Titel:
Anfechtungsklage, isolierte Zwangsgeldandrohung, kein Vollstreckungshindernis, bestandskräftige Beseitigungsanordnung, wirksame Grundverfügung
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
VwZVG Art. 18 Abs. 1
VwZVG Art. 19
VwZVG Art. 31
VwZVG Art. 36
VwZVG Art. 38 Abs. 1 S. 3
Schlagworte:
Anfechtungsklage, isolierte Zwangsgeldandrohung, kein Vollstreckungshindernis, bestandskräftige Beseitigungsanordnung, wirksame Grundverfügung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46176
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollsteckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen zwei Zwangsgeldandrohungen des Beklagten in Bezug auf eine nicht erfüllte Beseitigung von zum Wegebau verwendetem Bauschutt, dessen fehlender ordnungsgemäßer Verwertung bzw. Beseitigung und der fehlenden Vorlage der entsprechenden Verwertungsnachweise.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (Landkreis ...).
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Bei mehreren Ortseinsichten am 28. Juni 2021, 29. Juli 2021 und 2. Dezember 2021 wurde jeweils festgestellt, dass der Kläger auf dem vorbezeichneten Grundstück Bauschutt als Wegebefestigung verwendet hat.
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Der Beklagte holte am 18. November 2021 eine Stellungnahme der Fachkundigen Stelle Naturschutz am Landratsamt ... ein. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass das Vorhaben gemäß der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde, einen erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft (§ 14 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) darstellt, und dass die Verwertung des Bauschutts nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Dem Kläger wurde für den Fall, dass der verwendete Bauschutt nicht bis zum 4. Januar 2022 ordnungsgemäß entfernt wird und die Nachweise einer ordnungsgemäßen Beseitigung dem Landratsamt ... nicht bis zum 7. Januar 2022 vorgelegt werden, der Erlass einer zwangsgeldbewehrten Beseitigungsanordnung angedroht.
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Bei einer Ortseinsicht des Beklagten am 13. Januar 2022 wurde festgestellt, dass sich der Bauschutt noch immer auf dem streitgegenständlichen Grundstück befunden hat.
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Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 1. Februar 2022 (Gz.: ...) wurde der Kläger verpflichtet, den auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... zum Wegebau verwendeten Bauschutt unverzüglich zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Verwertung bzw. Beseitigung zuzuführen (Nr. 1 des Bescheids). Nr. 2 des Bescheids bestimmt, dass der Kläger den entsprechenden Nachweis einer ordnungsgemäßen Verwertung des Bauschutts dem Landratsamt ... vorzulegen hat. In Nrn. 3 und 4 des vorbezeichneten Bescheids wurden dem Kläger für die Nichterfüllung der ihm auferlegten Pflichten aus Nrn. 1 und 2 des Bescheids Zwangsgelder in Höhe von 500,00 EUR (Nr. 1) bzw. in Höhe von 200,00 EUR (Nr. 2) zur Zahlung angedroht. In den Gründen des Bescheids ist ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids Art. 27 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Abfallgesetz (BayAbfG) sei. Nach Art. 27 Abs. 1 BayAbfG sei derjenige, der in unzulässiger Weise Abfälle behandelt, lagert oder ablagert, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes verpflichtet. Das Landratsamt ... könne nach Art. 27 Abs. 2 Satz 1 BayAbfG die hierzu erforderlichen Anordnungen treffen. Der Kläger sei als Grundstückseigentümer und Verursacher ermittelt worden. Er übe die tatsächliche Sachherrschaft über den zum Wegebau verwendeten Bauschutt aus und sei somit Abfallbesitzer. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 27 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 BayAbfG seien vorliegend erfüllt. Bei dem auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... verwendeten Bauschutt handle es sich um Abfall im objektiven Sinn (§ 3 Abs. 1 und 4 Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG). Gemäß der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Unterallgäu stelle die Wegebaumaßnahme einen erheblichen Eingriff in die Natur dar. Da keine ordnungsgemäße Verwertung vorliege, handle es sich bei dem eingebauten Bauschutt um Abfall zur Beseitigung. Abfälle dürften zum Zwecke der Beseitigung nur in den dafür zugelassenen Anlagen und Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) behandelt, gelagert oder abgelagert werden (§ 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG).
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts ... vom 1. Februar 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Der Bescheid ist mangels Klageerhebung nachfolgend bestandskräftig geworden. Der Kläger hat die Verpflichtungen aus der Anordnung vom 1. Februar 2022 bislang nicht erfüllt.
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Mit Schreiben des Landratsamts ... vom 14. April 2022 wurden die im bestandskräftigen Bescheid vom 1. Februar 2022 angedrohten Zwangsgelder fällig gestellt und dem Kläger eine erneute Beseitigungsfrist bis zum 13. Mai 2022 gesetzt.
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Bei einer weiteren Ortseinsicht am 31. Mai 2022 wurde festgestellt, dass der Bauschutt auf dem streitgegenständlichen Grundstück entgegen der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 1. Februar 2022 nicht entfernt wurde.
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Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 7. Juni 2022 (Gz.: ...) wurde dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Beseitigung des zum Wegebau verwendeten Bauschutts bis zum 11 Juli 2022 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung angedroht (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall der Nichtvorlage der entsprechenden Verwertungs- oder Beseitigungsnachweise wurde dem Kläger in Nr. 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 400,00 EUR zur Zahlung angedroht.
