Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 27.06.2022 – 203 StObWs 113/22
Titel:

Sicherungsverwahrung: Anspruch Langzeitverwahrter auf Kleintierhaltung 

Normenketten:
BaySvVollzG Art. 17, Art. 51, Art. 67 Abs. 2
StVollzG § 115 Abs. 4 S. 2 u. Abs. 5, § 119 Abs. 4
Leitsatz:
Auch ein Langzeitverwahrter hat im Falle der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Art. 17 BaySvVollzG keinen Anspruch auf die Genehmigung der Haltung eines Kleintieres in seinem Verwahrtenzimmer, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Anstalt hat bei ihrer Entscheidung neben der konkreten Situation in der Anstalt auch die individuellen Bedürfnisse des Antragstellers miteinzustellen. (Rn. 20 und 36)
Schlagworte:
Sicherungsverwahrung, Kleintierhaltung, Wellensittich, Anstalt, Sicherheit, Gesundheitsschutz, Angleichungsgrundsatz, Abstandsgebot, Ermessensentscheidung, Ermessensreduzierung
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Beschluss vom 15.02.2022 – SR StVK 654/19
BayObLG, Beschluss vom 12.05.2021 – 203 StObWS 84/21
LG Regensburg, Beschluss vom 11.01.2021 – SR StVK 654/19
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46004

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 15. Februar 2022 aufgehoben mit der Maßgabe, dass es bei der Aufhebung des Bescheids der Justizvollzugsanstalt Straubing – Einrichtung für Sicherungsverwahrung – vom 25. Juli 2019 sein Bewenden hat.
2. Die Justizvollzugsanstalt Straubing – Einrichtung für Sicherungsverwahrung – wird verpflichtet, die Anträge des Beschwerdegegners vom 22. Mai und 19. Juni 2019 in der Fassung vom 13. November 2019 auf Gestattung der Haltung eines Kleintieres unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu verbescheiden.
3. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
4. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen und die dem Antragsteller darin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
5. Der Beschwerdewert wird auf 500 € festgesetzt.

