Inhalt

VG München, Urteil v. 24.11.2022 – M 15 K 22.937
Titel:

Keine Ausweisung als Spezialversorger oder Erforderlichkeit der Notfallversorgung

Normenketten:
SGB V § 136c Abs. 1, Abs. 4
GG Art. 12, Art. 14, Art. 80 Abs. 1 S. 2
Nfst-R § 26
Leitsätze:
1. § 136c Abs. 4 SGB V ist mit Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar; er ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt, insbesondere wird klargestellt, dass es Aufgabe des GBA ist, ein gestuftes System der Notfallstrukturen zu beschließen, wobei einzelne Mindestvorgaben zu beachten sind. (Rn. 20 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausweisung als Fachklinik kann einer solchen als Spezialversorger nicht gleichgestellt werden. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die mit Beschluss des Krankenhausplanungsausschusses vom 20. Oktober 2020 zu § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R festgelegten abstrakten und spezifischen Kriterien, deren Auswahl als Ermessensentscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegt, sind ermessensfehlerfrei und insbesondere nicht willkürlich oder sachfremd. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankenhausrecht, Spezialversorger/zwingende Erforderlichkeit für die Notfallversorgung (verneint), Krankenhaus, Notfallversorgung, Spezialversorger, Erforderlichkeit
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 20.02.2023 – 12 ZB 22.2668
VGH München, Beschluss vom 14.03.2023 – 12 ZB 23.470, 12 ZB 22.2668
BVerfG Karlsruhe vom 25.03.2024 – 1 BvR 594/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46094

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klinik der Klägerin ist im Krankenhausplan des Freistaates B. mit 75 Betten und den Fachrichtungen Chirurgie, Gynäkologie und Urologie eingetragen. Sie steht rund um die Uhr für die Notfallversorgung zur Verfügung, eine spezifische Aufgabe der Notfallversorgung ist im Krankenhausplan allerdings nicht ausdrücklich festgelegt.
2
Mit Schreiben vom … Dezember 2019, … Oktober 2020 und … Juli 2021 beantragte die Klägerin die Ausweisung als Spezialversorger bzw. die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung.
3
Nach Anhörung der Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 2022, zugestellt am 7. Februar 2022, den Antrag auf krankenhausplanerische Ausweisung als Spezialversorger im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 der Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – (Nfst-R) sowie den Antrag auf Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung im Sinne des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R der Klinik der Klägerin für das Jahr 2021 ab.
4
Die Klinik sei keiner der in § 3 Abs. 1 Nfst-R vorgesehenen Stufen der Notfallversorgung (Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung, umfassende Notfallversorgung) zugeordnet. Jedoch könne die Krankenhausplanungsbehörde gemäß § 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R das Vorliegen einer speziellen Notfallversorgung feststellen. Nach den Gründen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) könnten Spezialversorger diejenigen Krankenhäuser sein, die entweder krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgaben der Notfallversorgung erfüllten oder nach krankenhausplanerischen Festlegungen für die Notfallversorgung in einer Region dringend benötigt würden. Eine krankenhausplanerische Festlegung einer spezifischen Aufgabe der Notfallversorgung oder die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der Klinik für die Gewährleistung der Notversorgung in der Region sei nicht erfolgt. Zwar könnten in gängiger Praxis neben den in den Gründen des Beschlusses benannten Fachrichtungen Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung z.B. auch Fachkliniken für Gynäkologie und Geburtshilfe darunter fallen. Die Klinik biete aber lediglich Gynäkologie, nicht jedoch Geburtshilfe an. Auch die Zusammenschau der Leistungen Gynäkologie und Urologie könne keine Spezialversorgereigenschaft begründen. Denn dies setze voraus, dass die Klinik die einzige sei, die im Rettungsdienstbereich diese Leistungen für sich oder gemeinsam anbiete. Die Notfallversorgung von Patienten mit dementsprechenden Diagnosen erfolge aber durchaus in weiteren Kliniken, insbesondere im Universitätsklinikum der Universität M. sowie dem Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung der zwingenden Notwendigkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung lägen nicht vor. Grundlage seien in gängiger Praxis des Beklagten die Beschlüsse des Krankenhausplanungsausschusses (KPA) vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020. Danach sei erforderlich, dass der tatsächliche Anteil des jeweiligen Krankenhauses an den Rettungsdiensteinsätzen bezogen auf die ausgewiesenen Rettungsdienstbereiche im Vorjahr der Antragstellung im Jahresdurchschnitt mindestens 1,5% der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten im Rettungsdienstbereich betragen habe. Alternativ wäre ausreichend, wenn im Vorjahr der Antragstellung mindestens 600 Patienten per Rettungsdienst in das Krankenhaus eingeliefert worden seien. Dies entspreche einem Wert von über 1,5 Notfallpatienten pro Tag. Im Jahr 2020 seien nach den Daten des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) bei der Klägerin jedoch lediglich 128 Notfallpatienten, also 0,12%, durch die Rettungsdienste eingeliefert worden.
5
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom … Februar 2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 22. Februar 2022, Klage und beantragte,
1.
den Bescheid vom 1. Februar 2022 aufzuheben,
2.
den Beklagten zu verurteilen, festzustellen, dass die Klägerin als Spezialversorger gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 19. April 2018 aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung ausgewiesen ist bzw. für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich ist, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag der Klägerin vom 27. Juli 2021 zu entscheiden.
