Inhalt

LArbG München, Urteil v. 22.03.2022 – 7 Sa 170/21
Titel:

betriebsbedingte Kündigung

Leitsatz:
Erfolglose Kündigungsschutzklage. Die Beklagte hat die unternehmerische Entscheidung getroffen und durchgeführt die Hierarchieebene "Country Manager Germany", die der Kläger innehatte, zu streichen. Soweit er Kläger behauptet hat, dass das Tätigkeitsfeld des sog. "Country Manager Germany" weiterbestünde, ging dies ins Leere, denn nach dem Vortrag des Klägers sei das Tätigkeitsfeld des Klägers auf einen Mitarbeiter übertragen worden, der bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten in Österreich tätig ist. Damit läge aber ein zulässiges "outsourcing" vor und zudem ist das Kündigungsschutzgesetz nicht im Ausland anwendbar. Die Beklagte hat sich somit mit Erfolg darauf berufen, dass das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen ist. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der in Österreich tätige Arbeitnehmer in den Betriebsablauf der Beklagten eingebunden ist, bestanden nicht. Ausreichende Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise der Beklagten bestanden ebenfalls nicht.
Schlagwort:
betriebsbedingte Kündigung
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 09.02.2021 – 41 Ca 6253/20
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 28.02.2023 – 2 AZR 227/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46352

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 09.02.2021 – 41 Ca 6253/20 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
2
Der am ...1979 geborene Kläger ist verheiratet und hat ein minderjähriges Kind, dem er unterhaltsverpflichtet ist.
3
Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft der B. Inc., eines Softwareunternehmens mit Büros in C., D., E., F., G., H., I., J., K. Sie bietet Branchenlösungen im Bereich der KI-Technologie an.
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Die Parteien schlossen am 14.03.2018 einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 9 ff. d. A.), in dem in der deutschen Fassung u.a. steht:
„1. Position und Aufgabenbereich
1.1 Die Gesellschaft stellt den Mitarbeiter als Sales Director – Germany. Ihr Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft beginnt am April 3, 2018 (…).
3. Arbeitsort, Versetzung
3.1 Der Mitarbeiter wird in den Geschäftsräumen der Gesellschaft in L. und / oder in der bayerischen Region arbeiten. (…).
(…).
14. Vertragsdauer und Kündigung (…)
(…)
14.3 (…)
Jede Partei kann diesen Arbeitsvertrag mit der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen.
(…).“
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Der Kläger erzielte bei der Beklagten zuletzt ein Bruttomonatsgehalt iHv. durchschnittlich Euro 19.605,25 brutto.
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Die Position des Klägers wurde später umbenannt in „Vice President & Country Manager Germany“. Der Kläger war bei der Beklagten im Vertrieb tätig. Aufgabe der VertriebsAbteilung war es, die Produkte der Beklagten im so genannten „EMEA-Raum“ – mit Fokus auf Deutschland – zu verkaufen.
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Die Beklagte beschäftigte zur Zeit des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung in der Abteilung Vertrieb neben dem Kläger noch sechs weitere Mitarbeiter, so genannte „Sales Directors“ wobei der Kläger Bindeglied war zwischen dem jeweils zuständigen „Area Vice President“ (= Vertriebsleiter) und jedenfalls fünf der sechs „Sales Directors“ der Beklagten. Dies waren die Herren M., N., O., P. und Q.
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Zu den Aufgaben des Klägers gehörten jedenfalls die folgenden Tätigkeiten:
- Ausbau und Steigerung des jährlichen Auftragswertes (= annual contract value = „ACV“) durch die Leitung und Förderung der „Sales Directors“
- Anwerben und Rekrutieren neuer „Sales Directors“
- Fördern, Ausbauen und motivieren der ihm zugeordneten „Sales Directors“, um die geplanten ACV-Ziele zu erreichen
- Unterstützung des „Area Vice Presidents“ bei der Erkennung und Definierung der Gebietsstrategie, Kundenlisten und Zielerwartungen
- Weiter- und Ausbildung der „Sales Directors“ in Bezug auf den Aufbau und die Umsetzung von Beziehungs- und Markteinführungsstrategien mit wichtigen Partnern wie Unternehmensberatungen und globalen Systemintegratoren
- Unterstützung der „Sales Directors“ bei Akquisitionskampagnen, Sondierungsprozessen bei Treffen mit strategischen Interessenten und Kunden, Erstellung von Prognosen, Verkauf mit so genanntem Value Framework und beim Abschluss des Geschäfts.
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Der Kläger berichtete während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses an den jeweils zuständigen „Area Vice President“. Dies waren zunächst Herr R. und zuletzt Frau S. Frau S. ist bei der B. Ltd. (mit Sitz in G., UK) angestellt und erbringt ihre Tätigkeit von Österreich aus.
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Mit Schreiben vom 11.05.2020 (Bl. 21-22 d.A.), das der Kläger am 15.05.2020 erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2020. Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger sich darauf berufen, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, da ein betriebsbedingter Kündigungsgrund, der den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes genüge, nicht vorliege. Er hat auch bestritten, dass die Geschäftsführerin der Beklagten am 11.05.2020 eine Unternehmerentscheidung getroffen habe, dergestalt, dass die Vertriebsorganisation der Beklagten umgestaltet werde, indem die Stelle des Country Managers Deutschland wegfalle, die Tätigkeiten des Klägers auf die B. Ltd. übertragen und dort von Frau S. übernommen würden. Weiter hat er vorgetragen, dass es zutreffe, dass der „Sales Director“ Herr T. seit einer Umstellung im Februar 2020 vorübergehend an Herrn R. direkt berichtet habe. Dies sei aber nur für eine Übergangszeit von mehreren Wochen gedacht gewesen, um den Kläger zu entlasten, der mit der Einarbeitung der im ersten Quartal neu eingestellten „Sales Direktoren“ ausgelastet gewesen sei. Die Änderung der Berichtslinie des Mitarbeiters Herr T. sei folglich keine „Blaupause“ für die angeblich erfolgte Umstrukturierung gewesen. Der Kläger hat weiter bestritten, dass Frau S. seine Aufgaben übernommen habe und dass sie hierzu auch nicht ohne die Erbringung überobligatorischer Leistungen in der Lage sei. Der Kläger hat behauptet, dass die betriebliche Funktion des „Country Managers Germany“ nach wie vor bestünde und dass sein Arbeitsplatz gerade nicht weggefallen sei. Vielmehr sei er durch Herrn U. ersetzt worden, der hierfür eingestellt worden sei und die Tätigkeit des Klägers vollständig übernommen habe. Die im Vertriebsgebiet Deutschland tätigen „Sales Direktoren“, die vormals an den Kläger berichtet hätten, berichteten nunmehr an Herrn U., der auch ihr fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter sei. Insbesondre hat der Kläger bestritten, dass Herr U. bei der B. Ltd. beschäftigt sei und dass davon auszugehen sei, dass Herr U. bei der Beklagten beschäftigt sei.
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Am 02.07.2020 erging auf Antrag des Klägers das folgende Versäumnisurteil (Bl. 33 – 35 d. A.):
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 11.05.2020 zum 30.06.2020 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 58.815.75 festgesetzt.
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Die Beklagte hat gegen dieses Versäumnisurteil vom 02.07.2020, das ihr am 06.07.2020 zugestellt wurde, mit einem am 08.07.2020 beim Arbeitsgericht eingegangen Schriftsatz Einspruch eingelegt.
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Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger zuletzt beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.07.2020 aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.07.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die Kündigung vom 11.05.2020 sozial gerechtfertigt sei, weil dringende betriebliche Gründe gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG einer Weiterbeschäftigung des Klägers über den 30.06.2020 hinaus entgegenstünden und dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger ersatzlos entfallen sei. Die Beklagte hat geltend gemacht, aufgrund des globalen Tätigkeitsumfangs der Muttergesellschaft der Beklagten bediene sich die B. Inc. einer so genannten „Matrixorganisation“ und dass so die Muttergesellschaft sicherstelle, dass eine adäquate Organisationsstruktur für das global umspannende Geschäft vorgehalten werde. Die Abteilungen der Beklagten würden daher auch von so genannten „Matrixmanagers“ außerhalb Deutschlands geleitet und dabei würde die B. Ltd. mit Sitz in G., UK, eine Schlüsselstellung einnehmen. Bereits vor der Umstrukturierung sei eine Ausnahme der Berichtslinie vorgenommen worden. Konkret habe ein „Sales Director“ der Beklagten namens T. unmittelbar – und ohne Zwischenschaltung des Klägers als Country Manager – an den damaligen „Area Vice President“
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Herrn R. berichtet und dann später an die neue „Area Vice President“ Frau S. Motivation dieser Entscheidung sei es gewesen, dass Herr T. Verantwortung für Kunden außerhalb Deutschlands gehabt habe und somit die Berichtslinie direkt an den „Area Vice President“ erfolgt sei und nicht mehr an den „Country Manager“. Dies sei im Februar 2020 so von dem ehemaligen „Area Vice President“ Herrn R. eingefordert worden und sei von der neuen „Area Vice President“ Frau S. auch so fortgeführt worden. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe am 11.05.2020 in Person der Geschäftsführerin, Frau V., die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Vertriebsorganisation dergestalt umzustrukturieren, dass nunmehr sämtliche „Sales Directors“ der Beklagten unmittelbar und ohne Zwischenschaltung eines „Country Managers Germany“ an den „Area Vice President“ berichten sollten. Die Aufgaben der Stelle des „Country Managers Germany“ sollten deshalb spätestens mit Wirkung zum 01.07.2020 entfallen, da die Aufgaben ausgeführt werden sollten von Frau S., welche bei der B. Ltd. angestellt sei und somit einer ausländischen Gesellschaft. Die Aufgaben des Klägers seien somit auf eine ausländische Gesellschaft, namentlich die B. Ltd. übertragen worden. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass sie erkannt habe, dass durch die Verlagerung der Rolle des „Area Vice Presidents“ auf eine ausländische Gesellschaft die Zwischenschaltung eines „Country Managers Germany“ nicht mehr erforderlich sei und sie habe gesehen, dass die direkte Berichtslinie von Herrn T. an den damaligen „Area Vice President“ Herrn R. erfolgreich ablaufen könne. Konkret habe die Beklagte gesehen, dass die Rolle des „Area Vice Presidents“ die Aufgaben, welche mit denen des „Country Managers Germany“ in Verbindung stünden, problemlos miterfüllen könne. Durch die Zusammenführung habe sich die Beklagte erhofft, dass der Informations- und Zeitverlust geringer ausfallen werde und dass die Probleme und Wünsche der Kunden direkt an den „Area Vice President“ als Vertriebsleiter herangetragen werden könnten. Insgesamt habe sich die Beklagte erhofft, dass durch die Übernahme der Aufgaben durch eine ausländische Gesellschaft eine Straffung des Vertriebsbereichs erfolgen könne. Weiter hat die Beklagte vorgetragen, die verbleibenden Aufgaben des Klägers würden im Wesentlichen von Frau S. übernommen, einen geringen Teil der Aufgaben übernehme Herr W. (nämlich einen Teil des Anwerbens und Rekrutierens von „Sales Directors“), wobei sowohl Frau S. als auch Herr W. bei der B. Ltd. angestellt seien. Das Anwerben und Rekrutieren von neuen „Sales Directors“, das zehn Prozent des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit des Klägers ausgemacht habe, werde zukünftig zusätzlich auch einem externen Dienstleister übertragen, nämlich auf X.. Nicht mehr benötigt würde in Zukunft die Unterstützung des „Area Vice President“, weil das Bindeglied zwischen „Area Vice President“ und den „Sales Directors“ eben weggefallen sei. Die Unterstützung des jeweiligen „Area Vice Presidents“ habe fünf Prozent des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit des Klägers ausgemacht und Frau S. könne die restlichen verbleibenden Aufgaben im Rahmen ihrer regulären Arbeitszeit ohne überobligatorischen Mehraufwand erfüllen. Die Beklagte hat sich auch darauf berufen, dass die unternehmerische Entscheidung bereits umgesetzt worden sei und dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger durch die Umstrukturierung des Bereichs ersatzlos weggefallen sei. In Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung und der Übernahme der Aufgaben durch Frau S. seien die geschilderten Aufgaben des Klägers ersatzlos weggefallen und es würden keinerlei Tätigkeiten eines „Country Managers Germany“ mehr bei der Beklagten erbracht. Einen freien Arbeitsplatz, auf dem der Kläger hätte weiter eingesetzt werden können, habe es bei der Beklagten nicht gegeben und eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen gewesen, da es keine mit dem Kläger vergleichbaren Mitarbeiter gegeben habe. Die Beklagte hat betont, dass Herr U. nicht bei ihr angestellt sei. Herr U. sei vielmehr bei der B. Ltd. angestellt und erbringe seine Arbeitsleistung in Österreich. Zum Nachweis dazu hat sie einen Auszug aus dem Arbeitsvertrag des Herrn U. mit der B. Ltd. vorgelegt (Bl. 97 – 98 d.A.). Soweit der Kläger den Eindruck habe vermitteln wollen, dass Herr U. seine Stelle übernommen habe, so sei dies nicht korrekt, denn durch die Einstellung von Herrn U. in Österreich habe sich die Berichtslinie der in Deutschland tätigen „Sales Directors“ der Beklagten nicht geändert. Nachdem zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in Deutschland insgesamt nur noch zwei „Sales Directors“ existierten, Herr T. und Herr Q., berichteten eben diese beiden „Sales Directors“ aus Deutschland nach wie vor an Frau S.
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Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Kündigung der Beklagten auf Grund dringender betrieblicher Gründe als sozial gerechtfertigt erachtet. Die Beklagte habe schlüssig dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt gewesen sei, dass die verbleibenden Aufgaben des Klägers von Frau S. im Rahmen ihrer regulären Verpflichtungen erledigt werden könnten und dass spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.06.2020 ein Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers nicht mehr bestehen würde. Weiter habe die Beklagte vorgetragen, dass die Geschäftsführerin V. am 11.05.2020 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die Position des „Country Managers Germany“ einzusparen und dazu habe die Beklagte einen entsprechenden Beschluss von Frau V. (Bl. 78 ff. d. A.) vorgelegt, aus dem sich die Unternehmerentscheidung ergeben habe, die hierarchische Ebene des „Country Manager Germany“ einzusparen. Diese Entscheidung sei auch weder offenbar unsachlich noch willkürlich gewesen und eine etwaige Rechtsmissbräuchlichkeit dieser Entscheidung sei vom Kläger nicht konkret vorgetragen worden noch sonst ersichtlich gewesen. Die Beklagte habe konkret erläutert, in welchem Umfang und weshalb die bisher vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten zukünftig entfallen würden und dass insbesondere die Unterstützung des jeweiligen „Area Vice Presidents“ mit Einsparung der Hierarchie-Ebene des „Country Manager Germany“ nicht mehr erforderlich sei, weil der zuständige „Area Vice President“ eben selber die Schnittstelle zu den Sales Direktoren darstellen würde. Weiter habe die Beklagte vorgetragen, dass das Anwerben und Rekrutieren von neuen „Sales Directors“ (das zehn Prozent des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit des Klägers ausgemacht habe) zukünftig nicht nur von Frau S. und Herrn W. übernommen werde, sondern zusätzlich auch einem externen Dienstleister übertragen werde (nämlich X.), was vom Kläger nicht bestritten wurde. Die Beklagte habe weiter auch die Auswirkungen ihrer unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret dargestellt und sie habe auch angegeben, dass die verbleibenden Arbeiten des Klägers (zwischen 85 und 95%) durch Frau S. ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden könnten. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass Frau S. unstreitig einen Arbeitsvertrag mit der B. Ltd. (mit Sitz in G.,UK) habe und ihrer Arbeit unstreitig in Österreich nachgehe und dass bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit es stets vorausgesetzt sei, dass gegenüber allen etwa angesprochenen Arbeitnehmern und gegenüber dem Arbeitgeber dasselbe, nämlich deutsches Arbeitsrecht und insbesondere das Recht des Kündigungsschutzgesetzes angewendet und auch durchgesetzt werden könne, denn die Rechtsetzungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers sei auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes beschränkt und so habe auch das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anzuwenden sei. Der Entschluss zur Einsparung der Hierarchieebene des Klägers und zur Verlagerung des Aufgabenbereichs des Klägers auf Frau S. als Arbeitnehmerin der B. Ltd. sei somit geeignet gewesen, den Bedarf an einer Beschäftigung des Klägers zum 30.06.2020 in Wegfall zu bringen. Ob Frau S. dabei überobligatorische Mehrleistungen zu erbringen habe oder nicht, sei der Überprüfung durch deutsche Gerichte entzogen mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf Fragen, die eine Gesellschaft in Großbritannien betreffen, deren fragliche Arbeitnehmer in Österreich tätig sei. Allein entscheidend sei gewesen, dass die Aufgaben des Klägers bei der Beklagten in Deutschland entfallen seien und dass es in Deutschland jedenfalls auch nicht zu einer überobligatorischen Mehrleistung komme. Der Kläger habe auch weder Tatsachen noch Indizien vorgetragen, aus denen sich eine Eingliederung von Frau S. in den Betrieb der Beklagten ergeben habe, was im Übrigen auch für den ebenfalls bei der B. Ltd. beschäftigten Herrn W. ebenfalls nicht der Fall gewesen sei. Etwas Anderes habe sich auch nicht aus der Behauptung des Klägers ergeben, dass ein Herr U. seine Tätigkeit übernommen habe, denn dieser sei bei der B. Ltd. (mit Sitz in G., UK) angestellt und erbringe seine Arbeitsleistung ebenfalls in Österreich, wobei zum Nachweis dafür die Beklagte einen Auszug aus dem Arbeitsvertrag des Herrn U. mit der B. Ltd. vorgelegt habe (Bl. 97 – 98 d. A.). Schließlich habe nach der Darstellung des Arbeitsgerichts auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorgelegen, zumal die Beklagte darauf verwiesen habe, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich gewesen sei und dieser eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch nicht aufgezeigt habe.
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Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 9 – 18 des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 126 – 135 d. A.) verwiesen.
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Der Kläger hat gegen dieses Urteil vom 09.02.2021, das ihm am 11.02.2021 zugestellt wurde, mit einem am 09.03.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 12.05.2021 eingegangenen Schriftsatz begründet hat, nachdem zuvor die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
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Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für fehlerhaft, da die Umstrukturierung, die seine Kündigung rechtfertigen solle, nicht umgesetzt sei und weil die Funktion eines Country Managers nach wie vor bestünde, denn für den Kläger sei Herr U. eingestellt worden und folglich sei der Beschäftigungsbedarf für den Kläger nicht entfallen. Der Kläger hält dem Arbeitsgericht vor, dass es seinen Vortrag nicht berücksichtigt habe, wonach die im Vertriebsgebiet Deutschland tätigen Sales Directoren, die vormals an den Kläger berichteten, nunmehr an Herrn U. berichten und dass dieser deren fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter sei. Herr U. trete wie der Kläger als Host and Speaker auf Events auf und sei dafür verantwortlich, die lokalen Partner wie Y1, Y2, Y3, Y4, Y5 und Y6 weiterzuentwickeln. Herr U. sei für die Definierung und Ausarbeitung der lokalen Marketingstrategie zuständig wie auch der Kläger und habe das Territory Planing übernommen und die Account Based Marketing Strategie und Lead/Demand Gen Strategie. Er habe die Rolle des Executive Sponsor bei bestehenden Kunden übernommen und leite die Renewal Gespräche wie auch der Kläger und coache die Sales Direktoren bei aktuellen Geschäftschancen. Die behauptete Umstrukturierung, die die Kündigung des Klägers rechtfertigen solle, sei nicht umgesetzt, denn die betriebliche Funktion des Country Managers Germany bestehe nach wie vor. Der Kläger sei durch Herrn U. ersetzt worden, der dafür eingestellt worden sei. Dieser habe die Tätigkeit des Klägers vollständig übernommen. Diese Stelle sei auch nicht verändert worden und nunmehr würden jedenfalls die Aerea Manager P. und N. an ihn berichten und würden von ihm geführt. Der Kläger verweist auch darauf, dass Herr U. beim so genannten Bankengipfel mit dem Kunden Y7 einen Vortag hielt, was ebenfalls zeige, dass er für das Vertriebsgebiet Deutschland zuständig sei. Es sei auch aus den von der Beklagten vorgelegten Vertragsunterlagen nicht ersichtlich, dass Herr U. ausschließlich für das Vertriebsgebiet Österreich eingestellt worden sei. Der Kläger bestreitet auch weiterhin, dass Herr U. nicht bei der Beklagten, sondern bei der Tochtergesellschaft der