Titel:
Abtretung des Schadensersatzanspruchs eines Unfallgeschädigten an den Schadengutachter
Normenkette:
BGB § 249 Abs. 2, § 307, § 398
Leitsätze:
1. Eine ausdrücklich als erfüllungshalber erfolgende Abtretung der Forderung eines Geschädigten gegen den Schädiger und seinen Haftpflichtversicherer an den Kfz-Sachverständigen ist wirksam, auch wenn sie keine Belehrung über die damit verbundenen Rechtsfolgen enthält. (Rn. 34 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weist eine Abtretungsvereinbarung zwischen Geschädigtem und Sachverständigem den Versicherer des Unfallgegners an, die Rechnung für das Schadensgutachten „zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachtenkosten“ zu bezahlen, enthält sie keine überraschende und unangemessene überschießende Tilgungswirkung. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Unfallgeschädigter ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung des Sachverständigen und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand stellt einen Anhalt zur Bestimmung des erforderlichen Herstellungsaufwands dar. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein Grundhonorar für die Erstellung eines Schadensgutachtens, das sich unter Berücksichtigung der Schadenhöhe aufgrund von repräsentativen Sachverständigenberatungen ergibt, ist erstattungsfähig. (Rn. 58 – 66) (redaktioneller Leitsatz)
6. Mit einem Pauschalbetrag von 2,00 EUR sind alle Aufwendungen im Zusammenhang mit der Fotoerstellung von Anschaffung der Kamera über fotografieren und technische Aufbereitung bis zum ersten Ausdruck abgegolten. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, Sachverständiger, Honorar, Abtretung, subjektbezogene Schadenberechnung, Markterforschung, Wirtschaftlichkeitsgebot, erfüllungshalber, an Erfüllungs statt, Honorarhöhe, Plausibilität, Preisvereinbarung, Nebenkosten, Fotokosten
Vorinstanzen:
AG Coburg, Beschluss vom 19.01.2022 – 17 C 3384/21
AG Coburg, Endurteil vom 19.01.2022 – 17 C 3384/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 07.02.2023 – VI ZR 137/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 45475
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 19.01.2022, Az. 17 C 3384/21, abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 77,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.08.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.10.2021 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 77,08 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht restliche Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 01.08.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Die alleinige Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Pkws ist unstreitig.
2
Der Geschädigte … beauftragte die Klägerin am 01.08.2018 mit der Erstellung eines Gutachtens zu dem durch den Verkehrsunfall entstandenen Schaden. Das Auftragsformular (Anlage K 1) enthält folgende „Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung“:
3
Ich weise hiermit die Versicherungsgesellschaft meines Unfallgegners an, die Rechnung für das vorstehend in Auftrag gegebene Gutachten, zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachtenkosten, an die … zu bezahlen. Weiter trete ich meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft an die … ab. Meine persönliche Haftung für die Gutachtenkosten bleibt trotz dieser Abtretung bestehen. Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt. Die Kosten für das Gutachten werden nach der derzeit geltenden Honorartabelle der … berechnet. Im Übrigen gelten für diesen Auftrag die beigefügten Geschäftsbedingungen.
4
Die Klägerin erstellte unter dem 02.08.2018 (Anlage K 2) ein Gutachten. Das Gutachten wies unstreitige notwendige Reparaturkosten von 1.599,65 € netto sowie eine unstreitige merkantile Wertminderung von 250,00 aus und enthielt eine Lichtbildanlage mit 13 Lichtbildern.