6
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die in den Nfst-R festgelegten Strukturvoraussetzungen nicht geeignet seien, die für eine stationäre Notfallversorgung im Fachgebiet der Urologie erforderlichen Strukturen korrekt zu bestimmen, da sie sich nicht an den besonderen Erfordernissen dieser Fachrichtung orientierten. Die Klägerin nehme in erheblichem Umfang an der stationären Versorgung urologischer Notfälle teil. Sie sei auch für die stationäre Notfallversorgung auf diesem Fachgebiet zwingend erforderlich. Die Zahl der Patienten, die mit dem Rettungsdienst eingeliefert würden, sei wesentlich höher als vom Beklagten angegeben. Im Jahr 2020 habe es allein im Rettungsdienstbereich München über 160.000 Rettungsdienstereignisse gegeben. Angesichts dessen sei es kaum plausibel, dass der Anteil der Klägerin an der urologischen Notfallversorgung nur 0,12% der rettungsdienstlich erfassten urologischen Notfälle betrage. Die Klägerin habe nach interner Auswertung im Jahr 2019 insgesamt 984 und 2020 536 stationäre Notfallpatienten behandelt. Letzteres sei pandemiebedingt. Im Jahr 2021 sei die Gesamtzahl der stationären urologischen Notfälle wieder auf 783 Fälle angestiegen und das erste Quartal 2022 zeige, dass mit einem weiteren Ansteigen der stationären Notfälle zu rechnen sei. Im Jahr 2021 hätten 295 Fälle aus dem Bereich der integrierten Leitstelle München, im Übrigen aus Fürstenfeldbruck, Augsburg und dem Oberland gestammt. Darüber hinaus nehme die Klägerin täglich rund um die Uhr in erheblichem Umfang auch stationäre urologische Notfälle auf, die nicht mit dem Rettungsdienst zugewiesen würden. 2021 habe die Klägerin insoweit insgesamt 292 Fälle erfasst. Stationäre urologische Notfälle erforderten regelmäßig eine besondere fachliche Kompetenz auf diesem Fachgebiet sowie eine auf die Versorgung solcher Patienten besonders ausgerichtete technische Infrastruktur für Diagnostik und Therapieverfahren. Krankenhäuser der erweiterten oder der umfassenden Notfallversorgung seien nur dann für die stationäre Notfallversorgung von Patienten des Fachgebietes Urologie geeignet, wenn sie über eine urologische Fachabteilung verfügten. Solche Krankenhäuser stünden im Einzugsgebiet der Klägerin offensichtlich nicht in ausreichendem Umfang oder nicht durchgängig zur Verfügung, sonst würde die klägerische Klinik nicht so kontinuierlich und in so großem Umfang für die stationäre Notfallversorgung im Fachgebiet der Urologie in Anspruch genommen werden. Es nähmen im Bereich der integrierten Leitstelle München das Klinikum Großhadern, das Klinikum Rechts der Isar, das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und die Münchenklinik mit dem Standort Bogenhausen als Krankenhäuser der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung an der stationären Notfallversorgung urologischer Patienten teil. Diese Krankenhäuser meldeten sich aber regelmäßig in IVENA [webbasierter Interdisziplinärer Versorgungsnachweis] von der stationären Notfallversorgung im Fachgebiet der Urologie ab und würden dann nicht von den Rettungsdiensten angefahren. Dies habe nicht nur 2021 gegolten, sondern sich auch 2022 fortgesetzt. Die Presse spreche teilweise von einem kollabierenden Versorgungssystem. Die Steigerungsrate für Notfallereignisse habe in den vergangenen zehn Jahren in der integrierten Leitstelle München bei 33%, in der integrierten Leitstelle Augsburg bei 32% und in Fürstenfeldbruck bei 46% gelegen. Bei den insgesamt steigenden Zahlen von Notfallereignissen müsse von einem entsprechend zunehmend hohen Anteil an urologischen Notfällen ausgegangen werden.
7
Der Gesetzgeber des § 136c Abs. 4 SGB V sehe den Begriff der Notfallversorgung offensichtlich als gegeben an. Für die Definition dieses Begriffes sei der GBA weder zuständig noch ermächtigt. Die genannte Vorschrift genüge dem Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) nicht. Dem Begriff der Notfallversorgung komme im Hinblick auf Art. 12, 14 und 3 GG grundlegende Bedeutung zu, sodass hohe Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung zu stellen seien. Ohne eine Definition des Notfalls und der Notfallversorgung gebe § 136 c Abs. 4 SGB V dem GBA keine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmte und begrenzte Ermächtigung zur Bestimmung der für die Notfallversorgung erforderlichen Strukturen. Der Beschluss des GBA sei daher unwirksam und das Gericht könne den Beklagten nicht dazu verpflichten, die Klägerin gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R als Spezialversorger anzuerkennen. Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde angeregt. Bei der richterlichen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Notfallversorgung sei auf die Begriffsbestimmung von Augurzky (Notfallversorgung in Deutschland, Projektbericht im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 2018) zurückzugreifen. Dementsprechend sei ausreichend, dass es durch die Verletzung oder Erkrankung zu einer bleibenden Gesundheitsschädigung kommen könne oder weil ansonsten unvertretbar lange zugewartet werden müsse, um eine ambulante Diagnose oder Behandlung zu erreichen oder wenn Art und Umfang der erforderlichen Behandlung eine pflegerische Unterstützung erforderten. Es komme weder darauf an, welcher Fachrichtung der medizinische Anlass für die stationäre Notfallversorgung zuzurechnen sei, noch, wie der Patient in das Krankenhaus gelange. Entsprechendes gelte gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG), der im Übrigen aber einem völlig anderen Zweck diene als § 136c SGB V. Die in den Hinweisen vom 30. Juni 2021 für die Anwendung des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R enthaltenen Kriterien stünden im Widerspruch zu den dargelegten Begriffen des Notfalls und der Notfallversorgung. Bei der Klägerin hätten 2021 die Patienten, die aus der ambulanten ärztlichen Versorgung eingewiesen worden seien bzw. sich selbst im Krankenhaus eingefunden hätten oder durch ihre Angehörigen ins Krankenhaus gebracht worden seien, ca. 37% der stationären Notfallbehandlungen ausgemacht. Die vom INM geführten Statistiken erfassten die stationären Notfälle nicht vollständig und seien somit nicht geeignet, die Bedeutung eines Krankenhauses für die stationäre Notfallversorgung vollständig abzubilden. Heranzuziehen seien vielmehr die Leistungsstatistiken der Krankenhäuser. Ob ein Krankenhaus für die Gewährleistung der stationären Notfallversorgung zwingend erforderlich sei, könne sich auch nicht aus einem gegriffenen Jahresdurchschnittswert ergeben, da die Zahlen der Notfallereignisse in den Rettungsdienstbereichen Bayerns erheblichen Schwankungen unterlägen. Ein Anteil von 1,5% der durch den Rettungsdienst eingewiesenen Patienten liege in der Nordoberpfalz unter 300 Patienten pro Jahr, während er in München bei über 2.400 Fällen liege. Da aber in München die vorhandenen Krankenhäuser der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung offensichtlich nicht in der Lage seien, die stationäre Notfallversorgung durchgängig sicherzustellen, sondern sich wegen Personalmangels sogar von der Notfallversorgung abmeldeten, dürfte dort schon die Fähigkeit, eine sehr geringe Zahl an stationären Notfallleistungen zu versorgen, unverzichtbar sein, um die Notfallversorgung zu gewährleisten. Eine Übernahme der durch die Klägerin sichergestellten stationären Notfallversorgung durch diese Häuser scheide völlig aus. Bei der Berechnung des Beklagten bleibe unberücksichtigt, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Krankenhaus die stationäre Notfallversorgung für mehrere Rettungsdienstbereiche wahrnehme. Für die Bedeutung eines Krankenhauses für die Gewährleistung der Notfallversorgung komme es nicht darauf an, wie viele Patienten ein Krankenhaus aus seinem eigenen Rettungsdienstbereich versorge, sondern wie viele stationären Notfälle insgesamt versorgt würden, unabhängig davon, aus welchem Rettungsdienstbereich diese stammten. Auch sofern der Beklagte es gemäß Nr. 2.3 der Hinweise vom 30. Juni 2021 als ausreichend erachte, wenn im Vorjahr der Antragstellung mindestens 1.100 Patienten bzw. drei Notfallpatienten pro Tag laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst eingeliefert worden seien, liege dies neben der Sache. IVENA sei noch nicht in allen Rettungsdienstbereichen Bayerns aktiv und auch hier würden die stationären Notfallpatienten, die nicht durch den Rettungsdienst gebracht würden, nicht erfasst. Diese Zahlen seien somit unvollständig und nicht als Bewertungsgrundlage geeignet. Nicht nachvollziehbar und willkürlich sei, dass insoweit 1.100 Patienten verlangt würden, während nach Nr. 2.1 die Zahl der Notfallpatienten wesentlich niedriger liegen könne oder bei Anwendung der Nr. 2.2 600 per Rettungsdienst eingelieferte Patienten ausreichen sollten. In Nr. 2.4 der Hinweise räume der Beklagte ausdrücklich ein, dass neben oder sogar anstelle der Notfalleinweisungen per Rettungsdienst auch Patienten zu berücksichtigen seien, die auf anderem Wege in das Krankenhaus gelangten als durch den Rettungsdienst. Es fehle an einem sachlichen Differenzierungsgrund, diese Patienten ansonsten nicht zu berücksichtigen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte in diesem Fall auf die IVENA-Zahlen abstelle und nicht auf die INM-Statistiken. Ein Krankenhaus sei im Übrigen nicht nur dann zwingend für die Gewährleistung der Notfallversorgung erforderlich, wenn es im Rettungsdienstbereich kein anderes Krankenhaus der erweiterten oder umfassenden Notfallversorgung mit seinem Versorgungsangebot gebe. Dies könne vielmehr auch dann der Fall sein, wenn die vorhandenen Krankenhäuser nicht in der Lage seien, den bestehenden Versorgungsbedarf zu decken, weil sie sich etwa – wie im vorliegenden Fall – mangels des erforderlichen Personals aus der stationären Notfallversorgung abmelden müssten oder wenn der Umfang der von dem Spezialversorger erbrachten Notfallversorgung nicht ohne weiteres mit den dort vorhandenen Kapazitäten aufgefangen werden könne.
8
Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen eines Spezialversorgers. Sie sei als Fachklinik im Krankenhausplan ausgewiesen und der Versorgungsauftrag für die Fachrichtung der Urologie beinhalte insbesondere auch die stationäre Notfallversorgung innerhalb dieses Fachgebiets. Durch die Bezeichnung als Fachklinik sei das Krankenhaus somit als Spezialversorger für die Fachrichtung Urologie ausgewiesen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass in § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R davon die Rede sei, dass sich dies auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränke. Insofern werde nur auf die faktische Seltenheit derartiger krankenhausplanerischer Festlegungen verwiesen. Eine durch den Beklagten prüfbare Voraussetzung für die Feststellung sei darin nicht enthalten. Den tragenden Gründen zu den Nfst-R sei zur Bestimmung eines Ausnahmefalls nichts zu entnehmen. Insbesondere könne diesen nicht entnommen werden, dass eine Anerkennung nur in einem Numerus clausus von Fachrichtungen oder medizinischen Indikationen möglich sei. Vielmehr handele es sich um eine nicht abschließende Aufzählung. Dass auch die Urologie eine notfallrelevante Fachrichtung sei, könne den Aufzählungen in den §§ 13 und 18 Nfst-R sowie Nr. 2.4 der Hinweise vom 30. Juni 2021 entnommen werden. Der Beklagte könne den Rechtsanspruch auf Feststellung der Spezialversorgereigenschaft nicht durch die Bestimmung eigener Kriterien aushebeln und sich auch nicht auf die Beurteilungen des Krankenhausplanungsausschusses vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020 stützen.
9
Auch die Voraussetzungen nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R seien erfüllt. Das Krankenhaus der Klägerin erhalte keine Sicherstellungszuschläge und nehme 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche an der Notfallversorgung teil. Es behandele jährlich zwischen ca. 783 und 984 stationäre Notfallpatienten, die gleichermaßen durch den Rettungsdienst und durch ambulante Einweisungen bzw. Selbsteinweisungen in die Klinik gelangten. Mittelfristig sei von einem Gesamtvolumen von über 1.000 stationären urologischen Notfallpatienten auszugehen. Diese Notfallpatienten könnten nicht durch die anderen umliegenden Krankenhäuser übernommen werden, da urologische Notfallkapazitäten entweder nicht oder nur begrenzt vorhanden seien oder die Krankenhäuser in diesem Fachgebiet ihren eigenen Versorgungsauftrag bereits nicht erfüllen könnten. Die Voraussetzungen der Nummer 2.4 der Hinweise vom 30. Juni 2021 seien ebenfalls erfüllt. Im Jahr 2021 liege das insoweit relevante Volumen bei insgesamt 587 Patienten (295 stationäre Notfälle, die aus dem Rettungsdienstbereich München eingeliefert worden seien, und 292 stationäre Notfälle, die über die niedergelassenen Ärzte eingewiesen worden seien). In den Jahren 2019 und 2020 habe die Klägerin 984 bzw. 536 stationäre Notfälle versorgt.
10
Sollte dem Beklagten entgegen der Auffassung der Klägerseite ein Ermessen zustehen, sei die streitgegenständliche Entscheidung auch ermessensfehlerhaft. Art und Umfang der Teilnahme der Klägerin an der stationären Notfallversorgung im Fachgebiet der Urologie seien unzutreffend ermittelt und damit eine unzutreffende Einschätzung der Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung vorgenommen worden. Die angestellte Auslegung des Notfallbegriffs widerspreche dem durch § 136c Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem GBA-Beschluss verwendeten Notfallbegriff und der Beklagte vermöge insofern auch nicht auf eine gängige Praxis zu verweisen. Ermessensfehlerhaft sei schließlich, dass der Beklagte den öffentlich bekannten Personalnotstand in den Münchner Kliniken völlig unberücksichtigt lasse.
11
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
12
§ 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R gewähre keinen gebundenen Anspruch auf eine entsprechende Entscheidung der Krankenhausplanungsbehörde. § 8 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) könne auf die hier notwendige anderweitige krankenhausplanerische Ausweisung übertragen werden, wie sich insbesondere auch aus § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R ergebe. Die Entscheidung treffe der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Willkürverbots auf der Grundlage der Entscheidungen des Krankenhausplanungsausschusses vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020, der Hinweise zum Antragsverfahren vom 18. Januar 2021 und eines internen Vermerks über die dort aufgestellten spezifischen Kriterien, um eine einheitliche Anwendung im Landesgebiet sicherzustellen. Die dort genannten Kriterien seien sachgerecht und griffen verschiedene Erwägungen in den tragenden Gründen zum GBABeschluss auf. Ziel sei die finanzielle und organisatorische Sicherstellung einer funktionierenden Notfallversorgung. Danach habe der Krankenhausplanungsträger die in seinem Zuständigkeitsbereich erforderlichen Strukturen zu beurteilen und gegebenenfalls durch erforderliche weitere Fachrichtungen zu ergänzen. Dieser Systematik folge die Notfallstufenregelung. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 NfstR seien auch Krankenhäuser, die aufgrund Nichtteilnahme an der Notfallversorgung abschlagspflichtig seien, zur allgemeinen Hilfeleistung im Notfall weiterhin verpflichtet und zur Abrechnung berechtigt. In den tragenden Gründen zu § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R werde ausgeführt, dass es sich um bereits krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgaben der Notfallversorgung handeln müsse, die hier nicht vorlägen. Der Beklagte habe auf der Grundlage der Beschlüsse des Krankenhausplanungsausschusses vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020 neben den Bereichen der Schlaganfall- und Herzinfarktversorgung auch die Bereiche Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Gynäkologie und Geburtshilfe mit einbezogen. Grund hierfür sei im Hinblick auf die Fachkliniken für Lungen- und Bronchialheilkunde die insbesondere im Verlauf der Corona-Pandemie erforderliche Verfügbarkeit, die einer Notfallaufnahme entspreche. Ebenso sei den Kliniken mit einem geburtshilflichen Versorgungsangebot systemimmanent, eine vergleichbare Verfügbarkeit 24/7 mit entsprechenden Vorhaltungen zu gewährleisten. Für die Fachrichtung Chirurgie könne bei der Klägerin angesichts der breiten Verfügbarkeit dieser Fachrichtung nicht von einer Spezialversorgung ausgegangen werden. Gleiches gelte im Hinblick auf die weiteren Fachrichtungen der Gynäkologie und Urologie. Zwar erfüllten nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R in Anlehnung an die tragenden Gründe zum Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses auch Krankenhäuser die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung, die aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung für die Notfallversorgung in der Region dringend benötigt würden. Der Krankenhausplanungsträger habe in den Ausführungsregelungen Kliniken mit den Fachrichtungen u.a. Urologie insoweit einbezogen, soweit sie im Rettungsdienstbereich die einzigen Anbieter dieser Fachrichtung seien. Diese Erwägungen orientierten sich an Nr. 2.27 der tragenden Gründe. Die Klägerin sei nicht die einzige im Rettungsbereich, die die Fachrichtung Urologie anbiete. Auf der Grundlage der Ausführungsregelungen vom 1. Oktober 2021 werde für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Region“ im Hinblick auf das in §§ 1, 2 Nfst-R definierte Ziel der Schaffung einer funktionierenden Struktur zur stationären Notfallversorgung der Rettungsdienstbereich nach dem BayRDG zugrunde gelegt. Dies sei sachgerecht, da die der stationären Notfallversorgung vorgelagerte Notfallrettung strukturell auf diesen Bereich gründe und die Landkreise und kreisfreien Städte den öffentlichen Rettungsdienst innerhalb der Rettungsdienstbereiche sicherstellten (Art. 4 Abs. 1 BayRDG). Im Hinblick auf die in §§ 1, 2 Nfst-R enthaltene Formulierung der Regelung der Notfallstruktur in Krankenhäusern, die die Notfallversorgung sicherstellen sollten, und den in § 3 Nfst-R enthaltenen Verweis auf die weiterhin bestehende Verpflichtung der Krankenhäuser auf die allgemeine Hilfeleistungspflicht wäre eine Auslegung, dass jede Patientenaufnahme immer einen Notfall darstellen würde, ein Widerspruch zu dem Ziel der Schaffung einer Notfallstruktur. Denn dann wäre jedes Krankenhaus zu jeder Zeit eine Notfallklinik. Auch eine Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 Nfst-R komme nicht in Betracht. Die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung von Krankenhäusern könne nicht in der Übernahme allgemeiner Krankenhausbehandlungen gesehen werden, zu der jedes Krankenhaus bereits nach gesetzlichen Regelungen zur Hilfeleistung verpflichtet sei. Als sachgerechtes spezifisches Kriterium sei daher die Zahl der Einlieferungen festgestellt worden, die durch die Rettungsdienste vorgenommen worden seien. Anhand der Auswertungen der Statistik des INM bestehe die Möglichkeit, die Erforderlichkeit eines Krankenhauses für die Gewährleistung der Notfallversorgung zu dokumentieren. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin auch in den Vorjahren nicht erfüllt. Im Jahr 2019 seien laut INM 102 Patienten, somit 0,08% der Notfallpatienten im Rettungsdienstbereich München, per Rettungsdienst eingeliefert worden. Medizinische, krankenhausplanerische oder landesplanerische Gründe, die darüber hinaus zwingend zur Feststellung als Spezialversorger führen und das Ermessen auf Null reduzieren würden, seien weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal die krankenhausplanerische Entscheidung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 NfstR auch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zum Tragen kommen solle.
13
Mit Schriftsatz vom … September 2022 wiederholte bzw. vertiefte die Klägerseite ihren Vortrag und führte ergänzend im Wesentlichen aus, dass die Zahlen des INM unzutreffend seien, jedenfalls aber nicht im vorliegenden Fall für die Klärung der Frage herangezogen werden könnten, ob die Klägerin für die stationäre Notfallversorgung im Fachgebiet der Urologie zwingend erforderlich sei. In Leipzig erfolgten 52,35% der stationären Notfallaufnahmen über Selbsteinweisung und durch Ärztinnen und Ärzte. Die Versorgungssituation in Leipzig dürfte mit derjenigen in München vergleichbar sein. Nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R komme es ausschließlich darauf an, ob das Krankenhaus aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung als Spezialversorger ausgewiesen sei. Anders als für die zweite Alternative des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R werde insofern mit dem Normtext nicht auf eine erforderliche Feststellung der Landeskrankenhausplanungsbehörde bezüglich der zwingenden Erforderlichkeit des Krankenhauses für die Gewährleistung der Notfallversorgung abgestellt. Sei eine solche krankenhausplanerische Festlegung erfolgt, gebe es keine andere Lösung, als dass die Anforderungen des Moduls Spezialversorger erfüllt seien. Insofern liege eine gebundene Entscheidung vor. Ein Krankenhausträger könne sehr wohl einen Rechtsanspruch auf Aufnahme in den Krankenhausplan haben, wenn er die gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Aufnahme erfülle. Ein Ermessen stehe der Krankenhausplanungsbehörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insofern nur dann zu, wenn eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern erforderlich sei. Dies sei aber bei der Feststellung der Spezialversorgereigenschaft nicht der Fall. Auch bei der Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit zur Gewährleistung der Notfallversorgung handele es sich um eine gebundene Entscheidung. Die Ermittlung des gegenwärtig zu versorgenden Bedarfs und die Prognose des künftigen Bedarfs seien wie jede sonstige Tatsachenermittlung gerichtlich voll nachprüfbar. Mit ihrer Ausweisung als Fachklinik für Urologie im Krankenhausplan sei die Klägerin als Spezialversorger anerkannt. Sofern sich der Beklagte auf die Entscheidungen des Krankenhausplanungsausschusses vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020 sowie auf die Hinweise zum Antragsverfahren vom 18. Januar 2021 und seinen internen Vermerk über die dort aufgestellten spezifischen Kriterien stütze, widersprächen diese den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen für die Durchführung einer Bedarfsanalyse im Rahmen der Krankenhausplanung. Insbesondere die Fokussierung auf die Einzugsgebiete der Rettungsleitstellen weiche von den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen der Bedarfsermittlung ab. Grundlage der Krankenhausplanung sei das Einzugsgebiet eines Krankenhauses und nicht der Rettungsdienstbereich. Ein stationär zu versorgender Notfall sei stets in das nächste erreichbare, geeignete Krankenhaus zu bringen, völlig unabhängig davon, in welchem Rettungsdienstbereich dieses liege. Grundlage für die Feststellung der Spezialversorgereigenschaft könne also nur der Planungsmaßstab der Krankenhausplanung sein, also der tatsächlich vorhandene und zu versorgende und nicht ein durchschnittlicher oder erwünschter Bedarf. Die Bedarfsanalyse sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Planungsinstrument und der hohe Benutzungsgrad eines Krankenhauses stelle ein wichtiges Indiz für die Bedarfsgerechtigkeit dar. Die Erwägungen in Nr. 2.27 könnten, da sie einen Sonderfall, das Modul Schlaganfallversorgung, regelten, nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Der Beklagte sei offensichtlich nicht in der Lage, darzulegen, wie ein stationärer Notfall zu definieren sei und welche gesetzliche Grundlage dafür zur Verfügung stehe. Wenn – wie im vorliegenden Fall – keine ordnungsgemäße Bedarfsanalyse stattgefunden habe, könne bereits deshalb nicht gesagt werden, wann ein Krankenhaus für die Bedarfsdeckung zwingend erforderlich sei. Die Statistiken des INM stellten nur einen Bruchteil der stationären Notfallversorgung dar, berücksichtigten nicht den Einzugsbereich eines Krankenhauses und seien damit nicht geeignet, die Bedeutung eines Krankenhauses für die stationäre Notfallversorgung sachgerecht abzubilden. Unabhängig davon stelle sich die Frage, warum gerade ein Anteil von 1,5% des Fallaufkommens im Rettungsdienstbereich oder mindestens 600 der rettungsdienstlich im Rettungsdienstbereich betreuten Notfallpatienten maßgeblich sein sollten. Die Art des Notfalls und das Fachgebiet seien zu berücksichtigen.
14
Sollte es sich um eine Ermessensentscheidung handeln, sei diese ermessensfehlerhaft und im Übrigen sei das Ermessen auf Null reduziert. Die Klägerin versorge seit langem urologische Notfälle in einem Umfang stationär, dass es schlicht unmöglich wäre, diese Fälle durch andere Krankenhäuser versorgen zu lassen.
15
Der Beklagte erwiderte wiederum mit Schreiben vom 21. Oktober 2022. Entgegen der Ansicht der Klägerin handele es sich bei § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R nicht um eine Vorschrift, die es der Landeskrankenhausplanungsbehörde ermöglichen solle, von den Vorgaben des GBA-Beschlusses abzuweichen. Die Vorschrift stelle vielmehr eine Möglichkeit dar, Krankenhäuser, die eine krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgabe der Notfallversorgung erfüllten oder die nach krankenhausplanerischen Festlegungen für die Notfallversorgung in einer Region dringend benötigt würden, ohne am jeweiligen Standort alle erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen, innerhalb der Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Abs. 4 SGB V von Abschlägen zu befreien. Eine krankenhausplanerisch festgelegte spezifische Aufgabe der Notfallversorgung im Sinne der Alternative 1 des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R liege nicht vor. Mit Ausweisung als Fachklinik mit der Fachrichtung Urologie sei die Klägerin nicht sogleich als Spezialversorger anerkannt. Eine Anerkennung sei nur möglich, wenn die Einrichtung die einzige Fachklinik im jeweiligen Rettungsdienstbereich sei. Sicherlich könne es auch in der Fachrichtung Urologie spezifische Aufgaben der Notfallversorgung geben, wie auch die Nennung der Fachrichtung als eine von insgesamt zwölf möglichen Fachrichtungen in Kategorie B der erweiterten Notfallversorgung zeige. Eine gebundene Entscheidung lasse sich durch die Bezeichnung als Fachklinik oder allein durch die Fachrichtung Urologie im Krankenhausplan nicht herleiten. Die von der Beklagten im Hinblick auf die Entscheidungen des Krankenhausplanungsausschusses vom 6. Mai 2019 und 20. Oktober 2020 gestützten Kriterien seien sachgerecht. Es gehe dabei gerade nicht um eine Bedarfsanalyse im Rahmen der Krankenhausplanung, sondern vielmehr um die Sicherstellung der Strukturen für die Notfallversorgung im Allgemeinen. Weder § 136 c Abs. 4 SGB V noch die Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136 c Abs. 4 SGB V sähen eine Definition für den Begriff des Notfalls vor. Daher müsse diese aus den übrigen Vorschriften, der Systematik und der Zielsetzung der vorliegenden Regelung entnommen werden. Das Ziel, ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern zu schaffen, werde erreicht durch die Sicherstellung von Strukturen zur Herstellung einer flächendeckenden Notfallversorgung. Dementsprechend stelle die Regelung auch in § 3 Abs. 2 Nfst-R fest, dass unbeschadet der Teilnahme oder Nichtteilnahme an dem gestuften System von Notfallstrukturen die allgemeinen Pflichten zur Hilfeleistung im Notfall unberührt blieben.
16
Dem trat die Klägerseite mit Schriftsatz vom *. November 2022 entgegen.
17
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Entscheidungsgründe

18
Die Klage ist zulässig, aber sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf die begehrte Ausweisung als Spezialversorger bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderliches Krankenhaus noch kann sie eine Neuverbescheidung ihres Antrags unter Beachtung der (von der Auffassung des Beklagten abweichenden) Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Gemäß § 136c Abs. 4 SGB V beschließt der GBA bis zum 31. Dezember 2017 ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern, einschließlich einer Stufe für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung (Satz 1). Hierbei sind für jede Stufe der Notfallversorgung insbesondere Mindestvorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung von Notfallleistungen differenziert festzulegen (Satz 2). Der GBA berücksichtigt bei diesen Festlegungen planungsrelevante Qualitätsindikatoren nach § 136c Abs. 1 Satz 1 SGB V, soweit diese für die Notfallversorgung von Bedeutung sind (Satz 3). Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Satz 4) und die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung zu berücksichtigen (Satz 5). Der GBA führt vor Beschlussfassung eine Folgenabschätzung durch und berücksichtigt deren Ergebnisse (Satz 6).
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2. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist diese Vorschrift mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar; sie ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt.
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2.1 Demokratie- (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Fragen selbst regelt. „Wesentlich“ bedeutet zum einen „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Eine Pflicht des Gesetzgebers, die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst zu bestimmen, kann etwa dann bestehen, wenn miteinander konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen, deren Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Der Gesetzgeber ist zum anderen zur Regelung der Fragen verpflichtet, die für Staat und Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind. Die Anforderungen des Wesentlichkeitsgrundsatzes werden durch Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG näher konkretisiert, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Das besagt aber nicht, dass Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung im Text des Gesetzes ausdrücklich bestimmt sein müssen und dass es unzulässig wäre, die Ermächtigungsvorschrift auszulegen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aus dem ganzen Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck kommende objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann – vor allem zur Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung – herangezogen werden (BVerfG, B.v.12.11.1958 – 2 BvL 4/56 u.a. – juris Rn. 133 f. m.w.N.).
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Wann und inwieweit es einer Regelung durch den Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes bestimmen. Der Grad der dabei jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt auch davon ab, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist und wie intensiv die Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen sind. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt. Das Grundgesetz kennt allerdings keinen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte organisatorische und funktionelle Trennung und Gliederung der Gewalten zielt auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Vor diesem Hintergrund kann auch die Komplexität der zu regelnden Sachverhalte den Umfang der Regelungspflicht des Gesetzgebers begrenzen. Sollen Regelungen ergehen, die Freiheits- und Gleichheitsrechte der Betroffenen wesentlich betreffen, ist daher die Einbindung des Verordnungsgebers in die Regelungsaufgabe nicht schlechthin ausgeschlossen. Insbesondere in Rechtsbereichen, die ständig neuen Entwicklungen und Erkenntnissen unterworfen sind und in denen es darum geht, zum Schutz der Grundrechte regulatorisch mit diesen Entwicklungen und Erkenntnissen Schritt zu halten, kann die gesetzliche Fixierung starrer Regelungen dem Grundrechtsschutz auch abträglich und damit kontraproduktiv sein; insoweit kann im Sinne eines „dynamischen Grundrechtsschutzes“ das Gesetzeserfordernis zurücktreten (vgl. BVerfG, B.v. 27.4.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris Rn. 125 ff. m.w.N.).
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2.2 Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird der Gesetzgeber in § 136c Abs. 4 SGB V gerecht. Sowohl der Inhalt als auch Zweck und Ausmaß dieser Ermächtigungsnorm sind hinreichend erkennbar, insbesondere wird durch diese Vorschrift klargestellt, dass es Aufgabe des GBA ist, ein gestuftes System der Notfallstrukturen zu beschließen, wobei einzelne Mindestvorgaben zu beachten sind. § 136c Abs. 4 SGB V umfasst einen Handlungsauftrag, der klar und abschließend definiert ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 22.6.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris Rn. 61 ff., 74). Wie die Corona-Pandemie gezeigt hat, ist die Situation in den Krankenhäusern gerade auch im Hinblick auf die Notfallversorgung ständigen Schwankungen unterworfen. Es ist daher nach den obigen Ausführungen gerechtfertigt, dass nicht der Gesetzgeber die diesbezüglichen Kriterien selbst bis ins kleinste Detail festlegt, sondern dies dem sachnäheren und sachkundigen GBA überlässt, der auf veränderte Umstände auch zeitnäher reagieren kann.
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Aus diesen Gründen widerspricht die Delegation dieser Entscheidung auf den GBA auch nicht der demokratischen Legitimation. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BVerfG, B.v. 10.11.2015 – 1 BvR 2056/12 – juris Rn. 22; OVG Lüneburg, U.v. 19.5.2020 – 13 LC 504/18 – juris Rn. 73 f.; LSG Berlin-Bbg, U.v. 22.6.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris Rn. 60, 66), dass die Übertragung der Befugnisse auf den GBA rechtlich zulässig ist, jedenfalls, wenn die Beteiligten nur mit geringer Intensität betroffen sind, gesetzlich hinreichend angeleitet werden und nicht in ihrem Kernbereich betroffen sind. Denn dem GBA kommt besondere Sachkunde zu und die Spitzenverbände der Beteiligten, auch derjenige der Klägerin, sind mittelbar beteiligt. Im vorliegenden Fall geht es bei der Frage des Spezialversorgers bzw. der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung letztendlich um die Frage, ob bei der entsprechenden Klinik Abschläge vorgenommen werden. Es geht nicht um die Aufnahme in den Krankenhausplan und damit nicht um den Kernbereich der Betätigung des Krankenhauses im Sinne der Frage, ob der Beruf ausgeübt werden kann, und auch nicht um den Kernbereich der Krankenhausfinanzierung, sondern lediglich um einen Ausnahmefall, um einen einzelnen Aspekt der Finanzierung (vgl. a. OVG Lüneburg, U.v. 19.5.2020 – 13 LC 504/18 – juris Rn. 74 zu § 136c Abs. 3 SGB V), d.h. um das „Wie“, die Berufsausgestaltung, für die weniger strenge Anforderungen gelten (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG und unten 3.2.). Hinzu kommt, dass es dem jeweiligen Krankenhaus unbenommen bleibt, dafür zu sorgen, dass die allgemeinen Anforderungen an die Notfallversorgung nach §§ 8 ff. Nfst-R erfüllt werden und dementsprechend kein Abschlag erfolgt.
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3. § 26 Nfst-R verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
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3.1 Die Nfst-R, die nach der Gesetzesbegründung normsetzenden Charakter haben (vgl. BT-Drs. 18/5372, S. 91 f.), wobei sie im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehen, setzen nur unmittelbare Vorgaben des parlamentarischen Gesetzgebers um und bewegen sich vollständig im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (LSG Berlin-Brandenburg, U.v. 22.6.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris Rn. 57, 77).
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Der Einwand der Klägerseite, der GBA habe keine Berechtigung, den Begriff der Notfallversorgung zu definieren, greift insoweit nicht. Abgesehen davon, dass der Beklagte insoweit zu Recht auf die rettungsdienstliche Definition zurückgegriffen hat (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 19.5.2020 – 13 LC 504/18 – juris Rn. 67, zu § 136c Abs. 3 SGB V), geht es in dem GBA-Beschluss und im Beschluss des KPA vom 20. Oktober 2020 nicht darum, zu regeln, was unter einem Notfall zu verstehen ist, sondern darum, objektive Kriterien festzulegen, bei deren Erfüllung das Krankenhaus als Spezialversorger bzw. als für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich anzusehen ist. Dass es sich auch bei Personen, die z.B. vom Arzt überwiesen werden, um Notfälle handeln kann, wird dadurch nicht in Frage gestellt.
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3.2 Soweit die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG tangiert ist, handelt es sich bei § 26 Nfst-R um eine Berufsausübungsregelung, da diese Vorschrift den Krankenhäusern nicht den Zugang zu einem eigenständigen Beruf versperrt (vgl. BVerfG, B.v. 4.7.1989 – 1 BvR 1460/85 u.a. – juris Rn. 32). Wie bereits ausgeführt, liegt dieser Regelung auch eine hinreichend erkennbare und bestimmte gesetzliche Regelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zugrunde. Schließlich ist § 26 Nfst-R durch überragende Gemeinwohlbelange, insbesondere die Gewährleistung einer effizienten Notfallversorgung und damit letztendlich die Gesundheit der Bevölkerung, gerechtfertigt und es bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Regelung (vgl. LSG Berlin-Bbg, U.v. 22.6.2022 – L 9 KR 170/19 KL – juris Rn. 83 f.).
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4. Die Klägerin erfüllt die Bedingungen für das Vorliegen der Spezialversorgung bzw. für die zwingende Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht.
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4.1 Nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 Nfst-R erfüllen die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung besondere Einrichtungen gemäß § 17b Abs. 1 Satz 10 KHG, sofern sie im Landeskrankenhausplan als besondere Einrichtungen in der Notfallversorgung ausgewiesen sind und zu jeder Zeit an der Notfallversorgung teilnehmen.
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Eine derartige explizite Ausweisung der Klägerin im Krankenhausplan des Freistaates Bayern liegt jedoch nicht vor.
