Titel:
Rückforderung von BAföG-Leistungen wegen rechtsmissbräuchlicher Vermögensverfügung unmittelbar vor Antragstellung
Normenketten:
BAföG § 26, § 27, § 28
SGB X § 45, § 50
Leitsätze:
1. Vor Beginn der Ausbildung und Beantragung von Ausbildungsförderung darf ein Auszubildender grundsätzlich nach Belieben mit seinem Vermögen verfahren, ohne dass er dadurch seinen Förderanspruch gefährdet. Demgegenüber werden in Fällen rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragungen dem Auszubildenden die Übertragenen Vermögensgegenstände fiktiv als Vermögen zugerechnet. (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Von einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensverfügung, mit der ein Auszubildender versucht, Vermögensgegenstände der Anrechnung zu entziehen, ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn er im zeitlichen Zusammenhang zur Beantragung von Ausbildungsförderungsleistungen Vermögen auf einen Dritten überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten (BVerwG BeckRS 2013, 51598). (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Einem Auszubildenden wird Vermögen im Ergebnis nicht angerechnet, bei dem es sich - zivilrechtlich wirksam - um eine ausgezahlte Darlehenssumme handelt. Denn dann steht Vermögen iSv § 27 Abs. 1 BAföG deckungsgleich ein Rückübertragungsanspruch als absetzbare Schuld iSv § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG gegenüber; in der Erfüllung einer Rückzahlungsverpflichtung aus einem Darlehen liegt demzufolge keine missbräuchliche Vermögensübertragung. (Rn. 29) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Leistungen, die Eltern einem Auszubildenden im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung erbringen, bedürfen regelmäßig keiner Gegenleistung. Überträgt ein Auszubildender daher Vermögen auf seine Eltern gerade als "Gegenleistung" für Unterhaltsleistungen, auf die er einen gesetzlichen Anspruch besitzt, erfolgt die Vermögensverfügung im förderungsrechtlichen Sinne unentgeltlich; sie erweist sich im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbeginn demnach als rechtsmissbräuchlich (VGH München BeckRS 2020, 14578) (Rn. 32) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X beginnt in aller Regel frühestens mit der Anhörung des Begünstigten bzw. mit dem Ablauf der dem Betroffenen für eine Äußerung gesetzten Frist. (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Rückforderung von Ausbildungsförderung, Rechtmissbräuchliche Vermögensübertragung, Stundungsvereinbarung, Ausbildungsförderung, Rückforderung, Jahresfrist, rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung, fiktive Vermögenszurechnung, Darlehen, absetzbare Schuld, Stundung, Unterhaltsleistungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 45571
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Ausbildungsförderung.
2
Der am … 1991 geborene Kläger absolvierte nach dem Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife im Juli 2011 von November 2011 bis Februar 2014 eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Im Wintersemester 2014/2015 begann er sein Studium im Studiengang Betriebswirtschaft (Bachelor) an der … Unter dem 24. August 2014, beim Beklagten eingegangen am 26. August 2014, beantragte er erstmals die Leistung von Ausbildungsförderung. Im Rahmen der Antragstellung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 gab er mit am 11. September 2014 beim Beklagten eingegangenem und aktualisiertem Formblatt an, Bargeld i.H.v. 200,00 EUR zu haben (Zeile 102). Die Höhe seines Bank- und Sparguthabens bezifferte er mit 1.000,00 EUR (Zeile 103), die Höhe seines Bauspar- und Prämiensparvermögens mit 400,00 EUR (Zeile 104). Zu weiterem Vermögen, Schulden und Lasten bzw. freizustellenden Vermögenswerten (Zeilen 93-100, 106 -113) machte er keine Angaben. Eingereicht war ferner ein Ausdruck der Sparkasse … mit dem Titel „Status per 22.09.2014“, aus dem sich Sichteinlagen in Höhe von 1.098,89 EUR (1.200,71 EUR betreffend die Kontonummer … und -101,82 EUR betreffend die Kontonummer …*) sowie Vermögenswerte in Höhe von 350,30 EUR betreffend zwei LBS Verträge mit der Kontonummer … und … zu jeweils 175,15 EUR für den Kläger ergaben.
3
Mit Bescheid vom 8. Oktober 2014 wurde zunächst Ausbildungsförderung i.H.v. monatlich 143,00 EUR für den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 unter Anrechnung von Einkommen der Eltern des Klägers bewilligt.
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Mit Bescheid vom 13. Januar 2015 wurde zuletzt Ausbildungsförderung i.H.v. monatlich 597,00 EUR (davon jeweils 298,50 EUR als Zuschuss bzw. als Darlehen) für den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 ohne Anrechnung von Einkommen der Eltern des Klägers und ohne Anrechnung von Vermögen des Klägers bewilligt. Als Grund hierfür führte der Beklagte in einem Aktenvermerk vom 12. Januar 2015 aus, der Kläger führe mit seinem Studium eine Zweitausbildung durch, für die nach den Voraussetzungen der Tz. 37.1.13 und Tz. 37.1.14 BAföG-VwV offensichtlich kein bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsanspruch mehr bestehe und die Eltern ihre Weigerung unter Bezugnahme auf diese Bestimmungen auch ausführlich begründet hätten.
5
Im Rahmen des Datenabgleichs des Bundeszentralamtes für Steuern wurde bekannt, dass für den Kläger eine Kapitalertragssumme für das Jahr 2014 in Höhe von insgesamt 868,00 EUR (13,00 EUR Sparkasse …, 801,00 EUR Sparkasse …, 54,00 EUR …*) gemeldet war. Mit Schreiben vom 11. September 2019 wurde der Kläger hierüber informiert und gebeten, die Vermögensangaben nachzuholen.
