Titel:
Beweiswirkung einer Reparaturrechnung
Normenkette:
ZPO § 287
Leitsätze:
1. Einer unbeglichenen Reparaturrechnung kommt keine Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen zugute. (Rn. 12 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwert unterliegt nicht der Umsatzsteuer. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Indiz, Reparaturrechnung, Umsatzsteuer, merkantiler Minderwert
Vorinstanz:
AG Neu-Ulm, Urteil vom 24.03.2021 – 5 C 1111/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 16.07.2024 – VI ZR 188/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 45795
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 24.03.2021, Az. 5 C 1111/20, insoweit aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt wurde, 300,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ... seit 26.08.2020 an die V2. L. GmbH unter Angabe des Verwendungszwecks „Vertragsnr. …“ auf die Bankverbindung IBAN: … zu zahlen.
2. Im Übrigen wird das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm aufgehoben und die Klage abgewiesen sowie die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin 67% und die Beklagte 33%.
4. Von den Kosten der zweiten Instanz trägt die Klägerin 36% und die Beklagte 64%.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm ist – soweit es aufrechterhalten wurde – ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
6. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 01.07.2020 in E..
2
Am 01.07.2020 gegen 13:45 Uhr ereignete sich auf der W2. Straße in … E. ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug der Klägerseite beschädigt wurde. Zum Unfall kam es, als der Versicherungsnehmer der Beklagten aus Unachtsamkeit das geparkte Fahrzeug der Klägerseite, VW Tiguan, amtliches Kennzeichen …, angefahren hat. Die volle Eintrittspflicht der Beklagtenseite ist dem Grunde nach unstreitig. Während nach dem Gutachten des Privatsachverständigen F. Reparaturkosten in Höhe von 5.561,08 € (netto) kalkuliert wurden und ein merkantiler Minderwert in Höhe von 1.250,- € festgestellt wurde, ließ die Klägerin ihr Fahrzeug in der Folge in der Reparaturwerkstatt der auf Grundlage des Gutachtens reparieren, wofür die Werkstatt einen Betrag in Höhe von 5.902,24 € (netto) in Rechnung stellte. Die Rechnung wurde von Klägerseite noch nicht bezahlt. Die Beklagte regulierte in der Folge die geltend gemachten Reparaturkosten lediglich unter Kürzung eines Betrages von 352,49 € – mithin in Höhe von 5.549,75 € (netto) – und erkannte lediglich eine merkantile Wertminderung in Höhe von 700,- € an. Dementsprechend regulierte die Beklagte auch lediglich außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von bis zu 7.535,17 € (Reparaturkosten von 5.549,75 €, Sachverständigenkosten von 785,50 € (netto), Mietwagenkosten von 469,92 € (netto), merkantile Wertminderung in Höhe von 700,- € sowie Auslagenpauschale von 30,- €), mithin in Höhe von 612,80 € (netto).
3
Das Amtsgericht Neu-Ulm gab der Klage mit Endurteil vom 24.03.2021 hinsichtlich der geltend gemachten restlichen Reparaturkosten in Höhe von 352,49 € sowie der weiteren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 66,30 € statt und kürzte lediglich den merkantilen Minderwert nach gerichtlicher Schätzung auf 1.173,- €, so dass weitere 473,- € zugesprochen wurden. Die tatsächlichen Reparaturkosten seien von der Beklagten zu erstatten, da der Geschädigte das Werkstatt- und Prognoserisiko trage und zwar auch dann, wenn – wie im konkreten Fall – die Reparaturrechnung noch nicht beglichen sei. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB liege nicht vor, da nicht erkennbar sei, warum die Klägerin nicht hätte davon ausgehen dürfen, dass die im (privaten) Sachverständigengutachten kalkulierten Schäden und der vorgeschlagene R1.weg als teilweise nicht erforderlich anzusehen sein sollten. Ein Verweis auf eine günstigere Reparaturwerkstatt sei nur im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung auf Gutachtensbasis möglich. Dass bei der Reparatur der geltend gemachte Aufwand und die geltend gemachten Kosten für das Ein- und Ausbauen der Türe vorne links, die Einpassarbeiten und Entsorgungskosten sowie eine Fahrzeugreinigung nicht angefallen sind, aber abgerechnet wurden und insoweit die Rechnung falsch ist, sei nicht ersichtlich und von Beklagtenseite auch nicht vorgetragen worden. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung komme vorliegend nicht in Betracht, da der Schädiger keinen Anspruch auf Abtretung etwaiger Ansprüche der Geschädigten gegen die Reparaturwerkstatt habe. Der merkantile Minderwert in Höhe von 1.173,- € wurde seitens des Gerichts gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ausgehend von einem Mittelwert aus den Berechnungsmethoden „Hamburger Modell“, „Ruhkopf/Sahm“, „BVSK“, „Halbgewachs“ sowie „MFM“ unter Zuhilfenahme der Internetseite https://www.m ....de geschätzt.
