Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 17.11.2022 – AN 17 K 21.01458
Titel:

Erfolglose Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten hinsichtlich eines privaten Lärmschutzwalls

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 75, § 113 Abs. 5 S. 2
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 7
Leitsätze:
1. Bei angenommener Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplanes richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB, da das Vorhaben dann im Außenbereich liegen würde. Allerdings kann sich ein Nachbar nicht darauf berufen, dass ein Vorhaben in unzulässiger Weise im Außenbereich errichtet wird. Einen Anspruch auf Freihaltung des Außenbereichs haben Anwohner nicht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festsetzungen eines Bebauungsplans entfalten mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung nicht generell und nicht schon kraft Gesetzes, sondern nur ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung, da ein Bebauungsplan grundsätzlich ausschließlich im öffentlichen Interesse liegende Festsetzungen zur städtebaulichen Ordnung trifft. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erfolglose Untätigkeitsklage, statthafte „bloße“ Bescheidungsklage, kein Anspruch auf Verbescheidung bei einer Untätigkeitsklage, wenn kein materieller Anspruch, „Privater Lärmschutzwall“ unter „Hinweise“ als Festsetzung des Bebauungsplanes (offengelassen), (Teil-)Unwirksamkeit des Bebauungsplanes (offengelassen), keine Verletzung drittschützender Normen, kein Recht auf Aussicht, keine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung, kein Anspruch auf Verbescheidung bei einer Untätigkeitsklage, wenn kein materieller Anspruch „Privater Lärmschutzwall“ unter „Hinweise“ als Festsetzung des Bebauungsplanes (offengelassen), (Teil-)Unwirksamkeit des Bebauungsplanes (offengelassen, kein Recht auf Aussicht keine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46350

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger begehren bauaufsichtliches Einschreiten durch den Beklagten hinsichtlich eines von der Beigeladenen errichteten Lärmschutzwalls.
2
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks …, …, FlNr. …, Gemarkung … Südwestlich des Grundstückes der Kläger verläuft die Staatsstraße … (…), die weiter in Richtung Südosten verläuft, östlich die in Richtung … führende Gemeindestraße (FlNr. …, Gemarkung …). Südlich des Grundstücks der Kläger befindet sich an der Kreuzung der beiden Straßen ein Kreisverkehr. Das klägerische Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. … „…“ i.d.F. seiner 3. Änderung der beigeladenen Stadt … Im Bebauungsplan wird für das Plangebiet ein Allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Südwestlich des klägerischen Grundstücks – auf der FlNr. …, Gemarkung … – findet sich im Planblatt des Bebauungsplanes ein eingezeichneter Lärmschutzwall, der unter „Hinweise“ als „Privater Lärmschutzwall“ bezeichnet wird. Der Lärmschutzwall, der aus zwei Teilen besteht, soll nach der zeichnerischen Eintragung im Planblatt im Wesentlichen südwestlich des klägerischen Grundstücks und des westlich direkt daneben liegenden Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, zum Liegen kommen und liegt im Wesentlichen innerhalb des im Planblatt eingetragenen und unter „Hinweise“ als „20 m Bauverbotszone“ bezeichneten Bereichs. Das klägerische Grundstück hält den in dem Planblatt eingezeichneten „45 m Lärmschutz Abstand zur Staatsstraße“, der unter „Hinweise“ beschrieben wird, aufgrund seiner Lage nicht ein. In den weiteren textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes ist unter 1.10.2 festgelegt, dass der Gebäudegrundriss, der im Planblatt innerhalb der 45 m-Linie (Lärmschutz) liegenden, d.h. der unmittelbar an die Staatsstraße angrenzenden Gebäude durch die Anordnung der Kinder-, Schlafzimmer usw. gemäß eines passiven Lärmschutzes zu planen sei.
3
Die Kläger wandten sich mit Email vom 6. Juli 2020 an die Beigeladene und baten um Prüfung, ob man angesichts der extremen Zunahme des aus dem Kreisverkehr entstehenden Geräuschpegels prüfen könne, das Ortsschild weiter in Richtung … zu verlegen. Mit weiterer Email vom 2. März 2021 baten die Kläger die Beigeladene, die Bauarbeiten vor ihrem Grundstück (Erdwall zum Lärmschutz) zu stoppen. Durch Zufall hätten sie erfahren, dass der Nachbar … dies beantragt habe. Die Beigeladene informierte die Kläger mit Email vom selben Tag dahingehend, dass der nun zu errichtende Lärmschutzwall bereits im Bebauungsplan vorgesehen gewesen sei und es sich um keine neue Maßnahme handele. Die Kläger antworteten hierauf mit Email vom selben Tag, dass in ihren Unterlagen und im Kaufvertrag ein Lärmschutzwall nicht erwähnt gewesen sei, andernfalls hätten sie das Grundstück nicht erworben. Die Beigeladene informierte die Bewohner im Baugebiet „…“ mit Schreiben vom 17. März 2021, dass Anfang April der Schallschutzwall, welcher im Bebauungsplan zwischen der … und dem Baugebiet Bestandteil der Erschließung sei, errichtet werde.
4
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 29. März 2021 an die Beigeladene erhoben die Kläger unter dem Betreff „Antrag auf Einstellung/Aussetzung der Baumaßnahme“ gegen den Schallschutzwall Einwendungen und kündigten an, ggf. im vorläufigen Rechtschutz eine vorläufige Untersagung durchzusetzen. Die Kläger führten zum Sachverhalt aus, dass sie ihr Grundstück gemäß notarieller Urkunde vom 17. Februar 1998 von der Beigeladenen erworben hätten. Im Rahmen des Verkaufs sei von der Beigeladenen nicht darauf hingewiesen worden, dass Gegenstand der Planung auch ein „privater“ Lärmschutzwall sei. Vielmehr seien den Klägern die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes übergeben worden, die allerdings eine andere Version gehabt hätten als die nun vorliegende, erkennbar bereits seit 1994 bestehende, in der unter 10. Besonderheiten festgehalten sei, dass unter anderem das Grundstück der Kläger in der 45 m-Linie sei, wonach insbesondere passive Lärmschutzmaßnahmen notwendig seien. In der den Klägern übergebenen Version sei dies nicht enthalten gewesen. Die zeichnerischen Festsetzungen seien nicht bekannt gewesen. Weiter sei den Klägern der wunderschöne Blick in das … angepriesen worden, der als unverbaubar dargestellt worden sei, da hier der Überschwemmungsbereich der … bestehe, weshalb keine Bebauung mehr erfolgen könne. Aus der Begründung zum Bebauungsplan ergebe sich schließlich, dass das Baugebiet der endgültigen Ortsrandabrundung diene. Eine Weiterentwicklung sei zu verhindern, um den Talraumsichtbezug an dieser Stelle zu erhalten. Auch im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens sei nicht ersichtlich gewesen, dass zur Einhaltung der Lärmwerte der entsprechende Wall erforderlich sei, vielmehr sei unter Ziff. 3 der Baugenehmigung festgelegt, dass der Baulastträger der Staatsstraße nicht verpflichtet sei, Maßnahmen zum Schutz vor Verkehrslärm zu treffen. Zum Schutz vor Lärmeinwirkungen würden geeignete Schallschutzmaßnahmen empfohlen. Weiter könnten gegen den Straßenbaulastträger keine Ansprüche wegen Lärm- und Geruchsbelästigung geltend gemacht werden. Aufgrund dieser Empfehlung hätten die Kläger passive Schallschutzmaßnahmen durchgeführt, insbesondere entsprechend qualitative Fenster eingebaut. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Planung im Detail nicht bekannt sei. Es stelle sich die Frage, ob es nicht einer bauaufsichtlichen Genehmgiung bzw. Zustimmung des Straßenbaulastträgers bedürfe. Diese sei jedenfalls ebenso wenig durchgeführt worden wie eine Nachbarbeteiligung. Weiter handele es sich bei dem Wall nicht um eine (notwendige) und öffentliche Erschließungsanlage. Ausweislich der Festsetzungen handele es sich um einen „privaten“ Lärmschutzwall. Auch seitens der Beigeladenen sei es bislang nicht als Erschließungsanlage i.S.v. § 127 Nr. 5 BauGB gesehen worden, wie der Kaufvertrag zeige. Weiter sei der Wall, jedenfalls soweit er auf Höhe der Kläger erfolge, rechtswidrig. So sei die Festsetzung im Bebauungsplan funktionslos, da sich die tatsächlichen Verhältnisse so maßgeblich geändert hätten, dass ein Neubedarf an Planung bestehe, was sich insbesondere aus dem nach Planerlass geschaffenen Kreisverkehrs ergebe. Nachdem der Lärmschutzwall zum Kreisverkehr hin geöffnet sei und es gerade im Bereich des Kreisverkehrs die höchste Lärmentwicklung gebe – einerseits aufgrund stark abbremsender Fahrzeuge von ortsauswärts kommend Richtung Kreisverkehr und andererseits durch stark beschleunigende Fahrzeuge aus dem Kreisverkehr heraus ortsauswärts – komme es bei Errichtung des Lärmschutzwalls zu einer erheblichen Lärmsteigerung, da sich der Schall durch Reflexion zwischen Wall und Häuserwand der Kläger verstärken werde. Weiter sei der Lärmschutzwall rechtswidrig, da dadurch der Talraumsichtbezug für die Kläger verbaut werde, wie sich aus der Begründung zum Bebauungsplan ergebe. Dieser Belang sei ausnahmsweise nachbarschützend.
5
Mit Schreiben des Klägerbevollmächtigten an das Landratsamt … vom 1. April 2021 „wegen beabsichtigtem Beginn einer Baumaßnahme“ wurde mit Verweis auf das Schreiben der Beigeladenen vom 17. März 2021 auf die beabsichtigte Errichtung des Lärmschutzwalls hingewiesen. Da insbesondere der Umfang des Lärmschutzwalls nicht bekannt sei, sei auch nicht bekannt, ob eine bauaufsichtliche Genehmigung erforderlich sei. Wenn ja, liege diese wohl nicht vor. Es werde daher um umgehende bauaufsichtliche Prüfung gebeten. Das Nähere sei dem beiliegenden Schreiben an die Stadt … zu entnehmen.
6
Die Beigeladene wies mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 7. April 2021 an die Klägerseite darauf hin, dass die Kläger selbst mit Email vom 6. Juli 2020 um Abhilfe wegen Lärmbelastung gebeten hätten. Ebenso sei im Bebauungsplan die Lärmschutzmaßnahme vorgesehen gewesen, wovon die Kläger auch Kenntnis gehabt hätte, was sie im notariellen Vertrag auch versichert hätten. Die vorgebrachten Einwendungen (wunderschöner Blick ins …, Funktionslosigkeit der Festsetzungen) seien unerheblich. Die Maßnahme werde weiter fortgeführt werden. Die Beigeladene übermittelte dem Landratsamt … das Schreiben vom 7. April 2021 und u.a. eine Grundriss- und Schnittzeichnung des Lärmschutzwalls, der aus zwei Teilen besteht und zum einen südwestlich der FlNr. … und zum anderen südwestlich des Klägergrundstückes zum Liegen kommt. Nach den vorgelegten Plänen hat der Lärmschutzwall eine Höhe von kleiner/gleich 2 m und insgesamt eine Grundfläche von ca. 440 m², der direkt vor dem Anwesen der Kläger befindliche Wall hat eine Grundfläche von 162,65 m².