Konzernmutter, der B. Ltd., angestellt sei, wobei die B. Ltd. wie die Beklagte eine 100-prozentige Tochter der B. Inc. sei und das vertretungsberechtigte Organ für alle drei Gesellschaften sei Frau V.. Der Kläger rügt insbesondere, dass die Beklagte keinen vollständigen Arbeitsvertrag des Herrn U. mit Unterschriften vorgelegt habe, meint aber auch, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle spiele, ob Herr U. bei der Beklagten oder der B. Ltd. beschäftigt sei. Er meint weiter, dass die Unternehmerentscheidung der Beklagten allein das Ziel verfolge, ihm kündigen zu können. Dies sei rechtsmissbräuchlich, insbesondere deshalb, da ein Beschäftigungsbedarf und -möglichkeiten objektiv fortbestünden. Die Organisationsentscheidung der Beklagten sei konkludent mit dem Kündigungsentschluss und betreffe nur die Position des Klägers, wobei seine Tätigkeit auf die Tochtergesellschaft verlagert werde, ohne dass dessen Beschäftigungsbedarf entfallen sei. Die Position sei auch nachbesetzt worden, die betrieblichen Abläufe seien nicht geändert worden und sachliche Gründe für die Organisationsentscheidung lägen nicht vor. Der Kläger meint auch, die Beklagte hätte substantiiert darlegen müssen, welche betriebswirtschaftlichen Ziele mit der Umstrukturierung wiederum im Einzelnen verfolgt würden. Es hätten konkrete Angaben gemacht werden müssen, wie sich die Organisationsentscheidung, die Verlagerung der Tätigkeit des Klägers auf eine Tochtergesellschaft, auf die Einsatzmöglichkeiten des neu eingestellten Mitarbeiters auswirke. Nur so könne vom Gericht geprüft werden, ob die Unternehmerentscheidung rechtsmissbräuchlich sei. Der Kläger bestreitet auch weiterhin, dass die Geschäftsführerin V. vor Zugang der streitgegenständlichen Kündigung eine Unternehmerentscheidung dergestalt getroffen habe, dass die Vertriebsorganisation der Beklagten umgestaltet werde, indem die Stelle des Country Managers Germany wegfalle und die Tätigkeiten des Klägers auf die B. Ltd. übertragen werde. Der Kläger verweist auch darauf, dass das von der Beklagten vorgelegte Dokument, das die Unternehmerentscheidung enthalte, undatiert sei. Da nach Ansicht des Klägers keine betriebswirtschaftlichen Gründe für die Übertragung des Tätigkeitsbereichs des Klägers auf die B. Ltd. existierten und somit die unternehmerische Entscheidung der Beklagten allein das Ziel verfolgt habe, den Kläger zu kündigen, liege der Rechtsmissbrauch auf der Hand und die Unternehmensentscheidung stelle somit kein beachtliches zwingendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 KSchG dar.
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Der Kläger beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 09.02.2022 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten durch die Kündigung vom 11.05.2020 weder zum 30.06.2020 noch zu einem anderen Zeitpunkt aufgelöst wurde.
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Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
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Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Dieses habe zutreffend festgestellt, dass die Beklagte vor Zugang der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die auch umgesetzt worden sei und dass dadurch die Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten dauerhaft ersatzlos entfallen sei. Weiter habe das Arbeitsgericht richtigerweise festgestellt, dass der Kündigungsschutz nur auf inländische Sachverhalte Anwendung finde und dass keinerlei Anhaltspunkte für eine willkürliche, rechtsmissbräuchliche oder gar sachfremde unternehmerische Entscheidung vorliege. Die Erörterungen des Klägers sollten das unzutreffende Ergebnis skizzieren, dass entweder Frau S. die Aufgaben des Klägers nicht übernehmen konnte bzw. gar nicht übernommen habe oder dass die unternehmerische Entscheidung nicht umgesetzt worden sei, da für den Kläger Herr U. eingestellt worden sei. Die Beklagte bemängelt, dass die Berufungsbegründung diesbezüglich kein einziges Beweisangebot dafür aufweise, dass Herr U. bei der Beklagten als Country Manager Germany eingestellt worden sei. Vielmehr sei Herr U. Country Manager Austria und bei der B. Ltd. angestellt, um das Geschäft in dieser Region auszubauen. Maßgeblich sei, dass der Kläger an den Area Vice-President und zuletzt an Frau S. berichte, wobei diese bei der B. Ltd. angestellt sei und ihre Tätigkeit von Österreich aus erbringe. Der Kläger wiederum sei von der Berichtslinie zwischen den Sales Directors der Beklagten und den Area Vice President der B. Ltd. angesiedelt gewesen. Unabhängig davon sei bereits vor der Umstrukturierung eine Ausnahme der Berichtslinie vorgenommen worden, wonach konkret ein Sales Director der Beklagten, Herr T., unmittelbar und ohne Zwischenschaltung des Klägers als Country Manager an den damaligen AreaVice-President R. und sodann an die jetzige Vice-Präsidentin, Frau S., berichtete. Maßgeblich für die streitgegenständliche Kündigung vom 11.05. 