Gründe

A.
1
Der 73 jährige Antragsteller befindet sich aufgrund eines Urteils des Landgerichts Ansbach vom 19. Januar 2009 in der Maßregel der Sicherungsverwahrung in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Straubing. Am 22. Mai und 19. Juni 2019 beantragte er die Genehmigung der Haltung eines Kleintieres in seinem Verwahrtenzimmer.
2
Mit Bescheid vom 25. Juli 2019, dem Antragsteller eröffnet am 26. Juli 2019, lehnte die Einrichtung eine Genehmigung ab und begründete dies mit entgegenstehenden Belangen der Sicherheit und Ordnung. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses der Strafvollstreckungskammer verwiesen. Mit Schreiben vom 30. Juli 2019, eingegangen am 1. August 2019, beantragte der Antragsteller daraufhin eine gerichtliche Entscheidung. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 13. November 2019 konkretisierte er seinen Antrag auf die Genehmigung der Haltung eines Wellensittichs.
3
Die Strafvollstreckungskammer hat zur Frage der von der Einrichtung vorgetragenen Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt Beweis erhoben und anschließend mit Beschluss vom 11. Januar 2021 die Einrichtung verpflichtet, dem Antragsteller die Haltung eines Wellensittichs zu gestatten. Gegen diesen ihr am 13. Januar 2021 zugestellten Beschluss hat die Einrichtung mit Schreiben vom 3. Februar 2021, eingegangen bei Gericht am 9. Februar 2021, Rechtsbeschwerde eingelegt und die Aufhebung des Beschlusses sowie die Zurückweisung des Antrags des Beschwerdegegners begehrt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat in ihrer Stellungnahme vom 16. Februar 2021 ebenfalls die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückweisung des Antrags des Beschwerdegegners beantragt. Auf Antrag der Einrichtung hat der Senat mit Beschluss vom 8. März 2021 den Vollzug des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung der Hauptsache ausgesetzt. Mit Beschluss vom 12. Mai 2021 – 203 StObWs 84/21 – hat der Senat den angefochtenen Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufgehoben und unter Zurückweisung im übrigen die Sache zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen. Die Strafvollstreckungskammer hat weiteren Beweis erhoben und mit Beschluss vom 15. Februar 2022 den Bescheid der JVA Straubing vom 25. Juli 2019 aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Haltung eines auf bestimmte Krankheitserreger getesteten Wellensittichs nebst der erforderlichen Ausstattung zu gestatten. Eine Einschränkung des Rechts des Antragstellers auf eine Tierhaltung in der Sicherungsverwahrung verletze diesen in unverhältnismäßiger Weise in seiner Handlungsfreiheit. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
4
Gegen diese ihr am 16. Februar 2022 zugestellte Entscheidung hat die Einrichtung mit Schreiben vom 22. Februar 2022, bei Gericht an diesem Tage eingegangen, erneut Rechtsbeschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, den Antrag des Sicherungsverwahrten zurückzuweisen und den Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, hilfsweise das Verfahren an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Mit Beschluss vom 8. März 2022 hat der Senat den Vollzug des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung der Hauptsache ausgesetzt.
5
Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich in ihrer Stellungnahme vom 22. Februar 2022 der Argumentation der Einrichtung angeschlossen und die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie die Zurückweisung des Antrags des Beschwerdegegners beantragt.
6
Der anwaltliche Vertreter des Antragstellers hält die Rechtsbeschwerde bereits für unzulässig, jedenfalls aber in der Sache für unbegründet.
B.
I.
7
Die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig. Sie wurde gemäß Art. 103 BaySvVollzG i.V.m. § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Der Fall gibt Veranlassung, grundlegende Rechtsfragen zur Genehmigung der Tierhaltung in der Sicherungsverwahrung, die durch die obergerichtlichen Entscheidungen noch nicht entschieden sind, zu klären.
II.
8
Die Rechtsbeschwerde hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg. Die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer und der Antragsgegnerin halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer (Art. 103 BaySvVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG), weil der Tatrichter bei der Prüfung der Entscheidung der Einrichtung für Sicherungsverwahrung zwar nach § 115 Abs. 5 StVollzG zutreffend von einer fehlerhaften Ermessensausübung der Anstalt, jedoch rechtsfehlerhaft von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen ist. Die unzureichende Begründung der Versagung der Genehmigung durch die Vollzugsbehörde hat zur Folge, dass die von der Strafvollstreckungskammer ausgesprochene Aufhebung des Bescheides der Einrichtung Bestand hat. Da die Sache insoweit spruchreif ist (§ 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG), ist nicht auf eine Zurückweisung an die Strafvollstreckungskammer zu erkennen, sondern die Einrichtung zu neuer Bescheidung (§ 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG) zu verpflichten.