6
Im Rahmen der Vermögensermittlungen wurde bekannt, dass der Kläger das Sparkonto Nr. … bei der Sparkasse … am 18. August 2014 aufgelöst und den Betrag i.H.v. 10.301,19 EUR auf das Konto seiner Eltern überwiesen hatte. Zudem wurde bekannt, dass ein weiteres Konto bei der Sparkasse Bielefeld (Sparkonto Nr. …*) mit einem Betrag von 82,56 EUR und auch der Bausparvertrag Nr. … der LBS am 17. Juni 2014 aufgelöst wurden. Schließlich ergab sich aus der eingereichten Erträgnisaufstellung der … der Verkauf von Wertpapieren des Wertpapierdepots Nr. … des Klägers.
7
Mit beim Beklagten am 18. November 2019 eingegangenem Schreiben teilte der Kläger insoweit auf weitere Nachfrage des Beklagten mit, bei dem Sparkonto Nr. … habe es sich um ein sogenanntes Prämiensparen der Sparkasse … gehandelt. Dieses Konto hätten seine Eltern kurz nach seiner Geburt eröffnet und im Laufe seines Lebens monatlich einen festen Betrag darauf eingezahlt. Er selbst habe von diesem Konto lange nichts gewusst. Erst kurz vor Beginn seiner Ausbildung bei der Sparkasse … im Jahr 2011 hätten ihm die Eltern davon erzählt. Im Folgenden hätten seine Eltern und er sich geeinigt, dass das angesparte Geld komplett an seine Eltern gehe. Als Ausgleich dafür habe er das alte Auto seiner Eltern (Golf IV – damaliger Zeitwert ca. 3.500,00 EUR) bekommen und sie hätten sich auf eine monatliche Unterhaltszahlung in Höhe von 250,00 EUR dafür geeinigt, dass er während der Ausbildungszeit im Haus seiner Eltern wohnen geblieben sei. Dass das Konto dann nicht schon im September 2011 aufgelöst worden sei, hänge damit zusammen, dass es sich um Prämiensparen gehandelt habe und die Verzinsung im Vergleich zum damaligen Marktniveau äußerst attraktiv gewesen sei. Seine Eltern hätten das Geld nicht sofort benötigt, sodass sie sich geeinigt hätten, das Konto ersteinmal weiterlaufen zu lassen, um so eine höhere Verzinsung des Kapitals zu erzielen. Als er dann nach Ende seiner Ausbildung den Entschluss gefasst habe, zu studieren und in diesem Zuge dann auch BAföG zu beantragen, habe er sein Vermögen offenlegen müssen. In diesem Prozess habe er dann auch das Sparkonto aufgelöst und das Geld auf das Konto seiner Eltern übertragen. Er selbst habe im Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsförderung kein relevantes Vermögen gehabt, da er seine Ersparnisse in der ersten Jahreshälfte 2014 bei einem mehrmonatigen Auslandsaufenthalt fast komplett aufgebraucht habe. Beigefügt war ferner u.a. ein Schreiben der LBS vom 17. Juni 2014, aus dem sich ergibt, dass die Summe aus dem aufgelösten Bausparvertrag … auf das Konto des Klägers bei der Sparkasse … … überwiesen wurde.
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Auf weitere Nachfrage teilte der Kläger mit am 7. Januar 2020 beim Beklagten eingegangenem Schreiben mit, aus der anliegenden Aufstellung über alle seine Kontobewegungen aus dem Jahr 2014 bis zum Stichtag 26. August 2014 betreffend das Girokonto Nr. … bei der Sparkasse … gehe hervor, dass die beiden Guthabenbeträge aus den Wertpapierverkäufen i.H.v. 573,68 EUR am 7. Februar 2014 und i.H.v. 857,99 EUR am 24. Februar 2014 von dem Verrechnungskonto seines Onlinebrokers auf sein Girokonto bei der Sparkasse … geflossen und anschließend ausgegeben worden seien. Die angeforderten Unterlagen zu dem Fahrzeug habe er beigelegt. Allerdings gebe es keinen schriftlichen Kaufvertrag zwischen ihm und seinen Eltern. Das besagte Fahrzeug sei zu Beginn des Jahres 2014 verkauft worden. Der Kaufpreis i.H.v. 2.000,00 EUR sei in bar bezahlt worden. Diese 2.000,00 EUR seien von ihm im Zuge einer Weltreise in der ersten Jahreshälfte 2014 ausgegeben worden. Der Kaufvertrag des Verkaufs sei leider nicht mehr aufzufinden, eine Kopie der Abmeldung des Fahrzeugs sei jedoch beigelegt.
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Mit Schreiben des Beklagten vom 22. Januar 2020 und 14. April 2020 wurden vom Kläger weitere Informationen insbesondere zum eingereichten Kontoverlauf seines Girokontos Nr. … bei der Sparkasse … und zum Kreditkartenkonto Nr. … angefordert.
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Hierzu übermittelte der Kläger weitere Unterlagen und teilte mit beim Beklagten am 20. Mai 2020 eingegangenem Schreiben mit, er habe keine Hotel-, Flugrechnungen oder ähnliches mehr von seinem Auslandsaufenthalt 2014, versichere aber, dass er diese Reise selber bestritten habe. Die Nachweise über die Kosten des mehrmonatigen Aufenthaltes könnten den Abrechnungen seiner Kreditkarte sowie den Umsätzen seines Girokontos entnommen werden.
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Mit Bescheid vom 10. Juli 2020 wurde die Ausbildungsförderung des Klägers neu berechnet und Ausbildungsförderung i.H.v. monatlich 43,00 EUR (davon jeweils 21,50 EUR als Zuschuss bzw. als Darlehen) für den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 bewilligt. Dabei wurde ein Vermögen des Klägers i.H.v. 11.845,41 EUR zugrunde gelegt. Auf Grund bisher ausbezahlter Förderungsbeträge i.H.v. insgesamt 7.164,00 EUR wurde darüber hinaus eine Rückforderung i.H.v. 6.648,00 EUR festgesetzt. Die Neuberechnung der Ausbildungsförderung sei nach Bekanntwerden von Vermögen, das der Kläger am Antragstag besessen und das er im Förderungsantrag nicht angegeben habe, erfolgt. Es werde ein rechtsmissbräuchlich übertragenes Vermögen in Höhe von 10.301,19 EUR angerechnet. Dieser Betrag ergebe sich aus der Auflösung des Sparkontos Nr. … bei der Sparkasse … am 18. August 2014 und der Überweisung des Auflösungsbetrages auf das Konto der Eltern. Bei der Entscheidung, ob die ihm bislang ausgezahlte Förderung für die Vergangenheit zurückgefordert werde, sei sein Interesse, die Leistung behalten zu dürfen, dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und rechtmäßigen Mittelverwendung gegenüber zu stellen. Dabei ergebe sich, dass das öffentliche Interesse überwiege, da er die ursprünglich fehlerhafte Bewilligung wesentlich zu verantworten habe und dadurch nicht mehr belastet würde, als andere Auszubildende, die von einer Rückforderung betroffen seien. Außerdem erscheine eine Bevorzugung gegenüber anderen Auszubildenden, die bei der Antragstellung unzutreffende Angaben gemacht hätten, nicht angezeigt.
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Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 17. Juli 2020 Widerspruch. Er sei nicht der Auffassung, rechtsmissbräuchlich Vermögenswerte übertragen zu haben. Er habe bereits dargelegt, weshalb das Geld auf dem Sparkonto Nr. … bei der Sparkasse … übertragen worden sei. Deshalb sei er der Auffassung, kein Vermögen unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte übertragen zu haben.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2022, dem Kläger zugestellt am 25. Januar 2022, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, hier sei ausweislich der vorliegenden Unterlagen ausschließlich der Kläger bei sämtlichen Konten als kontoführende Person und damit Inhaber der jeweiligen Forderung gegenüber den Kreditinstituten bezeichnet worden. Er sei damit Eigentümer dieses Vermögens. Nach der Verwaltungspraxis seien Vermögenswerte auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn er sie rechtsmissbräuchlich übertragen habe. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Auszubildende Teile seines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere an seine Eltern oder andere Verwandte, übertragen habe. Unstrittig habe der Kläger am 18. August 2014, mithin acht Tage vor Erstantrag, 10.301,19 EUR an seine Eltern übertragen. Der zeitliche Zusammenhang sei vorliegend offenkundig gegeben. Hinsichtlich des Vortrags des Klägers sei festzustellen, dass der an die Eltern gezahlte Auszahlungsbetrag i.H.v. 10.301,19 EUR nicht mit der angeblichen Forderung der Eltern gegenüber dem Kläger deckungsgleich sei. Davon ausgehend, dass der Kaufpreis des Fahrzeugs 3.500,00 EUR betrage und die Eltern für die gesamte Ausbildungszeit des Klägers bei der Sparkasse … (ausweislich der Anlage 1 zum Formblatt 1 habe die Ausbildungszeit 30 Monate von September 2011 bis Februar 2014 betragen) monatlich 250,00 EUR ausgezahlt hätten, so würde dies einen Gesamtbetrag von 11.000,00 EUR ergeben. Darüber hinaus seien die Forderungen der Eltern bzgl. der Zahlung des Kaufpreises für den Golf IV und die genannten Unterhaltsleistungen i.H.v. monatlich 250,00 EUR nicht substantiiert dargelegt und nachgewiesen. Hinsichtlich des Fahrzeugs sei zwar anhand des Versicherungsscheins der Provinzial nachgewiesen, dass der Kläger für einen Golf IV ab September 2011 Versicherungsbeiträge gezahlt habe. Ebenfalls nachgewiesen worden sei, dass der Kläger Kraftfahrzeugsteuer zumindest im Jahr 2014 bis zur Abmeldung des Fahrzeugs am 2. Mai 2014 gezahlt habe. Nicht nachgewiesen dagegen worden sei, dass dieses Fahrzeug vorher den Eltern gehört hätte und diese das Fahrzeug auch an den Kläger verkauft hätten. Weder der Zeitpunkt des Kaufs noch die entsprechende Höhe des Kaufpreises sei bekannt. Nicht nachgewiesen worden sei außerdem, dass die angebliche Kaufpreiszahlung durch die Übertragung des Prämiensparguthabens erfolgen hätte sollen. Eine Änderung der kontoführenden Person zu Gunsten der Eltern hinsichtlich des Prämiensparkontos habe gerade nicht stattgefunden. Selbst wenn tatsächlich Unterhaltsleistungen durch die Eltern des Klägers gezahlt worden seien, sei festzuhalten, dass diese Zahlungen aus der grundsätzlichen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kläger