2020 sei, dass die Beklagte am 11.05.2020 in Person der Geschäftsführerin Frau V. die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, die Vertriebsorganisation dergestalt umzustrukturieren, dass nunmehr sämtliche Sales-Directors der Beklagten unmittelbar und ohne Zwischenschaltung eines Country Mangers Germany an den Area Vice-President berichten sollen. Damit sollte die Stelle eines Country Managers Germany bis spätestens zum 1. Juli 2020 entfallen und verbleibende Aufgaben sollten von Frau S., angestellt bei der B. Ltd. und somit einer ausländischen Gesellschaft, zukünftig ausgeführt werden. Die Beklagte habe erkannt, dass durch die Verlängerung der Rolle des Area-Vice Presidents auf eine ausländische Gesellschaft eine Zwischenschaltung eines Country Managers Germany in Deutschland nicht mehr erforderlich sei. Zudem erhoffe sich die Beklagte auch, dass durch die Übernahme der Aufgaben durch eine ausländische Gesellschaft eine Straffung des Bereichs Vertrieb erfolgen könne. Die von der Beklagten angestrebten Verbesserungen hätten sich seit der Umstrukturierung auch bewahrheitet. Die organisatorische Effizienz sei erhöht worden, Zeit- und Informationsverluste hätten sich verringert und auch das Geschäft der Muttergesellschaft und deren Tochtergesellschaft inklusive der Beklagten habe sich seit der Reorganisation äußerst positiv entwickelt. Durch die unternehmerische Entscheidung sei der Beschäftigungsbedarf des Klägers durch die Umstrukturierung des Bereichs ersatzlos weggefallen, denn es würden keinerlei Tätigkeiten eines Country Managers Germany mehr bei der Beklagten erbracht. Unzutreffenderweise versuche der Kläger durch die Einstellung einer Personalie im September 2020 bei einer anderen Tochtergesellschaft des Mutterkonzerns in einem anderen Land zu konstruieren, dass es bei der Beklagten noch die Rolle des Country Managers Germany gebe, was aber schlichtweg falsch sei, denn Herr U. sei nicht für den Kläger eingestellt worden. Herr U. sei bei der B. Ltd. eingestellt und erbringe seine Arbeitsleistung in Österreich und habe die Rolle des Country Managers Austria inne. Diesbezüglich verweist die Beklagte auch auf den Dienstvertrag der B. Ltd. mit Herrn U. (Bl. 270 – 288 d. A.) sowie auf eine Heimarbeitsvereinbarung der B. Ltd. mit Herrn U. (Bl. 289 – 291 d. A.). Soweit der Kläger behaupte, dass der Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung kein Datum aufweise, verweist die Beklagte auf das von ihr vorgelegte Dokument, das das Datum 11. Mai 2020 ausweise. Dass eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger vorliege, sei falsch. Im Gegensatz zu der Vorstellung des Klägers sei die Stelle eines Country Managers in jedem Land weder Pflicht noch zwingend notwendig. Falsch sei auch der Vortrag des Klägers, dass Herr U. der fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der Sales Directors in Deutschland sei. Richtig sei vielmehr, dass diese Sales Directors fachlich an Frau S. berichteten und dass das disziplinarische Weisungsrecht bei der Beklagten liege. Zum Vortrag des Herrn U. auf dem Bankengipfel verweist die Beklagte darauf, dass sich die Veranstaltung an internationale Führungskräfte im Bankenwesen gerichtet habe und dass Herr U. zu dem Kunden Y8 belastbare Kontakte habe und dass es sich um eine Veranstaltung gehandelt habe, die 15 Monate nach dem Zugang der Kündigung stattgefunden habe. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit einer Rechtsmissbräuchlichkeit auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.09.2002 – 2 AZR 636/01 (Rheumaklinik) verweist, sei dies nicht einschlägig, denn die Aufgaben des Klägers seien bei der deutschen Gesellschaft gestrichen worden und nicht wie in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf eine Service GmbH übertragen worden. Maßgeblich sei vorliegend insbesondere, dass die Rolle des Country Managers Germany schlicht bei der Beklagten nicht mehr existiere.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze vom 12.05.2021 (Bl. 179 – 198 d. A.), 14.06. 2021 (Bl. 241 – 269 d. A.), 24.06.2021 (Bl. 312 – 320 d. A.), 19.07.2021 (Bl. 330 – 332 d. A.), 10.08.2021 (Bl. 338 – 343 d. A.), 13.08.2021 (Bl. 345 – 347 d. A.), 29.09.2021 (Bl. 354 – 357 d. A.) sowie vom 14.03.2022 (Bl. 373 – 376 d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen. Weiter wird insbesondere auch zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Sitzungsniederschriften vom 02.07.2021 (Bl. 321 – 323 d. A.), 19.08.2021 (Bl. 348/349 d. A.) und vom 22.03.2022 (Bl. 378 – 380 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
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Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten ist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger ist durch die Entscheidung der Beklagten, die Stelle eines Country Managers Germany zu streichen, entfallen und diese unternehmerische Entscheidung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist das Folgende veranlasst:
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A) Dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein (vgl. BAG, 20.11.2014 – 2 AZR 512/13; 31.07.2014 – 2 AZR 422/13).
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1. Ein dringendes „betriebliches“ Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht, ist gegeben, wenn die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Betrieb nicht mehr gefordert ist. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht gehalten, nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen bzw. zu beschäftigen. Dabei kommt es de lege lata nicht darauf an, ob die dem Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zugrundeliegende unternehmerische (Organisations-)Entscheidung ihrerseits – etwa aus wirtschaftlichen Gründen – „dringend“ war oder die Existenz des Unternehmens auch ohne sie nicht gefährdet gewesen wäre (vgl. BAG, 20.11.2014 – 2 AZR 512/13; 20.06.2013 – 2 AZR 379/12). In diesem Sinne ist die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht dabei die Vermutung, dass sie aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (vgl. BAG, 20.11.2014 – 2 AZR 512/13; 31.07.2014 – 2 AZR 422/13; 20.06.2013 – 2 AZR 379/12).
