestellt.
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Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dillingen a.d.Donau vom 27. Dezember 2019 wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen. Es wurde eine Sperre für die Neuerteilung von neun Monaten festgesetzt. Der Strafbefehl wurde nur hinsichtlich der Höhe der Tagessätze angefochten. Am 8. August 2020 beantragte der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis für die oben genannten Klassen. Er legte eine Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen C, C1, CE und C1E vor, sowie die Bestätigung einer augenärztlichen Untersuchung des Sehvermögens nach Anlage 6 der Fahrerlaubnis-Verordnung, außerdem ein Teilnahmezertifikat über ein besonderes Aufbauseminar zur Sperrzeitverkürzung. Das Landratsamt unternahm keine weitere Überprüfung der Fahreignung, stellte am 24. August 2020 einen neuen Führerschein für die beantragten Klassen aus und händigte diesen dem Kläger am 28. August 2020 aus. Das Aushändigungsdatum ist in Spalte 14 des Führerscheins eingetragen, in Spalte 10 ist hierauf jeweils mittels “Sternchen“ hingewiesen. Der Führerschein enthält in Spalte 10 sonst keine weiteren Eintragungen.
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Unter dem 29. Oktober 2020 wandte sich der Kläger an das Landratsamt und teilte mit, ihm sei die Aushändigung eines Mietwagens mit der Begründung verweigert worden, dass anhand seines Führerscheins nicht erkennbar sei, welche langjährige Fahrerfahrung er bereits besitze. Er sei darauf hingewiesen worden, dass in seinem Führerschein das Datum der ersten Erteilung seiner Fahrerlaubnisse in den Jahren 1983 und 1985 nicht eingetragen sei. Damit gelte er beispielsweise bei einem Autovermieter als Fahranfänger, ebenso bei Versicherungsgesellschaften bei der Übertragung und Einstufung von Schadensfreiheitsrabatten. Auch hier könne er nicht nachweisen, dass er bereits seit 1983 bzw. 1985 Fahrerfahrung habe. Aufgrund dieses Sachverhalts fühle er sich diskriminiert und benachteiligt. Zwar sei ihm gegenüber aufgrund des Strafbefehls eine Sperrfrist verhängt worden, jedoch habe er diese und die damit verbundene Geldstrafe sowie alle Auflagen der Führerscheinbehörde zur Wiedererteilung vollständig erfüllt. Es bestehe daher kein Grund, ihn schlechter zu stellen. Er habe seine Fahrerlaubnisse in den Jahren 1983 und 1985 erworben. Er habe dies auch in seinem Antragsformular vom 8. August 2020 richtigerweise im Feld „vorhandene Fahrerlaubnisklassen“ eingetragen. Diese Daten seien aber nicht auf das Führerscheindokument übernommen worden. Er habe bei der Wiedererteilung keine erneute Fahrerlaubnisprüfung ablegen müssen. Die Wiedererteilung sei somit auf Basis der bestandsschützenden Wirkung der alten Fahrerlaubnis aus dem Jahr 1983/85 erfolgt. Bei der Wiedererteilung müsste deshalb im Feld 10 das Datum der Fahrerlaubnisprüfung eingetragen werden. Es handle sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die zu berichtigen sei. Anders könne es nur gewertet werden, wenn hier eine Neuerteilung anstatt einer Wiedererteilung vorliegen würde. Er stelle daher Antrag auf Berichtigung des Schreibfehlers in seinem Führerschein.
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Unter dem 29. Oktober 2020 teilte das Landratsamt dem Kläger mit, dass ihm die Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht Dillingen a.d.Donau entzogen worden sei. Damit sei die Neuerteilung der Fahrerlaubnis erforderlich geworden, die immer auch ein neues Erteilungsdatum erfordere. Es handle sich deshalb bei dem im Führerschein eingetragenen Datum um das Erteilungsdatum, also nicht um das Datum der Ablegung der Fahrerlaubnisprüfung; der Führerschein sei rechtmäßig ausgestellt. Falls er für die Versicherung oder den Autovermieter eine Bescheinigung über die erstmalige Erteilung einer Fahrerlaubnis benötige, könne er diese formlos beantragen.