4
Die Beklagte und zugleich Berufungsklägerin ist der Auffassung, dass das Erstgericht fälschlicherweise davon ausgehe, dass zugunsten der Klägerin trotz des Umstandes, dass diese die Reparaturrechnung bislang nicht bezahlt habe, die Indizwirkung dieser Rechnung greife und der Beklagten jegliche Einwendungen hiergegen abgeschnitten seien. Das Amtsgericht habe die Frage der Erforderlichkeit und Angemessenheit Reparaturkosten offen gelassen und unter dem Gesichtspunkt des Werkstattrisikos entschieden, dass unabhängig von der Frage der Angemessenheit die Klägerin die abgerechneten Reparaturkosten für erforderlich habe halten dürfen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Werkstatt- bzw. Prognoserisiko könne die Klägerin indes vorliegend jedoch nicht für sich beanspruchen. Auch sei zumindest eine Zug-um-Zug-Verurteilung vorzunehmen, um der Beklagten die Möglichkeit zu geben, ihre Einwendungen direkt gegenüber der Reparaturwerkstatt geltend machen zu können. Hinsichtlich des zwischen den Parteien streitigen merkantilen Minderwerts hätte sich das Amtsgericht im Rahmen seines nach § 287 Abs. 1 BGB bestehenden Schätzermessens sachverständiger Hilfe bedienen müssen. Die Nutzung eines Berechnungstools auf einer Internetseite sei jedenfalls nicht ausreichend. Darüber hinaus sei der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin der merkantile Minderwert auch nur „netto“ zu erstatten.
5
Die Beklagte und zugleich Berufungsklägerin beantragt,
1. das Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 24.03.2021, Az. 5 C 1111/20, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
2. hilfsweise eine Verurteilung nur Zug-um-Zug gegen Abtretung der Rechte/Ansprüche der Klägerin aus dem mit Rechnung Nr. ... vom 16.07.2020 abgerechneten, zwischen ihr und der Fa. Autohaus … bestehenden Werk-/Reparaturauftrag, ausgenommen Gewährleistungsrechte/-ansprüche auszusprechen.
6
Die Klägerin und zugleich Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
7
Die Klägerin und zugleich Berufungsbeklagte ist der Auffassung, dass das Erstgericht rechtsfehlerfrei eine Haftung der Beklagten in der zugesprochenen Höhe angenommen habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es gerade nicht darauf an, ob die Reparaturrechnung von der Klägerin bereits bezahlt worden sei oder nicht, da auf eine ex-ante Betrachtung zum Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrages abzustellen sei. Die seitens des Bundesgerichtshofs aufgestellten Grundsätze zur Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten könnten nicht ohne Weiteres auch auf die Erstattungsfähigkeit von Reparaturkosten übertragen werden. Wenn ein Geschädigter, insbesondere als technischer Laie, nach einem Schadensereignis einen Privatsachverständigen mit der Ermittlung des Reparaturweges zur fach- und sachgerechten Instandsetzung des Schadens beauftrage und das erhaltene Gutachten samt Reparaturauftrag an eine Fachwerkstatt übergebe, die unter Berücksichtigung dieses Gutachtens das Fahrzeug repariere und hierüber eine Reparaturrechnung erstelle, so sei in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb diese Umstände nicht ausreichend sein sollten, um den nach § 249 Abs. 2 BGB anfallenden Reparaturaufwand der Sache nachzuweisen. Auch eine Zug-um-Zug-Verurteilung sei rechtlich nicht möglich. Bei der Festsetzung des merkantilen Minderwerts habe das Amtsgericht die Grenzen des richterlichen Schätzermessens nach § 287 Abs. 1 BGB nicht überschritten. So sei es nicht zu beanstanden, dass der merkantile Minderwert unter Zugrundelegung verschiedener Berechnungsmethoden und Bildung eines Mittelwerts hieraus berechnet worden sei. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen sei nicht erforderlich gewesen. Bei dem Schadensposten des merkantilen Minderwerts handele es sich zudem um einen Schadensposten, der nicht der Mehrwertsteuer unterliege.