7
Das Landratsamt … verwies mit Email vom 20. April 2021 an den Klägerbevollmächtigten auf das Antwortschreiben der Bevollmächtigten der Beigeladenen, die bereits im Auftrag der Beigeladenen in der Sache Stellung genommen habe.
8
Die Kläger erhoben mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 Klage beim Landgericht … und beantragten, die Beigeladene zu verurteilen, den Lärmschutzwall auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, zu beseitigen, soweit dieser vor dem Grundstück der Kläger und der … errichtet worden sei. Über diese Klage war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch nicht entschieden. Ein ebenso dort eingeleitetes Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zwecks Baueinstellung wurde aufgrund der im Mai 2021 vollendeten Errichtung des Lärmschutzwalls eingestellt.
9
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. August 2021 erhoben die Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach „wegen Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten“. Mit der Klage werde ein Verbescheidungantrag, gerichtet auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladene, geltend gemacht. In tatsächlicher Hinsicht wurde ergänzend zu den bisherigen Ausführungen insbesondere dargelegt, dass die angepriesene unverbaubare Randlage Kaufgrund gewesen sei. Das Anwesen sei im Wohnbereich inklusive Terrasse in Richtung … ausgerichtet. Was den Lärm angehe, sei in der Begründung des Bebauungsplanes ausgeführt, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h im Bereich der Staatsstraße angestrebt sei. Zum Zeitpunkt der Planung sei die … durchgängig befahrbar gewesen. In rechtlicher Hinsicht legte die Klägerseite dar, dass die Errichtung des Lärmschutzwalls gegenüber den Klägern rechtswidrig sei und sie in ihren nachbarschützenden Rechten verletze, weshalb die Kläger Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung über ihren Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten hätten. Bereits mit Schriftsatz vom 1. April 2021 hätten die Kläger beim Beklagten die „umgehende bauaufsichtliche Prüfung“ beantragt. Eine Entscheidung hierüber sei nicht erfolgt. Vielmehr sei durch Email vom 20. April 2021 mitgeteilt worden, dass von Seiten des Beklagten auf das Antwortschreiben der Bevollmächtigten der Beigeladenen verwiesen werde. Eine eigenständige Prüfung seitens des Beklagten sei nicht erfolgt. Unabhängig davon, ob das Vorhaben auf Errichtung eines Lärmschutzwalls baugenehmigungspflichtig oder ggf. nach den Bestimmungen des Straßen- und Wegerechts zumindest erlaubnispflichtig sei, entbinde dies den Bauherrn nicht von der Einhaltung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts. Auch bei möglicher Verfahrensfreiheit seien die Befugnisse des Beklagten nicht eingeschränkt. Das Vorhaben verletze das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme. Die Maßnahme sei weiter aufgrund der Unbestimmtheit der Festsetzung des Bebauungsplanes rücksichtslos, da insbesondere auch nicht geprüft werden könne, inwieweit die Festsetzung selbst bereits nachbarschützende Rechte verletze. Der Lärmschutzwall sei nur in den zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplanes enthalten. Die textlichen Festsetzungen enthielten dagegen überhaupt keinen Hinweis auf einen Lärmschutzwall. Auch enthalte die Begründung des Bebauungsplanes keinerlei Hinweise auf die Erforderlichkeit eines Lärmschutzwalles. Konkrete Festsetzungen zum Wall, insbesondere zur Höhe der baulichen Anlage, zur Ausbreitung und Gesamtaufschüttungsmenge, enthalte der Bebauungsplan samt Begründung überdies nicht. Dargestellt werde nur ein „privater“ Lärmschutzwall, der erkennbar keine erforderliche Erschließungsanlage i.S.v. § 127 Abs. 2 Nr. 5 BauGB sei. Mangels Bestimmtheit sei die Festsetzung keine taugliche Grundlage für das Vorhaben. Überdies habe sich eine wesentliche Veränderung der städtebaulichen Entwicklung ergeben, da der Straßenbaulastträger der Staatsstraße nachträglich, d.h. nach Erlass des Bebauungsplanes, einen Kreisverkehr geplant, realisiert und gebaut habe. Geschwindigkeitsbegrenzungen in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht seien nicht erfolgt. Die Hauptlärmquelle liege nunmehr seitlich zum offenen Bereich des inzwischen ausgeführten Lärmschutzwalls, nämlich in Form des Kreisverkehrs. Der ausgeführte Lärmschutzwall führe nicht zu einer Reduzierung der Lärmbelastung, sondern führe dazu, dass die Lärmbelastung am Wohnanwesen der Kläger erhöht sei aufgrund der Öffnung des Lärmschutzwalls zur Seite und der räumlichen Nähe zum Wohnhaus der Kläger. Zwar habe die Beigeladene dies als Unsinn dargestellt, allerdings sei die Lärmerhöhung anhand einfacher physikalischer Gegebenheiten und bei Kenntnis der Ausbreitung des Lärms physikalisch schlicht eine zwingende Gegebenheit. Der Beklagte habe dies nicht, insbesondere auch nicht durch die Fachbehörde, geprüft. Es sei nicht einmal ein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden. Es dürfte dem Gericht anhand der Vielzahl seiner Verfahren bekannt sein, dass die Effektivität aktiver Lärmschutzmaßnahmen nach allgemeiner Erfahrung insbesondere davon abhänge, dass sie möglichst nah an der Lärmquelle errichtet werden, hier also unmittelbar an der Staatsstraße hätten errichtet werden müssen. Weiter sei das Vorhaben rücksichtlos, da den Klägern die Aussicht genommen werde und ihnen der Lärmschutzwall „vor die Nase“ gesetzt werde.