9
1. Zutreffend ist die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ermessensausübung durch die Einrichtung einer gerichtlichen Nachprüfung gemäß Art. 103 BaySvVollzG i.V.m. §§ 130, 115 Abs. 5 StVollzG nicht stand hält. Die von der Anstalt angestellten Erwägungen im Bescheid vom 25. Juli 2019 lassen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Rechtsbeschwerde besorgen, dass die Anstalt dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers und dem Aspekt des Sonderopfers nicht das gebotene Gewicht beigemessen hat.
10
a) Ob gerade in Einrichtungen mit einer hohen Zahl an Insassen wegen der Summierung des mit einer Tierhaltung verbundenen organisatorischen und logistischen Mehraufwands ein ausnahmsloses Verbot der Kleintierhaltung in den Verwahrtenzimmern, etwa in Form einer Hausverfügung, Bestand haben könnte (so etwa OLG Dresden Beschluss vom 4. November 1999 – 2 Ws 401/99 –, juris Rn.12 für den Strafvollzug; OLG Frankfurt NStZ 1984, 239 für den Strafvollzug; a.A. Goldberg in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 5. Kapitel Freizeit D II Rn. 17), kann hier dahinstehen. Denn die Anstalt wollte im vorliegenden Fall ersichtlich eine Einzelfallabwägung vornehmen und hat sich nicht auf ein generelles Verbot berufen.
11
b) Die einzelfallbezogene Ermessensausübung der Einrichtung weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
12
aa) Zutreffend hat die Anstalt ihre Entscheidungsfindung vornehmlich an Art. 17 BaySvVollzG orientiert. Nach dieser Vorschrift dürfen Sicherungsverwahrte ihr Zimmer in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten. Abs. 2 der Vorschrift sieht vor, dass der Besitz von Gegenständen der Erlaubnis bedarf und diese unter anderem versagt werden darf, wenn der Besitz die Sicherheit oder in schwerwiegender Weise die Ordnung der Anstalt beeinträchtigen würde. Die Vorschrift konkretisiert in diesem Bereich den sogenannten Angleichungsgrundsatz, wonach das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzupassen ist (BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 16. Ed., BaySvVollzG Einleitung zu Art. 17). Bei der in der Regelung genannten Einschränkung der Beeinträchtigung der Sicherheit oder Ordnung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum, dessen Anwendung gerichtlich in vollem Umfang zu überprüfen ist (vgl. BayObLG Beschluss vom 30. September 2021 – 204 StObWs 148/21 –, juris Rn. 22 m.w.N.; BayObLG Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 204 StObWs 197/20 –, juris Rn. 15). Der Begriff der Sicherheit umfasst dabei die äußere Sicherheit als Gewährleistung des Anstaltsaufenthalts der Gefangenen, aber auch als Verhinderung und Abwehr von Angriffen auf die Anstalt von außen, sowie die innere Sicherheit als Abwendung von Gefahren für Personen und Sachen in der Anstalt einschließlich möglicher Gesundheitsgefährdungen (vgl. Harrendorf/Ullenbruch in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O. 11. Kapitel Sicherheit und Ordnung A I Rn. 5 m.w.N.). Der Begriff der Ordnung umfasst die Voraussetzungen für ein zivilisiertes und menschenwürdiges Zusammenleben in der Anstalt (Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. m.w.N.).
13
bb) Bei der Frage der Genehmigung eines Gegenstands für einen Sicherungsverwahrten ist stets zu berücksichtigen, dass die Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung tragen und einen deutlichen Abstand zum regulären Strafvollzug erkennen lassen muss (BVerfGE 128, 326 ff., juris Rn. 115). Die Grundsätze, die die Rechtsprechung in der Vergangenheit zur Vogelhaltung im Strafvollzug entwickelt hat (vgl. dazu Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Beschluss vom 25. Mai 1993 – Vollz (Ws) 10/92 –, juris OLG Koblenz Beschluss vom 16. Mai 1983 – 2 Vollz (Ws) 3/83 –, juris; OLG Frankfurt NStZ 1984, 239 f. juris; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O. 2. Kapitel Aufnahme, Planung und Unterbringung F II Rn. 9) sind daher auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht ohne weiteres zu übertragen.
14
cc) Nach der mittlerweile überwiegenden Ansicht der Oberlandesgerichte, der auch der Senat folgt, gebietet das Abstandsgebot eine großzügigere Handhabung hinsichtlich der Überlassung des Besitzes von motivationsförderlichen Gegenständen als bei Strafgefangenen (BayObLG Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 204 StObWs 197/20-, juris Rn. 17; KG Beschluss vom 18. Juni 2014 – 2 Ws 123/14 Vollz –, juris Rn. 23; OLG Karlsruhe Beschluss vom 3. April 2019 – 2 Ws 64/19-, juris Rn. 20; KG Beschluss vom 12. April 2021 – 2 Ws 167/20 Vollz –, juris). Berührt eine Genehmigung die Sicherheit der Anstalt, ist bei Sicherungsverwahrten etwa hinsichtlich des noch zumutbaren Kontrollaufwandes von vorneherein ein großzügigerer Maßstab anzulegen als bei Strafgefangenen (BayLT-Drs. 16/13834 S. 36; BayObLG Beschluss vom 21.12.2020 – 204 StObWs 197/20-, juris Rn. 19; KG Beschluss vom 12. April 2021 – 2 Ws 167/20 Vollz –, juris Rn. 30; OLG Naumburg Beschluss vom 26. Mai 2011 – 1 Ws 638/10 -juris Rn. 23 ff.; OLG Koblenz Beschluss vom 13. Dezember 2021 – 2 Ws 563/21 Vollz –, juris Rn. 20), und zwar auch bei Gegenständen, die der Verwahrte nicht unbedingt benötigt (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 3. April 2019 – 2 Ws 64/19-, juris Rn. 23). Betrifft die Genehmigung erhebliche Belange der Anstaltsordnung, hat die Einrichtung der Vorgabe von Art. 67 Abs. 2 BaySvVollzG folgend vorrangig zu prüfen, ob der von ihr besorgten Störung anders als durch eine Versagung der Genehmigung entgegengewirkt werden kann.