8
Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 10.11.2021 (Bl. 126/127 d.A.) Beweis zu den strittigen Schadenspositionen sowie zum merkantilen Minderwert durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben, das der Sachverständige K1. am 28.02.2022 (Bl. 135/146 d.A.) erstattet hat. Einwendungen hiergegen wurden seitens der Parteien nicht erhoben.
9
Mit Beschluss vom 20.04.2022 (Bl. 153/154 d.A.) wurde festgelegt, dass gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden wird und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, der 11.05.2022 bestimmt.
10
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und zur Ergänzung des Tatbestands auf das Urteil des Amtsgerichts Memmingen vom 16.12.2020 (Bl. 61/72 d.A.), auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2021 (Bl. 121/123 d.A.) Bezug genommen.
11
Die zulässige Berufung ist lediglich teilweise begründet.
12
Nach Auffassung der Kammer entfaltet zumindest die unbezahlte Reparaturkostenrechnung keine Indizwirkung, so dass Beweis über die strittigen Schadenspositionen sowie über die Höhe des merkantilen Minderwerts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben und das Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm entsprechend abzuändern war. Die Schadensposition des merkantilen Minderwerts unterliegt dagegen nach Auffassung der Kammer nicht der Mehrwertsteuer, so dass das Urteil des Erstgerichts diesbezüglich nicht zu beanstanden war.
13
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinsichtlich der Erstattung von Sachverständigenkosten, schlägt sich die Subjektbezogenheit des Schadensersatzbegriffes im Sinne der möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten betreffend die Frage, welchen Schadensbeseitigungsaufwand er für erforderlich halten darf, nicht bereits in einer bloßen Rechnung nieder, sondern erst in der tatsächlich bezahlten Rechnung (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.2019 – VI ZR 104/19; BGH, Urteil vom 24.10.2017 – VI ZR 61/17; BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15; BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15). Erst ab der Bezahlung der Rechnung sieht der Bundesgerichtshof den Geschädigten insoweit als besonders schützenswert an und wird er dadurch geschützt, dass der Rechnung eine Indizwirkung zugemessen wird in Bezug auf die Frage einer subjektiv eingeschränkten Erkenntnismöglichkeit hinsichtlich des erforderlichen Wiederherstellungsaufwands.
14
In Bezug auf die Erforderlichkeit von Werkstattkosten liegt – soweit ersichtlich – diesbezüglich bislang noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vor. Es existieren lediglich widersprüchliche Entscheidungen der Untergerichte (z.B. einerseits LG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2021 – 13 S 69/21; LG Wuppertal, Urteil vom 05.10.2017 – 9 S 90/17; AG Überlingen, Urteil vom 12.07.2017 – 2 C 57/17; andererseits: AG Sigmaringen, Urteil vom 28.06.2019 – 2 C 501/18; AG Tuttlingen, Urteil vom 26.06.2019 – 3 C 683/18; AG Recklinghausen, Urteil vom 15.01.2018 – 51 C 232/17; vgl. auch Hoppe, „Indizwirkung der nicht beglichenen Reparaturrechnung?“ in SVR 2021, 168), welche teils eine beglichene Rechnung fordern und teils eine unbezahlte Rechnung ausreichen lassen.
15
Im Falle der hier vorliegenden Werkstattrechnung kommt hinzu, dass nicht nur eine (unbezahlte) Rechnung vorliegt, sondern auch ein Sachverständigengutachten, aufgrund dessen der Geschädigte möglicherweise davon ausgehen durfte, dass das darin genannte Vorgehen und die Kosten angemessen und erforderlich sind. In einer derartigen Konstellation bejaht das LG Saarbrücken (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2021 – 13 S 69/21) ein zu einer bezahlten Rechnung gleichgewichtiges Indiz. Die eingeschränkte Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten würde sich bereits in der Auftragserteilung auf Basis des Gutachtens niederschlagen. Das „Werkstattrisiko“ liege nicht erst ab Bezahlung der Rechnung beim Schädiger, sondern bereits ab Auftragserteilung, da bereits ab diesem Zeitpunkt der Geschädigte der Werkstatt gegenüber zur Zahlung verpflichtet sei.