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Nach weiterem Schriftverkehr beantragte der Kläger unter dem 12. März 2021 den Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides, wenn sein Antrag auf Berichtigung des Führerscheindokuments wiederum abgelehnt werde. Unter dem 19. Juli 2021 beantragte sodann auch sein Prozessbevollmächtigter nochmals die Berichtigung des Führerscheins bzw. den Erlass eines rechtsmittelfähigen Ablehnungsbescheids. Unter dem 2. August 2021 teilte das Landratsamt nochmals mit, dass das Datum der Erteilung der Fahrerlaubnis auf dem Führerschein korrekt eingetragen worden sei.
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2. Am 13. Dezember 2021 erhob der Kläger daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg. Er hat zuletzt beantragt,
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den Beklagten zu verpflichten, ihm einen Führerschein auszustellen, in dem in Spalte 10 das Datum der Ersterteilung der jeweiligen Fahrerlaubnisklasse angegeben wird:
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25. Mai 1983 für die Klassen AM, A1 und L,
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13. Juni1985 für die Klassen A2 und A sowie
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31. Mai 1985 für die Klassen B, C1, BE, C1E und CE.
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Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, es sei anerkannt, dass, auch wenn ein Führerschein wiedererteilt werde (gerade wenn die Sperrzeit weniger als 12 oder gar 24 Monate gewesen sei), bei der Neuerteilung der Besitzstand zu wahren sei. Dies bedeute, dass Personen, die eine Fahrerlaubnis zurückerhalten oder neu erhalten, ohne dass sie eine Fahrerlaubnis neu erwerben müssen, ihren Besitzstand erhalten, somit sei auch in den Führerschein aufzunehmen, wann diese Fahrerlaubnisse erstmalig erworben wurden. Dies werde hier verkannt. Der Kläger werde hierdurch diskriminiert. Er habe seine Strafe abgeleistet, gleichwohl könne jeder Dritte sehen, dass er einmal ein Problem mit seinem Führerschein gehabt haben müsse. Dass allerdings hier kein neuer Führerschein zu erwerben und auch keine neue Fahrerlaubnisprüfung zu machen war, werde dabei völlig außer Acht gelassen. Die Diskriminierung zeige sich auch darin, dass im Bundeszentralregister und auch im Verkehrszentralregister nach bestimmten Fristen Eintragungen gelöscht würden, während die hier im Führerschein falsch wiedergegebenen Daten solange erhalten blieben, wie der Kläger die Fahrerlaubnisse besitze. Der Beklagte verwechsle zwei Maßnahmen, nämlich den vorübergehenden Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB und den endgültigen Entzug nach § 3 StVG i.V.m. § 46 FeV. Hier handle es sich um einen Fall i.S.d. § 69 StGB mit der Folge der Wiedererteilung der vorhergehenden Fahrerlaubnis (inkl. der schon genannten Besitzstandswahrung). Die Sperre sei ohne weitere Konsequenzen für den Kläger erledigt. Demgegenüber erfolge bei § 46 FeV ein endgültiger Verlust – ohne Besitzstandswahrung – mit anschließendem kompletten Neuerwerb. Dies werde vorliegend offenbar verwechselt. Bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis müsse nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG die Fahrbefähigung mit praktischer und theoretischer Fahrprüfung nachgewiesen werden.