5
Für dieses Gutachten stellte die Klägerin am 02.08.2018 (Anlage K 3) insgesamt 576,08 € brutto in Rechnung, die sich wie folgt zusammensetzen:
Grundhonorar
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396,00 €
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Schreibkosten/Kopien
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21,00 €
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Porto-/Telefonkosten
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15,00 €
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Lichtbilder zum Original
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26,00 €
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Lichtbilder zum Duplikat
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6,50 €
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Fahrtkostenersatz 28 km × 0,70 €
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19,60 €
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484,10 €
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Mehrwertsteuer 19,0 %
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91,98 €
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Endbetrag
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576,08 €
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6
Die Klägerin machte die Rechnung gegenüber der Beklagten geltend, die am 23.08.2018 (Anlage K 11) einen Betrag von 499,00 € erstattete. Eine Zahlung des offenen Differenzbetrags von 77,08 € (= 576,08 € ./. 499,00 €) erfolgte trotz mehrerer Mahnungen der Klägerin bzw. des jetzigen Klägervertreters nicht.
7
Zwischen der Klägerin und dem Unfallgeschädigten … wurde eine weitere, von den Vertragsparteien am 19.10.2020 bzw. 20.10.2020 unterzeichnete Abtretungsvereinbarung (Anlage K 7) geschlossen.
8
Diese Abtretungserklärung lautet wie folgt:
„Der Auftraggeber/Zedent tritt hiermit seinen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber der Haftpflichtversicherung an die … Zessionarin ab und ermächtigt die …/Zessionarin diese Kosten gerichtlich geltend zu machen.“
9
Im Zeitpunkt der Abtretung erlischt der Anspruch der … auf Erfüllung ihres Werklohnanspruchs gegenüber dem Auftraggeber. Die Abtretung erfolgt somit ausdrücklich an Erfüllung statt.
10
Mit Schreiben vom 27.07.2021 (Anlage K 10) übersandte die Klägerin der Beklagten eine „letzte Mahnung“ über den offenen Betrag von 77,08 € mit Fristsetzung für die Zahlung zum 05.08.2021.
11
Mit Schreiben vom 16.08.2021 (Anlage K 11) forderte die Kanzlei des Klägervertreters die Beklagte unter Fristsetzung zum 30.08.2021 zur Zahlung des offenen Restbetrags von 77,08 € auf. Darüber hinaus wurde die Zahlung von Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 76,44 € aufgrund Verzugs verlangt. Bereits mit Schreiben des Klägervertreters vom 09.10.2018 (Anlage B 1) war die Zahlung gefordert worden.
12
Das Amtsgericht Coburg hat die Klage auf Zahlung restlichen Sachverständigenhonorars von 77,08 € und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 76,44 € mit Urteil vom 19.01.2022 abgewiesen und dies damit begründet, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, weil sowohl die Abtretungserklärung vom 01.08.2018 als auch die Abtretungserklärung vom Oktober 2020 unwirksam sei.
13
Die erste Abtretungserklärung vom 01.08.2018 sei unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. BGH vom 17.07.2018, VI ZR 277/17, VI ZR 274/17 und VI ZR 275/17) unwirksam. Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil aus der Klausel nicht klar und deutlich hervorgehe, welche Rechte dem Geschädigten gegenüber dem Sachverständigen zustehen, wenn der Sachverständige nach erfolgter Abtretung den ihm zustehenden vertraglichen Honoraranspruch gegen den Geschädigten geltend mache. Zwar sei hier im Gegensatz zur zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überhaupt keine Regelung dazu getroffen, welche Rechte dem Geschädigten in diesem Fall zustünden. Damit sei aber intransparent oder gar nicht die Frage geregelt, was mit der abgetretenen Schadensersatzforderung im Falle der Inanspruchnahme des Geschädigten selbst geschehen solle. Darüber hinaus sei die Klausel auch unwirksam, weil die in der Abtretungserklärung enthaltene „Anweisung“, den Forderungsbetrag aus der Rechnung unmittelbar an den Sachverständigen zu bezahlen, die Gefahr einer die Schadensposition Sachverständigenkosten übersteigenden Tilgung begründe. Daher sei die Regelung überraschend im Sinne von 305 c Abs. 1 BGB und stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.
14
Das Amtsgericht hat weiter ausgeführt, dass auch die Abtretungserklärung vom Oktober 2020 unwirksam sei, weil die Klausel widersprüchlich und damit nicht klar und verständlich im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei. Der erste Teil der Erklärung enthalte eine Abtretung, der zweite Teil eine Ermächtigung. Die Klausel sei daher nicht eindeutig dahingehend, ob der Verfügende seine Rechtsposition vollumfänglich aufgebe oder nicht. Dementsprechend könne der Vertragspartner seine Rechte und Pflichten dem Vertragstext nicht hinreichend bestimmt entnehmen. Die Klausel sei damit intransparent und unwirksam. Der zweite Absatz der Klausel, aus dem sich ergebe, dass mit der Abtretung der Werklohnanspruch des Geschädigten gegenüber der Klägerin erfüllt sein solle bzw. erlösche, und die Formulierung, dass die Abtretung an Erfüllungs statt erfolge, ändere an der Beurteilung nichts. Eine einmal intransparent geregelte Vereinbarung werde nicht dadurch wirksam, dass weitere Erklärungen die ein oder andere Auslegung vermuten lassen.
15
Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen.
16
Gegen dieses ihrem Rechtsvertreter am 20.01.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.01.2022, beim Landgericht eingegangen am 31.01.2022, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 14.02.2022, bei Gericht eingegangen am 15.02.2022, begründet.
17
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung den erstinstanzlichen Zahlungsanspruch auf restliche Sachverständigenkosten und außergerichtliche Anwaltskosten vollumfänglich weiter. Sie ist der Auffassung, dass bereits die erste Abtretung wirksam sei, weil die streitgegenständliche Klausel nicht mit der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2018 vergleichbar sei und eine ausdrückliche Regelung zu den Rechten des Geschädigten nach Inanspruchnahme durch den Sachverständigen nicht erforderlich sei. Die zweite Abtretung sei als für den Geschädigten günstige Abtretung an Erfüllung statt ebenfalls wirksam. Im Übrigen seien die abgerechneten Sachverständigenkosten – Grundhonorar und Nebenkosten – angemessen. Nachdem sich die Beklagte mit der Zahlung in Verzug befunden habe, seien auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung zu erstatten.
18
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Coburg vom 19.01.2022, Az. 11 C 3384/21 verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 77,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.08.2021 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 76,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
19
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen und die Revision zuzulassen.
20
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält beide Abtretungen für unwirksam, sodass die Aktivlegitimation der Klägerin fehle. Es sei zwingend eine Regelung zu den Rechten des Zedenten bei persönlicher Inanspruchnahme durch den Sachverständigen nötig. Ohne eine solche Regelung sei die erste Klausel unvollständig und intransparent. Die zweite Abtretung sei wegen der widersprüchlichen Formulierungen zu Abtretung und Ermächtigung ebenfalls unwirksam. Darüber hinaus ist die Beklagte der Meinung, dass die abgerechneten Kosten überhöht seien. Die Klägerin könne zudem nur die Preise aus der Honorartabelle K 4 und keine Mehrwertsteuer verlangen, da dem Kunden Endpreise zu nennen seien. Die Schreib- und Kopiekosten seien überhöht, eine Pauschale für Schreib- und Kopiekosten sei unüblich, eine physische Ausfertigung des Gutachtens sei weder erstellt noch versandt worden. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien schon mangels Verzug nicht zu ersetzen. Sie seien auch keine Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung und zudem überhöht.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze, das erstinstanzliche Urteil und die Sitzungsniederschrift vom 18.03.2022 Bezug genommen.
22
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und hat auch in der Sache fast vollumfänglich Erfolg.
23
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 77,08 € und einen eigenen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 €, §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 286, 398 BGB.
24
1) Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da mit der Abtretungserklärung vom 01.08.2018 die Schadensersatzforderung auf Zahlung der Sachverständigenkosten vom Geschädigten … wirksam an die Klägerin abgetreten wurde.
25
Auf die fehlende Aktivlegitimation kann sich die Beklagte trotz teilweiser vorgerichtlicher Schadensregulierung noch berufen. Die teilweise Zahlung stellt kein Anerkenntnis der Anspruchsberechtigung der Klägerin dar (BGH vom 17.07.2018, VI ZR 274/17). Daher ist die Wirksamkeit der Abtretung(en) zu prüfen.
26
Dass die Klägerin sich in der ersten Instanz ausdrücklich auf die wirksame Abtretung aufgrund der zweiten Abtretung berufen hat, hindert die Prüfung der ersten Abtretung nicht. Zum einen handelt es sich um reine Rechtsausführungen im Laufe des amtsgerichtlichen Verfahrens, zum anderen würde die zweite Abtretung bei wirksamer erster Abtretung ins Leere gehen, sodass das Gericht jedenfalls inzident prüfen müsste, ob die erste Abtretung wirksam war.
27
Die entsprechende Klausel „Zahlungsanweisung und Abtretungsvereinbarung“ (Anlage K 1) wurde wirksam in den Vertrag einbezogen und hält auch als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle stand.
28
Die Regelung ist weder intransparent noch unangemessen benachteiligend im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und auch nicht überraschend im Sinne von § 305 c BGB.
29
a) Die Klausel ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Coburg und der Beklagten nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in den Urteilen vom 17.07.2018, VI ZR 274/17 bis 278/17, unwirksam.
30
In diesen Urteilen hatte der Bundesgerichtshof beanstandet, dass sich aus der Klausel nicht hinreichend deutlich ergebe, welche Rechte dem Unfallgeschädigten bei Geltendmachung des vertraglichen Honoraranspruchs gegenüber dem Sachverständigen zustehen.
31
Die vorliegende Klausel unterscheidet sich allerdings in zwei Punkten wesentlich von der den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Klausel und ist damit nicht mit dem dort entschiedenen Fall vergleichbar.
32
Zum einen sah die Regelung in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen in demselben Formular, in dem der Auftraggeber seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars an den Gutachter abgetreten hat, eine Weiterabtretung des Schadensersatzanspruchs an einen Dritten, nämlich eine Verrechnungsstelle, vor. Diese Weiterabtretung begründete für den unfallgeschädigten Auftragsgeber eine spezifische Gefährdungslage, da er das Honorar an den Gutachter zahlen muss, ohne die Gewähr zu haben, den Schadensersatzanspruch zurückzuerlangen, der bereits weiter abgetreten war. Diese Konstellation liegt hier nicht vor.
33
Zum anderen enthielt die vom Bundesgerichtshof zu beurteilende Klausel eine für den Vertragspartner des Verwenders schwer verständliche Formulierung, der zufolge der Sachverständige im Gegenzug zu der direkten Inanspruchnahme des Auftraggebers Zug-um-Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern „verzichtet“. Diese Formulierung verschleierte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Rechte des Auftraggebers gegenüber dem Sachverständigen im Falle einer direkten Inanspruchnahme. Die hier vorliegende Klausel verhält sich demgegenüber zur Zug-um-Zug-Frage und etwaigen Gegenrechten des Geschädigten im Falle der direkten Inanspruchnahme nicht.
34
Dies führt jedoch nach Ansicht der Kammer nicht zur Intransparenz und Unwirksamkeit der vorliegenden Regelung. Die vom Bundesgerichtshof am 17.07.2018 in verschiedenen Urteilen zu bewertende Klausel war deswegen intransparent, weil die Regelung umständlich und schwer verständlich war und einen „Verzicht“ des Sachverständigen Zug um Zug gegen Erfüllung enthielt. Wenn – wie hier – eine Regelung fehlt, wird nichts verschleiert. Die Formulierung, dass die Abtretung nicht an Erfüllungs statt erfolgt, bedeutet im konkreten Fall nichts anderes als eine Abtretung erfüllungshalber. Genau dies ist durch den vorhergehenden Satz, dass die persönliche Haftung, d.h. der vertragliche Honoraranspruch, bestehen bleibt, erklärt. Die Abtretung erfüllungshalber bedeutet in der Regel eine fiduziarische Vollrechtsübertragung ähnlich einer Sicherungsübereignung (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Auflage, 2020, Rdnr. 7 zu § 364). Führt die erfüllungshalber vorgenommene Abtretung nicht zur Befriedigung des Zessionars, dann impliziert dieses treuhänderische Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar, dass der von Zessionar (Sachverständigen) direkt in Anspruch genommene Zedent (Unfallgeschädigter) nur Zug um Zug gegen Rückabtretung des Schadensersatzanspruchs gegen den Unfallgegner zu leisten hat.
