Titel:
Anforderungen an den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids
Normenkette:
ZPO § 691 Abs. 1 S. 2, § 701 S. 1
Leitsatz:
Ist ein mangelhafter Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids fristgerecht gestellt worden, treten die Folgen des § 701 S. 1 ZPO jedenfalls dann nicht ein, wenn der Mangel behebbar ist, auch wenn die Behebung erst nach Fristablauf erfolgt. § 701 S. 1 ZPO setzt nicht voraus, dass der Antrag in jeder Hinsicht wirksam ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckungsbescheid, Mangelhafter Antrag, Formmangel, Behebbarer Mangel, Mangelbehebung, Fristablauf
Vorinstanz:
AG Coburg vom -- – 22-7145028-01-N
Fundstellen:
BeckRS 2022, 46256
LSK 2022, 46256
ZMR 2023, 336
Tenor
1. Die Entscheidung des Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht – vom 25.08.2022 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht – zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Landgerichts Coburg zurückverwiesen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 493,52 € festgesetzt.
Gründe
1
Auf Antrag vom 25.01.2022 erließ das Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht – am 16.02.2022 einen Mahnbescheid über Hauptforderungen in einer Gesamthöhe von 493,52 €.
2
Am 28.07.2022 beantragte die Antragstellerin über ihre Verfahrensbevollmächtigten den Erlass eines Vollstreckungsbescheides. Mit 01.08.2022 teilte das Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht – mit, dass der eingereichte Antrag nicht der Form, der §§ 702 Abs. 2, 130 d ZPO entspreche. Folgende Formen seien grundsätzlich zugelassen:
- --
-
Online Antrag als EDA Datei über www.online-mahnantrag.de
(z.B. Download zum Individualversand vom lokalen PC)
- -
-
Elektronischer Datenaustausch mit Hilfe einer Fachsoftware.
3
Am 24.08.2022 ging ein weiterer Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides beim Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht – ein (über beA – aus Online Mahnantrag).
4
Mit Beschluss vom 25.08.2022 hat das Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht – den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides gemäß § 701 S. 1 ZPO als unzulässig zurückgewiesen, da ab Zustellung des Mahnbescheides am 19.02.2022 mehr als sechs Monate vergangen waren.
5
Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 26.08.2022, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht Coburg hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese somit dem Landgericht Coburg zur Entscheidung vorgelegt.
6
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat im tenorierten Umfang erfolgt.
7
Das Amtsgericht durfte den Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides nicht gemäß § 701 ZPO zurückweisen, denn die Voraussetzung des § 701 S. 1 ZPO liegen nicht vor, da der Antragsteller den Erlass des Vollstreckungsbescheides innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Zustellung des Mahnbescheides beantragt hat.
8
Die Frist zur Stellung eines Antrages auf Erlass ist hier am 19.08.2022 abgelaufen (§ 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist ist am 28.07.2022 ein Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides eingegangen. Im Hinblick auf die Regelung des § 702 Abs. 2 ZPO, § 130 d ZPO wird zwar davon auszugehen sein, dass der eingereichte Antrag formunwirksam ist. Darauf kommt es aber nicht an. Ist ein mangelhafter Antrag fristgerecht gestellt worden, treten die Folgen des § 701 S. 1 ZPO jedenfalls dann nicht ein, wenn der Mangel behebbar ist, auch wenn die Behebung – wie hier – erst nach Fristablauf erfolgt (Münchener Kommentar zur ZPO 6. Auflage 2020 Rdnr. 2 zu § 701; KG Berlin, Beschluss vom 25.07.2009 zu 8 W 56/09 juris; LG Frankfurt Rechtspfleger 1970, 100; LG Fulda Beck Rs 2009, 26685; Musielak ZPO Rdnr. 2 zu § 701 ZPO). § 701 S. 1 ZPO setzt nach seinem Wortlaut gerade nicht voraus, dass der Antrag in jeder Hinsicht wirksam ist. Auch aus dem Zusammenhang der Vorschriften über das Mahnverfahren ergibt sich nichts anderes. In § 691 Abs. 1 S. 2 ZPO ist geregelt, dass der Antragsteller vor der Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides anzuhören ist, um ihm Gelegenheit zu geben behebbare Mängel des Antrages zu beseitigen. Dieser Grundsatz gilt auch für den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides. Auch der hier vorliegende Verstoß ist behebbar. Es wäre aber widersinnig und widerspreche dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften, einerseits Formmängel als behebbar anzusehen und deshalb vom Mahngericht entsprechende Hinweise zu verlangen, andererseits aber die Behebung von Mängeln als verfristet zurückzuweisen.
9
Das Gericht macht von seinem Ermessen gemäß § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch, um dem Amtsgericht die Gelegenheit zu geben, die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des Vollstreckungsbescheides zu prüfen.
10
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO, wobei auf den Wert der Hauptsache abgestellt wird.
11
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung.