Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 30.11.2022 – 203 Ws 1006/22, 203 StObWs 436/22
Titel:

Rechtsschutzbedürfnis in Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG

Normenketten:
StVollzG § 109, § 115, § 120 Abs. 1 S. 2
GG Art. 19 Abs. 4
StPO § 4, § 237
Leitsätze:
1. In Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG mangelt es an einem Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Antragsteller die ihm eingeräumten prozessualen Möglichkeiten nicht zur Wahrung seiner Belange, sondern gezielt zu verfahrensfremden und verfahrenswidrigen Zwecken verfolgt, etwa um den Antragsgegner zu schädigen oder das Gericht zu belästigen. Will der Tatrichter von einer Sachentscheidung mangels Rechtsschutzbedürfnis absehen, setzt dies eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verfahrensbeteiligten mit Stellung seiner Anträge verfolgten Zielen voraus. (Rn. 8 – 12)
2. Eine Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung nach § 237 StPO ist gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG auch in Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG grundsätzlich zulässig. (Rn. 22)
Schlagworte:
Rechtsschutzbedürfnis, Rechtsschutzgarantie, prozessuales Missbrauchsverbot, verfahrensfremde Zwecke, sachliches Anliegen, inhaltliche Auseinandersetzung, Verfahrensverbindung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46000

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerdeverfahren 203 StObWs 430/22 (Landgericht Landshut 5 StVK 469/22) und 203 StObWs 436/22 (Landgericht Landshut 5 StVK 502/22) werden gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i.V.m. § 237 StPO unter Führung des ersten Aktenzeichens zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
2. Auf die Rechtsbeschwerden des Strafgefangenen K… wird der Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landshut vom 26. August 2022 aufgehoben, soweit die Anträge in den Verfahren 5 StVK 469/22 und 5 StVK 502/22 unter Bestimmung eines Verfahrenswerts von jeweils 150.- Euro kostenpflichtig zurückgewiesen worden sind. Soweit in dem oben bezeichneten Beschluss in den Verfahren 5 StVK 470/22 und 5 StVK 503/22 die jeweiligen Anträge auf einstweilige Anordnung für erledigt erklärt worden sind, sind diese Entscheidungen nicht von den Rechtsbeschwerden erfasst.
3. Die Verfahren 5 StVK 469/22 und 5 StVK 502/22 der Strafvollstreckungskammer Landshut werden zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
4. Der Beschwerdewert wird in den Verfahren 5 StVK 469/22 und 5 StVK 502/22 der Strafvollstreckungskammer auf jeweils 500.- Euro festgesetzt.
5. Dem Beschwerdeführer wird für die Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 26. August 2022 die Anträge des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung in den Verfahren 5 StVK 469/22 und 5 StVK 502/22 kostenpflichtig zurückgewiesen sowie bezüglich der Anträge auf einstweilige Anordnung in den Verfahren 5 StVK 470/22 und 5 StVK 503/22 die Erledigung festgestellt. In den Verfahren 5 StVK 469/22 und 5 StVK 502/22 hat der Beschwerdeführer jeweils eine Rechtsbeschwerde eingelegt. Er begehrt jeweils die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, eine Entscheidung im Sinne seines jeweiligen ursprünglichen Hauptsacheantrags, die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Die Erledigung der Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ist von seinem Angriff ausgenommen (vgl. Schreiben des Antragstellers vom 28. September 2022 im Verfahren 5 StVK 470/22, Bl. 31 d.A.). Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Antragsschriften vom 12. und 13. Oktober 2022 jeweils, die Rechtsbeschwerden sowie die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als unzulässig kostenfällig unter Festsetzung eines Geschäftswerts von 150,00 EUR für jede verfahrensgegenständliche Entscheidung zu verwerfen. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, sich zu diesen Anträgen zu äußern.
II.
2
In der gemeinsamen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 26. August 2022 über die oben bezeichneten Anträge des Beschwerdeführers nach §§ 109 ff. StVollzG, die unter vier Aktenzeichen des Landgerichts Landshut gestellt worden sind, sieht der Senat eine konkludente Verbindung aller dieser Ausgangsverfahren zu dem führenden, weil ältesten, Verfahren 5 StVK 469/22. Für eine Verbindung der Verfahren spricht insbesondere, dass es nur einen im Original von der Richterin unterschriebenen Beschluss vom 24. August 2022 gibt, der sich in der Verfahrensakte 5 StVK 469/22 befindet. Aufgrund dieser Sachlage erachtet der Senat eine Verbindung der beiden Rechtsbeschwerdeverfahren in der Rechtsbeschwerdeinstanz als sachdienlich.
III.
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Die form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerden sind zulässig; es ist geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Missbrauchsverbot geben im vorliegenden Einzelfall Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen und des Verfahrensrechts aufzustellen (vgl. zu dieser Umschreibung der Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 116 Rn. 3 m.w.N.). Zugleich kann damit eine einheitliche Rechtsprechung gesichert und vermieden werden, dass schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen (vgl. Arloth/Krä, a.a.O., § 116 Rn. 3a).
IV.
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Die Rechtsbeschwerden sind auch begründet. Der Antragsteller hat in der Sache jedenfalls einen vorläufigen Erfolg.
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1. Zu beanstanden sind die vom konkreten Verfahrensgegenstand losgelösten Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zu dem zurückliegenden, aus Sicht der Kammer Rechtsmissbrauch indizierenden Verhalten des Strafgefangenen. Denn die chronologische Auflistung von vormaligen Äußerungen des Strafgefangenen in gesonderten Verfahren ist aus Rechtsgründen nicht geeignet, einem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis in einem Verfahren nach § 109 StVollzG ohne ein Eingehen auf das konkrete Begehren generell abzusprechen und ihm jede Sachentscheidung zu verweigern.
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a) Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (st. Rspr. BVerfG, vgl. etwa BVerfGE 67, 43, 58; 84, 34, 49). Dabei gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern verleiht dem Einzelnen, der behauptet, durch einen Akt öffentlicher Gewalt verletzt zu sein, einen substantiellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 101, 106, 122 f.; 103, 142,156; 113, 273, 310; 129, 1, 20). Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen (vgl. BVerfGE 77, 275, 284) und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 134, 106, 117). Im Bereich des Strafvollzugsrechts wird Art. 19 Abs. 4 GG durch §§ 109 ff. StVollzG auf der Ebene des einfachen Rechts konkretisiert. Diese Vorschriften sind im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 13. April 1999 – 2 BvR 827/98 –, juris Rn. 24 m.w.N.).
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b) Die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes gilt allerdings auch im Rahmen der jeweiligen Prozessordnung nicht uneingeschränkt. Vielmehr finden auch hier allgemeine ungeschriebene Prozessgrundsätze wie das prozessuale Missbrauchsverbot Anwendung, etwa wenn sich eine Eingabe in beleidigenden oder erpresserischen Ausführungen erschöpft und nicht ersichtlich ist, dass zugleich auch ein sachliches Anliegen verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2001 – 2 BvR 282/00-, juris Rn. 10 ff.).
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c) In Rechtsprechung und Literatur besteht Übereinstimmung darin, dass in Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers fehlen kann, wenn er ausschließlich prozessfremde Zwecke verfolgt (Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe B § 109 StVollzG Rn. 32; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 22. Ed. 1.8.2022, StVollzG § 109 Rn. 13).
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aa) An einem Rechtsschutzbedürfnis mangelt es, wenn der Antragsteller die ihm eingeräumten prozessualen Möglichkeiten nicht zur Wahrung seiner Belange, sondern gezielt zu verfahrensfremden und verfahrenswidrigen Zwecken verfolgt, etwa um den Antragsgegner zu schädigen oder das Gericht zu belästigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2001 a.a.O. Rn. 15 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung; Laubenthal a.a.O.).
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bb) Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG darf von einer Sachentscheidung oder Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig jedoch nur abgesehen werden, wenn nicht ersichtlich ist, dass zugleich auch ein sachliches Anliegen verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2001 a.a.O. Rn. 13 unter Verweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung). Es muss feststehen, dass die Rechtsausübung objektiv dem Berechtigten keinerlei Vorteil zu bringen vermag (OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. März 1979 – 3 Ws 9-25 –, juris Rn. 10 ff.). Ein Missbrauch der Rechtspflege ist nicht bereits gegeben, wenn jemand von seinem Recht subjektiv in missbilligenswerter Absicht Gebrauch macht (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.). Denn ein Rechtsschutzgesuch, das als solches zulässig ist, wird nicht dadurch unzulässig, dass sich der Antragsteller – subjektiv – von missbilligenswerten Beweggründen leiten lässt und lediglich Schaden stiften oder Ungelegenheiten bereiten will (vgl. OLG Frankfurt a.a.O. Rn. 10). Auch ein Gefangener, der unentwegt Anstalt und Gerichte mit einer Antragsflut schikaniert, kann im Einzelfall doch ein berechtigtes Anliegen verfolgen (OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Januar 2002 – 1 Ws 903/01 – BeckRS 2016, 9400).
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cc) Dies setzt notwendig eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verfahrensbeteiligten mit Stellung seiner Anträge verfolgten Zielen voraus. Lässt sich seinem Verhalten entnehmen, dass es ihm jedenfalls auch um ein sachliches, von der eingeräumten prozessualen Befugnis gedecktes Anliegen geht, muss das Gericht sich damit auch inhaltlich auseinandersetzen (BVerfG, Beschluss vom 21. August 2001 a.a.O. Rn. 15). Andernfalls wird die Versagung einer inhaltlichen Prüfung zu einer Sanktion für ungehöriges Verhalten und verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 21. August 2001 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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dd) Eine Böswilligkeit des Antragstellers ist danach für sich allein in einem Strafvollzugsverfahren kein hinreichender Grund für die Verweigerung des Rechtsschutzes. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob das Rechtsschutzgesuch objektiv nur den Sinn haben kann, dem Gegner zu schaden oder das Gericht zu belästigen, oder ob ein sachliches Anliegen ersichtlich ist. Maßgebend für diese Beurteilung sind der Antrag, die Antragsbegründung und die Umstände des Einzelfalles (vgl. OLG Frankfurt a.a.O. Rn. 10 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 22. Januar 2010 – 1 Ws 606/09 – BeckRS 2015, 16214; OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2013 – III-2 Ws 181/13 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 15. August 2018 – 2 Ws 130/18 Vollz –, juris Rn. 7 f.; Arloth/Krä a.a.O., § 109 StVollzG Rn. 4 m.w.N.).
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d) Diese Rechtsgrundsätze hat die Strafvollstreckungskammer nicht beachtet und dem Anliegen des Antragstellers nicht das erforderliche Augenmerk zuteil werden lassen. Die Kammer hat sich in der angefochtenen Entscheidung vornehmlich mit der Persönlichkeit des Antragstellers und seinen früheren Eingaben befasst. Damit hat sie sich den Blick darauf verstellt, dass dem Antrag im konkreten Verfahren, also einem Verlegungsgesuch, ein sachliches Anliegen des Strafgefangenen zugrunde liegen konnte. Ob die Anträge des Antragstellers im konkreten Fall jeweils wegen einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung durch den Beschwerdeführer unzulässig waren, kann der Senat ohne Kenntnis der Anträge und der dazu vorgetragenen Sachverhalte nicht abschließend prüfen. Wie oben dargestellt kann alleine der Umstand, dass der Antragsteller im Vorfeld rechtsmissbräuchliche Anträge gestellt hat, keine Zurückweisung eines Antrags ohne sachliche Prüfung rechtfertigen. Eine pauschale Rechtlosstellung des Beschwerdeführers ist ohne Darstellung der nunmehrigen konkreten Rechtsbegehren nicht nachvollziehbar und damit fehlerhaft.
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2. Soweit die Strafvollstreckungskammer die ablehnende Entscheidung ergänzend auf eine Unbegründetheit zu stützen sucht, genügt die Darstellung des Landgerichts, die sich in einem nicht weiter ausgeführten Verweis auf ein gesondertes Strafvollzugsverfahren erschöpft, nicht den Anforderungen an die Begründung eines Beschlusses im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG.
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Nach § 115 Abs. 1 S. 2 und 3 StVollzG stellt der Beschluss der Strafvollstreckungskammer den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf bei den Gerichtsakten befindliche Schriftstücke, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Der Sinn dieser Regelung liegt darin begründet, dem Rechtsbeschwerdegericht, dem im revisionsähnlich ausgestalteten Verfahren der Rechtsbeschwerde ein Zugriff auf die Akten grundsätzlich verwehrt ist, allein aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung heraus eine vollständige Entscheidungsgrundlage zu bieten. Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern im Verfahren nach Maßgabe von §§ 109 ff. StVollzG müssen danach im Tatbestand das Antragsvorbringen des Antragstellers in seinem Kerngehalt sowie die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht sie allein aufgrund des Beschlusses überprüfen kann (Senat, Beschluss vom 20. April 2022 – 203 StObWs 165/22; OLG Celle, Beschluss vom 07. März 2017, 3 Ws 121/17 (MVollz), juris Rn. 5, m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04. März 2016 – 2 Ws 570/15, 2 Ws 61/16, juris Rn. 5; OLG München, Beschluss vom 30. März 2012 – 4 Ws 060/12 (R), juris Rn. 26, 27; OLG Rostock, Beschluss vom 06. Februar 2012 – I Vollz (Ws) 3/12, juris Rn. 13; Euler a.a.O. StVollzG § 115 Rn. 7).
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Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht ansatzweise gerecht, da weder die konkret gestellten Anträge des Beschwerdeführers noch sein jeweiliges Antragsvorbringen noch eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Landshut wiedergegeben werden. Die knappe Einleitung, dass der Antragsteller mit mehreren Schreiben – wohl zum wiederholten Male – die Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt beantragt habe, lässt die gebotene Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der angefochtenen Teilentscheidungen durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht zu.
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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
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a) Die Strafvollstreckungskammer wird in beiden Strafvollzugsverfahren nach Anhörung der Justizvollzugsanstalt und des Beschwerdeführers den Sachverhalt feststellen und eine Einzelfallentscheidung treffen müssen.
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b) Die Strafvollstreckungskammer wird vor ihrer Entscheidungsfindung nicht auf die Einholung einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt verzichten können. Grundsätzlich hat das Gericht gemäß § 120 StVollzG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von sich aus die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Maßnahmen zu treffen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Februar 2020 – 2 BvR 1719/19 –, juris Rn. 22 m.w.N.; Arloth/Krä a.a.O. § 115 Rn. 2). Um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu genügen, darf ein Gericht auf die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nur verzichten, wenn Beweismittel unzulässig, schlechterdings untauglich, unerreichbar oder für die Entscheidung unerheblich sind. Dagegen darf es von einer Beweisaufnahme nicht schon dann absehen, wenn die Aufklärung besonders arbeits- oder zeitaufwendig erscheint (vgl. BVerfG a.a.O.; dass das Gericht eine Beteiligung der Justizvollzugsanstalt zunächst zur Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich gehalten hat, könnte hier aus der gerichtlichen Verfügung vom 16. August 2022 im Verfahren 5 StVK 502/22, dort Bl. 5 d.A., sowie der gerichtlichen Verfügung vom 3. August 2022 im Verfahren 5 StVK 469/22, dort Bl. 6 d.A., folgen).
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c) Es wird von der Strafvollstreckungskammer ferner zu prüfen sein, ob und inwieweit sich die vorliegenden Verfahrensgegenstände mit dem Gegenstand des von ihr benannten Strafvollzugsverfahrens StVK 230/22 überschneiden. Eine doppelte Rechtshängigkeit würde grundsätzlich zur Unzulässigkeit des zeitlich später anhängig gewordenen Verfahrens führen (vgl. KG Berlin, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 2 Ws 32/21 Vollz – und vom 27. Juli 2017 – 2 Ws 70/17 Vollz –, jeweils bei juris; Laubenthal a.a.O. 12. Kapitel Rechtsbehelfe I. Gerichtliche Entscheidung § 115 StVollzG Rn. 1).
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d) Zur eventuellen Verbindung von Verfahren ist anzumerken:
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aa) Eine Verbindung von Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung nach § 237 StPO ist gemäß § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG auch in Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG grundsätzlich zulässig (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. März 1979 – 3 Ws 9-25 –, juris Rn. 5; vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 7. Februar 1997 – 5 Ws 646/96 Vollz –, juris zur Abgrenzung zu § 4 StPO). Eine mündliche Verhandlung setzt die Anwendung der Vorschrift nicht voraus (vgl. Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 237 Rn. 2 und 3). Die Verbindung ist vom Tatrichter grundsätzlich nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten durch einen Beschluss anzuordnen (Becker a.a.O. Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 237 Rn. 9). Verbindet das Gericht mehrere Verfahren nach § 237 StPO, wird die Selbstständigkeit der Verfahren nicht berührt (Becker a.a.O. Rn. 13; BGH, Urteil vom 18. Januar 1990 – 4 StR 616/89 –, BGHSt 36, 348-353, zitiert nach juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 8). Die Verfahren bleiben selbst dann selbstständig, wenn in den verbundenen Verfahren eine einheitliche Entscheidung ergeht (vgl. zur Zulässigkeit einer einheitlichen Entscheidung in nach § 237 StPO verbundenen Verfahren BGH, Beschluss vom 22. Mai 1990 – 4 StR 210/90 –, BGHSt 37, 42 ff., juris). Nach Erlass der Entscheidung laufen die Verfahren wieder getrennt weiter, ohne dass es eines gesonderten Trennungsbeschlusses bedürfte (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 9) mit der Folge, dass ein Beschwerdeführer gegen die Entscheidung mehrere Rechtsmittel einzulegen hat, will er sämtliche Verfahrensgegenstände einer Überprüfung unterziehen (vgl. Becker a.a.O. Rn. 7). Da die nach § 237 StPO verbundenen Verfahren nach der Entscheidung, insbesondere hinsichtlich der Rechtsmittel, getrennt weiterlaufen, ist allerdings eine einheitliche Entscheidung in der Regel nicht zweckmäßig. Vielmehr sollte der Tatrichter in jeder Sache eine eigene Entscheidung abfassen (Becker a.a.O. Rn. 17; BGH, Beschluss vom 22. Mai 1990 – 4 StR 210/90 –, BGHSt 37, 42 ff., juris Rn. 1). Eine Verbindung nach § 237 StPO kommt in Strafvollzugsverfahren allerdings in Betracht, wenn die Strafvollstreckungskammer einen Zusammenhang zwischen mehreren bei ihr anhängigen Verfahren sieht, der eine gleichzeitige Verhandlung oder Entscheidung zweckmäßig erscheinen lässt.
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bb) Eine Verbindung nach § 4 StPO ist in Strafvollzugsverfahren ebenfalls möglich (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 7. Februar 1997 – 5 Ws 646/96 Vollz –, juris). Auch sie ergeht grundsätzlich mit Beschluss (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 4 Rn. 6). Die verfahrensrechtliche Folge ist eine verfahrensrechtliche dauerhafte Verschmelzung der verbundenen Sachen (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 5 Rn. 1; BGH, Urteil vom 14. Januar 2021 – 4 StR 95/20 –, BGHSt 65, 231-242 juris Rn. 25) zu einem einheitlichen Verfahren unter einem gemeinsamen Aktenzeichen. Das aus der Verbindung hervorgegangene Verfahren wird ab diesem Zeitpunkt in einer Akte geführt. Die Entscheidung wird in einer Rechtsbeschwerde angefochten (KG Berlin, Beschluss vom 7. Februar 1997 – 5 Ws 646/96 Vollz –, juris). Sofern den verschiedenen, von einem Antragsteller verfolgten Begehren keine Gemeinsamkeit innewohnt, die eine dauerhaft gemeinsame prozessuale Behandlung als zweckmäßig erweist, ist eine zur Verfahrensverschmelzung führende Verbindung entsprechend § 4 Abs. 1 StPO nicht angezeigt.
V.
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Demgemäß war der Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben, soweit er vom Beschwerdeführer angefochten worden ist. Die Aufhebung bezieht sich auch auf die jeweilige Festsetzung des Werts des Verfahrensgegenstands. Eine undifferenzierte Festsetzung (hier auf je 150.- Euro) in Verfahren von unterschiedlicher Art und Bedeutung entspräche nicht der gesetzlichen Vorgabe von §§ 60, 52 Abs. 1 GKG. Sie wäre auch nicht damit zu rechtfertigen, dass die Strafvollstreckungskammer sämtliche Anträge mit derselben Begründung verworfen hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. März 1979 – 3 Ws 9-25 –, juris Rn. 14).
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In der Rechtsbeschwerdeinstanz erscheint es hingegen mit Blick auf den in den Rechtsbeschwerdeverfahren identischen Verfahrensgegenstand, nämlich die Frage der Rechtsschutzgarantie, sachgerecht, den Wert nach § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG in beiden Verfahren übereinstimmend zu bestimmen. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass sich dem angefochtenen Beschluss die Verfahrensgegenstände der einzelnen Verfahren nicht konkret entnehmen lassen.
VI.
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Dem gerichtsbekannt mittellosen Beschwerdeführer wird für die Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung nach § 120 Abs. 2 StVollzG i.V. m. Art. 208 BayStVollzG, § 114 Abs. 1 ZPO bewilligt. Da der Beschwerdeführer mit seinen Rechtsbeschwerden einen vorläufigen Erfolg erzielt hat, bedurfte es keiner Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BayObLG, Beschlüsse vom 9. November 2022 – 204 StObWs 322/22 – und vom 23. August 2021 – 204 StObWs 83/21-, juris Rn. 24).