35
Bewertungsmaßstab in objektiver Hinsicht ist das geltende Recht, von dem ggf. durch eine Klausel abgewichen werden soll. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, da von der Rechtslage nicht abgewichen wird. Streitpunkt ist vielmehr, dass Rechtsfolgen nicht erläutert werden. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender aber gerade nicht dazu, jede Klausel gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.1990, Az. XI ZR 275/89, BGH NJW 2014, 897, und LG Hamburg, Urteil vom 21.08.2020, Az. 306 S 6/20). Es besteht keine allgemeine Belehrungspflicht über das Gesetz oder das sonstige objektive Recht oder gängige Rechtsbegriffe (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.1996, Az. XI ZR 257/94). Mit diesen in den genannten Entscheidungen vom 10.07.1990 und 14.05.1996 enthaltenen Grundsätzen hat sich der Bundesgerichtshof am 17.07.2018 angesichts der umfangreichen, verwirrenden und schwer verständlichen Regelung in der zu beurteilenden Klausel nicht auseinandersetzen müssen, aber damit auch keine Abwendung von dieser Rechtsprechung erklärt. Der BGH hat in Rdnr. 12 des Urteils vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, und in den Parallelfällen ausdrücklich festgestellt, dass der Geschädigte auch ohne ausdrückliche Regelung nur Zug um Zug gegen Rückabtretung des Schadensersatzanspruches zur Zahlung an den Sachverständigen verpflichtet gewesen wäre. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es „für die Frage der Transparenz der im Streitfall zu beurteilenden Klausel“ auf dieses selbstverständlich bestehende Recht nicht ankomme. Aus den weiteren Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur „missglückten“ Formulierung der Klausel ist zu entnehmen, dass sich die Intransparenz aus Umfang und Wortwahl der Klausel ergibt. Damit wurde aber gerade nicht die Forderung aufgestellt, dass eine einschlägige AGB-Klausel immer auch Ausführungen zu den Rechten des Geschädigten enthalten müsse. Der Entscheidung kann nur entnommen werden, dass eine tatsächlich niedergeschriebene Regelung transparent sein muss. Der Verwender muss sich Missverständnisse, Unklarheiten und Fehldeutungen zurechnen lassen, wenn er diese Gefahr durch eine unklare oder mehrdeutige Klauselgestaltung selbst geschaffen hat. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass aus den Entscheidungen vom 17.07.2018 der zwingende Schluss zu ziehen ist, dass eine Klausel „erst recht“ unwirksam ist, wenn sie überhaupt keine Regelung zur Rückübertragung enthält. Der anderslautenden Ansicht des Oberlandesgerichts Bamberg im Urteil vom 13.10.2020, 5 U 95/19 (zugrundeliegend Landgericht Coburg 11 O 321/18), vermag die Kammer nicht zu folgen und schließt sich der Auffassung der Landgerichte Augsburg (Urteil vom 18.11.2020, 572 S 3229/19), Nürnberg-Fürth (Urteil vom 29.05.2020, 8 S 112/20), Rottweil (Urteil aufgrund Sachstand vom 29.01.2021, 1 S 83/20) und Frankfurt a. Main (Urteil vom 15.01.2021, 2-16 S 69/20) zur Wirksamkeit der konkreten Klausel an.
36
Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2020 (VI ZR 135/19) steht dem nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat dort lediglich ausgeführt, dass eine in Anlehnung an das Regelungsregime nach § 273 Abs. 1 BGB in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene vertragliche Regelung nach Maßgabe der obigen Grundsätze klar und verständlich sein müsse. Problematisch war in dieser Regelung, dass der Zeitpunkt, wann der Geschädigte den Schadensersatzanspruch zurückerhalten sollte, nicht klar geregelt war. Diese Konstellation liegt hier nicht vor.
37
b) Bei der streitgegenständlichen „Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung“ handelt es sich auch nicht um eine überraschende Klausel, die gemäß § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil werden könnte. Es ist nicht ungewöhnlich oder überraschend, dass ein Geschädigter zur Sicherung des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs im Rahmen des Auftrags zur Gutachtenerstattung seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung abtritt (vgl. BGH, Urteil vom 21.06.2016, Az. VI ZR 475/15).
38
c) Die Klausel ist auch nicht überraschend und unangemessen benachteiligend im Sinne von §§ 305 c, 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB wegen der in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Zahlungsanweisung.
39
Der Bundesgerichtshof hat in den oben genannten Entscheidungen vom 17.07.2018 offengelassen, ob die Klausel (auch) wegen einer überraschenden Regelung insoweit unwirksam sein könnte. Es besteht im vorliegenden Fall jedoch nicht die in der BGH-Entscheidung vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, dargestellte mögliche Gefahr einer überschießenden Tilgungswirkung. Im vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall war die Anweisung dahingehend ausgestaltet, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den Rechnungsbetrag des Sachverständigen an die Klägerin zahlen sollte, so dass die Gefahr einer überschießenden Tilgungswirkung bestand, wenn die von der Haftpflichtversicherung beglichene Honorarforderung nicht in voller Höhe einen erstattungsfähigen Schaden im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darstellt. Dies könnte zu einer die Schadensersatzposition Sachverständigenkosten übersteigenden Tilgung des Schadensersatzanspruches des Geschädigten führen, womit er nicht rechnen muss, sodass für ihn die Klausel überraschend und unangemessen benachteiligend sein könnte.
40
In der hier vorliegenden Formulierung besteht diese Gefahr jedoch nicht. Während in der vom BGH zu entscheidenden Klausel hinsichtlich der Zahlungsanweisung keine Einschränkung enthalten war, ist die Anweisung vorliegend nur darauf gerichtet, dass der Versicherer des Unfallgegners angewiesen wird, die Rechnung für das Schadensgutachten „zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachtenkosten“ zu bezahlen. Das heißt, dass die Zahlungsanweisung ausdrücklich nur zum Zwecke der Erfüllung der Schadensposition Gutachterkosten erfolgt. Deshalb kann ein Tilgungswille der gegnerischen Haftpflichtversicherung über die im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erstattungsfähigen Sachverständigenkosten hinaus mit etwaigen nachteiligen Auswirkungen für den Geschädigten hier gerade nicht angenommen werden.
41
2) Obwohl es hierauf aus Sicht der Kammer nicht (mehr) ankommt, ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass auch die Abtretungserklärung vom 19./20.10.2020 (Anlage K 7) nach Ansicht des Gerichts wirksam wäre.
42
Die Wirksamkeit der Abtretung scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daran, dass ein Anspruch gegen die … und damit eine andere … als die Beklagte abgetreten wurde. Die falsche Bezeichnung der Versicherungsgesellschaft ist unschädlich. Dem Unfallbeteiligten sind die einzelnen … im Einzelnen vermutlich unbekannt. So wurde bei der ersten Abtretung auch nur der Anspruch gegen die … abgetreten. Maßgebend ist die Bestimmbarkeit der Forderung, die abgetreten wird. Dies ist hier der Schadensersatzanspruch aus einem bestimmten Unfall gegen die Versicherung. Durch Angabe des Schadentages, Schadenortes, Unfallgegners, dessen Kfz-Kennzeichen und Versicherungsnr. sowie der Schadennummer der Beklagten in der Abtretungserklärung Anlage K 7 ist eine ausreichende Bestimmbarkeit gewährleistet.