10
Die Kläger beantragen:
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Errichtung eines Lärmschutzschutzwalles auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
11
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und führte aus, dass weder ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten bestehe, noch die Kläger durch die vermeintliche Untätigkeit des Beklagten in ihren Rechten verletzt würden. Die Klage sei als Untätigkeitsverpflichtungsklage nach § 75 VwGO bereits unzulässig, da es aufgrund des vorher nicht beim Landratsamt gestellten Antrages auf Erlass des eingeklagten Verwaltungsaktes am Rechtschutzbedürfnis fehle. Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 1. April 2021 sei lediglich um bauaufsichtliche Prüfung gebeten worden. Eine Prüfung beinhalte aber kein Einschreiten, sie sei allenfalls Voraussetzung hierfür. Weiter sei das Begehren geprüft und mit Email vom 20. April 2021 auf die Nachricht der Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 7. April 2021 verwiesen worden. Für die Art und Weise der behördlichen Nachricht existiere kein Schriftformerfordernis. Der Beklagte sei mit der Baumaßnahme einverstanden gewesen. Der Beklagte habe seitdem von den Klägern nichts mehr gehört. Die Klage sei auch unbegründet. Der streitgegenständliche Lärmschutzwall sei baurechtlich verfahrensfrei, Art. 57 Abs. 1 Nr. 9 BayBO. Auch bauplanungsrechtlich sei der Wall unbedenklich. Seine Errichtung sei im Bebauungsplan ausdrücklich vorgesehen, entspreche daher dessen Festsetzungen, § 30 BauGB. Unerheblich sei, ob die Kläger beim Grundstückskauf Kenntnis von der möglichen Errichtung des Lärmschutzwalls gehabt haben. Eine Inzidentprüfung des Bebauungsplanes stehe dem Beklagten nicht zu. Verstöße gegen Art. 6 BayBO seien nicht gegeben. Es bestehe weiter kein Verstoß gegen das Bayerische Straßen- und Wegegesetz. Das straßenrechtliche Anbauverbot gelte vorliegend nicht, Art. 23 Abs. 3 BayStrWG. Das Vorhaben entspreche damit öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so dass kein Grund für bauaufsichtliches Einschreiten vorliege. Im Übrigen hätten die Kläger, selbst bei einer Verletzung des öffentlichen Rechts, keinen unmittelbaren Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, lediglich auf ermessenfehlerfreie Entscheidung. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten werde unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach wie vor abgelehnt, da der Bebauungsplan die Errichtung eines Lärmschutzwalles ausdrücklich vorsehe und sogar die Kläger selbst die Beigeladene gebeten hätten, für Abhilfe gegen die von der Staatsstraße ausgehenden Lärmemissionen zu sorgen. Zwar hätten die Kläger eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h gefordert. Hierbei werde aber vergessen, dass für eine Geschwindigkeitsreduzierung, auf Kosten der persönlichen Freiheit Dritter, eine entsprechende Begründung nötig sei. Solange aber noch bauliche Maßnahmen zu einer Einhaltung der Lärmwerte bestünden, sei dies immer das mildere Mittel. Es sei weiter nicht rechtswidrig, dass die Aussicht auf den Talraum der … durch den Wall versperrt werde. Es bestehe keine nachbarschützende Funktion des Bebauungsplanes für den Sichtbezug zum Talraum der … Unter Nr. 4 der Begründung zum Bebauungsplan sei lediglich festgestellt worden, dass eine weitere Entwicklung des Baugebietes in Ost-West-Richtung verhindert werden solle. Gleichzeitig diene das Baugebiet der Ortsabrundung. Dieser Umstand finde sich ebenso in der räumlichen Gestaltung des Baugebietes. Konkrete Aussagen, dass den Bewohnern des Baugebietes ein unverbaubarer Blick in Richtung des Talraumes der … gewährleistet werden solle, seien der Begründung des Bebauungsplanes nicht zu entnehmen.
12
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen,
und bezog sich auf die Ausführungen im Klageabweisungsschriftsatz des Beklagten, denen gefolgt werde und teilte weiter mit, dass die Beigeladene keine Verwerfungskompetenz für ihren Bebauungsplan habe, an dessen Festsetzungen gebunden und verpflichtet sei, die Vorgaben des Bebauungsplanes zu erfüllen und den Lärmschutzwall zu errichten. Der Bebauungsplan sei auch nicht funktionslos geworden, selbst wenn, wie die Kläger vortragen, der Lärmschutzwall 22 Jahre nicht errichtet worden sei. Was Festsetzungen zum Lärmschutz angehe, seien diese gerade erforderlich, schließlich werde hier gerade eine Lärmsteigerung vorgetragen. Im Übrigen sei insbesondere der Vortrag dahingehend, dass der Wall den Lärm erhöht habe, unsubstantiiert und unschlüssig. Die Einholung eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens wäre reine Ausforschung.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte des Beklagten, die beigezogenen Bebauungsplanunterlagen der Beigeladenen sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 17. November 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist unbegründet.
15
1. Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage, §§ 42 Abs. 1 Alt. 2, 75 VwGO, ist zulässig.