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3. Für den Beklagten beantragt das Landratsamt,
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die Klage abzuweisen
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und stützt sich im Wesentlichen auf die dem Kläger vorher bereits mitgeteilten Ausführungen. Die ursprüngliche Fahrerlaubnis aus den Jahren 1983 bis 1985 sei mit dem rechtskräftigen Entzug der Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht Dillingen a.d.Donau erloschen. Für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis seien die Vorschriften des § 20 FeV anzuwenden. Dass im vorliegenden Fall keine erneute Fahrerlaubnisprüfung angeordnet worden sei, ändere hieran nichts. Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gälten die Vorschriften für die Ersterteilung. Die Neuerteilung erfolge mit Aushändigung des Führerscheins. Demgemäß sei entsprechend der Anlage 8 zur Fahrerlaubnis-Verordnung auf der Rückseite des Führerscheins unter Nr. 10 das Datum der Erteilung der Fahrerlaubnisklassen einzutragen und nicht das Datum, an dem die Befähigung zum Führen der jeweiligen Fahrerlaubnisklasse erworben wurde. Es sei daher im Fall des Klägers der 28. August 2020 als Neuerteilungsdatum einzutragen gewesen.
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Der Führerschein sei rechtmäßig ausgestellt worden. Im Hinblick auf den Sachvortrag des Klägers, er werde durch die Eintragung des neuen Datums diskriminiert und habe dadurch finanzielle Nachteile, sei ihm bereits angeboten worden, eine Bescheinigung über die erstmalige Erteilung einer Fahrerlaubnis auszustellen. Eine entsprechende Bescheinigung habe er bisher nicht beantragt.
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4. Der Klägervertreter führte sodann nochmals aus, es sei Fakt, dass jedem Inhaber einer Fahrerlaubnis eine Besitzstandswahrung für den gesamten Zeitraum des Fahrerlaubnisbesitzes zustehe. Der Entzug der Fahrerlaubnis – bekanntermaßen hier weit unter zwölf Monaten – sei nur eine Unterbrechung dieses Besitzes, jedoch kein vollständiges Erlöschen gewesen. An der Besitzstandwahrung und damit dem Recht, dass alle wichtigen Eintragungen auch im Dokument wiederzufinden seien, ändere sich deswegen nichts. Es sei strikt zu unterscheiden, ob ein Führerschein neu erteilt werden müsse, oder ob nur eine Wiedererteilung erfolgen würde. Letztere sei ein bloß deklaratorischer Akt. Im Falle der Neuerteilung müsse man die entsprechenden Befähigungen nach § 2 Abs. 2 StVG nachweisen, inkl. also einer neuerlichen Prüfung. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.
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5. Am 21. November 2022 fand die mündliche Verhandlung zu diesem Verfahren statt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die als allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO) zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berichtigung seines Führerscheins, da das Datum der Erteilung der Fahrerlaubnis korrekt eingetragen ist.
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1. Dem Kläger wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dillingen a.d.Donau vom 27. Dezember 2019 die Fahrerlaubnis entzogen. Der Strafbefehl wurde nur hinsichtlich der Höhe des Tagessatzes angefochten und ist daher hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis rechtskräftig seit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift erlischt die Fahrerlaubnis mit der Rechtskraft des Urteils (§ 69 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs – StGB). Der Strafbefehl steht insoweit einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 der Strafprozessordnung – StPO), als er nicht angefochten wurde. Diese rechtskräftige strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung hat rechtsgestaltende Wirkung im Hinblick auf die vorhandene Fahrerlaubnis (BayVGH, B.v. 12.12.2006 – 11 CE 06.914 – juris Rn. 31), die damit endgültig nicht mehr vorhanden ist. Die vom Kläger geltend gemachten Unterschiede zwischen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), § 46 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) einerseits und § 69 StGB andererseits bestehen nicht, insbesondere handelt es sich hier nicht um ein Fahrverbot (§ 44 StGB), mit dem lediglich das Führen von Kraftfahrzeugen für eine gewisse Zeit verboten wird. Für die These, eine Entziehung nach § 69 StGB bewirke lediglich eine Unterbrechung der Fahrerlaubnis und kein vollständiges Erlöschen, lässt sich keine Rechtsgrundlage finden. Mit dem Erlöschen der Fahrerlaubnis kann auch weiterer Bestandsschutz nicht mehr bestehen.