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Zur Begründung führt das Landratsamt aus, dass die Androhung der Zwangsgelder in den Nrn. 1 und 2 sich auf Art. 29, 31 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) stütze. Nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG sei bei der Androhung eines Zwangsmittels für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden könne. Die für die ordnungsgemäße Verwertung/Beseitigung der Abfälle und zur Vorlage der Nachweise gesetzten Fristen seien den Umständen nach angemessen. Zwangsmittel könnten so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei (Art. 37 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwZVG). Die Androhung der Zwangsgelder stelle einen Leistungsbescheid i.S.v. Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar. Die Höhe des jeweiligen Zwangsgeldes sei angemessen und zumutbar (Art. 31 As.2 VwZVG). Würden die Nachweise nicht vorgelegt, so könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abfälle an einem anderen Ort unzulässig abgelagert worden seien.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids vom 7. Juni 2022 wird ergänzend verwiesen.
14
Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 9. Juni 2022 bekanntgegeben.
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Der Kläger hat gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts ... vom 7. Juni 2022 (Az.: ...) wird aufgehoben.
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Eine Begründung der Klage ist nicht erfolgt.
18
Das Landratsamt ... beantragt für den Beklagten,
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Am 14. November 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Kammer konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger bzw. dessen Bevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2022 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger bzw. dessen Bevollmächtigter sind zur mündlichen Verhandlung am 14. November 2022 form- und fristgerecht geladen worden.
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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
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1. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Beklagten vom 7. Juni 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz VwGO).
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Nachdem die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung isoliert erging, also nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt im Bescheid vom 1. Februar 2022 verbunden war, und dieser bereits unanfechtbar geworden ist, ist vorliegend die Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG maßgeblich. Danach kann eine isolierte Zwangsgeldandrohung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Zwangsgeldandrohung selbst behauptet wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2022 – 9 CS 22.1766 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.7.2021 – 15 CS 21.1642 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 9 CS 20.2927 – juris Rn. 15). Die Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt setzt dessen Wirksamkeit, nicht aber dessen Rechtmäßigkeit voraus (BayVGH, B.v. 11.3.2021 – 20 ZB 20.2152 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 19.2.2021 – 1 ZB 20.2691 – juris Rn. 4). Der Kläger, der weder im gerichtlichen Verfahren eine Klagebegründung vorgelegt hat, noch zur mündlichen Verhandlung vom 14. November 2022 erschienen ist, hat nicht dargelegt, warum es hier ausnahmsweise anders zu sehen sein sollte.
26
2. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze erweist sich die streitgegenständliche isolierte Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig. Es lagen im maßgeblichen Zeitpunkt sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vor.
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a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 18 und 19 VwZVG waren bei Erlass der streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung gegeben.
28
Die im Ausgangsbescheid vom 1. Februar 2022 dem Kläger auferlegten Pflichten zur Beseitigung des zum Wegebau verwendeten Bauschutts und dessen ordnungsgemäße Verwertung bzw. Beseitigung unter Vorlage der entsprechenden Nachweise (Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids) sind auf ein Handeln i.S.d. Art. 18 Abs. 1 VwZVG gerichtet und wurden vom Kläger nach Aktenlage offensichtlich nicht erfüllt.
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Die Grundverfügung in Nrn. 1 und 2 des Bescheides vom 1. Februar 2022 ist auch bestandskräftig und vollstreckbar i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG. Der der Vollstreckung zugrundeliegende Bescheid vom 1. Februar 2022 wurde dem Kläger ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte mit Postzustellungsurkunde (Behördenakte Bl. 60) am 2. Februar 2022 ordnungsgemäß zugestellt und bekanntgegeben. Dieser Postzustellungsurkunde kommt hierbei die Beweisfunktion aus § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu, sodass es hinsichtlich der Wirksamkeit des Grundverwaltungsakts auch nicht darauf ankommt, ob der Kläger tatsächlich Kenntnis vom Bescheid und dessen Inhalt erlangt hat. Einwände gegen die Wirksamkeit des Grundverwaltungsakts wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Eine die Wirksamkeit beseitigende Nichtigkeit des Grundverwaltungsakts (vgl. Art. 43 Abs. 3, Art. 44 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) ist für das Gericht nicht erkennbar.
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b) Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 31, 36 VwZVG lagen vor. Das Zwangsgeld wurde gem. Art. 36 Abs. 5 VwZVG in bestimmter Höhe angedroht; der festgelegte Betrag hält sich im Rahmen der Vorgaben des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Hiernach kann das Zwangsgeld zwischen 15,00 EUR und 50.000,00 EUR betragen, wobei das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll (Art. 31 Abs. 2 Satz VwZVG). Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG bestimmt schließlich, dass das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Unter Berücksichtigung dessen ist die Festsetzung von 1.000,00 EUR (hinsichtlich der Verpflichtung aus Nr. 1 des Bescheids vom 1. Februar 2022) bzw. 400,00 EUR (hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids vom 1. Februar 2022) nachvollziehbar und im Hinblick auf die hier in Streit stehende Verpflichtung des Klägers auch ohne weiteres angemessen, zumal bereits eine erstmalige Zwangsgeldandrohung gegen den Kläger erfolglos geblieben ist. Gegenteiliges wurde vom Kläger auch nicht vorgebracht.
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Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit bestehen nach alledem auch angesichts des geringen Eingriffs, den die erneute Zwangsgeldandrohung bedeutet, nicht. Weitere durchgreifende Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung sind nicht ersichtlich bzw. wurden vom Kläger nicht geltend gemacht.
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2. Nach alledem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.