43
Die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Klausel wegen Widersprüchlichkeit und damit Intransparenz unwirksam sei, vermag die Kammer nicht zu teilen. Zunächst ergibt sich aus der Überschrift und auch dem 2. Absatz der Klausel eindeutig, dass die Forderung abgetreten wird. Diese Abtretung erfolgt ausdrücklich an Erfüllungs statt. Dies bedeutet, dass die Klägerin die Abtretung des Schadenersatzanspruchs anstelle der Zahlung des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs gegenüber dem Geschädigten/Auftraggeber als Erfüllung annimmt. Die Klägerin allein trägt somit das Risiko, dass die Haftpflichtversicherung nicht oder nicht vollständig leistet. Sie hat keine Möglichkeit, sich im Falle einer unterbleibenden oder nur teilweise erfolgenden Zahlung wieder an den Zedenten (Unfallgeschädigten) zu wenden. Der Geschädigte trägt keinerlei Risiken oder Ungewissheit, wird vielmehr endgültig von seiner Leistungspflicht befreit. Die Formulierung, dass die Klägerin zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung ermächtigt wird, führt nach Ansicht der Kammer nicht zur Widersprüchlichkeit und damit zu Unwirksamkeit der Klausel führender Intransparenz. Es ist zwar zutreffend, dass aus rein juristischer Sicht nach einer Abtretung eine Ermächtigung nicht mehr erforderlich ist. Der juristische Laie wird die Worte Abtretung und Ermächtigung jedoch kaum als Widerspruch sehen, sondern die Ermächtigung vielmehr als Folge, Klarstellung und Bestätigung der Abtretungswirkung begreifen, dass nämlich der Abtretungsempfänger nunmehr vor Gericht ziehen kann, wenn er das möchte. So sieht auch der deutsche Duden als Synonym für ermächtigen u.a. die Begriffe „berechtigen“ und „legitimieren“. Die Erteilung einer reinen Prozessführungsbefugnis, die man in dem Wort „ermächtigen“ aus Juristensicht sehen könnte, wäre nicht mit der zuvor erklärten Abtretung verbunden.
44
Dass die Klägerin nach Angaben der Beklagten mittlerweile eine andere Abtretungserklärung ohne Ermächtigung (vgl. Anlage BE 1) verwenden soll, ist für die Beurteilung nicht relevant. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagten vorgelegte Erklärung nicht von der Klägerin, sondern von der … stammt. Zum anderen ist es üblich, dass die Formulierungen angepasst werden, um Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Dies besagt jedoch nichts über die Wirksamkeit des vorherigen Klauselwortlauts.
45
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind die beiden Absätze der Klausel nicht völlig isoliert zu betrachten. Bei jeder AGB-Klausel ist die Regelung auch im Gesamten zu betrachten und dabei die im Sinne des Verbraucherschutzes für den Verbraucher/Kunden günstigste Auslegung heranzuziehen. Dies kann in diesem Fall allein zum Ergebnis führen, dass durch eine Abtretung an Erfüllungs statt der Unfallgeschädigte von der Leistungspflicht befreit wird. Nur dies entspricht den Interessen und dem Verständnis eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden.
46
Die von der Beklagten vorgetragene Auslegung, dass die Klausel dahingehend zu verstehen ist, dass der abgetretene Schadensersatzanspruch gegen die Haftpflichtversicherung mit der Abtretung erlischt, ist aus Sicht der Kammer abwegig. Mit Absatz 2 Satz 1 der Abtretungserklärung soll erkennbar nur zum Ausdruck gebracht werden, dass mit der Abtretung die Erfüllungswirkung hinsichtlich des vertraglichen Honoraranspruchs der Klägerin gegenüber dem Auftraggeber eintritt. Damit ist nichts anderes als die gesetzliche Wirkung einer Abtretung an Erfüllungs statt beschrieben. Dies wird auch durch die Bezugnahme im nächsten Satz, dass die Abtretung somit ausdrücklich an Erfüllungs statt erfolge, nochmals unmissverständlich klargestellt. Keinesfalls bedeutet dies, dass der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen die Versicherung erlischt. Unabhängig von den rechtlichen Gegebenheiten würde eine solche Interpretation eine durch nichts begründete Begünstigung der Schädigerseite bedeuten.
