Titel:
Unwirksame AGB-Klauseln bei Altersvorsorgeverträgen
Normenketten:
BGB § 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, S. 1, 2, § 308 Nr. 4, § 488 Abs. 1 S. 2
UKlaG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1
AltZertG § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 9
Leitsätze:
1. Eine Zinsklausel, nach der sich Änderungen eines Referenzzinssatzes automatisch auf den Vertragszins auswirken, ohne dass es einer dahingehenden Erklärung eines der Vertragsteile bedarf, unterliegt als Preisregelung gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle. Dies gilt allerdings uneingeschränkt nur solange, als solche Regelungen nicht von dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB abweichen und iSd § 307 Abs. 3 S. 1 BGB eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung treffen. (Rn. 37 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist bei einer Zinsklausel in Zusammenhang mit dem Verfahren der Zinsanpassung ein negativer Zins nicht ausgeschlossen, stellt diese Klausel in einem Altersvorsorgevertrag eine unangemessene Benachteiligung dar. Denn ein negativer Zins verstößt bei Altersvorsorgevertrag gegen das Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt insbesondere vor, wenn sich der Verwender ungerechtfertigt weite Gestaltungsmöglichkeiten einräumen lässt, mit denen er nach Vertragsschluss auf die konkrete Ausgestaltung des Rechte- und Pflichtenprogramms einwirken und insbesondere das Äquivalenzverhältnis nachträglich zu seinen Gunsten verändern kann. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Allgemeine Geschäftsbedingungen, Altersvorsorgevertrag, Zinsanpassung, Inhaltskontrolle, Auslegung, Transparenzgebot, unangemessene Benachteiligung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 15.03.2021 – 27 O 230/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 21.11.2023 – XI ZR 290/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 45584
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.03.2021, Az. 27 O 230/20 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es in Ziffer 1. Buchst. a des Tenors „Monatsende“ statt „Montagsende“ heißt.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Das genannte Endurteil wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das vorliegende Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsgebots des genannten Endurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 5.000,- abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit zweier Klauseln, die die Beklagte in Altersvorsorgeverträgen, sog. Riester-Verträgen verwendet.
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Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 3, § 4 UKIaG (K1). Er wendet sich gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen (kurz: AGB), die die Beklagte für Altersvorsorgeverträge nach dem Altersvermögensgesetz verwendet, und zwar für den „VorsorgePlus Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögensgesetz (Sparkonto mit Zinsansammlung)“ (K2, K3, kurz: Sparvertrag). Charakteristisch für diese nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz zertifizierten und steuerlich förderungsfähigen Sparverträge ist die Ansparung eines Guthabens durch regelmäßige Einzahlungen und staatliche Förderbeträge (Ansparphase), das dem Sparer dann mit Beginn einer gesetzlichen Altersversorgung zugutekommt (Auszahlungsphase). Das Guthaben wird während der Ansparphase mit einer variablen Grundverzinsung und mit Bonuszinsen vergütet. Für die Auszahlungsphase kann der Sparer sich u.a. für eine Leibrente entscheiden.
3
Die Klage richtet sich gegen folgende (in Fettdruck wiedergegebene) Klausel im Vertragsformular, die gemeinsam mit der einbezogenen Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ zum Sparvertrag die Anpassung der Grundverzinsung während der Ansparphase regelt (K2, Seiten 1 und 4, kurz: Zinsklausel):
„4. Grundzinsen und Bonuszinsen
Die ... gewährt dem Sparer während der Ansparphase auf sein Sparguthaben variable Grundzinsen und Bonuszinsen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen:
Das Sparguthaben wird variabel, zunächst mit jährlich (2,950) % verzinst. Die Zinsanpassungen während der Vertragslaufzeit erfolgen nach dem in der Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ beschriebenen Verfahren. (…) Die aufgelaufenen Zinsen werden zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Sparguthaben hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst.
Die Grundzinsen erhöhen sich gemäß der auf der Rückseite des Sparvertrags aufgeführten Bonuszinsstaffel.“
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Die Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ (K2, S. 3) lautet:
„Die Zinsanpassung richtet sich nach einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Der Referenzzinssatz ist der am Monatsende ermittelte gewichtete und auf zwei Stellen hinter dem Komma kaufmännisch gerundete Wert aus den gleitenden Durchschnittssätzen der Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von 5 Jahren. Der gleitende Durchschnitt wird als arithmetisches Mittel aus den Zinssätzen der letzten 60 Monate berechnet. Dabei werden, entsprechend den Bestimmungen des Zinssatzes, die in der Vergangenheit liegenden Zinssätze jeden Tag addiert und durch die Anzahl der Tage geteilt. Grundlage für die Berechnung sind die von der Deutschen Bundesbank zum Ermittlungszeitpunkt veröffentlichten aktuellen Geld- und Kapitalmarktzinssätze. Diese können unter www...de/Referenzzins eingesehen werden.“
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Die Berechnung des Zinssatzes nach Ziffer 4.1 Sparvertrag-AGB in Verbindung mit der Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ kann – jedenfalls, wenn man diese Regelungen zur Berechnung isoliert betrachtet – einen negativen Zinssatz ergeben, beispielsweise für Februar 2019 einen negativen Zinssatz von -0,15 %.