erfolgt seien. Daher könne die Absicht der Eltern, den von ihnen grundsätzlich geschuldeten Unterhalt aus dem Vermögen des Klägers heraus leisten zu wollen, keine adäquate Gegenleistung für den Erhalt des Prämiensparbetrages i.H.v. 10.301,19 darstellen. Mithin sei das Bestehen einer Rechtspflicht des Klägers zur Zahlung der 10.301,19 EUR zugunsten seiner Eltern nicht belegt worden. Die Zahlung stehe auch im Widerspruch zum Gesetzeszweck. Daher sei das übertragene Vermögen i.H.v. 10.301,19 EUR anzurechnen gewesen. Der Kläger könne sich auch nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Es lägen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, 3 SGB X vor, denn der Bewilligungsbescheid beruhe auf Angaben des Klägers dahingehend, dass er nur über ein unter dem Freibetrag nach § 29 BAföG liegendes Vermögen bzw. geringes Vermögen und demzufolge im Rahmen der §§ 27 und 28 BAföG kein bzw. kaum anrechenbares Vermögen verfüge, obwohl er mit seiner Unterschrift unter dem Antrag eigenhändig versichert habe, dass seine Angaben richtig und vollständig seien. Die Überzahlung sei daher ausschließlich auf unvollständige bzw. unrichtige Angaben zurückzuführen. Hinsichtlich der Kenntnis der Rechtswidrigkeit liege zumindest grobe Fahrlässigkeit vor, denn der Kläger habe die Nichtangabe von Vermögen wissentlich und willentlich gemacht. Er habe gewusst bzw. habe wissen müssen, dass die Angabe des bis kurz vor Antragstellung vorhandenen Vermögens zu einer Anrechnung auf die staatliche Ausbildungsförderung führen habe könne. Er sei bereits bei der ersten Antragstellung in Zeile 118 ausdrücklich auf die Anrechnung rechtsmissbräuchlich übertragenen Vermögens hingewiesen worden. Mithin hätte es ihm klar sein müssen, dass die weggegebenen Vermögenswerte dem Amt gegenüber offenzulegen gewesen seien. Die vorgesehene Ermessensprüfung führe nicht zu der Beurteilung, von der Erstattungsforderung abzusehen. Es seien keine Gründe ersichtlich, die es gerechtfertigt erschienen ließen, die zu Unrecht gezahlte Förderung zu belassen, denn das würde zu einer offensichtlichen Besserstellung und Ungleichbehandlung gegenüber anderen Studierenden führen, die bereits bei der ersten Antragstellung vollständige Angaben gemacht hätten.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. Februar 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung lässt er mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. Mai 2022 im Wesentlichen und sinngemäß vortragen, er habe keine Vermögenswerte rechtsmissbräuchlich übertragen, weder an seine Eltern noch an dritte Personen. Es treffe zwar zu, dass zwischen der Vermögensübertragung auf seine Eltern und dem Erstantrag ein zeitlicher Zusammenhang bestehe. Dieser liege jedoch in der Natur der Dinge, kausal zurückzuführen sei dieser zeitliche Zusammenhang darauf, dass er ebenfalls in zeitlichem Zusammenhang mit Beginn des Studiums im Wintersemester 2014/2015 von seinen Eltern vollumfänglich Naturalunterhalt bezogen habe. Darüber hinaus habe er von seinen Eltern deren PKW VW Golf übertragen bekommen. Den Wert dieses Fahrzeugs hätten seine Eltern und er unter Berücksichtigung des Baujahres und der Kilometerleistung auf ca. 3.500,00 EUR taxiert und sich hierbei an Vergleichsangeboten aus dem Internet orientiert. Soweit der Beklagte rüge, der von ihm an seine Eltern gezahlte Auszahlungsbetrag i.H.v. 10.301,19 EUR sei nicht deckungsgleich mit den Gegenleistungen der Eltern, sei dem zu entgegnen, dass vorliegend Leistung und Gegenleistung sehr wohl zumindest annähernd gleichwertig gewesen seien. Seine Eltern und er hätten den Wert des ihm gewährten Naturalunterhalts gemeinsam überschlägig ermittelt und sich sodann auf einen Betrag i.H.v. monatlich 250,00 EUR geeinigt. Darin seien sämtliche Aufwendungen für freie Kost und Logis inklusive Nebenkosten, Wäscheservice und vieles mehr beinhaltet. Aus seiner Sicht sei die Vereinbarung eines Betrages in Höhe i.H.v. 250,00 EUR für die genannten Leistungen angemessen und fair, unabhängig von etwaigen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen. Hierüber hätten seine Eltern und er sich überhaupt keine Gedanken gemacht. Es sei im Übrigen in keinster Weise ungewöhnlich, dass noch in der Ausbildung befindende Kinder an ihre Eltern eine monatliche Abgabe für Kost und Logis usw. entrichteten. Dass die Vereinbarungen nicht in schriftlicher Form getroffen worden seien, sei auf der Grundlage intakter Familienverhältnisse in keinster Weise ungewöhnlich. Das gelte auch für den vereinbarten Kaufpreis für den PKW Golf i.H.v. 3.500,00 EUR. Auch ein PKW-Kaufvertrag könne wirksam in mündlicher Form abgeschlossen werden. Als Nachweis für die Richtigkeit der Ausführungen werde die von den Eltern eigenhändig unterzeichnete Erklärung überreicht, in der diese bestätigten, dass der Inhalt der Abrede wahrheitsgemäß sei und den tatsächlichen Geschehensabläufen entspreche.