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2. Dem Kläger war daher auf seinen Antrag hin unter den dafür bestehenden Voraussetzungen eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
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a) Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach Entziehung oder Verzicht gelten gemäß § 20 FeV die Vorschriften für die Ersterteilung mit den in § 20 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 FeV genannten Ausnahmen hinsichtlich der grundsätzlich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 StVG abzulegenden theoretischen und praktischen Fahrprüfung. Der vom Kläger behauptete Unterschied zwischen „Wiedererteilung“ und „Neuerteilung“ einer Fahrerlaubnis ergibt sich weder aus § 20 FeV noch sonst aus einer einschlägigen Vorschrift oder der Rechtsprechung zum Recht der Fahrerlaubnisse.
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Die Abschaffung der Pflicht, nach einer mehr als zwei Jahre dauernden Entziehung vor Neuerteilung in jedem Fall eine Fahrprüfung abzulegen, durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl. I S. 1338) hat daran nichts geändert. In der Begründung der Verordnung ist hierzu ausgeführt, dass durch den Wegfall der Frist die Fahrerlaubnisbehörde auch nach Ablauf von zwei Jahren auf die Fahrerlaubnisprüfung verzichten kann, „wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die nach § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 FeV erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Das Verfahren wird hierdurch flexibler gestaltet. Insbesondere in Fällen, in denen die Fahrerlaubnis wegen Zweifeln an der körperlichen Eignung entzogen wurde, ist nicht ersichtlich, warum der Betroffene neben der Eignung auch seine Fähigkeit zum Führen des Kraftfahrzeuges erneut nachzuweisen hat. Bestehen Bedenken an der Befähigung des Betroffenen, kann die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen ihres Ermessens weiterhin eine erneute Fahrerlaubnisprüfung verlangen, so dass auch hier keine Gefahren für die Verkehrssicherung bestehen“ (Begründung zur Vierten Änderungsverordnung, abgedruckt bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 20 FeV). Durch die Fahrprüfung wird die Fahrbefähigung nachgewiesen, nicht die Fahreignung, die ggf. bei Neuerteilung ebenfalls überprüft wird. § 20 FeV stellt insoweit eine Ausnahmeregelung gegenüber § 2 StVG bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis dar, die die Betroffenen begünstigt, aber keine Auswirkung auf die Rechtsnatur der Entziehung und die Qualität der neu zu erteilenden Fahrerlaubnis hat. Dass das Landratsamt eine weitere Überprüfung der Fahreignung hier nicht für erforderlich hielt, ist somit für den vorliegenden Rechtsstreit nicht von Relevanz.
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b) Ein allgemeiner Bestandsschutz bzw. eine allgemeine Besitzstandswahrung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hinaus, wie der Kläger sie geltend macht, bestehen nicht. Die vom Kläger geltend gemachte Besitzstandswahrung (§ 76 Nr. 11 Buchst. b FeV) betrifft weder die Rechtsnatur der Entziehung der Fahrerlaubnis, noch diejenige der neu zu erteilenden Fahrerlaubnis. Gemäß § 76 Nr. 11Buchst. b FeV wird Personen, denen (soweit hier relevant) die Fahrerlaubnis entzogen wurde, „im Rahmen der Neuerteilung nach § 20“ FeV die Fahrerlaubnis im Umfang der Anlage 3 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erteilt. Ersichtlich ist hier geregelt, auf welche Fahrerlaubnis-Klassen sich die Neuerteilung bezieht, hingegen wird nicht davon ausgegangen, dass die ursprüngliche Fahrerlaubnis noch besteht, ausdrücklich geht es vielmehr um die „Neuerteilung“ der Fahrerlaubnis, nicht um ein „Wiederaufleben“ der alten Fahrerlaubnis, die endgültig erloschen ist.
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Auch die Übergangsvorschrift des § 76 Nr. 9 FeV lässt nicht auf einen „Bestandsschutz“ bzw. eine „Besitzstandswahrung“ zugunsten des Klägers schließen. § 76 Nr. 9 FeV spricht ausdrücklich von „Inhabern“ von Fahrerlaubnissen, dies ist nicht gleichzusetzen mit „ehemaligen Inhabern“ (BVerwG, U.v. 24.2.2009 – 3 C 18.02 – juris Rn. 15).