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Weiter richtet sich die Klage gegen Ziffer 4.2 der „Sonderbedingungen Altersvorsorgevertrag (Sparkonto mit Zinsansammlung)“ (kurz: Sonderbedingungen) unter „B. Ansparphase“, „4. Übergang in die Auszahlungsphase“ (K2, S. 4 f.). Diese Sonderbedingungen sind nach Ziffer 5 Sparvertrag-AGB in den Sparvertrag einbezogen. Die Klausel (kurz: Kostenklausel) lautet:
„Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggf. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet.“
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Mit Schreiben vom 14.11.2019 (K6) mahnte die Klägerin die Beklagte bezüglich der Verwendung der streitgegenständlichen Klauseln ab. Die Beklagte wies die Abmahnung mit Schreiben vom 26.11.2019 zurück (K7).
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Die Klägerin hat vorgetragen,
hinsichtlich der Zinsklausel könne dahin stehen, ob diese gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoße. Zweifelhaft sei auch, ob sie den Anforderungen an die Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) entspreche, da auf ein Verfahren zur Zinsanpassung Bezug genommen werde, welches beispielsweise die Zeitreihe der Bundesbank nicht aufweise. Jedenfalls liege eine Leitlinienabweichung im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB vor im Hinblick darauf, dass der in Bezug genommene Referenzzins zu einem Negativzins führen könne. Wenn die Berechnung nach dem für die Zinsanpassung beschriebenen Verfahren – mangels Zinsuntergrenze – zu einem negativen Zins führen könne, führe dies bei kundenfeindlichster Auslegung zur Möglichkeit einer Inrechnungstellung eines Negativzinses, was rechtswidrig sei.
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Die Kostenklausel sei intransparent, weil unklar sei, ob der Verbraucher mit entsprechenden Kosten belastet werde und ggf. welche Kosten auf ihn zukämen. Hinzu komme, dass § 2 lit. a Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz die dort genannten Kostenarten vorsehe. Da die Klausel zusätzliche Kostenarten beinhalten könne, sei sie auch deshalb unzulässig. Nach ihrem Wortlaut sei die Klausel nicht auf weitergereichte Kosten beschränkt. Eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Klausel auf weitergereichte Kosten verstoße gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
wie erstinstanzlich erkannt.
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Die Beklagte hat zuletzt beantragt,
12
Die Beklagte hat vorgetragen,
die Klägerin stütze sich in Bezug auf die Zinsklausel auf eine unzulässige, isolierte Betrachtung eines einzelnen Satzes in dem Altersvorsorgevertrag. Die Klausel müsse aber im Zusammenhang mit den weiteren Vertragsklauseln gesehen werden, eine Negativverzinsung sei daher ausgeschlossen. Die Beklagte habe ihren Kunden auch zu keinem Zeitpunkt negative Zinsen berechnet und beabsichtige dies auch zukünftig nicht. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers gehe die Vertragsklausel von einem positiven Zins aus.
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Der Hinweis in der streitgegenständlichen Kostenklausel auf gegebenenfalls bei Abschluss eines Leibrentenvertrags entstehende Abschluss- und Vertriebskosten unterliege als bloßer Hinweis schon nicht der AGB-Kontrolle. Zudem erfülle die Beklagte hiermit ihre gesetzliche Informationsplicht nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, sie weiche also nicht von dispositivem Recht ab.
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Mit Urteil vom 15.03.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzerd Bezug genommen wird, hat das Landgericht München I der Beklagten bei Meidung der näher bezeichneten Ordnungsmittel untersagt, sich gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB auf die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Altersvorsorgeverträgen nach dem Altersvermögensgesetz zu berufen:
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a) (Soweit auf das in der Anlage beschriebene Verfahren „Die Zinsanpassung richtet sich nach einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Der Referenzzinssatz ist der am Montagsende (sic!; richtig: Monatsende) ermittelte gewichtete und auf zwei Stellen hinter dem Komma kaufmännisch gerundete Wert aus den gleitenden Durchschnittssätzen der Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von 5 Jahren. Der gleitende Durchschnitt wird als arithmetisches Mittel aus den Zinssätzen der letzten 60 Monate berechnet. Dabei werden, entsprechend den Bestimmungen des Zinssatzes, die in der Vergangenheit liegenden Zinssätze jeden Tag addiert und durch die Anzahl der Tage geteilt. Grundlage für die Berechnung sind die von der Deutschen Bundesbank zum Ermittlungszeitpunkt veröffentlichten aktuellen Geld- und Kapitalmarktzinssätze. Diese können unter www...de/Referenzzins eingesehen werden.“ verwiesen wird:) Das Sparguthaben wird variabel, zunächst mit jährlich … % verzinst. Die Zinsanpassungen während der Vertragslaufzeit erfolgt nach dem in der Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ beschriebenen Verfahren.