Der zu der Fördernummer … ergangene Bescheid des Amtes für Ausbildungsförderung beim Studentenwerk … vom 10.07.2020 in Gestalt des zu derselben Fördernummer ergangenen Widerspruchsbescheids vom 24.01.2022 wird aufgehoben.
17
Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung verweist er vollumfänglich auf die Ausführungen der Begründung im Widerspruchsbescheid.
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Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gerichtsakte und die Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
20
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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I. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzugewähren, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben, zurückgenommen oder widerrufen wird (Heße in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 66. Edition Stand: 1.9.2022, § 50 SGB X Rn. 16). Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts kann – auch wenn dieser bereits bestandskräftig geworden ist – grundsätzlich nach § 45 Abs. 1 SGB X erfolgen, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X scheidet eine solche Rücknahme aber aus, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Letzteres ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X grundsätzlich der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dagegen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt kausal auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. In diesem Fall kann die Rücknahme auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, sofern dies binnen eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen geschieht (§ 45 Abs. 4 SGB X).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die angegriffene Neufestsetzung von Ausbildungsförderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Juli 2020 betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 auf monatlich 43,00 EUR rechtmäßig. Dasselbe gilt für die festgesetzte Rückforderung der danach zu viel geleisteten Zahlungen i.H.v. 6.648,00 EUR.
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a) Bei dem zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 13. Januar 2015 betreffend den bezeichneten Bewilligungszeitraum handelt es sich um einen begünstigenden und mittlerweile bestandskräftigen Verwaltungsakt.
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b) Die Festsetzung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 mit Bescheid vom 13. Januar 2015 war rechtswidrig, da dem Kläger aufgrund zuzurechnenden Vermögens in dem bezeichneten Bewilligungszeitraum kein Anspruch auf Ausbildungsförderung i.H.v. 597,00 EUR, sondern lediglich in Höhe von 43,00 EUR zustand.
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(1) Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Auf diesen Bedarf anzurechnen ist gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BAföG nach Maßgabe der §§ 27 bis 30 BAföG das Vermögen des Auszubildenden. Nach § 28 Abs. 2 BAföG ist hierbei grundsätzlich der Wert des Vermögens im Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend. Entsprechend erhalten nur solche Auszubildende Ausbildungsförderung, deren Vermögen nach Maßgabe der Vorschriften über die Vermögensanrechnung nicht zu hoch ist (Winkler in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 66. Edition Stand: 1.9.2022, § 26 BAföG Rn. 1). Von dem gemäß § 26 BAföG grundsätzlich anzurechnenden Vermögen des Auszubildenden bleibt nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG ein Freibetrag anrechnungsfrei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG) sah § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG a.F. hier einen Freibetrag in Höhe von 5.200,00 EUR für den Auszubildenden selbst vor.
28
Vor Beginn der Ausbildung und Stellung des Antrags darf der Auszubildende grundsätzlich nach Belieben mit seinem Vermögen verfahren, ohne dass er dadurch einen möglichen Anspruch auf Ausbildungsförderung gefährdet. Abweichendes gilt jedoch in Fällen rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragungen. Durch den Auszubildenden rechtsmissbräuchlich übertragene Vermögensgegenstände werden dem Vermögen des Auszubildenden weiterhin fiktiv zugerechnet, obgleich sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhanden sind (vgl. hierzu im Ganzen Knoop in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 28 Rn. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein solcher Rechtsmissbrauch vor, wenn die Vermögensübertragung im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck steht. Die fiktive Vermögensanrechnung bezweckt die Durchsetzung des Nachrangs staatlicher Ausbildungsförderung, der in § 1 BAföG verankert ist. Eine Vermögensübertragung steht dann im Widerspruch zur Nachrangigkeit der Ausbildungsförderung i.S.v. § 1 BAföG, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. Von einer solchen Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Auszubildende Vermögen auf einen Dritten überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten (vgl. so zum Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12 – juris Rn. 19). Ob der Umstand der Unentgeltlichkeit – im Sinne des Fehlens einer angemessenen bzw. werthaltigen Gegenleistung (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 25.3.2010 – 4 ME 38/10 – beck-online) – ausreichend ist, um ohne weiteres rechtsmissbräuchliches Handeln anzunehmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So kann etwa das Kriterium der Unentgeltlichkeit mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Antragstellung an Aussagekraft verlieren. Entsprechend ist es gerechtfertigt und im Einzelfall auch geboten, auch auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Antragstellung und Vermögensübertragung abzustellen. Denn ein solcher Zusammenhang spricht gewichtig für einen Rechtsmissbrauch (so zum Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12 – juris Rn. 19). Ein subjektiv verwerfliches Handeln des Auszubildenden ist hingegen nicht erforderlich (BayVGH, U.v. 28.1.2009 – 12 B 08.824 – juris Rn. 43).