29
2. Hängt der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs von einer solchen unternehmerischorganisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers ab, braucht diese bei Kündigungszugang noch nicht tatsächlich umgesetzt zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Dazu müssen – soweit die Kündigung ihren Grund in einer Änderung der betrieblichen Organisation hat – zumindest die Absicht und der Wille des Arbeitgebers, die fraglichen Maßnahmen vorzunehmen, schon vorhanden und abschließend gebildet worden sein. Andernfalls lässt sich im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – auf den es dafür unverzichtbar ankommt – nicht hinreichend sicher prognostizieren, es werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kommen (vgl. BAG, 20.11.2014 – 2 AZR 512/13; 31.07.31.2014 – 2 AZR 422/13).
30
B) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte einen die Kündigung rechtfertigenden Grund schlüssig aufgezeigt, denn sie verweist auf die Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung, die Stelle eines Country Managers Germany zu streichen.
31
1. Der Kläger hat im Berufungsverfahren seine Angriffe zur Sozialwidrigkeit der streitgegenständlichen Kündigung dahingehend präzisiert bzw. eingegrenzt, dass die Stelle des Country Managers Germany, die er innehatte, nicht im Rahmen der Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung in Fortfall geraten sei, sondern durch einen Herrn U. nachbesetzt worden sei (vgl. Schriftsatz des Klägers v. 12.05.2021 Seite 5 Ziffer 2 = Bl. 183 d.A.).
32
2. Soweit der Kläger bestreitet, dass seitens der Beklagten eine unternehmerische Entscheidung in Zusammenhang mit dem Wegfall der Position des Country Managers Germany getroffen worden sei, muss er sich das von der Geschäftsführerin V. erstellte und von ihr unterschriebene Papier mit der Überschrift „Unternehmerische Entscheidung“ mit Datum (rechts oben) „11.May 2020“ entgegenhalten lassen. In diesem Schriftstück ist in Ziffer 2 festgelegt, dass die „Rolle des zwischen geschalteten VP & Country Manager“ gestrichen wird und dass diese Stelle in Deutschland nicht weiter benötigt wird. Dass es sich bei dem Schriftstück nur um ein vorgeschobenes Papier handeln könnte, ist nicht ersichtlich und wird letztlich vom Kläger auch nicht substantiiert belegt. Davon ist zu unterscheiden, ob die in dem Schriftstück festgehaltene Entscheidung auch umgesetzt wurde, doch dies ändert nichts an der Existenz des Schriftstücks mit der darin bekanntgegeben unternehmerischen Entscheidung.
33
3. Soweit „etwaige verbleibende Aufgaben“ in Zukunft von Frau S. übernommen werden, die bei der B. Ltd. angestellt ist, ist dies für die Prüfung der Sozialwidrigkeit der streitgegenständlichen Kündigung ohne Belang, denn Frau S. ist nicht bei der Beklagten, sondern bei einer Tochtergesellschaft der B. Inc., der B. Ltd. angestellt und diese Gesellschaft hat ihren Sitz in England und ist zugleich in Österreich tätig. Letztlich handelt es sich, soweit Frau S. noch Aufgaben des Klägers aus der Funktion Country Manager Germany zukommen um die Vergabe von Aufgaben an ein Drittunternehmen und somit um ein Outsourcing, das grundsätzlich im Rahmen der unternehmerischen Freiheit nicht zu beanstanden ist. Der Arbeitgeber muss grundsätzlich auch dann nicht von einem „Outsourcing“ absehen, wenn dadurch einem Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird, das ordentlich nicht mehr kündbar ist. Die Vergabe der Aufgaben (nur) eines einzelnen – ordentlich unkündbaren – Arbeitnehmers an ein Drittunternehmen ist nicht schon per se rechtsmissbräuchlich (vgl. BAG, 18.06.2015 – 2 AZR 480/14).
34
4. Zu prüfen ist auch nicht, inwieweit die in Österreich bei einer andern juristischen Person als der Beklagten beschäftigte Frau S. durch die Übertragung etwaiger Aufgaben aus der ehemaligen Position des Klägers überobligationsmäßig belastet wäre oder diese im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigen kann (vgl. BAG, 24.09.2015 – 2 AZR 3/14; 24.05.2012 – 2 AZR 124/11), denn dies würde nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu einer unzulässigen Ausdehnung des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes auf einen Drittstaat führen. Das Bundesarbeitsgericht geht bisher stets davon aus, dass das Kündigungsschutzgesetz – vorbehaltlich von Sonderregelungen des Gemeinschaftsrechts – nur für Betriebe gilt, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfüllen (vgl. BAG, 17.01.2008 – 2 AZR 902/06).
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5. Nach den obigen Grundsätzen ist es auch im Hinblick auf die vom Kläger behauptete Nachbesetzung seiner Position durch Herrn U. zunächst unerheblich, ob dies überhaupt zutrifft, denn auch Herr U. ist nicht bei der Beklagten beschäftigt und ist zudem in Österreich tätig. An der Echtheit des von der Beklagten vorgelegten Arbeitsvertrags zwischen Herrn U. und der B. Ltd. bestehen keine greifbaren Zweifel und letztlich ist es Sache des Klägers, soweit er sich auf eine willkürliche bzw. missbräuchliche Entscheidung der Beklagten beruft, substantiiert unter Beweis zu stellen, dass Herr U. bei der Beklagten beschäftigt ist, was aber nicht erfolgt ist. Etwas Anderes könnte sich allenfalls zugunsten des Klägers ergeben, wenn er substantiiert dargelegt hätte, dass Herr U. in den Betriebsablauf bei der Beklagten integriert ist und ggf. über eine Art Arbeitnehmerüberlassung oder Verleih für die Beklagte tätig ist. Dafür liegen aber nach dem Sachvortrag des Klägers keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, zumal auch nach dem behaupteten Sachvortrag des Klägers allenfalls ein Outsourcing vorliegen könnte, wobei die Beklagte aber im Übrigen auch darauf beharrt, dass die Funktion des Klägers völlig entfallen ist. Der Verweis auf die Vortragstätigkeit des Herrn U. beim so genannten Bankengipfel aber auch die behauptete Berichtspflicht an ihn stellt keine hinreichenden Indizien dafür dar, dass Herr U. bei der Beklagten die Nachfolge des Klägers angetreten hat und dass er nicht für die B. Ltd. tätig ist. Gleiches gilt auch für die Behauptung des Klägers, dass Herr U. für die Beklagte fachlicher und disziplinarischer Vorgesetzter der Sales Directors der Beklagten sei.