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b) Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss und/oder Vermittlungskosten belastet.
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Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 16.03.2021 zugestellte Urteil mit am 14.04.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag (Bl. 89/90 d. A.) Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung (Verfügung vom 14.05.2021, Bl. 99 d.A.) mit am 16.06.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag (Bl. 100/113 d.A.) begründet.
18
Die Beklagte wiederholt und vertieft zur Begründung ihrer Berufung das Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und führt zur Zinsklausel aus, richtig sei zwar, dass sich bei einer schlichten rechnerischen Umsetzung des in der Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ beschriebenen Verfahrens für die Grundverzinsung Werte mit negativem Vorzeichen ergeben könnten. Allerdings schließe die Regelung in Ziffer 4.1 der Sparvertrag-AGB die Berechnung von „negativen Zinsen“ aus. Auch die Gesamtschau aller Regelungen der Altersvorsorgeverträge sowie des in die Altersvorsorgeverträge einbezogenen Informationsblatts ergebe, dass die Berechnung von „negativen Zinsen“ ausgeschlossen sei.
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Die Kostenklausel unterliege nicht der AGB-Kontrolle, da es sich nicht um eine Vertragsbestimmung handele, sondern lediglich um einen Hinweis auf mögliche Folgen einer von der Entscheidung des Sparers abhängigen Gestaltung der Auszahlungsphase. Hinzu komme, dass auch dann, wenn die zweite Klausel als Vertragsbestimmung verstanden werde, diese Klausel wirksam sei und insbesondere dem Transparenzgebot genüge.
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Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 15.03.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 27 O 230/20, die Klage abzuweisen.
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Urteil des Landgerichts verteidigt wird in einer Fassung in der es statt „Montagsende“ richtig heißen muss „Monatsende“.
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Der Kläger verteidigt das Ersturteil und macht geltend, die Berufung sei schon unzulässig, weil sich die Berufungsbegründung nicht mit den weiteren Rechtsverstößen auseinandersetze, die die Unwirksamkeit der Klausel begründeten.
23
Zur Begründetheit seiner Klage macht er geltend, nach dem Wortlaut der Zinsklausel könne es zu einem negativen Vertragszins kommen. Die Beklagte übersehe in ihren Ausführungen die einschlägige Rechtsprechung, die Grundsätze der kundenfeindlichsten Auslegung und dass es auf die Handhabung der Klausel im Einzelfall nicht ankomme. Auch der Wortlaut der Klausel lasse einen Negativzins zu, auch wenn der gesamte Vertragsinhalt berücksichtigt werde.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.07.2022 Bezug genommen.
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Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 ZPO statthafte und auch gemäß § 519 Abs. 1, Abs. 2, § 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Berufung wurde gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründet. Soweit in der Berufungserwiderung eingewandt wird, die Berufung sei unzulässig, weil sich die Berufungsbegründung nicht mit den weiteren Rechtsverstößen auseinandersetze, die die Unwirksamkeit der Klausel begründeten, dringt der Kläger damit nicht durch. Denn der Berufungskläger muss sich für die Zulässigkeit der Berufung nicht mit allen Streitpunkten befassen. Es reicht vielmehr eine Begründung, die das Urteil insgesamt in Frage stellt oder einen Grund enthält, der den ganzen Streitstoff betrifft (BGH NJW-RR 2007, 414; 2012, 440).
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Jedoch hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg, denn der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1, § 4 Abs. 1 UKIaG klagebefugte Kläger kann von der Beklagten aus § 1 UKIaG verlangen, dass diese es unterlässt, die streitgegenständlichen Klauseln gegenüber Verbrauchern zu verwenden und sich darauf zu berufen.
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Bei den streitgegenständlichen Klauseln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, nachdem sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen darstellen, die die Beklagte als Verwenderin der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrags stellt.
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Auch handelt es sich bei der Kostenklausel nicht, wie die Beklagte meint, lediglich um einen tatsächlichen Hinweis, sie unterliegt vielmehr der Inhaltskontrolle. Der Senat folgt damit nicht der Entscheidung des OLG Zweibrücken (Urteil vom 06.07.2022 – 7 U 106/20, B10).