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Soweit überhaupt die Rede von Bestandsschutz sein kann, entfällt dieser mit der rechtmäßigen Entziehung der Fahrerlaubnis. Inhaber und Nicht-Inhaber von Fahrerlaubnissen müssen auch nicht insoweit gleichgestellt werden, dass letzteren bei Neuerteilung Vergünstigungen zugutekommen, die ersteren bei der Umstellung von Fahrerlaubnissen zustehen. Eine solche Gleichbehandlung ist auch von Verfassung wegen nicht geboten (BVerwG, U.v. 24.2.2009 – a.a.O. – Rn. 22). Im Zusammenhang mit der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis haben Gesetz- bzw. Verordnungsgeber beabsichtigte Vergünstigungen ausdrücklich geregelt, wie etwa § 2a Abs. 5 StVG oder § 20 Abs. 2 FeV zeigen; in anderen Fällen erleidet der Grundsatz des § 20 Abs. 1 FeV über eine strikte Anwendung der Vorschriften für die Ersterteilung keine Durchbrechung (BVerwG, U.v. 24.2.2009 – a.a.O. – Rn. 18).
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3. Das Landratsamt hat dem Kläger daher am 28. August 2020 eine neue Fahrerlaubnis erteilt und insoweit auch den Führerschein, der die Fahrerlaubnis dokumentiert, korrekt ausgestellt.
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a) Gemäß Anhang I Nr. 3 der RL 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (im Folgenden: 3. Führerscheinrichtlinie) enthält der Führerschein auf Seite 2 in Spalte 10 das Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung für jede Klasse. Das Datum ist nach dieser Bestimmung bei jeder späteren Ersetzung und jedem späteren Umtausch erneut einzutragen – somit aber nicht bei Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis. Ebenso ist nach Nr. I.2.2 Buchst. a Nr. 10 der Anlage 8 zur Fahrerlaubnis-Verordnung auf das Datum der Erteilung der jeweiligen Fahrerlaubnisklasse verwiesen, nicht aber auf das Datum der Führerscheinprüfung, auch wenn dies häufig zusammenfallen mag. Die Eintragung des Datums der „ersten“ Fahrerlaubniserteilung in Spalte 10 bezieht sich damit ausschließlich auf den Fall der Ersetzung des Führerscheins im selben Mitgliedsstaat und den Fall des Umtausches des Führerscheins in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. auch § 30 Abs. 4 Satz 1 FeV). Schon gemäß Art. 11 der 3. Führerschein-Richtlinie wird zwischen Umtausch, Ersetzung und Entzug unterschieden. Soweit kein Umtausch (z.B. nach Wohnsitzwechsel) oder keine Ersetzung (beispielsweise nach Diebstahl oder Verlust) vorliegen, ist daher nicht das alte Datum zu verwenden. Die Eintragung des Datums der ersten Fahrerlaubniserteilung in Spalte 10 betrifft daher nur eine Fahrerlaubnis, die noch existent bzw. gültig ist. Eine Eintragung des alten Datums in Spalte 10 erfolgt damit nicht, wenn – wie hier – eine neue materielle Fahrerlaubnis (z.B. nach Entziehung) erteilt und deswegen ein neues Führerscheindokument ausgestellt wird. Denn in diesem Fall existiert die ursprüngliche Fahrerlaubnis nicht mehr – einen Bestandsschutz gibt es wie ausgeführt nicht –, ihr Erteilungsdatum und wird daher auch nicht in den neuen Führerschein in Spalte 10 eingetragen (vgl. VG Augsburg, B.v. 17.10.2014 – Au 7 S 14.1310 – juris Rn. 40).