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Allerdings wird Auszubildenden solches Vermögen im Ergebnis nicht zugerechnet, bei dem es sich – zivilrechtlich wirksam – lediglich um ausgezahlte Darlehenssummen handelt. Denn in diesen Fällen steht dem Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 BAföG deckungsgleich ein Rückübertragungsanspruch als absetzbare Schuld im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG gegenüber (Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2014, § 28 Rn. 10.1). Entsprechend liegt auch in der Erfüllung zivilrechtlich wirksamer Rückzahlungsverpflichtungen aus Darlehen keine rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung. Hinsichtlich der Voraussetzung der zivilrechtlichen Wirksamkeit des Darlehensvertrags trifft Auszubildende eine gesteigerte Mitwirkungspflicht (Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2014, § 28 Rn. 10.1). Sie sind insoweit darlegungs- und beweispflichtig, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hartmann a.a.O.). Zwar muss der Darlehensvertrag nach entsprechender Rechtsprechungsänderung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr zwingend einem strengen Fremdvergleich im dem Sinne standhalten, dass das Darlehen wie sonst üblich schriftlich, gegen Zinsen und unter Gewährung von Sicherheiten vereinbart wird (BVerwG, U.v. 4.9.2008 – 5 C 30/07 – NVwZ 2009, 392 Rn. 25 f.). Denn solche Voraussetzungen lassen sich weder § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG entnehmen noch werden sie den tatsächlichen Verhältnissen unter Angehörigen oder der grundsätzlich nach Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht (so BVerwG a.a.O. Rn. 26). Allerdings bleibt der Rückgriff auf Merkmale des Fremdvergleichs bei der Prüfung geboten, ob im Rahmen der Würdigung aller relevanten Umstände ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen wurde (BVerwG a.a.O. Rn. 27). Weiter ist für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens hinsichtlich der Wirksamkeit einer Darlehensabrede insbesondere zu berücksichtigen, ob der Inhalt der jeweiligen Abrede und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses substantiiert dargelegt sind, ob ein plausibler Grund für den Abschluss des Rechtsgeschäfts genannt ist und ob von den dargelegten Vereinbarungen in der tatsächlichen Durchführung abgewichen wurde (Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2014, § 28 Rn. 10.1 mit Verweis auf Hartmann a.a.O. § 27 Rn. 8.2). Schließlich gelten die dargestellten Grundsätze nicht nur für Rückzahlungsverpflichtungen aus Darlehen, sondern in gleicher Weise für Stundungsabreden. So besteht weder wirtschaftlich (vgl. hierzu auch die Wertung aus § 506 Abs. 1 BGB) noch förderungsrechtlich ein Unterschied, ob gegenüber dem Auszubildenden eine Leistung in Gestalt der Auszahlung einer Darlehenssumme verbunden mit seiner Verpflichtung erbracht wird, zumindest die Darlehenssumme erst in der Zukunft zurückzuzahlen, oder aber gegenüber dem Auszubildenden eine sonstige Leistung verbunden mit einer Stundungsabrede erbracht wird, wonach er die Gegenleistung in Gestalt einer Geldleistung gleichfalls erst in der Zukunft zu erbringen hat. Denn in beiden Fällen machen Auszubildende vor Leistung der künftigen Zahlung geltend, ihr Vermögen sei durch Schulden in Gestalt künftig fälliger Zahlungsverbindlichkeiten gemindert sowie nach entsprechender Zahlung, sie hätten – nicht rechtsmissbräuchlich – allein auf eine zivilrechtlich wirksame Rückzahlungsverpflichtung aus Darlehen bzw. Stundung geleistet. In beiden Fällen fällt die Frage der zivilrechtlichen Wirksamkeit zudem allein in die Sphäre des Auszubildenden.
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(2) Nach Anwendung dieser Grundsätze ist von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der an die Eltern des Klägers erfolgten Zahlung i.H.v. 10.301,19 EUR am 18. August 2014 auszugehen. Dies hat förderungsrechtlich zur Folge, dass das übertragene Vermögen dem Vermögen des Klägers fiktiv hinzuzurechnen ist.
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(a) Die Vermögensübertragung an die Eltern des Klägers erfolgte unentgeltlich bzw. ohne Gegenleistung im förderungsrechtlichen Sinn.
32
Soweit der Kläger vorträgt, er hätte sich mit seinen Eltern dahingehend geeinigt, dass das Geld auf dem Sparkonto Nr. … – sogenanntes Prämiensparen der Sparkasse … –, das seine Eltern kurz nach seiner Geburt für ihn eröffnet und von dem er 2011 kurz vor seiner Ausbildung erfahren habe, komplett an seine Eltern gehe und sie sich als Ausgleich auf eine monatliche „Unterhaltszahlung“ i.H.v. 250,00 EUR dafür geeinigt hätten, dass er während der Ausbildungszeit im Haus seiner Eltern wohnen geblieben sei, folgt hieraus nicht, dass insoweit eine Anrechnung von Vermögen zu unterbleiben hat. Zunächst sind mit den klägerseits benannten monatlichen Unterhaltszahlungen geltend gemachte Zahlungsverpflichtungen des Klägers gegenüber seinen Eltern gemeint, wie jedenfalls sein zuletzt gehaltener Vortrag klarstellt, wonach es in keinster Weise ungewöhnlich sei, dass sich noch in der Ausbildung befindende Kinder an ihre Eltern eine monatliche Abgabe für Kost und Logis usw. entrichteten. Weiter ist der Vortrag des Klägers rechtlich so zu verstehen – insbesondere auch vor dem Hintergrund seiner Ausführung, das Sparkonto sei nicht schon 2011 aufgelöst worden, weil die