15
Denn der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist überhaupt nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen (BVerfGE 128, 326 ff., juris Rn. 96). Der in der Sicherungsverwahrung liegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht wiegt nämlich besonders schwer, weil er ausschließlich präventiven Zwecken dient und dem Betroffenen im Interesse der Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auferlegt (BVerfG a.a.O. Rn. 101). Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen (BVerfGE a.a.O. Rn. 115). Bei der Ausgestaltung des Regelungskonzepts für die Sicherungsverwahrung ist auch ein Augenmerk darauf zu legen, dem Betroffenen einen Anreiz zur Mitwirkung an seiner Resozialisierung zu schaffen (BVerfGE a.a.O. Rn. 111 ff.). Die unbestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung kann schwerwiegende psychische Auswirkungen haben, den Untergebrachten demotivieren und ihn in Lethargie und Passivität führen. Dem ist zunächst durch ein Behandlungs- und Betreuungsangebot zu begegnen, das nach Möglichkeit eine realistische Entlassungsperspektive eröffnet. Darüber hinaus ist die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an seiner Behandlung durch gezielte Motivationsarbeit zu wecken und zu fördern. Unterstützend könnte insofern ein Anreizsystem wirken, das aktive Mitarbeit mit besonderen Vergünstigungen oder Freiheiten honoriert oder auch solche entzieht, um Motivation und Mitarbeit zu erreichen (BVerfGE a.a.O. Rn. 114; vgl. auch § 66c Abs. 1 Nr. 2a StGB). Langzeitverwahrten sind gegebenenfalls zusätzliche Vergünstigungen zu gewähren, um einen Rest an Lebensqualität zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 109, 133 ff., juris Rn. 122).
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Ob und in welchem Maße das Einbringen eines Gegenstands die Sicherheit oder die Ordnung der Anstalt gefährdet, hängt maßgeblich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von den örtlichen Verhältnissen und den Kontrollmöglichkeiten der Anstalt, aber auch von der Person des Insassen, der den Antrag auf die Genehmigung gestellt hat (vgl. BayObLG Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 204 StObWs 197/20 –, juris Rn. 19 und 39; OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – 2 Ws 563/21 Vollz –, juris Rn. 11; BGH Beschluss vom 14. Dezember 1999 – 5 AR (VS) 2/99 –, juris Rn. 8 zu § 70 StVollzG).
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Eine fehlerfreie Ausübung des Ermessens setzt voraus, dass sich die Anstalt im Rahmen der Abwägung mit der Persönlichkeit des Sicherungsverwahrten und dem bisherigen Vollzugsverlauf auseinandersetzt (KG Beschluss vom 18. Juni 2014 – 2 Ws 123/14 Vollz-, juris Rn. 30 m.w.N.).
18
Bei der Entscheidungsfindung ist den gesetzlichen Wertungen des BaySvVollzG Rechnung zu tragen, wie etwa Art. 3 BaySvVollzG, der neben anderem die Vorgabe enthält, den Vollzug der Sicherungsverwahrung freiheitsorientiert und therapiegerichtet auszugestalten, das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich anzugleichen und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten, insbesondere – auch – im Hinblick auf ihr Alter bei der Gestaltung des Vollzugs und bei allen Einzelmaßnahmen zu berücksichtigen. Nach Art. 4 BaySvVollzG ist die Bereitschaft zur Mitwirkung fortwährend zu wecken und zu fördern. Zur Motivierung können auch besondere Vergünstigungen gewährt werden. Nach Art. 51 BaySvVollzG erhalten die Sicherungsverwahrten die Gelegenheit, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten.
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dd) Gemessen daran genügt die von der Einrichtung für Sicherungsverwahrung vorgenommene Abwägung der für und gegen eine Genehmigung nach Art. 17 BaySvVollzG sprechenden Gesichtspunkte nicht den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung. Denn die Vollzugseinrichtung hat bei ihrer Entscheidung nicht alle maßgeblichen Aspekte berücksichtigt.