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b) Ergänzend darf darauf hingewiesen werden, dass sich dies auch aus der Rechtsprechung zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergibt. Hier ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Mitgliedstaat einen durch einen anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein dann nicht anerkennen muss, wenn ein Betroffener im erstgenannten Mitgliedstaat einen Verkehrsverstoß begangen hat, der dort zur Überprüfung der Fahreignung berechtigt, und der begangen wurde, nachdem im Ausstellerstaat eine Führerscheinprüfung stattgefunden hat. D.h. auch wenn der Führerschein nach Begehung des Verkehrsverstoßes neu ausgestellt wurde (Umtausch, Ersetzung; Datum in Spalte 4a des Führerscheins) sich aber auf die ursprüngliche Fahrerlaubnis bzw. – soweit nicht zwischen Fahrerlaubnis und Führerschein unterschieden wird – den ursprünglich ausgestellten Führerschein betrifft (Datum in Spalte 10), muss der erstgenannte Mitgliedstaat diesen nicht anerkennen (EuGH, U.v. 23.4.2015 – C 260/13 – Aykul - juris; BVerwG, U.v. 15.9.2021 – 3 C 3.21 – BVerwGE 173, 250-262 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 25.2.2022 – 11 CE 21.2868 – juris).
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Aus den Angaben im Führerschein ergibt sich, ob hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen ein Umtausch oder eine Ersetzung erfolgt ist oder ob es sich um eine vollständige Neuerteilung handelt. Zum einen folgt dies aus dem auf der Rückseite des Führerscheins z.B. anzubringenden Code „70“, der ausweislich des Anhangs 1a zur RL 91/439/EWG („Bestimmungen zum EG-Muster des Führerscheins“) für einen Umtausch steht. Für einen Umtausch spricht darüber hinaus, wenn in der Spalte 10 des Führerscheins bei den Fahrerlaubnisklassen als Datum für die Erteilung das ursprüngliche Datum der Fahrerlaubniserteilung eingetragen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.2012 – 3 C 34.11 – BVerwGE 144, 220-230 – juris Rn. 16). Der Betroffene hat mit einem derartigen neuen Führerscheindokument keine neue Fahrerlaubnis erworben (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2012 – 11 ZB 12.836 – juris Rn. 16).
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Im Umkehrschluss ist auch aufgrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass das in Spalte 10 einzutragende Datum sich nicht auf die erstmalige Erteilung einer früheren Fahrerlaubnis der genannten Klasse, sondern auf das Datum der erstmaligen Erteilung der aktuellen Fahrerlaubnis für die genannte Klasse bezieht. Dass bei Umtausch oder Ersetzung das ursprüngliche Erteilungsdatum einzutragen ist, liegt hingegen daran, dass durch Umtausch oder Ersetzung – wie oben dargestellt – nicht die Fahrerlaubnis betroffen ist, sondern lediglich der Führerschein, der die Erteilung der Fahrerlaubnis dokumentiert. Es erschließt sich auch nicht, warum – bei fehlendem Bestandsschutz – der Führerschein eine früher einmal vorhandene, aber durch Entziehung erloschene Fahrerlaubnis dokumentieren sollte.
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4. Auch für die vom Kläger geltend gemachte Diskriminierung bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Wie bereits oben unter Nr. 2b ausgeführt, besteht auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Grund, Inhaber und Nicht-Inhaber von Fahrerlaubnissen gleich zu behandeln. Dass sich aus dem Führerschein indirekt ergibt, dass wohl eine frühere Fahrerlaubnis entzogen bzw. dass auf eine solche verzichtet wurde, entspricht der bestehenden rechtlichen Situation. Die im Sinne eines Rechtsreflexes entstehende Folge, dass bei der Miete von Kraftfahrzeugen oder dem Abschluss von Versicherungen die Dauer der Fahrpraxis nicht aus dem Führerschein ersichtlich wird, kann der Kläger unschwer durch die von der Behörde angebotene Bestätigung zu Vorhandensein, Umfang und Geltungsdauer seiner früheren Fahrerlaubnis abwenden.
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5. Da die Klage nach alledem erfolglos bleibt, trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.