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4.2 Daneben erfüllen gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R die Voraussetzungen des Moduls Spezialversorgung in eng begrenzten Ausnahmefällen Krankenhäuser, die aufgrund krankenhausplanerischer Festlegung als Spezialversorger ausgewiesen sind (Alt. 1), oder Krankenhäuser ohne Sicherstellungszuschlag, die nach Feststellung der Landeskrankenhausplanungsbehörde für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich sind und 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche an der Notfallversorgung teilnehmen (Alt. 2).
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a) Eine Festlegung als Spezialversorger im Krankenhausplan im Sinne der oben genannten 1. Alternative liegt entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht vor. Insbesondere kann die Ausweisung als Fachklinik einer solchen als Spezialversorger nicht gleichgestellt werden, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 Nfst-R ergibt. Hätte der GBA gewollt, dass jede Fachklinik zugleich Spezialversorger ist, hätte er auf diesen Begriff zurückgegriffen. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Nach dem Krankenhausplan des Freistaates Bayern sind Fachkrankenhäuser nach Art der Erkrankung abgegrenzte Einrichtungen, in denen überwiegend in einer Fachdisziplin durch Gebietsärzte bestimmte Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden oder in denen Geburtshilfe geleistet wird; sie werden keiner Versorgungsstufe zugerechnet (Nr. 4.1, 5.3). Die Einstufung als Fachklinik setzt somit lediglich eine gewisse Spezialisierung voraus, sagt aber nichts über die Notfallversorgung aus, insbesondere darüber, ob das jeweilige Krankenhaus in seinem Fachbereich besondere Anforderungen im Hinblick auf die Notfallversorgung erfüllt.
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b) Die Klinik ist aber auch nicht für die Gewährleistung der Notfallversorgung zwingend erforderlich (Alt. 2 des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R).
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Das Gericht teilt die Auffassung des VG Karlsruhe, wonach es sich bei der entsprechenden Feststellung nicht um eine gebundene, sondern um eine Ermessensentscheidung handelt (U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 23). Letztendlich kann dies aber dahingestellt bleiben: Im Falle einer gebundenen Entscheidung scheitert ein Anspruch bereits daran, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine entsprechende Feststellung nicht erfüllt (s.u. bb). Aus diesem Grund kommt – im Falle einer Ermessensentscheidung – auch eine Ermessensreduzierung auf Null nicht in Betracht (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 24 ff.). Schließlich sind auch Ermessensfehler nicht ersichtlich (s.u. 5.).
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aa) Mit Beschluss des Krankenhausplanungsausschusses vom 20. Oktober 2020 wurden zu § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R abstrakte und spezifische Kriterien festgelegt, um eine einheitliche Anwendung dieser Vorschrift auf Landesebene sicherzustellen (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 26). Danach ist ein Krankenhaus für die Notfallversorgung zwingend erforderlich, wenn dieses laut INM im Vorjahr im Jahresdurchschnitt mindestens 1,5% bzw. 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in seinem Rettungsdienstbereich aufgenommen hat. Wenn das Krankenhaus anhand eigener Auswertungen die INMErhebungen in Frage stellt, ist es zudem ausreichend, wenn im Vorjahr 1.100 Patienten laut IVENA-Auswertung per Rettungsdienst eingeliefert wurden, bzw., wenn es sich um die einzige Fachklinik u.a. in der Fachrichtung Urologie im Rettungsdienstbereich handelt, wenn laut IVENA 365 Patienten per Rettungsdienst oder ärztlicher Notfallüberweisung eingeliefert wurden.
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Diese Kriterien, deren Auswahl als Ermessensentscheidung nach § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegt (VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 29), sind nach Auffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei und insbesondere nicht willkürlich oder sachfremd. Dadurch, dass sowohl auf eine prozentuale als auch auf eine absolute Mindestgrenze abgestellt wird, werden Ungleichbehandlungen vermieden und Härtefälle ausgeglichen. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die Ausweisung nach § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R nur in „eng begrenzten Ausnahmefällen“ erfolgen soll. Anders als von Klägerseite vertreten, soll diese Formulierung nicht nur auf die faktische Seltenheit derartiger Fälle hinweisen. Dem Wortlaut ist vielmehr eindeutig zu entnehmen, dass die Vorschrift restriktiv zu handhaben ist. Ziel des gestuften Systems der Notfallversorgung ist es gerade, Krankenhäuser – mittels finanzieller Anreize – dazu anzuhalten, eine Entwicklung hin zur Erfüllung der Anforderungen an Strukturen und Prozesse in den einzelnen Stufen zu nehmen (vgl. Tragende Gründe zu den Nfst-R, Nr. 2.2). Eine zu weitreichende Auswahl derjenigen Krankenhäuser, die trotz des Nichtvorliegens der Kriterien einer der drei Stufen der Notfallversorgung keine Abschläge hinzunehmen haben, liefe dieser Intention diametral entgegen (VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 31). § 26 Nfst-R stellt eine Ausnahme zum gestuften System der Notfallstrukturen mit den Kategorien Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung und umfassende Notfallversorgung dar (vgl. §§ 3, 4 Nfst-R). Ausnahmeregelungen sind aber restriktiv auszulegen.
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Die genannten Grenzen in Höhe von 1,5% bzw. 600 Patienten sind auch nachvollziehbar. Insbesondere entspricht die 600-Patienten-Grenze in etwa 1,5 Notfallpatienten am Tag (s. Beschlüsse v. 6.5.2019 und 20.10.2020). Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass insoweit auch z.B. auf 1, 2 oder 3 Patienten am Tag hätte abgestellt werden können. Bei einer pauschalen Regelung muss aber immer an einer Stelle die Grenze gezogen werden. Dass die relativ niedrige Grenze von 1,5% bzw. 1,5 Patienten pro Tag sachfremd oder unbillig wäre, ist nicht ersichtlich. Es bedarf auf jeden Fall einer gewissen Mindestzahl an Notfallpatienten, um von einer qualifizierten Inanspruchnahme des Krankenhauses ausgehen zu können (vgl. VG Karlsruhe, U.v. 16.11.2021 – 7 K 3674/20 – juris Rn. 42). Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn der Krankenhausplanungsausschuss den Krankenhäusern bei substantiiertem Bestreiten der INM-Zahlen bzw. in der Sonderkonstellation des einzigen Krankenhauses in einem Rettungsdienstbereich weiter entgegenkommt und auf die IVENA-Auswertungen abstellt bzw. auch ärztliche Notfallüberweisungen mitberücksichtigt. Ein derartiges Entgegenkommen kann nicht als willkürlich eingestuft werden. Schließlich ist es nach Auffassung des Gerichts auch rechtmäßig, dass die genannten Grenzen pauschal auf alle Fachrichtungen angewendet werden. Es mag zwar sein, dass für die Urologie gewisse Besonderheiten gelten, aber letztendlich weist jede Fachrichtung den einen oder anderen besonderen Umstand auf, der bei einer zulässigen Pauschalierung nicht berücksichtigt werden kann.