16
Eine Untätigkeitsklage erfordert vor Klageerhebung einen Antrag auf Erlass des geforderten Verwaltungsaktes bei der zuständigen Behörde, um dieser die Gelegenheit zu einer Sachentscheidung zu geben (vgl. Peters in BeckOK, VwGO, 1.7.2022, 63. Ed., § 75 Rn. 5). Ein solcher Antrag liegt hier in dem an den Beklagten gerichteten Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 1. April 2021. Zwar lässt der Betreff des Schreibens vom 1. April 2021 auf den ersten Blick nicht vermuten, dass bauaufsichtliches Einschreiten begehrt wird, wenn dort lediglich von dem beabsichtigten Beginn einer Baumaßnahme durch die Beigeladene die Rede ist. Angesichts des Inhalts des Schreibens, in dem die beabsichtigte Errichtung eines Lärmschutzwalls durch die Beigeladene, dessen Umfang unbekannt sei, die Frage der Baugenehmigungspflichtigkeit und die wohl nicht vorhandene Baugenehmigung angesprochen und vor allem um umgehende bauaufsichtliche Prüfung gebeten wird, ist jedoch klar, dass es sich hierbei um einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten handelt. Dies wird gestützt durch das beigefügte Schreiben vom 17. März 2021 an die Beigeladene, auf das verwiesen und in dem explizit ein Antrag auf Einstellung bzw. Aussetzung der Baumaßnahme gestellt wird.
17
Die Behörde hat über den gestellten Antrag nicht entschieden. Einzige Reaktion des Beklagten auf den gestellten Antrag ist eine Email vom 20. April 2021 an den Klägerbevollmächtigten mit dem Inhalt: „(…) bezüglich dem uns unter dem o.g. Aktenzeichen zugesendeten Schreiben bezüglich des Fall ihrer Mandanten (…) verweisen wir auf das Antwortschreiben der Rechtsanwältin (…), die bereits im Auftrag der Stadt … in der Angelegenheit Stellung genommen hat“. Diese Email ist kein Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtwirkung nach außen gerichtet ist, Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Zwar ist ein Verwaltungsakt auch formlos möglich, weshalb auch ein Erlass in Form einer Email zulässig ist. Dennoch liegt eine verbindliche Entscheidung des Beklagten nicht vor. Die Email vom 20. April 2021 enthält zum einen keine Rechtsbehelfsbelehrung, was indiziell dagegen streitet, dass mit dieser Email den Klägern gegenüber eine Regelung getroffen werden sollte, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung gerichtet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2022 – 2 WD 13.21 – juris Rn. 5). Zum anderen spricht auch der Inhalt der Email dagegen. Maßgeblich für die Auslegung eines Verwaltungsaktes ist der objektive Erklärungswert aus Sicht des Empfängerhorizonts (vgl. Alemann/Scheffxzyk in BeckOK, VwVfG, 1.1.2022, 57. Ed., § 35 Rn. 46). Hiernach fehlt es an der „Regelung“. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. wenn Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden (vgl. Alemann/Scheffxzyk in BeckOK, VwVfG, a.a.O., § 35 Rn. 141). In der Email des Beklagten vom 20. April 2021 wird letztlich lediglich auf ein Schreiben der Rechtsanwältin der Beigeladenen an die Kläger verwiesen, in dem diese – unter Angaben einer kurzen Begründung – für die Beigeladene mittteilt, dass die Maßnahme weiter fortgeführt werde. Mit dem bloßen Verweis auf dieses Schreiben der Beigeladenenseite, wobei noch explizit ausgeführt wird, dass die Rechtsanwältin im Auftrag der Beigeladenen Stellung genommen hat, hat der Beklagte nach Auffassung der Kammer nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine Regelung getroffen, d.h. nicht mit bindender Wirkung festgestellt, dass der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten durch den Beklagten abgelehnt wird. Im Übrigen gehen Unklarheiten zu Lasten der Behörde (vgl. Alemann/Scheffxzyk in BeckOK, VwVfG, a.a.O., § 35 Rn. 46).
18
Weiter ist die für eine Untätigkeitsklage grundsätzlich erforderliche Frist von drei Monaten ab Antragstellung, § 75 Satz 2 VwGO, unproblematisch eingehalten, ebenso liegt kein zureichender Grund für die Nichtentscheidung der Behörde vor.
19
Statthaft ist insbesondere auch die hier erhobene bloße Bescheidungsklage, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, in Abgrenzung zur Vornahmeklage, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Bedeutung erlangt die Bescheidungsklage dort, wo der Behörde ein Entscheidungs- oder Ermessensspielraum zukommt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 42 Rn. 8). Ob die Behörde etwa nach Art. 54 Abs. 2, Abs. 4, 75, 76 BayBO bauaufsichtlich einschreitet, liegt in ihrem Ermessen, weshalb die bloße Bescheidungsklage vorliegend statthaft ist.
20
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
21
Ein Bescheidungsausspruch kommt gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auch bei einer Untätigkeitsklage wie hier von vornherein nur in Betracht, wenn zwar das Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen festgestellt werden kann, die Sache aber wegen eines verbleibenden Ermessensspielraums auf Seiten der Behörde noch nicht spruchreif ist. Das grundsätzlich gegebene Recht auf Bescheidung eines gestellten Antrages durch die Behörde ist nämlich kein Selbstzweck, sondern dient der Durchsetzung materieller Rechte (vgl. BVerwG, U.v. 28.3.1968 – VIII C 22/67 – juris; OVG SH, B.v. 9.3.2021 – 4 LA 228/19 – juris Rn. 19).
22
Es fehlt hier am Vorliegen der materiellen Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte ermessensgerechte Entscheidung über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten durch die Behörde. Voraussetzung für einen solchen Anspruch der Kläger als Nachbarn ist zum einen das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Normen, die bauaufsichtliches Eingreifen ermöglichen (Art. 54 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4, 75, 76 BayBO), zum anderen müssen die Kläger durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt sein (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2008 – 1 ZB 07.3115 – juris Rn. 10 f., B.v. 4.7.2011 – 15 ZB 09.1237 – juris Rn 11, B.v. 7.9.2018 – 9 ZB 16.1890 – juris Rn. 6). Hier fehlt es bereits an letzterem.