16
Nach Ansicht der Kammer rechtfertigt das Vorliegen eines Gutachtens vor Erteilung des Reparaturauftrags keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach nur einer bezahlten Reparaturrechnung Indizwirkung zukommt und die Erforderlichkeit der Rechnung keiner weiteren Überprüfung durch Sachverständigengutachten zugänglich ist (vgl. bereits LG Memmingen, Urteil vom 11.05.2022 -.14 S 82/22). Wird von dem Geschädigten F. von einer unbezahlten Rechnung bzw. Bezahlung des Rechnungsbetrags aufgrund Verweigerung der Freistellung verlangt, dann wird von ihm der objektiv erforderliche Betrag verlangt und nicht derjenige, den er für erforderlich halten durfte. Die Beweislast für die objektive Erforderlichkeit liegt grundsätzlich beim Geschädigten als Anspruchsteller. Eine besondere Schutzwürdigkeit ihn bereits in diesem Stadium bei der Beweiserbringung zu entlasten, obwohl er noch nichts bezahlt hat, sondern lediglich mit einer eventuell teilweise unberechtigten Forderung belastet ist, von der noch gar nicht sicher ist, inwieweit sie überhaupt ernsthaft ihm gegenüber geltend gemacht werden wird, erkennt die Kammer nicht. Auch aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit erscheint es zumutbar, nicht zunächst die Schadenshöhe mit dem Schädiger auszustreiten und anschließend im Verhältnis Schädiger gegen Werkstatt, wenn der Geschädigte die einfache Möglichkeit hat im Prozess gegen den Schädiger der Werkstatt den Streit zu verkünden, was in der Regel dann einen weiteren Rechtsstreit vermeidet (so auch Hoppe, „Indizwirkung der nicht beglichenen Reparaturrechnung?“ in SVR 2021, 168).
17
Im Übrigen würde auch nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.2017 – VI ZR 61/17) ein der unbezahlten Rechnung gleichwertiges Indiz zudem lediglich dazu führen, dass ein einfaches Bestreiten des erforderlichen Betrages durch den Geschädigten nicht genügt, um die Rechnung einer gerichtlichen Prüfung zu entziehen; vorliegend hat die Beklagte allerdings durchaus substantiierte Einwände gegen die Rechnung und das klägerseits vorgelegte Gutachten erhoben. Deshalb hat die Kammer gemäß Beweisbeschluss vom 10.11.2021 (Bl. 126/127 d.A.) Beweis zu den strittigen Schadenspositionen durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben, das der Sachverständige Dipl.-Ing.(FH) am 28.02.2022 (Bl. 135/146 d.A.) erstattet hat. Einwendungen gegen die ausführlichen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung anschließt, wurden seitens der Parteien nicht erhoben. Zu den strittigen Schadenspositionen im Einzelnen:
18
a) Nach den Feststellungen des Sachverständigen war für die Ab- und Aufrüstung der Tür hinten links ein Ausbau für die Oberflächenlackierung nicht notwendig. Auch waren zusätzliche Aufwendungen für Einpassarbeiten im vorliegenden Fall nicht notwendig ebenso wenig wie die Lackierung des Dachholms. Die notwendige Spektralanalyse für die Farbbestimmung werde im Zusammenhang mit dem Farbcode ab und zu eingesetzt, sei aber in der Farbbestimmung der Lackierung im Stundensatz üblicherweise berücksichtigt und deswegen nicht gesondert abrechenbar.
19
b) Infolge des Teilersatzes und der dadurch auch ggf. durch Schleifstaub entstandenen zusätzlichen Verschmutzungen im Innenraum (bei ausgebauter Seitenscheibe) sei evtl. eine Reinigung des Innenraums notwendig gewesen. Von der für die einzelnen Schadenspositionen darlegungs- und beweispflichtigen Klägerseite ist jedoch keinerlei Vortrag hierzu erfolgt, ob im vorliegenden Fall tatsächlich eine Fahrzeugreinigung (innen) aufgrund einer Verschmutzung von Schleifstaub, o.ä. erforderlich war. Hinzu kommt, dass von Beklagtenseite unbestritten vorgetragen wurde, dass es sich bei der abgerechneten Position um eine Fahrzeugreinigung (außen) handelt. Diesbezüglich ist ebenfalls keinerlei Vortrag von Klägerseite erfolgt, warum eine solche äußerliche Fahrzeugeinigung im vorliegenden Fall erforderlich sein sollte. Damit war auch diese Position als nicht erstattungsfähig zu kürzen.