Verzinsung zum damaligen Marktniveau äußerst attraktiv gewesen sei und die Eltern das Geld nicht sofort benötigt hätten –, dass er mit seinen Eltern eine (zinslose) Stundungsvereinbarung getroffen, also die Fälligkeit der bereits 2011 vereinbarten monatlichen Zahlung i.H.v. 250,00 EUR, welche bereits 2011 zum Teil in Gestalt der Übertragung des Sparguthabens in Höhe von 10.301,19 EUR geleistet werden sollte, in die Zukunft verschoben haben will. Dass tatsächlich eine gestundete Schuld aus einem entsprechenden Vertrag bestanden und er mit der Überweisung am 18. August 2014 auf eine solche bestehende Schuld geleistet hat, konnte der insoweit darlegungsbelastete Kläger jedoch bei Würdigung aller Umstände – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es vorliegend um einen behaupteten Vertrag zwischen nahen Angehörigen geht – nicht belegen. Insbesondere ist weder der konkrete Inhalt der Abrede (insbesondere die genauen Modalitäten der Stundung wie z.B. der Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlung in der Zukunft) noch der genauere Zeitpunkt des Vertragsschlusses substantiiert dargelegt. Eine Stundungsvereinbarung wie vorgetragen läge auch fern, da es in diesem Fall schon unter praktischen Gesichtspunkten nähergelegen hätte, dass der seit 2009 volljährige Kläger sein Prämiensparkonto bei der Sparkasse … zum Zeitpunkt der behaupteten Vereinbarung jedenfalls im Jahr 2011 auf seine Eltern umschreiben hätte lassen können. In diesem Fall hätten die Eltern des Klägers ersichtlich auch an der Anlageform des Prämiensparens festhalten können und das Präminensparkonto keineswegs auflösen müssen, zumal der Kläger geltend gemacht hat, seine Eltern hätten das Guthaben aktuell nicht benötigt. Einen plausiblen Grund oder gar eine Notwendigkeit für eine entsprechende Stundungsvereinbarung ist danach nicht ersichtlich. Im Übrigen waren Kost und Logis bei den Eltern während der ersten Ausbildung des Klägers in den Jahren 2011 bis 2014, für die der Kläger gemäß der behaupteten Vereinbarung monatlich 250 EUR bezahlen sollte, von der Unterhaltspflicht seiner Eltern erfasst. Leistungen, die Eltern einem Auszubildenden im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung erbringen, bedürfen aber keiner Gegenleistung. Überträgt ein Auszubildender daher Vermögen auf seine Eltern gerade als „Gegenleistung“ für Unterhaltsleistungen, auf die er einen gesetzlichen Anspruch besitzt, erfolgt die Vermögensverfügung im förderungsrechtlichen Sinne unentgeltlich; sie erweist sich im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbeginn demnach als rechtsmissbräuchlich (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 2.6.2020 – Az. 12 ZB 19.1378 – juris).
33
Soweit der Kläger weiter geltend macht, als Ausgleich für die Vermögensübertragung an seine Eltern zudem deren alten PKW (Golf IV) mit einem damaligen Zeitwert i.H.v. 3.500,00 EUR erhalten zu haben und sinngemäß darlegt, insoweit am 18. August 2014 mit der Überweisung des Betrags i.H.v. 10.301,19 EUR auch den vereinbarten und ebenfalls gestundeten Kaufpreis i.H.v. 3.500,00 EUR an seine Eltern überwiesen zu haben, ist bereits eine entsprechend rechtlich bindende Zahlungspflicht des Klägers auf Grund eines Kaufvertrages zwischen ihm und seinen Eltern nicht nachgewiesen. Der Kläger hat zwar – wie bereits von Beklagtenseite zutreffend ausgeführt – anhand des Versicherungsscheins der Provinzial dargelegt, dass er für einen Golf IV ab September 2011 Versicherungsbeiträge und zumindest im Jahr 2014 bis zur Abmeldung des Fahrzeugs am 2. Mai 2014 Kraftfahrzeugsteuer gezahlt hat. Nicht belegt hat der insoweit darlegungsbelastete Kläger jedoch, dass tatsächlich ein Kaufvertrag zwischen ihm und seinen Eltern über diesen PKW geschlossen worden ist. Zwar kann ein Kaufvertrag über ein Auto wie klägerseits vorgetragen tatsächlich mündlich abgeschlossen werden. Vorliegend sind jedoch insbesondere weder substantiierte Angaben zur ursprünglichen Eigentümerstellung der Eltern, noch zu Baujahr oder Zustand des Fahrzeugs oder zum genaueren Zeitpunkt des Vertragsschlusses gemacht worden, selbst dann nicht, nachdem im Widerspruchsbescheid ausdrücklich auf fehlende Angaben hingewiesen worden war. Im Übrigen gelten auch hier die obigen Ausführungen zur behaupteten Stundungsabrede. Eine solche ist – wie bereits ausgeführt – nicht substantiiert dargelegt worden und darüber hinaus schon nicht plausibel. Insofern hätte es vielmehr nahegelegen, schon im Zeitpunkt der behaupteten Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinen Eltern das für den Kläger angelegte Konto bei der Sparkasse … zeitnah auf seine Eltern umschreiben zu lassen, sodass diese sogleich Forderungsinhaber betreffend das Vermögen geworden wären.
34
(b) Die Vermögensübertragung an die Eltern des Klägers erfolgte zudem in sehr engem zeitlichen Zusammenhang mit seinem Erstantrag vom 24. August 2014, bei dem Beklagten eingegangen am 26. August 2014, nämlich am 18. August 2014, mithin lediglich acht Tage vor Eingang seines Antrags auf Ausbildungsförderung beim Beklagten.
35
(c) Schließlich steht die Vermögensübertragung im Widerspruch zum Gesetzeszweck. Dieser Zweck besteht in der Durchsetzung des in § 1 BAföG verankerten Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung, wonach Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nur geleistet wird, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.