23
Die Kläger sind durch den errichteten Lärmschutzwall nicht in ihren Rechten betroffen.
24
a) Die Kläger sind nicht in ihren Rechten aus Art. 6 BayBO verletzt. Die Abstandsflächenvorschriften dienen dem Nachbarschutz und sind drittschützend (vgl. Schönfeld in BeckOK, BayBO, 19. Ed. 1.4.2021, Art. 6 Rn. 259). Der in Bezug auf eine mögliche Verletzung des Abstandsflächenrechts allein maßgebliche Lärmschutzwall südwestlich des Grundstückes der Kläger ist nach dem vorgelegten Plan an seinem Fußpunkt 1 m, an seiner höchsten Stelle 3 m von der Grundstücksgrenze der Kläger entfernt und weist bei einem Böschungswinkel von 45 Grad eine maximale Höhe von kleiner/gleich 2 m, eine Tiefe von 6 m und eine Länge von 27,68 m (Fußpunkt zu Fußpunkt) bzw. 23,68 m (Spitze zu Spitze) auf. Der Lärmschutzwall, eine bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayO), ist nicht abstandsflächenpflichtig, da er keine gebäudegleiche Wirkung hat, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Ob einer Anlage gebäudeähnliche Wirkung zukommt, lässt sich nicht grundsätzlich, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts bestimmen, wobei die Größe der Anlage und z.B. auch das Material, aus welchem sie hergestellt ist, sowie ihre Zweckbestimmung eine Rolle spielen. Bauliche Anlagen, die eine mit den in Art. 6 Abs. 7 Satz 1 BayBO genannten Anlagen vergleichbare Nutzung aufweisen, sind demnach anders zu beurteilen als bauliche Anlagen mit Aufenthaltsfunktion (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 14 CE 13.928 – juris). Die Regelungen in Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO und Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a und 9 BayBO können als Anhaltspunkt herangezogen werden, denn sie sind Ausdruck der grundsätzlichen gesetzlichen Wertung, dass durch Bauwerke bis zu einer solchen Höhe diejenigen Gesichtspunkte, die das Abstandsflächenrecht vor allem im Blick hat (Belichtung, Belüftung, Besonnung), im Regelfall nicht zu Lasten des Nachbarn beeinträchtigt werden (vgl. VG Ansbach, U.v. 20.7.2021 – AN 17 K 20.00936 – juris Rn. 28). Nach alledem beeinträchtigt der Lärmschutzwall, der ausweislich der vorgelegten Unterlagen eine – in einem Wohngebiet nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO zulässige – Höhe kleiner/gleich 2 m hat und insbesondere nicht dem Aufenthalt von Menschen dient, keine der durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange. Dass sich hier ausnahmsweise etwas anderes ergibt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, insbesondere ergibt dies sich nicht aus der Länge des Walls von 27,68 m bzw. 23,68 m. Auch Stützmauern und Einfriedungen sind nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO unabhängig von ihrer Länge ohne die Einhaltung von Abstandsflächen zulässig. Überdies tritt hinzu, das die maximale Höhe des Walls nicht bereits in einem Abstand von nur 1 m zur Grundstücksgrenze erreicht wird, sondern erst in einem Abstand von 3 m, was auch dafür spricht, dass insbesondere die Belange Belichtung, Belüftung, Besonnung, Verschattung, auch wenn der Wall südwestlich des Grundstücks der Kläger liegt, nicht zu Lasten der Kläger beeinträchtigt werden.
25
b) Die Kläger sind auch nicht in sonstigen drittschützenden Rechten verletzt. Offen bleiben kann, ob, wie die Kläger vortragen, die Festsetzung „Privater Lärmschutzwall“ etwa wegen Unbestimmtheit oder Funktionslosigkeit unwirksam ist und falls ja, ob dies zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplanes führt.
26
aa) Bei angenommener Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplanes richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB, da das Vorhaben dann im Außenbereich liegen würde. Allerdings kann sich ein Nachbar nicht darauf berufen, dass ein Vorhaben in unzulässiger Weise im Außenbereich errichtet wird. Einen Anspruch auf Freihaltung des Außenbereichs haben Anwohner nicht (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38/99 – juris Rn. 5; VG Ansbach, U.v. 14.12.2022 – AN 17 K 21.01375 – juris; München, U.v. 26.5.2021 – M 9 K 18.3467 – juris Rn. 19).
27
bb) Bei angenommener Wirksamkeit des Bebauungsplanes in Gänze, aber auch bei angenommener Unwirksamkeit nur der Festsetzung des Bebauungsplanes zum privaten Lärmschutzwall bzw. wenn man angesichts der Verortung der diesbezüglichen Zeichenerklärung unter „Hinweise“ in dem Lärmschutzwall schon gar keine Festsetzung des Bebauungsplanes sieht, liegt keine Verletzung von die Kläger schützenden Normen des Bebauungsplanes vor.
28
Die Festsetzungen eines Bebauungsplans entfalten mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung nicht generell und nicht schon kraft Gesetzes, sondern nur ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung, da ein Bebauungsplan grundsätzlich ausschließlich im öffentlichen Interesse liegende Festsetzungen zur städtebaulichen Ordnung trifft (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1991 – 4 B 137/91 – juris; BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 13). Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst (etwa kraft ausdrücklicher Regelung von Drittschutz), aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16; B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15; B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24 ff.; B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 16; B.v. 5.4.2018 – 1 ZB 16.2598 – juris Rn. 4; B.v. 10.4.2018 – 1 ZB 17.3 – juris Rn. 4).