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aaa) So erweist sich bereits der Ausgangspunkt der Anstalt, ein besonderes, insbesondere schützenswertes Interesse des Antragstellers an der Haltung eines Kleintieres sei nicht ersichtlich (Bescheid S. 3), als äußerst bedenklich. Denn diese Beurteilung lässt besorgen, dass die Beschwerdeführerin das Gebot, die individuellen Bedürfnisse des Sicherungsverwahrten zu respektieren, bei ihrer Entscheidung nicht hinreichend bedacht und den individuellen Bedürfnissen des Antragstellers bei der Abwägung nicht das gebotene Gewicht beigemessen hat (vgl. BVerfG NJW 2003, 2447 f., juris Rn. 4 m.w.N. zum Strafvollzug; OLG Koblenz Beschluss vom 13. Dezember 2021 – 2 Ws 563/21 Vollz –, juris Rn. 24).
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bbb) Hinzu kommt, dass dem Gesichtspunkt der Dauer der Verwahrung bislang keine Bedeutung eingeräumt worden ist. Nach dem oben Gesagten gilt es bei einer langjährig untergebrachten Person wie dem Antragsteller, den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs aktiv entgegenzuwirken und die Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen (vgl. OLG Karlsruhe Beschluss vom 3. April 2020 – 1 Ws 157/19 –, juris Rn. 17). Diese Vorgabe greift nicht erst dann ein, wenn der Untergebrachte bereits Anzeichen einer Depravation aufweist (OLG Karlsruhe a.a.O.).
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ccc) Den allgemein bekannten Umstand, dass der Umgang mit Tieren auch die Entwicklung sozialer Fähigkeiten positiv beeinflussen und therapeutisch genutzt werden kann, hat die Anstalt bei ihrer Entscheidung ersichtlich ebenfalls nicht in ihre Überlegungen mit eingestellt.
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ddd) Die bislang behördlicherseits unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes angeführten Gründe vermögen die Versagung nicht zu rechtfertigen. Die Einrichtung hat mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D… die tatsächlichen Umstände, die sie ihrer Beurteilung der Gesundheitsgefährdung zugrunde gelegt hat, nicht ausreichend dargetan. Unerlässlich wäre insoweit eine für den Senat nachvollziehbare Darstellung der individuellen Häufigkeit, der Dauer und der Routinen der Zimmerbetretungen, der Zimmerreinigung und der Kontrollen beim Antragsteller. Nicht erörtert ist zudem, inwieweit einer möglichen Gesundheitsgefahr wirksam mit Weisungen an den Antragsteller, etwa gerichtet auf das Abdecken des Käfigs während der Kontrollen, auf regelmäßiges Lüften des Zimmers und auf sorgfältige Reinigung der Böden sowie auf konsequentes Schließen der Zimmertüre, entgegen gewirkt werden könnte. Ob nach den tatsächlichen Gegebenheiten in der Anstalt eine räumliche Trennung von Insassen, die allergisch auf Singvögel reagieren können, möglich und organisatorisch leistbar wäre, und ob es die Einrichtung generell ausschließt, intern eine gesonderte Abteilung oder Wohngruppe mit Tierhaltung zu schaffen, lässt sich der Entscheidung ebenfalls nicht entnehmen. Für eine Gesamtbetrachtung der von der Antragsgegnerin ins Feld geführten Eigengefährdung des Antragstellers wären einem Erkrankungsrisiko mögliche positive Effekte auf die Psyche gegenüberzustellen.
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eee) Soweit sich die Einrichtung zur Rechtfertigung ihrer ablehnenden Entscheidung darauf berufen hat, dass die Vogelhaltung die Sicherheit der Anstalt durch eine Erschwerung des Zutritts zum Zimmer und der Zimmerkontrollen beeinträchtigen würde, hätte es ebenfalls der näheren einzelfallbezogenen Darlegung unter Würdigung der Person des Beschwerdegegners bedurft. Ein Eingehen auf die Person des Sicherungsverwahrten war umso mehr geboten, als der Antragsteller im Vollzug bereits einmal einen Wellensittich versorgt hatte. Lässt sich der erforderliche Kontrollaufwand nämlich im konkreten Fall beim Antragsteller durch bestimmte Vorkehrungen auf ein leistbares Maß reduzieren, so dass dem Betroffenen der Besitz eines Haustieres ohne Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt ermöglicht werden könnte, würde es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebieten, diese Möglichkeit in die Überlegungen mit einzubeziehen und gegebenenfalls aufzugreifen.
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Dem bisherigen Vorbringen der Anstalt, sowohl der Vogel als auch der Käfig und sonstige mit der Tierhaltung im Zusammenhang stehende Versteckmöglichkeiten müssten von den Bediensteten zeitaufwändig auf möglicherweise verborgene kleinste Gegenstände inspiziert werden, erschließt sich nicht, ob und in welchem Umfang derartige kleinteilige Suchaktionen bei dem 73 jährigen Antragssteller überhaupt regelmäßig veranlasst sind. Hinweise darauf, dass er in der Vergangenheit Betäubungsmittel oder andere Kleinstgegenstände für sich oder andere Insassen versteckt hätte, lassen sich dem Bescheid nicht entnehmen.
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fff) Soweit die Einrichtung die Versagung der Tierhaltung aus einem unzumutbaren organisatorischen und logistischen Aufwand herleitet, gilt folgendes:
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Zwar kann für das Ausmaß der Einschränkungen, die ein Betroffener in der Sicherungsverwahrung hinnehmen muss, die räumliche und sonstige Ausstattung der Einrichtung durchaus von Bedeutung sein. Andererseits bestehen Grundrechte nicht nur nach Maßgabe dessen, was an Verwaltungseinrichtung faktisch vorhanden ist (st. Rspr., vgl. etwa für die Untersuchungshaft BVerfGK 20, 107 ff., juris Rn. 21). Grundsätzlich haben Gesetzgeber und Verwaltung sicherzustellen, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen (vgl. BVerfGE 128, 326 ff., juris Rn. 115). Angesichts der aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinen grundlegenden Entscheidungen zur Sicherungsverwahrung durchgängig abzuleitenden Zielvorgabe, die individuellen Interessen des Sicherungsverwahrten zu erkennen und zu respektieren, seine Motivation und sein Verantwortungsbewusstsein zu fördern, seine sozialen Kompetenzen zu stärken, die Entwicklung von Empathiefähigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu unterstützen, die seelische Gesundheit des Verwahrten nicht zu gefährden und zu diesem Zweck auch ein möglichst breites Angebot an Freizeitbeschäftigung zur Verfügung zu stellen, wäre die Anstalt hier gehalten gewesen, nachvollziehbar darzulegen, weshalb die vorgetragenen Hindernisse nicht mit vergleichsweise geringem Aufwand behebbar wären. Es ist nicht Sache der Gerichte, diesbezüglich Mutmaßungen anzustellen.
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ggg) Soweit die Anstalt Bedenken des Tierwohls anführt, weisen die Ausführungen ebenfalls Defizite auf. Zutreffend geht die Anstalt davon aus, dass auch Aspekte des Tierwohls in die Entscheidung einer Genehmigung mit einfließen dürfen. So wäre etwa jedes unangekündigte Betreten des Zimmers durch Bedienstete oder Mitinsassen mit der Gefahr des Entweichens des möglicherweise gerade zu diesem Zeitpunkt freifliegenden Vogels verbunden. Ein derartiges Entfliegen hätte nicht nur psychischen Stress für das Tier zur Folge, sondern würde es auch körperlich gefährden. Allerdings hat die Anstalt bislang, wie bereits oben dargelegt, versäumt, darzulegen, ob und in welchem Umfang beim Antragsteller überhaupt jederzeit unangemeldete Besuche, Zimmerkontrollen und Zimmerbetretungen geboten sind oder ob ihm ohne durchgreifende Sicherheits- und Missbrauchsbedenken ein Zeitfenster für den ungestörten „Freiflug“ oder eine zusätzliche Sicherung der Türe etwa durch ein Lamellenfliegengitter zur Verfügung gestellt werden könnte.
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hhh) Soweit die Einrichtung darauf verweist, jedenfalls in Notfällen bestünde die Gefahr, dass der Vogel beim unangekündigten eiligen Betreten des Zimmers aus dem Raum fliegen könnte, vermag dieser Einwand nicht die Versagung der Tierhaltung zu stützen. Vielmehr obliegt es insoweit alleine dem Antragsteller, zu entscheiden, ob er das Risiko eines Entweichens mit Blick auf das Öffnen des Zimmers in Notfällen, die auch im alltäglichen Leben eintreten können, auf sich nehmen wird.
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iii) Der von der Anstalt besorgten Gefahr von Übergriffen der Mitinsassen auf das Tier könnte der Antragsteller eigenverantwortlich durch ein Absperren des Zimmers, die Anstalt möglicherweise auch durch die Auswahl tiertoleranter Mitbewohner der jeweiligen Abteilung oder Wohneinheit begegnen.
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jjj) Der Einwand der Antragsgegnerin, es könne nicht gewährleistet werden, dass der „jeweilige“ Verwahrte für das nötige Wohlbefinden des Tieres sorgen könnte (Bescheid S. 5), verfängt nicht. Denn die Anstalt ist gehalten, auch insoweit bei jeder Genehmigung auf den Einzelfall abzustellen und die individuelle Fähigkeit und Zuverlässigkeit des Antragstellers sowie seine grundsätzliche Eigenverantwortlichkeit in die Entscheidung mit einzustellen. Dies hat sie hier versäumt. Dass in der Vergangenheit ein „Großteil“ der inhaftierten Tierbesitzer gescheitert ist (Bescheid S. 7), genügt daher für eine Ablehnung des Antrags nicht, zumal auch die Möglichkeit besteht, den örtlich zuständigen Veterinärarzt zu ersuchen, die Vogelhaltung in der Anstalt in regelmäßigen Abständen auf ihre hygienische Unbedenklichkeit zu überprüfen, und dem Tierhalter die in diesem Rahmen erforderlichen Weisungen zu erteilen. Eine diesbezüglich zu besorgende Unzuverlässigkeit des Antragstellers hat die Einrichtung nicht dargetan.
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kkk) Der Aspekt einer mangelhaften Hygiene ist vom Ansatz her geeignet, der Absicht einer Tierhaltung entgegengehalten zu werden. Allerdings hat die Einrichtung hier eine Verwahrlosungstendenz des Antragstellers nicht nachvollziehbar dargelegt. Dass er in der Vergangenheit verbotswidrig Tauben gefüttert hat, kann auch auf sein Bedürfnis nach einem Kontakt zu Tieren zurückzuführen sein.
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iii) Soweit die Anstalt geltend macht, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ließe es nicht zu, eine im Notfall gebotene tierärztliche Behandlung zeitnah zu bewerkstelligen, müsste sich die Einrichtung näher dazu verhalten, weshalb sie es für ausgeschlossen erachtet, in einem derartigen Ausnahmefall einen Hausbesuch eines niedergelassenen Tierarztes zu arrangieren.