36
6. Der Kläger beruft sich auch ohne Erfolg auf eine Missbräuchlichkeit der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten.
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a) Die gerichtliche Kontrolle einer unternehmerischen Entscheidung zielt nicht darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen. Sie dient nicht dazu, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Konzept bewogen haben. Es geht allein um die Verhinderung von Missbrauch (vgl. BAG, 18. 06.2015 – 2 AZR 480/14; 21.09.2006 – 2 AZR 607/05). Ein solcher kann vorliegen, wenn das Konzept des Arbeitgebers alleine darauf abzielt, den Arbeitnehmer „loszuwerden“ und dies mit einer unternehmerischen Entscheidung zu begründen (vgl. BAG, 18.06. 2015 – 2 AZR 480/14; 06.10.2005 – 2 AZR 362/04).
38
b) Für eine beschlossene und durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen – nicht zuletzt wirtschaftlichen – Gründen getroffen wurde und nicht auf Rechtsmissbrauch beruht (vgl. BAG, 18.06.2015 – 2 AZR 480/14; 20.11.2014 – 2 AZR 512/13; 31.07.2014 – 2 AZR 422/13). Im Prozess hat der Arbeitnehmer die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass die getroffene Organisationsmaßnahme offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. BAG, 18.06.2015 – 2 AZR 480/14; 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06). Trägt er entsprechende Indizien vor, ist in den Tatsacheninstanzen zunächst zu prüfen, ob diese in ihrer Gesamtschau, ggf. im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff, auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs schließen lassen. Ist dem so, sind die vom Arbeitnehmer angetretenen Beweise zu erheben, soweit der Arbeitgeber die Indiztatsachen ausreichend bestritten hat (§ 138 ZPO), und sind die Ergebnisse der Beweisaufnahme unter Beachtung der den Arbeitnehmer treffenden objektiven Beweislast zu würdigen (§ 286 Abs. 1 ZPO) (vgl. BAG, 18.06. 2015 – 2 AZR 480/14 mwN.).
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c) Vorliegend ist der Sachvortrag des Klägers nicht ausreichend, um eine Rechtsmissbräuchlichkeit der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten zu begründen. Der Kläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren keine hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen, dass seine vormalige Tätigkeit als Country Manager Germany bei der Beklagten wieder eingeführt wurde. Vorliegend ist offensichtlich von einer beabsichtigten Straffung des Tätigkeitsablaufs innerhalb des Konzerns auszugehen, zumal nicht nur der Kläger, sondern auch weitere Mitarbeiter der Beklagten in diesen Zusammenhang ihren Arbeitsplatz bei der Beklagten verloren haben. Dieser Umstand ist für die Betroffenen misslich, führt aber nicht zugleich dazu, dass diese Straffung und Umorganisation rechtsmissbräuchlich ist. Auch dass Herr U. seine Tätigkeit von Österreich aus bei einem anderen Unternehmen als der Beklagten erbringt, ist per se nicht ausreichend, um eine Rechtsmissbräuchlichkeit zu begründen, denn im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaftswelt aber auch der Möglichkeiten der Tätigkeit in einem Homeoffice, was in der Coronakrise sich verdeutlicht hat, ist es nicht ungewöhnlich, dass länderübergreifend Tätigkeiten und eine Zusammenarbeit erfolgen und dazu steht es der Beklagten bzw. einem Konzern frei, festzulegen, ob dies schwerpunktmäßig von Deutschland aus erfolgt oder von einem anderen Land aus. In diesem Zusammenhang kann der Kläger sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es erforderlich sei, dass für jedes Land ein Country Manager existiert. Dies mag zwar grundsätzlich stimmig sein, ist jedoch nicht zwingend erforderlich und ist letztlich eine unternehmerische Entscheidung, die nicht zur gerichtlichen Überprüfung ansteht. Im Übrigen spricht auch gegen das Vorliegen einer offensichtlich missbräuchlichen Entscheidung der Beklagten, dass durch die Abschaffung des Country Manager Germany nach der Darstellung der Beklagten bei ihr keine wirtschaftlichen Verluste eingetreten sind und ob der Umsatz, der letztlich vor Ort insbesondere durch die Sales Directors zu erwirtschaften ist, von der Existenz eines Country Managers abhängt, ist offen und damit ist es zumindest nicht rechtsmissbräuchlich, eine solche Leitungsebene abzuschaffen.
III.
40
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
41
Gegen diese Entscheidung ist die Revision gemäß der folgenden Rechtsmittelbelehrungzugelassen.