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Für die Unterscheidung von AGB und tatsächlichen Hinweisen ist auf den Empfängerhorizont abzustellen (vgl. BGHZ 133, 184, 188). AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB liegen vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses geregelt werden (vgl. BGHZ 133, 184, 188; vgl. auch BGHZ 95, 362, 363 f). Hinweise, mit denen der Verwender keine rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht in Anspruch nimmt, sind keine AGB.
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In diesem Sinne erweckt die Kostenklausel bei einem durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Kunden aber den Eindruck, dass sie den Inhalt des vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt. Dafür spricht schon, dass sie sich unter dem Titel „Sonderbedingungen“ findet, auch wenn die „Sonderbedingungen“ auch bloß beschreibende oder feststellende Formulierungen enthalten (etwa in Ziffer A.1. Sonderbedingungen Altersvorsorgevertrag), die nicht das Vertragsverhältnis inhaltlich regeln oder bestimmen. Aber die Kostenklausel ist in Abschnitt B.4.2. Sonderbedingungen Altersvorsorgevertrag enthalten, mit nur vertraglichen und damit inhaltlichen Regelungen. Aus dieser Stellung innerhalb des Vertragswerks folgert der durchschnittliche Vertragspartner den Regelungsgehalt der Klausel. Für ihn wird dagegen keine Rolle spielen, dass die Kostenklausel vom Sachzusammenhang her an diese Stelle passt.
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Ferner schließt der objektive Empfänger aus der Formulierung „werden … belastet“ auf eine vertragliche Regelung. Auch wenn die Klausel wegen der Verwendung des Wortes „ggf.“ die Entscheidung darüber, ob dem Sparer Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet werden, genauso wenig trifft, wie sie deren Höhe regelt, eröffnet sie der Beklagten doch die Möglichkeit, solche Kosten zu einem späteren Zeitpunkt abzurechnen und sich für ihre Berechtigung hierzu auf die Kostenklausel zu berufen. Daher folgt der Senat nicht dem OLG Zweibrücken, wenn es ausführt, dass sich aus Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners der angegriffenen Textpassage angesichts des Worts „ggf.“ sowie der auch ansonsten gänzlich fehlenden Präzisierung dieser Kosten oder ihres Maßstabs kein fassbarer inhaltlicher Regelungsgehalt entnehmen lässt.
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Dieser Einschätzung steht entgegen der Meinung der Beklagten auch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nummer 9 AltZertG nicht entgegen. Vielmehr folgt aus Satz 2 dieser Norm gerade der Regelungscharakter der Kostenklausel. Denn danach schuldet der Vertragspartner keine Kosten, die nicht im individuellen Produktinformationsblatt ausgewiesen sind oder auf die nicht hingewiesen wurde. Die Kostenklausel bewirkt also, dass die Beklagte dem Kunden derartige Kosten (später) auferlegen kann.
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Zwar greift § 7 Abs. 1 Satz 2 Nummer 9 AltZertG hier nicht, weil die Norm gemäß § 14 Abs. 6 Satz 3 AltZertG nicht für Verträge gilt, die vor dem in § 14 Abs. 6 Satz 2 AltZertG genannten Anwendungszeitpunkt abgeschlossen wurden (die maßgebliche Altersvorsorge-Produktinformationsblattverordnung wurde erst am 31.07.2015 verkündet, die vom Kläger vorgelegten Verträge mit der Kostenklausel stammen aber aus dem Jahr 2008). Jedoch zeigt die Regelung, dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Angabe von Kosten den Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses regelt, ansonsten hätte er die Zulässigkeit, derartige Kosten zu verlangen, nicht davon abhängig gemacht, dass sie im Vertrag angegeben werden.
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Derartige Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zu Grunde zu legen sind (statt vieler BGH NJW-RR 2011, 1350, Rz. 23 m.w.N.). Auszuscheiden sind Auslegungsmöglichkeiten, die für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten ernsthaft nicht in Betracht kommen (BGH NJW 2008, 360, Rn. 28), also Auslegungsmöglichkeiten, die allenfalls theoretisch denkbar sind, die praktisch aber fern liegen und nicht ernstlich in Betracht kommen.
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Für die Beurteilung der Unwirksamkeit gilt im hiesigen Verbandsklageverfahren in Umkehrung zu § 305c Abs. 2 BGB der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung (BGH NJW 2003, 1237, 1238; BGH NJW 2004, 1588; BGH NJW 2008, 360, Rn. 28). Unerheblich ist, wie die Klausel im Einzelfall tatsächlich gehandhabt wird (BGH NJW 1997, 193, 195; BGH NJW 1985, 2271 2272). Unklarheiten gehen zu Lasten des Klauselverwenders (BGH NJW 2013, 291, Rn. 16), eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig (BGH NJW 2007, 674, 675; BGH NJW 2005, 1574, 1576). Bei der Beurteilung der Klausel muss der gesamte Vertragsinhalt berücksichtigt werden, insbesondere muss auch der Inhalt anderer Klauseln mit in Betracht gezogen werden (BGH NJW 1990, 761, 764; BGH NJW-RR 1990, 1075).