29
Wenn die Kläger ausführen, dass sich aus 4. der Begründung des Bebauungsplanes ergebe, dass das Baugebiet der endgültigen Ortsrandabrundung diene und eine Weiterentwicklung in Ost-West-Richtung zu verhindern sei, um den Talraum-Sichtbezug an dieser Stelle zu erhalten, kann dies eine Verletzung drittschützender Normen nicht begründen. In Anbetracht dessen, dass unter 3. der Begründung des Bebauungsplanes die St … als südliche Grenze des Bebauungsplanes dargestellt wird, fällt der Lärmschutzwall in der Systematik des Bebauungsplanes zum einen schon nicht unter die unter 4. genannte freizuhaltende Ost-West-Richtung. Zum anderen finden sich in der Begründung des Bebauungsplanes keine Aussagen dahingehend, dass den Bewohnern des Baugebietes oder jedenfalls den Bewohnern in Randlage Richtung … ein unverbaubarer Blick in Richtung des Talraumes der … gewährt werden soll. Ganz im Gegenteil zeigt die im Bebauungsplan nach Südwesten vorgesehene umfangreiche Bepflanzung mit öffentlichem Grün, auch Bäumen, und der eingezeichnete Lärmschutzwall, dass dem gerade nicht so ist. Ohnehin spiegelt sich der genannte Talraum-Sichtbezug in keiner der Festsetzungen des Bebauungsplanes und nur diese könnten, anders als die Begründung, drittschützend sein. Eine solche Festsetzung wurde selbst von den Klägern nicht benannt.
30
Auch die Lage des aus zwei Teilen bestehenden Walls weitestgehend innerhalb der 20-m-Bauverbotszone begründet keine Rechtsverletzung der Kläger. Abgesehen davon, dass es auch hier angesichts der Verortung unter „Hinweise“ fraglich ist, ob hier überhaupt eine Festsetzung des Bebauungsplanes vorliegt, handelt es sich jedenfalls um keine drittschützende Festsetzung.
31
(cc) Das Vorhaben der Beigeladenen verletzt schließlich auch nicht das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme unter Nachbarn (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 8.7.1988 – 4 B 64.98 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist nach gefestigter Rechtsprechung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Gegeneinander abzuwägen sind dabei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar bzw. unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich insoweit nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N., U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22/75 – juris Rn. 22).
32
Gemessen hieran ist eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten der Kläger nicht erkennbar und zwar weder im Hinblick auf eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung, noch auf den Verlust an Aussicht in den Talraum der …, noch aus Lärmgründen oder aufgrund sonstiger Belange bzw. in Gesamtschau aller Umstände.
33
Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung durch das Bauvorhaben wird schon nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, zumal die Vorschriften des Abstandsflächenrechts vorliegend eingehalten sind, was regelmäßig gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes spricht (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17, B.v. 5.9.2016 -15 CS 16.1536 – juris). Anhaltspunkte für eine erhebliche Verschattung des Klägergrundstückes ergeben sich ebenso nicht und sind auch nicht vorgetragen. Auch der Verlust von Aussicht führt zu keiner Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Der ungeschmälerte Fortbestand einer „schönen Aussicht“ stellt grundsätzlich nur eine Chance dar (vgl. BVerwG vom 13.6.1969 – IV C 80/67 – juris). Ein Recht, dass in Richtung Südwesten keine weitere Bebauung erfolgt, steht den Klägern nicht zu, insbesondere ergibt sich dies – wie ausgeführt – nicht aus den Festsetzungen des Bebauungsplanes (vgl. VGH BW, U.v. 12.9.1991- 8 S 1382/91 – juris Rn. 41; BayVGH, B.v. 18.12.1996 – 14 CS 96.3492 – BeckRS 1996, 16896). Das hier ausnahmsweise etwas anderes gilt, ist nicht ersichtlich. Unerheblich ist insbesondere, ob die Kläger bei Erwerb des Grundstückes vom eingezeichneten Lärmschutzwall Kenntnis hatten, ob der freie Blick ins … Kaufgrund für die Kläger gewesen ist und ob eine Unverbaubarkeit des Blicks ins … seitens der Beigeladenen im Rahmen des Vertragsschlusses angepriesen wurde, wobei als Grund hierfür – auch nach Vortrag der Kläger – der faktische Überschwemmungsbereich der … genannt wurde und nicht etwa ein Recht der Kläger. Gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots spricht zudem, dass der Blick in den Talraum der … zwar nach Südwesten, aber nicht nach Süden hin durch den Lärmschutzwall versperrt wird, so dass es hier allenfalls um einen teilweisen Verlust der Aussicht geht.
34
Die Kläger sind nach Überzeugung der Kammer auch nicht aufgrund einer Lärmerhöhung durch den errichteten, aus zwei Teilen bestehenden Lärmschutzwall unzumutbar beeinträchtigt. Ob der Lärmschutzwall Teil der Erschließungsmaßnahme ist, wie die Beigeladene vorträgt, oder ob es sich um eine solche gerade nicht handelt, wie die Klägerseite vorträgt, ist unerheblich. Selbst wenn es sich bei der Errichtung des Lärmschutzwalls um eine freiwillige Maßnahme der Beigeladenen handelt, ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht gegeben. Zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen ist auf die Begriffsbestimmungen (Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG) und die materiellrechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) zurückzugreifen (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – juris). Die Zumutbarkeitsschwelle wird grundsätzlich überschritten, wenn die Störungen oder Belästigungen unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse erheblich im Sinne von § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind. „Faktische Vorbelastungen“ können sich dabei schutzmindernd auswirken. Die „Quantifizierung“ der schutzmindernden Lärmvorbelastung fällt dabei in den Bereich der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung und Bewertung (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – juris Rn. 27).