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Soweit die Klägerseite moniert, dass vom Beklagten auch Notfälle zu berücksichtigen seien, die aus dem Bereich anderer Rettungsdienstleitstellen oder auf andere Weise als mit dem Rettungsdienst eingeliefert werden, greift dieser Einwand nicht. Nach Auffassung des Gerichts muss es dem GBA bzw. dem KPA möglich sein, bei der Festlegung der Kriterien gewisse Pauschalierungen und Vereinfachungen vorzunehmen. Es erleichtert die Überprüfung, wenn insoweit auf Einlieferungen durch den Rettungsdienst abgestellt wird, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer nachfolgenden stationären Unterbringung nach allgemeiner Lebenserfahrung am höchsten ist. Aus den gleichen Gründen kann der Leitstellenbereich herangezogen werden, in dem das Krankenhaus seinen Sitz hat. Letztendlich spielt dies im vorliegenden Fall aber auch keine Rolle, da laut Auskunft des INM an den Beklagten die diesbezüglichen Zahlen (128 für das hier maßgebliche Jahr 2020) sämtliche per Rettungsdienst beim Krankenhaus eingelieferten Notfallpatienten und damit auch solche aus den Bereichen anderer Leitstellen beinhalten. Der Beklagte konnte die Meldung dieser Zahlen durch das INM in der mündlichen Verhandlung auch dem Gericht und der Klägerseite demonstrieren.
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Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist es auch sachgerecht, dass für die Entscheidung über die Festlegung als Spezialversorger bzw. über die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung nicht auf die eigenen Erhebungen des jeweiligen Krankenhauses zu Notfallpatienten zurückgegriffen wird. Es ist dem GBA bzw. dem KPA unbenommen, objektiv leichter nachprüfbaren Zahlen, wie denjenigen des INM, den Vorrang zu geben. Zudem hat auch die Klägerseite selbst für das Jahr 2020, das für die hier streitgegenständliche Feststellung für das Jahr 2021 maßgeblich ist, lediglich 536 Notfallpatienten angegeben, so dass auch basierend auf ihren eigenen Zahlen die maßgeblichen Grenzen nicht überschritten sind.
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bb) Die Klägerin erfüllt diese – sachgerechten – Kriterien nicht:
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Sie hat im hier maßgeblichen Jahr 2020 weder mindestens 1,5% noch mindestens 600 der per Rettungsdienst eingelieferten Patienten in ihrem Rettungsdienstbereich aufgenommen. Wie bereits ausgeführt, wurden selbst nach ihren eigenen Erhebungen lediglich 536 Notfallpatienten eingeliefert, was einem Anteil von ca. 0,5% entspricht.
43
Auf die Grenze von 1.100 Notfallpatienten laut IVENA-Auswertung kann hier nicht abgestellt werden, da zum einen die Fachabteilung Urologie der Klägerin erst seit März 2020 von dieser Auswertung erfasst wird (vgl. Schreiben der Urologie … v. 9.10.2020) und diese die INM-Erhebungen als solche nicht substantiiert in Frage gestellt hat, sondern lediglich ausgeführt hat, dass auch zusätzliche Notfälle (andere Rettungsdienstbereiche, Einlieferungen auf andere Weise als mit Rettungsdienst) zu berücksichtigen seien.
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Schließlich ist die Klägerin auch nicht die einzige Fachklinik in der Fachrichtung Urologie im Rettungsdienstbereich München. Insbesondere führt der Umstand, dass sich andere Fachkrankenhäuser wohl aufgrund Personalmangels teilweise von IVENA abmelden, zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Abgesehen davon, dass sich die Klägerseite insoweit auf die Jahre 2021 und 2022 und nicht auf das hier maßgebliche Jahr 2020 beruft, muss es für die Feststellung der zwingenden Erforderlichkeit auf eine abstrakte, pauschale und leicht nachprüfbare Beurteilung ankommen. Es kann nicht sein, dass die Klägerin an einem Tag das einzige Krankenhaus ist, am nächsten Tag dagegen nicht. Eine derartige Beurteilung wäre unpraktikabel und würde zu keinen sachgerechten Ergebnissen führen. Zudem müsste sich der Umstand, dass sich andere Krankenhäuser teilweise von der Notfallversorgung abmelden, zugunsten der Klägerin auswirken und dazu führen, dass sie eher die erforderliche Mindestzahl an Notfallpatienten aufweisen kann, was vorliegend aber nicht der Fall ist. Nicht zuletzt ist die Klägerin – wie bereits ausgeführt – erst seit März 2020 bei IVENA registriert, so dass auch aus diesem Grund nicht auf die Grenze von 365 Notfallpatienten laut IVENA-Auswertung abgestellt werden könnte.
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5. Schließlich liegen – bei Bejahung einer Ermessensentscheidung – auch keine Ermessensfehler vor (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
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Es ist nicht ersichtlich, dass die unter Berücksichtigung der nach den obigen Ausführungen weder ermessensfehlerhaften noch willkürlichen Kriterien und insbesondere vor dem Hintergrund des Auftrags des § 26 Abs. 2 Nr. 3 Nfst-R, dass nur in besonderen Ausnahmefällen eine Ausweisung erfolgen soll, erfolgte Ablehnung der Feststellung als Spezialversorger bzw. der zwingenden Erforderlichkeit für die Gewährleistung der Notfallversorgung ermessensfehlerhaft sein sollte. Insbesondere ist nicht, wie von Klägerseite geltend gemacht, davon auszugehen, dass dieser Entscheidung eine fehlerhafte Bedarfsanalyse zugrunde liegt. Es geht hier nicht um die Aufnahme in den Krankenhausplan, bei der nach der Rechtsprechung eine derartige Analyse vorzunehmen ist (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 12.6.1990 – 1 BvR 355/86 – juris Rn. 67 ff.; BVerwG, U.v. 26.4.2018 – 3 C 11/16 – juris Rn. 22ff.; B.v. 25.10.2011 – 3 B 17/11 – juris Rn. 4 f.; B.v. 31.5.2000 – 3 B 53/99 – juris Rn. 4 ff.; U.v. 14.11.1985 – 3 C 41/84 – juris Rn. 34 ff.), sondern um die Frage, ob so viele Notfallpatienten aufgenommen wurden, dass von einem „besonderen Ausnahmefall“ gesprochen werden kann und dementsprechend kein Abschlag auf die Fallzahlen erfolgt.
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Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Berufung war nicht zuzulassen, da das erkennende Gericht weder von obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) noch ein Fall mit grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Von grundsätzlicher Bedeutung in diesem Sinne ist eine Rechtssache immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – juris Rn. 45). Entscheidungserheblich ist hier aber vor allem die Frage, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Feststellung als Spezialversorger bzw. für die zwingende Erforderlichkeit im Hinblick auf die Gewährleistung der Notfallversorgung in einem konkreten Jahr erfüllt hat, so dass es sich letztendlich um einen Einzelfall handelt. Dies gilt umso mehr, als auch nach den eigenen Erhebungen des Krankenhauses die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so dass es hier insbesondere auf die Frage, ob zu Recht auf den Rettungsdienstbereich München und nur auf diejenigen Fälle abgestellt wurde, die per Rettungsdienst eingewiesen wurden, letztendlich nicht ankommt.