34
mmm) Der Einwand der Anstalt, der Antragsteller könnte zeitweise oder auch dauerhaft verhindert sein, den Vogel zu pflegen, trägt die ablehnende Entscheidung nicht. Auch diesbezüglich müsste sich die Anstalt dazu äußern, weshalb eine Übernahme der Pflege von Seiten Dritter wie etwa durch Angehörige, Mitinsassen oder ehrenamtliche Helfer nicht in Betracht kommen kann.
35
Die Begründung der Versagung der Genehmigung wird damit den verfassungsrechtlichen wie auch den einfachgesetzlichen Vorgaben nicht gerecht. Die Einrichtung hätte beim Antragsteller näher prüfen müssen, ob in Anbetracht der Dauer seiner Unterbringung und seines Lebensalters die Gewährung des Besitzes eines Haustieres zum Erhalt und zur Festigung seiner Lebenstüchtigkeit geeignet und erforderlich war, die von der Anstalt besorgten Beeinträchtigungen der Sicherheit und Ordnung durch mildere Mittel abgefangen hätten werden können und ungeachtet der fachlichen Einschätzung des Therapeuten eine Genehmigung der Tierhaltung zur Förderung seiner Motivation (vgl. Art. 51 Abs. 2 S. 2 BaySvVollzG) und zur Aufrechterhaltung seines Lebensmuts geboten war. Diese Prüfung wird sie nunmehr nachzuholen haben.
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2. Die Strafvollstreckungskammer ist – ebenso wie das Beschwerdegericht – grundsätzlich nicht befugt, das eigene Ermessen an die Stelle desjenigen der Vollstreckungsbehörde zu setzen. Eine eigene Entscheidung unter Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt ist. Entgegen der Annahme der Strafvollstreckungskammer ist eine tragfähige Rechtfertigung einer Versagung der Vogelhaltung auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses ihrer Beweisaufnahme im vorliegenden Fall nicht von vorneherein ausgeschlossen.
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So ist die Einrichtung grundsätzlich nicht gehindert, in die Entscheidung Gesichtspunkte des personalen Bedarfs für die Gewährleistung der notwendigen Sicherheit im Zusammenhang mit den Zimmerkontrollen, der Deckung eines der ordnungsgemäßen Versorgung und Haltung des Tieres geschuldeten organisatorischen und logistischen Mehraufwands sowie Aspekte des Gesundheitsschutzes mit einzustellen und zu gewichten. Dass von der Haltung eines Tieres eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt ausgehen kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1984, 239; OLG Koblenz Beschluss vom 16. Mai 1983 – 2 Vollz (Ws) 3/83 –, juris; KG ZfStrVO 1980, 188 ff.; zu Erfahrungen in der Praxis Vogelsang, ZfStrVo 1994, 67-68) und hat sich im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer in der Beweisaufnahme bestätigt (Beschluss der Strafvollstreckungskammer S. 7 ff.). Die Einrichtung hat schutzwürdige Belange ihrer Bediensteten und der Insassen bei der Frage der Genehmigung der Tierhaltung in den Blick zu nehmen und die mit einer Genehmigung verbundenen Gesundheitsrisiken nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. BGH NJW 2005, 3357 f. zur Amtshaftung infolge Verletzung der Fürsorgepflicht in der Anstalt). Die von der Strafvollstreckungskammer zur Abwehr von Gesundheitsgefahren als ausreichend erachtete Auflage der Testung des Vogels auf Chlamydien, Psittakose und Salmonellen vermag zwar die Gefahr einer Eintragung von Krankheitserregern in die Anstalt deutlich zu reduzieren, ist jedoch nicht geeignet, das Auftreten von allergischen Reaktionen auf bestimmte Eiweißbausteine, die die Wellensittiche selbst produzieren und die sich über die Federn und den Kot der Tiere in der Luft verbreiten, zu unterbinden. Sie ist auch kein probates Mittel, die Symptome von bereits bestehenden Überempfindlichkeiten und Allergien von Bediensteten und Insassen abzufedern. Ausreichendes Lüften, der Einsatz von Luftfiltern oder Raumluftreinigern und eine zureichende Käfig- und Zimmerhygiene vermögen die Gesundheitsrisiken zu verringern, setzen jedoch nicht nur eine entsprechende Verlässlichkeit des Halters, sondern auch eine Mitwirkung der Einrichtung voraus.
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Die Erwägung der Strafvollstreckungskammer, das Auftreten von Allergien und die Belastung der Luft mit Allergenen (Aeroallergene) gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko und wären von den Betroffenen daher hinzunehmen, greift zu kurz. Besteht bei einer Person in der Anstalt bereits eine entsprechende Empfindlichkeit, gilt es vielmehr aus medizinischen Gründen, den Allergieauslöser in den Innenräumen nach Möglichkeit zu eliminieren. Denn an erster Stelle der Maßnahmen zur Behandlung einer Allergie, aber auch zur Vorbeugung allergischer Reaktionen steht das Vermeiden oder jedenfalls das Reduzieren auslösender Allergene oder anderer Einflussfaktoren, soweit dies möglich ist (vgl. www.allergieinformationsdienst.de/therapie/allergene-vermeiden.html). Daher hat der Betroffene, allem voran ein Insasse, der sich der Belastung situationsbedingt nur eingeschränkt entziehen kann, ein schutzwürdiges, in die Abwägung einzustellendes Interesse, einem sogenannten Innenraumallergen nicht dauerhaft ausgesetzt zu werden. Die Anstalt, die die Genehmigung zur Tierhaltung erteilt, ist daher aufgrund ihrer Fürsorgepflicht nicht nur gehalten, die dadurch bedingten Luftschadstoffe gering zu halten, sondern auch, empfindliche Untergebrachte innerhalb der Einrichtung von den Tierhaltern räumlich zu separieren. Dies hat die Strafvollstreckungskammer bei ihrer Entscheidung nicht bedacht.