35
Nach Auffassung der Kammer kommt es aufgrund des Lärmschutzwalls nicht zu einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung der Kläger. Zwar erscheint es nachvollziehbar, wenn ausgeführt wird, dass es durch abbremsende und beschleunigende Fahrzeuge im Bereich des Kreisverkehrs zu einer Lärmentwicklung kommt, die es vor Errichtung des Kreisverkehrs nicht gegeben hat. Gegenstand ihres Antrags ist aber nicht der Kreisverkehr, sondern der Lärmschutzwall. Wenn die Kläger ausführen, dass sich aufgrund des Walls der Lärm am klägerischen Anwesen erhöht habe, wobei vorgetragen wird, dass der Lärm von der nunmehrigen Hauptlärmquelle „Kreisverkehr“ durch die Öffnung des Walls auf das nahegelegene Grundstück der Kläger treffe und dieser Schall durch Reflexion zwischen Hauswand und Wall erhöht werde, vermögen sie hiermit eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung nicht zu begründen. Ob der Wall unmittelbar an der Staatsstraße hätte errichtet werden müssen, um effektiv zu sein, ist weiter unerheblich, denn es kommt hier nicht darauf an, ob die effektivste Lärmschutzmaßnahme umgesetzt wurde.
36
Die in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreterin der Unteren Immissionsschutzbehörde beim Landratsamt gab auf Frage des Gerichts zur Schallreflexion an, dass der Schall vom Kreisverkehr nicht direkt auf den Wall treffe, sondern dort nur gedämpft ankomme, weshalb sie vermute, dass es zu keiner wesentlichen Erhöhung des Schalls komme und die Schallreflexion keinen relevanten Lärmbeitrag leiste. In jedem Fall mindere der Lärmschutzwall auf der Länge, auf der er bestehe, die Lärmemission der Staatsstraße. Die Ausführungen der Vertreterin der Unteren Immissionsschutzbehörde sind nach Auffassung der Kammer plausibel und werden durch die klägerseits vorgebrachten Argumente in keinster Weise entkräftet. Angesichts der eindeutigen Aussage, dass der Lärmschutzwall zu einer Lärmminderung am klägerischen Grundstück hinsichtlich des von der Staatsstraße herrührenden Lärms führt und der fachlichen Vermutung, dass es durch den Wall nicht zu einer wesentlichen Erhöhung des Schalls am klägerischen Anwesen kommt, spricht schon wenig dafür, dass es am klägerischen Grundstück zu einer – im Vergleich zum Zustand vor Errichtung des Lärmschutzwalls – Lärmerhöhung kommt. Erst Recht sind keine Anhaltspunkte gegeben, dass es zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung kommt. Das Gebot der Rücksichtnahme ist nämlich nicht bereits bei jeder Beeinträchtigung verletzt. Vielmehr bedarf es einer unzumutbaren Beeinträchtigung, die nach Überzeugung der Kammer zu verneinen ist. Angesichts des unsubstantiierten klägerischen Vorbringens einerseits und den plausiblen Angaben der Vertreterin der Unteren Immissionsschutzbehörde, einer Fachfrau, andererseits, waren weitere Untersuchungen zur Frage der Lärmerhöhung und einer etwaigen unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung, trotz des im Verwaltungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO), seitens des Gerichts nicht veranlasst, wobei hier auch zu berücksichtigen ist, dass der Vortrag der Beteiligten in wesentlichem Maße mitbestimmt, was sich dem Gericht an (etwaigen weiteren) Aufklärungsmaßnahmen aufdrängen muss (vgl. Störmer in Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 5. Aufl. 2021, § 86 Rn. 25). Im Übrigen hat auch die anwaltlich vertretene Klägerseite eine Beweiserhebung nicht beantragt (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2012 – 6 ZB 11.3015 – juris Rn. 9).
37
Überdies ist in die Abwägung der beidseitigen Interessen einzustellen, dass die Beigeladene mit der Errichtung des Walls öffentliche Zwecke, nämlich Lärmschutzzwecke, verfolgt, der Lärmschutz nicht nur den Klägern, sondern auch den anderen Bewohnern des Baugebiets „…“ dient. Nach den Ausführungen der Vertreterin der Unteren Immissionsschutzbehörde führt der Wall durchaus zu einer Lärmminderung hinsichtlich des von der Staatsstraße kommenden Lärms. Weiter sind die Kläger aufgrund der Lage ihres Anwesens in der 45 m-Zone zur St …, aufgrund der nach der Begründung des Bebauungsplanes passive Lärmschutzmaßnahmen notwendig werden, was nach der Vorgabe des Bebauungsplanes unter 1.10.2 der weiteren textlichen Festsetzungen durch Planung des Gebäudegrundrisses durch die Anordnung der Kinder-, Schlafzimmer usw. gemäß eines passiven Lärmschutzes zu leisten ist, weniger schutzwürdig. Ob den Klägern bei Kaufvertragsschluss nur die textlichen Festsetzungen und auch eine andere Fassung des Bebauungsplanes übergeben wurde, die unverbaubare Randlage angepriesen, sie keine Kenntnis vom eingezeichneten Lärmschutzwall hatten und das Grundstück bei Kenntnis nicht gekauft hätten, ist dagegen nicht maßgeblich, denn es hätte den Klägern oblegen, sich eine aktuelle Fassung des Bebauungsplanes zu besorgen. Etwaige zivilrechtliche Ansprüche sind vor dem zuständigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit geltend zu machen.
38
dd) Schließlich ergibt sich auch aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayStrWG keine Rechtsverletzung der Kläger mangels nachbarschützender Wirkung der Norm.
39
3. Die Klage hat keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese durch Stellung eines Antrages ein Kostenrisiko eingegangen ist. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.