20
c) Die sortenreine Altteilentsorgung werde nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen nicht von allen Betrieben der Region verrechnet und unterliege damit der rechtlichen Wertung. Auch hierzu ist von Klägerseite keinerlei Vortrag zur Erforderlichkeit und Angemessenheit dieser Position erfolgt, so dass diese ebenfalls als nicht erstattungsfähig zu kürzen war.
21
Somit waren Reparaturkosten in Höhe von 352,49 € (netto) als nicht erforderlich anzusehen und entsprechend zu kürzen.
22
2. Nach den nachvollziehbaren und ausführlichen Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) Kircher war im vorliegenden Fall von einem Minderwert in Höhe von 1.000,- € auszugehen, so dass von Beklagtenseite noch weitere 300,- € zu erstatten sind. Dem Erstgericht ist zuzugestehen, dass die Zuhilfenahme der Internetseite https://www.m ... .de sicherlich aus prozessökonomischen und wirtschaftlichen Gründen einen pragmatischen Weg zur Bestimmung des merkantilen Minderwerts darstellt. Allerdings ist nach Auffassung der Kammer auch hierzu die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich, da auch die Auswahl der zur Vornahme einer gerichtlichen Schätzung i.S.d. § 287 ZPO einzustellenden Parameter einer sachverständigen Würdigung bedürfen und die Einschätzung eines erfahrenen Sachverständigen hierzu erforderlich ist.
23
Der merkantile Minderwert unterliegt nach Auffassung der Kammer auch nicht der Umsatzsteuer, so dass kein entsprechender Abzug vorzunehmen war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den einschlägigen Entscheidungen des BGH zu Fragen der Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung. Mit Urteil vom 02.10.2018 – Az. VI ZR 40/18 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die im Rahmen einer Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer nicht ersatzfähig ist, wenn der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung wählt. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung sei insoweit unzulässig. Hieraus folgt jedoch nicht, dass eine Kombination von fiktiver Abrechnung mit einem Ersatz des merkantilen Minderwerts ebenso unzulässig wäre. Bei dem merkantilen Minderwert handelt es sich um einen unmittelbaren Sachschaden, der gemäß § 251 Abs. 1 BGB zu ersetzen ist, da insoweit eine Wiederherstellung der Sache unmöglich bzw. ungenügend ist. Die Frage der Abrechnung auf konkreter oder fiktiver Basis hat ihre Grundlage jedoch in § 249 Abs. 2 BGB. Bereits deshalb kommt den zitierten Entscheidungen keine maßgebliche Bedeutung für die streitgegenständliche Rechtsfrage zu. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob den Entscheidungen eine Rechtssprechungswende hin zu einer Einschränkung der bzw. Abstandnahme von der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung anzunehmen ist. Denn bei der Schadensposition des merkantilen Minderwert handelt es sich – im Gegensatz etwa zur Umsatzsteuer – nicht um eine Schadensposition, die unmittelbar zu den Reparaturkosten gehört (vgl. LG Regensburg, Urteil vom 26.02.2019 – 22 S 90/18). Nur im Hinblick auf letztere stellt sich jedoch die Frage der konkreten oder fiktiven Abrechnung.
24
3. Nachdem seitens der Kammer lediglich weitere 300,- € an Schadensersatz zugesprochen wurden, sind die vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 7.835,17 € zu berechnen, so dass von Beklagtenseite auf Grund des fehlenden Gebührensprungs keine weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten mehr zu erstatten sind.
25
1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
26
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
27
3. Die Revision wird zugelassen, weil dies angesichts unterschiedlicher amts- und landgerichtlicher Rechtsprechung hinsichtlich der Frage des Werkstattrisikos bei unbezahlten Rechnungen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, nachdem bislang keine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Indizwirkung unbezahlter Rechnungen auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens vorliegt (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Genauso verhält es sich mit der Frage, ob der merkantile Minderwert eine der Mehrwertsteuer unterliegende Schadensposition darstellt.