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Die Zinsklausel weicht vom gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ab und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam.
37
Bei der Zinsklausel handelt es sich um eine Abrede, nach der sich Änderungen eines Referenzzinssatzes automatisch auf den Vertragszins auswirken, ohne dass es einer dahingehenden Erklärung eines der Vertragsteile bedarf. Eine solche Abrede unterliegt als Preisregelung gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle (BGH NJW 2018, 2950, Rn. 16; BGH NJW 2008, 3422, Rn. 16).
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Dies gilt allerdings uneingeschränkt nur solange, als solche Regelungen nicht von dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB abweichen und im Sinn des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung treffen (BGH NJW 2018, 2950, Rn. 44). Eine solche Abweichung vom Leitbild ist hier gegeben. Denn bei isolierter Betrachtung der Zinsklausel in Zusammenhang mit dem in der Anlage geregelten Verfahren der Zinsanpassung ist unstreitig ein negativer Zins nicht ausgeschlossen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt eine Klausel, die wie hier eine negative Verzinsung in einem Altersvorsorgevertrag nicht ausschließt, eine unangemessene Benachteiligung dar und ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Denn ein negativer Zins verstößt bei dem hier vorliegenden Altersvorsorgevertrag gegen das Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es handelt sich um einen Darlehensvertrag, bei dem die Bank gegenüber ihren Kunden die Verzinsung der Einlagen als Entgelt für die Finanzierungsleistung schuldet (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Mit einer negativen Verzinsung wird demgegenüber eine Entgeltverpflichtung für die Verwahrung der Einlage begründet.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der Auslegung von AGB jene Auslegungsmöglichkeiten auszuscheiden sind, die für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligten ernsthaft nicht in Betracht kommen (BGH NJW 2008, 360, Rn. 28), also Auslegungsmöglichkeiten, die allenfalls theoretisch denkbar sind, die praktisch aber fern liegen und nicht ernstlich in Frage kommen.
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Denn bei dem Verständnis der Zinsklausel dahin, dass der Vertragspartner der Beklagten die Zahlung negativer Zinsen schuldet, handelt es sich nicht um eine derart fernliegende Auslegung, auch wenn das OLG Düsseldorf eine Zinsgleitklausel, die keine Untergrenze für den Zins bestimmt, nicht in dem Sinne auslegt, dass hierdurch für den Fall, dass sich aus der Klausel rechnerisch ein negativer Zins ergibt, eine Zahlungspflicht des Darlehensgebers vereinbart ist (OLG Düsseldorf BKR 2022, 523, Rz. 45). Denn zugleich geht auch das OLG Düsseldorf davon aus, dass auch eine Auslegung dahin denkbar ist, dass eine Zinsgleitklausel die Pflicht begründet, Negativzinsen zu zahlen (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rz. 56). In diesem Sinne nimmt auch das OLG Hamburg (BKR 2022, 519) an, dass die dortigen Zinsgleitklauseln dahin auszulegen seien, dass die Klauseln wortlautgetreu anzuwenden seien, selbst wenn sie mathematisch zu einem negativen Ergebnis führten, und dass es dem hypothetischen Parteiwillen entspreche, dass eine Zahlungspflicht des Darlehensgebers in diesen Fällen bestehen solle.
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In dieser Situation ist im hiesigen Verbandsklageverfahren – anders als im Individualprozess vor dem OLG Düsseldorf (a.a.O.) – aber von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen, die auch nicht fernliegend ist.
42
An dieser unangemessenen Benachteiligung durch den Leitbildverstoß ändert auch die Gesamtschau des Vertrages nichts, so dass die Beklagte mit ihrem hierauf gestützten Berufungsangriff nicht durchdringt, zumal ihr Vorwurf nicht zutrifft, das Landgericht habe sich mit den weiteren Vertragsbestimmungen nicht ausreichend befasst.
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1. Dabei ist eine Gesamtschau der Zinsklausel im Konstrukt des gesamten Vertrags auch im hiesigen Verbandsprozess geboten, eine beanstandete Klausel ist wie im Individualprozess im Gesamtzusammenhang zu sehen, der auch nicht angegriffene Klauseln umfassen kann. Aus § 308 ZPO oder § 8 Abs. 1 UKIaG lässt sich keine Beschränkung des Prüfungsumfanges nur auf die angegriffene Klausel ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs ableiten (BGH NJW 2001, 292, 293; 1989, 582).