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Die Strafvollstreckungskammer hat sich auch nicht näher damit befasst, ob objektivierbare Anhaltspunkte wie etwa die Art und Häufigkeit disziplinarisch zu ahndenden Fehlverhaltens des Antragstellers, Unzuverlässigkeit in Bezug auf Weisungen, Konflikte mit Insassen und anderes die Annahme rechtfertigen, dass eine ihm erteilte Genehmigung der Haltung eines Wellensittichs die Sicherheit und Ordnung der Anstalt maßgeblich zu beeinträchtigen vermag. Eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung setzt zwingend eine valide Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Sicherungsverwahrten und dem bisherigen Vollzugsverlauf voraus (vgl. KG Beschluss vom 18. Juni 2014 – 2 Ws 123/14 Vollz –, juris Rn. 30).
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Eine Genehmigung „auf Probe“ kommt – anders als bei einem sonstigen Gegenstandbei einem Tier von vorneherein nicht in Betracht. Eine Wegnahme des Vogels wäre auch bei Weisungsverstößen des Halters nur schwierig zu bewerkstelligen und könnte ihrerseits zu Verwerfungen in der Anstalt führen.
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Schließlich hat die Strafvollstreckungskammer das von der Einrichtung vorgetragene Risiko aus dem Blick verloren, dass die Genehmigung einer Tierhaltung bei den weiteren Insassen etwa wegen einer auch nur vermeintlichen Bevorzugung oder behaupteten Belästigung für Unruhe sorgen kann. Ein im Zimmer gehaltenes Tier hat in einer Wohngruppe von unfreiwillig zusammengeführten Personen mit unterschiedlichen Lebensanschauungen und Befindlichkeiten nicht zuletzt mit Blick auf die Käfighaltung das Potential, zu ernsthaften Auseinandersetzungen und Provokationen zu führen. Bereits eine Einzelgenehmigung der Vogelhaltung vermag im Einzelfall die Sicherheit und die Ordnung in der Anstalt nachhaltig zu berühren. Liegen bereits weitere Anträge von Sicherungsverwahrten vor, spielen auch deren Anzahl, die Zahl der noch zu erwartenden Anträge und die Gesamtzahl der beantragten Tiere eine maßgebliche Rolle.
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Es ist nämlich verfassungsrechtlich unbedenklich, zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung aller Insassen der Einrichtung, die sich in vergleichbarer Lage befinden, ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darauf abzustellen, ob eine ausreichende Kontrollierbarkeit auch bei gleicher Handhabung vergleichbarer anderer Fälle gegeben ist. Demgemäß kann das Interesse eines Sicherungsverwahrten, einen bestimmten Gegenstand zu nutzen, zwar für sich ein gewichtiges sein, aber kein seinem Gewicht nach so außergewöhnliches, dass mangels absehbarer Vergleichsfälle allein auf die isolierte Möglichkeit gefahrenabwehrender Kontrollen in seinem konkreten Fall abgestellt werden müsste (OLG Karlsruhe Beschluss vom 3. April 2019 – 2 Ws 64/19 –, juris Rn. 27 unter Verweis auf BVerfG NJW 2003, 2447).
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Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer kann daher insoweit keinen Bestand haben.
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3. Die Rechtsbeschwerde im übrigen ist zurückzuweisen. Soweit der Antragsteller über die Aufhebung des Bescheids der Anstalt vom 25. Juli 2019 hinausgehend eine Genehmigung der Tierhaltung begehrt, war diesem Antrag nicht stattzugeben. Wie oben dargelegt hat der Beschwerdegegner nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats.
C.
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Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf Art. 103 BaySvVollzG i.V.m. §§ 130, 121 Abs. 1 und 4 StVollzG, § 467 Abs. 1 StPO. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 1 S. 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 60, 65, 52 Abs. 1 GKG.
Verfügung
1. Eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses vom 27.06.2022 hinausgeben an:

AG Straubing

formlos

Untergebrachter B. J.

formlos

Verfahrensbevollmächtigter des Untergebrachten G. T.

formlos

Beschwerdeführer Justizvollzugsanstalt S.

formlos

2. Vier beglaubigte Abschriften des Beschlusses vom 27.06.2022 hinausgeben an:

GenStA München

formlos

3. Begl. Abschrift des Beschlusses zur Sammlung
Schlussbehandlung
4. Mit vier Beschlussabschriften und Akten an GenStA München zur Kenntnisnahme und weiteren Veranlassung H.