36
c) Nach alledem zeigt sich auch rechnerisch die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 13. Januar 2015. Insbesondere war, da der Kläger den Vermögensbetrag i.H.v. 10.301,19 EUR rechtsmissbräuchlich an seine Eltern übertragen hatte, dieser Betrag im Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 in voller Höhe als eigenes Vermögen auf den Bedarf des Klägers anzurechnen. Berechnungsfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
37
d) Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zwar mag er auf die Bewilligung der Ausbildungsförderung vertraut haben. Jedoch war dieses Vertrauen nicht schutzwürdig, da die Bewilligung von Ausbildungsförderung auf Angaben des Klägers beruhte, die in wesentlichen Fragen zumindest grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig waren. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, U.v.14.3 2013 – 5 C 10/12 – NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 24). Hier stellt sich der Sachverhalt so dar, dass der Kläger ohne rechtliche Verpflichtung und ohne rechtlich bindende Vereinbarung einer Gegenleistung vor seinem Studium Vermögen an seine Eltern übertragen hat, obwohl es sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass er auf das weggegebene Vermögen zur weiteren Finanzierung seines Studiums angewiesen sein würde. Entsprechend musste es sich dem Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung mindestens aufdrängen, dass auch das den Eltern übertragene Vermögen bei Antragstellung anzugeben war. Jedenfalls musste es sich dem Kläger aber ohne weiteres aufdrängen, dass das übertragene Vermögen auch angesichts des erheblichen Werts für die Frage der Bewilligung von Ausbildungsförderung eine maßgebliche Rolle spielen könnte. Entsprechend liegt grobe Fahrlässigkeit zumindest darin, dass der Kläger das übertragene Vermögen weder im Vorfeld der Antragstellung – etwa durch die Frage, ob das übertragene Vermögen anzugeben sei – noch im Rahmen der Antragstellung thematisiert hat. Zudem war auf dem von ihm unterschriebenen Antragsformular in Fettdruck darauf hingewiesen, dass Vermögensübertragungen ohne Gegenleistung in zeitlichem Zusammenhang mit der Aufnahme der förderungsfähigen Ausbildung bzw. der Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung oder während der förderungsfähigen Ausbildung als rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung gelten können.
38
e) Auch § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X steht der teilweisen Rücknahme der Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht entgegen. Jedenfalls ergibt sich hier aus § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X eine Rücknahmefrist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts, die gewahrt ist.
39
f) Genauso wenig steht § 45 Abs. 4 SGB X der teilweisen Rücknahme entgegen.
40
aa) Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 SGB X zurückgenommen. Die Behörde muss insoweit gem. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tätig werden, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Zu den Rücknahmegründen gehören jedenfalls die Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des früheren Verwaltungsakts ergibt, wobei es auch auf den Umfang der Fehlerhaftigkeit ankommt. Die Kenntnis hat sich jedoch auch auf die Tatsachen zu den übrigen Rücknahmevoraussetzungen zu erstrecken, z.B. Unlauterkeit bzw. Wiederaufnahmegründe sowie auch die Tatsachen für die sachgerechte Ermessensausübung, soweit erforderlich. Damit beginnt die Jahresfrist in aller Regel frühestens mit der Anhörung des Begünstigten bzw. mit dem Ablauf der dem Betroffenen für eine Äußerung gesetzte Frist (Steinwedel in beck-online Großkommentar, Stand 1.9.2020, § 45 SGB X Rn. 26a f. m.w.N.).
41
bb) Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit durch den Beklagten ist nach alledem nicht zu beanstanden, da, wie aufgezeigt, ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X anzunehmen ist. Auch ist die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt. Denn Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Bewilligungsbescheids rechtfertigten, hatte der Beklagte – auch wenn sich in den Behördenunterlagen ein Vermerk vom 24. September 2018 befindet, aus dem Kapitalerträge des Klägers i.H.v. 868,00 EUR ersichtlich sind – erst, nachdem er den Kläger mit Schreiben vom 11. September 2019 diesbezüglich angehört und der Kläger letztmalig mit Schreiben vom 20. Mai 2020 Stellung genommen hatte. Die Rücknahme des Bewilligungsbescheids erfolgte dann bereits mit Bescheid vom 10. Juli 2020.
42
g) Schließlich sind auch die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO), den Bewilligungsbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit der Sache nach zurückzunehmen, indem die Ausbildungsförderung auf 43,00 EUR festgesetzt wurde. Zwar besteht insoweit auch mangels einer § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG vergleichbaren Vorschrift kein intendiertes Ermessen hinsichtlich der Rücknahme (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12 – NStZ-RR 2013, 689 Rn. 30 ff.). Jedoch war sich der Beklagte hier zum einen des ihm eingeräumten Ermessens bewusst. Zum anderen hat er das Interesse des Klägers am Bestand des Bewilligungsbescheids mit dem staatlichen Rücknahmeinteresse insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ohne Ermessensfehler abgewogen. Bei der Rückforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelt es sich schließlich um eine gebundene Entscheidung.
43
h) Die angegriffene Neufestsetzung von Ausbildungsförderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Juli 2020 betreffend den Bewilligungszeitraum Oktober 2014 bis September 2015 auf monatlich 43,00 EUR erweist sich nach alledem als rechtmäßig. Gleiches gilt für den festgesetzten Rückforderungsbetrag i.H.v. 6.648,00 EUR. Auch insoweit sind Berechnungsfehler weder vorgetragen noch ersichtlich.
44
3. Nach alledem war die Klage abzuweisen.
45
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.