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2. Die von der Beklagten angeführten weiteren Vertragsbestimmungen schließen aber die unangemessene Benachteiligung durch den Leitbildverstoß nicht derart aus, dass der Kunde bei der hier gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung nicht verpflichtet ist, einen Negativzins zu bezahlen. Insoweit verbleiben aus Sicht des objektiven Betrachters Zweifel, die der Beklagten als Verwenderin zudem ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume einräumen:
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a) Das gilt für Satz 1 der Ziffer 4.1. Sparvertrag-AGB, trotz des dort verwendeten Begriffs „wird verzinst“. Die Beklagte führt dazu aus, eine Verzinsung von negativen Zinsen, also von einem Betrag, der vom Sparer bereits abgezogen ist, sei nicht möglich. Sie bezieht sich dabei auf die oben genannte Entscheidung des OLG Düsseldorf. Zwar wird dort unter Verweis auf BGH NJW 2018, 2950, Rz. 44 ausgeführt, dass Zins im Rechtssinne die nach der Laufzeit des Darlehens bemessene, gewinn- und umsatzunabhängige Vergütung für die Möglichkeit des Gebrauchs des auf Zeit überlassenen Kapitals sei und daher dem dort klagenden Darlehensnehmer aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB kein weiterer Anspruch gegen den Darlehensgeber auf Zahlung zustehe, wenn ihm der Darlehensbetrag durch den Darlehensgeber zur Verfügung gestellt worden sei, § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine solche Einschränkung ist dem durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Kunden aber nicht bekannt.
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b) In Bezug auf Satz 4 der Ziffer 4.1 Sparvertrag-AGB („Die aufgelaufenen Zinsen werden zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Sparguthaben hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst“) ist zwar der Beklagten zuzugeben, dass die in diesem Satz genannten Gutschriften und Hinzurechnungen mit Negativbeträgen nicht möglich sind, es sind stattdessen Abzüge vorzunehmen, die zu einer Verminderung des Kapitals führen. Entsprechendes gilt für die Bestimmung, dass Zinsen verzinst werden. Die Möglichkeit einer Zinsänderung ins Negative wird dadurch aber nicht hinreichend deutlich ausgeschlossen. So können durch die unterjährig alle zwei Monate mögliche Zinsanpassungen (K2, Seite 3) positive und negative Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres einen positiven Saldo ergeben, „gutgeschrieben, dem Sparguthaben hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahre an verzinst“ (Ziffer 4.1 Satz 5) werden (siehe sogleich Buchst. d)).
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c) Gleiches gilt nach Ziffer 4 Sparvertrag-AGB („Die ... gewährt dem Sparer während der Ansparphase auf sein Sparguthaben variable Grundzinsen und Bonuszinsen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen:“). „Gewähren“ mag „großzügigerweise geben, zugestehen“ bedeuten, wie die Berufung ausführt. Auch dies schließt negative Zinsen aber nicht hinreichend aus, weil das Gewähren durch die in der Klausel genannten „nachfolgenden Bestimmungen“ relativiert wird.
48
d) Auch mag die Überschrift des Vertrags „Sparkonto mit Zinsansammlung“ lauten und mag zutreffen, dass ein „Ansammeln“ von negativen Zinsen sprachlich ausgeschlossen ist. Aus dem Begriff „Ansammeln“ folgt aber nicht hinreichend eindeutig, dass die Beklagte negative Zinsen nicht berechnen wird. Die Bezeichnung des Produktes als Sparkonto mit Zinsansammlung schließt es jedenfalls nicht aus, dass in einzelnen Monaten auch negative Zinsen anfallen und nur teilweise Zinsen angesammelt werden können. Denn in der Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ heißt es, dass die ... die Entwicklung des Referenzzinssatzes regelmäßig mit den Zinssätzen des letzten Bankarbeitstages der Monate Februar/April/Juni/August/Oktober/Dezember überprüfen werde. Habe sich zu diesem Zeitpunkt der Referenzzinssatz um einen vorgegebenen Wert gegenüber seinem maßgeblichen Wert bei Vertragsabschluss bzw. der letzten Zinsanpassung verändert, sinke oder steige der Sparzins um ebenso viele Prozentpunkte mit Wirkung zum 10. Kalendertag des Folgemonats. Gemäß Satz 5 der Ziffer 4.1. Sparvertrag-AGB werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss des Geschäftsjahres gutgeschrieben. Danach kann es in einzelnen Zeitabschnitten des Jahres zu negativen Zinsen kommen, ohne dass dies zum Schluss des Geschäftsjahres erkennbar ist, weil es bis zum Schluss des Geschäftsjahres auch zu positiven Zinsen kam und in der Summe über den Zeitraum ein positiver Wert verbleibt, also etwas gutgeschrieben und angesammelt wird. Sofern die Beklagte hiergegen einwendet, dann liege kein Verstoß gegen das Leitbild des § 488 BGB vor, weil dort in Absatz 2 geregelt sei, dass die vereinbarten Zinsen nach dem Ablauf je eines Jahres zu entrichten seien, dem entspreche aber der Vertrag, wenn zum Schluss des Geschäftsjahres ein positiver Wert verbleibe, überzeugt dies nicht. Denn der Leitbildverstoß liegt hier darin, dass bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag mit einer negativen Verzinsung eine Entgeltverpflichtung für die Verwahrung der Einlage begründet wird, obwohl § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsieht, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber als Entgelt für die Finanzierungsleistung die Verzinsung der Einlagen schuldet (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die jährliche Zinszahlung stellt § 488 Abs. 2 BGB aber ausdrücklich zur Disposition der Vertragsparteien.
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e) Mit dem Erstgericht ist der Senat der Überzeugung, dass die Formulierung in den Sonderbedingungen unter „B. Ansparphase“ unter „2. Sparguthaben“ („Auf dem Sparkonto werden die hier vom Sparer eingezahlten Altersvorsorgebeiträge, die von der ... geleisteten Grund- und Bonuszinsen (…) gebucht“) eine Buchung negativer Zinsen ebenfalls nicht von vornherein ausreichend deutlich ausschließt. Im Rahmen einer Buchhaltung können positive und negative Posten verbucht werden.
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f) Auch die im „Informationsblatt zum Altersvorsorgevertrag“ (kurz: Informationsblatt; B6) enthaltene Information führen nicht zu einem anderen Ergebnis.
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aa) Die Beklagte bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Ziffer 2 des Informationsblattes („… werden während der gesamten Vertragslaufzeit keine Abschluss- und Vertriebskosten sowie keine Kosten für die Verwaltung des gebildeten Kapitals berechnet.“). Auch diese Bestimmung schließt negative Zinsen nicht ausreichend unmissverständlich aus. Der rechtlich nicht gebildete Durchschnittskunden ordnet negative Zinsen schon nicht als Kosten für die Verwaltung des gebildeten Kapitals ein.
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bb) Ohnehin befindet sich dieser Hinweis an einer Stelle ohne Zusammenhang zu den zentralen Klauseln der Zinsberechnung.
53
Dabei genügt es nicht dem Transparenzgebot, wenn Informationen an irgendeiner Stelle gegeben werden, sie müssen vielmehr gerade an der Stelle zu finden sein, an der ein verständiger und redlicher Vertragspartner sie erwartet (BGH NJW 2001, 2012, 2014).
54
Das ist nicht der Fall. Das Informationsblatt ist angesprochen in Abschnitt E.2. der Sonderbedingungen (K2, S. 5) unter der Überschrift „Weitere Informationen vor Vertragsabschluss“, die Sonderbedingungen wiederum sind in Ziffer 5. des Sparvertrags genannt unter „Vertragsbedingungen“. In der Zinsklausel selbst findet sich kein Hinweis auf das Informationsblatt. Unter diesen Umständen erwartet der verständige und redliche Vertragspartner in diesem Informationsblatt keine Regelung dazu, wie es sich auswirkt, wenn eine Zinsanpassung entsprechend den Vorgaben der Anlage „Verfahren der Zinsanpassung“ zu negativen Zinsen führt. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass der Kläger erstinstanzlich bestritten hat, dass den Kunden dieses Informationsblatt stets übergeben wird.
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3. Die Beklagte wendet wiederholt ein, die Zinsklausel werde nicht in der Form angewandt, dass der Kunde mit negativen Zinsen belastet werde. Dem ist zu entgegnen, dass unmaßgeblich ist, wie eine Klausel im Einzelfall gehandhabt wird (BGH NJW 1997, 193, 195).
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Die weiter verfahrensgegenständliche Kostenklausel („Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggf. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet.“) ist ebenfalls unwirksam, sie verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist sowohl bezüglich der Frage, ob und wann welche konkreten Kosten anfallen, als auch bezüglich der Höhe der Kosten unbestimmt.
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Entsprechend dem Verbot geltungserhaltender Reduktion ist somit nach dem Wortlaut der Klausel nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte dem Kunden eigene Gebühren in Rechnung stellt und nicht lediglich Aufwendungen von dritter Seite weiterreicht.
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Das Transparenzgebot geht nach § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB von einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers aus, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht klar und verständlich formuliert worden sind (BGH NJW 1989, 222). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klausel eine materiell benachteiligende Wirkung hat, weil die Transparenzkontrolle ein eigenständiges Kontrollinstrument darstellt und die Intransparenz einen selbständigen Unwirksamkeitsgrund postuliert (BGH NJW 2000, 651, 652).
59
Bei der Bewertung der Transparenz ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH NJW 2010, 3152, Rn. 29). Inhaltlich erfordert das Transparenzgebot, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst durchschaubar dargestellt werden, dass die Klauseln möglichst weitgehend konkretisiert und bestimmt gefasst sind und dass keine Klauseln verwendet werden, die aufgrund ihrer Formulierung ein Täuschungselement enthalten oder zur Irreführung geeignet sind. Dazu gehört auch, dass AGB wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH NJW-RR 2015, 801, Rn. 23; BGH NJW 2010, 3152, Rn. 29).
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Die Intransparenz kann sich nicht nur aus der inhaltlichen Unklarheit einer einzelnen Klausel ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung in den AGB. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGH NJW 2006, 996, Rn. 23).
61
Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt insbesondere vor, wenn sich der Verwender ungerechtfertigt weite Gestaltungsmöglichkeiten einräumen lässt, mit denen er nach Vertragsschluss auf die konkrete Ausgestaltung des Rechte- und Pflichtenprogramms einwirken und insbesondere das Äquivalenzverhältnis nachträglich zu seinen Gunsten verändern kann.
62
Dabei reicht die von der Berufung angeführte Einschränkung, dass diese Kosten nur im Fall der Vereinbarung einer Leibrente zur Auszahlungsphase anfielen nicht aus. Denn dies konkretisiert nicht, unter welchen Voraussetzungen das „ggf.“ der Klausel greift. Anders als die Beklagte meint, geht aus der Klausel insbesondere nicht hervor, dass damit Fälle gemeint sind, in denen Kosten wirklich anfallen.
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Soweit sich die Berufung auf § 2a Satz 1 Nummer 1 AltZertG stützt, gestattet die Norm zwar, in einem Altersvorsorgevertrag Abschluss- und Vertriebskosten vorzusehen. Den in der Kostenklausel verwendeten Begriff der Vermittlungskosten nennt das Gesetz aber schon nicht. Dass dieser enger ist als der der Vertriebskosten, wie von der Berufung eingewandt, ist dem Durchschnittsverbraucher nicht bekannt. Außerdem gibt das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vor, in welcher Form die dort genannten Kosten vorgesehen werden dürfen, etwa als jährlich oder monatlich anfallende Kosten in Euro, § 2a Satz 1 Nummer 1 Buchst. a AltZertG. Dem genügt die Kostenklausel nicht.
64
Gleichfalls nicht zum Erfolg verhilft der Berufung, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitgegenständlichen Verträge nicht vorhersehbar sei, ob und welche Kosten im Fall der Vereinbarung einer Leibrente anfielen. Denn die Beklagte mag sich aus wirtschaftlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt diesbezüglich noch nicht festlegen wollen, weil die Vereinbarung einer Leibrente zu diesem Zeitpunkt noch weit in der Zukunft liegt. Rechtlich möglich ist eine solche Vereinbarung, auch ohne dass sich der Kunde schon für eine Leibrente entscheidet. Sie birgt nur das wirtschaftliche Risiko, dass sich die Marktverhältnisse zum Nachteil der Beklagten entwickeln, bis es zur Auszahlung der Leibrente kommt.
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Soweit die Beklagte ausführt, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nummer 9 AltZertG verlange keine Angaben zur Höhe der Kosten, kann ihr nicht gefolgt werden. Zum einen ist die Norm gemäß § 14 Abs. 6 Satz 3 AltZertG nicht anwendbar (s.o.). Zum anderen gibt die Vorschrift im Gegenteil gerade vor, dass Abschluss-, Vertriebs- sowie Verwaltungskosten zwar vorgesehen werden dürfen (§ 2a Satz 1 Nummer 1 AltZertG), dies aber nur in der konkret geregelten Form, etwa als jährlich oder monatlich anfallende Kosten in Euro oder als Prozentsatz des gebildeten Kapitals etc.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nummer 10 Satz 2, § 711 Satz 1, Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.
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Die Revision ist zuzulassen. In Bezug auf die Zinsklausel ergibt sich dies aus § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, weil die Rechtsfrage, ob eine jedenfalls im Jahr 2008 durch AGB vereinbarte Zinsgleitklausel der AGB-Kontrolle stand hält, klärungsbedürftig und von einer über den Einzelfall hinausgehenden rechtsgrundsätzlichen Bedeutung ist. In Bezug auf die Kostenklausel folgt dies daraus, dass das OLG Zweibrücken in seinem Urteil vom 06.07.2022 (7 U 106/20, B10) die Kostenklausel als bloßen Hinweis eingestuft hat, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO.
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Da im hiesigen Verfahren für die Entscheidung Bundesrecht maßgeblich ist und es sich bei den entscheidungserheblichen Regelungen nicht im wesentlichen um Rechtsnormen handelt, die in den Landesgesetzen enthalten sind, war die Revision nach § 8 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG zum Bundesgerichtshof und nicht zum Bayerischen Obersten Landesgericht zuzulassen.