47
Soweit die Beklagte vorträgt, dass die Abtretung K 7 auch unwirksam sein könnte, weil die Gefahr bestünde, dass nur der Anspruch auf Zahlung der reinen Sachverständigenkosten, nicht aber der von diesem berechneten Fremdkosten, z.B. Kosten für EDV-Abruf und EDV-Fahrzeugbewertung, erloschen sei, und somit der Geschädigte auf diesen Kosten sitzenbleiben könne, vermag die Kammer diese Auffassung nicht zu teilen. Unabhängig davon, dass im konkreten Fall solche vermeintlichen Fremdkosten gar nicht im Raum stehen, sind mit der Abtretung an Erfüllungs statt die Ansprüche aus der in der Abtretungserklärung mit Angabe der Rechnungsnummer in Bezug genommenen konkreten Sachverständigenrechnung (Anlagen K 3, K 7) erloschen. Eventuelle Fremdkosten wären Teil dieser Rechnung.
48
3) Die Sachverständigenkosten stellen in der eingeklagten Höhe einen erstattungsfähigen Schaden dar.
49
Zu den ersatzfähigen Kosten der Wiederherstellung im Sinne von § 249 BGB gehören grundsätzlich auch die Kosten für ein Schadensgutachten, sofern das Gutachten zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs – wie hier unstreitig – erforderlich und zweckmäßig ist.
50
Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Er kann jedoch vom Schädiger nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Der Geschädigte ist allerdings grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Es ist auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Geschädigte ist daher zwar nicht zur Marktforschung, aber unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsschluss geforderten bzw. später berechneten Preise verpflichtet (BGH, Urteil vom 29.10.2019, VI ZR 104/19). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, NJW 2014, 3151 ff.).
51
Im Fall einer Preisvereinbarung – wie hier – kann der Geschädigte demnach Ersatz der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle bei Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren.
52
Der tatsächliche Aufwand gibt ex post gesehen einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages, da sich in ihm regelmäßig die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten niederschlagen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2019, VI ZR 315/18, Urteil vom 01.06.2017 – VII ZR 95/16). Seiner ihn im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte deshalb regelmäßig durch die Vorlage der Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen, soweit diese von ihm beglichen wurde (u.a. BGH Urteil vom 17.12.2019, VI ZR 315/18, Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16). Die Zahlung einer Rechnung ist typischerweise das wesentliche Indiz für die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten und dafür, dass er die Kosten für erforderlich und angemessen hielt. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Die Rechnung ist nicht gezahlt. Eine der beglichenen Rechnung vergleichbare Indizwirkung tritt bei der Abtretung der Schadensersatzforderung an den Sachverständigen nicht ein. Abgesehen davon, dass regelmäßig die Abtretung bereits mit dem Gutachtenauftrag, also vor Kenntnis der endgültigen und genauen Honorarforderung erfolgt, stellt die Entscheidung für eine Abtretung, mit der der Geschädigte eine Erfüllung der Honorarforderung des Sachverständigen ohne seinen eigenen finanziellen Beitrag anstrebt und die ihn deshalb nicht unmittelbar selbst belastet, keinen der Zahlung vergleichbaren Hinweis auf seine beschränkten Erkenntnismöglichkeiten dar (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.2019, VI ZR 104/19). Das Interesse des Geschädigten an der Prüfung der Forderungshöhe ist gering, wenn er darauf vertraut und vertrauen kann, dass sie von einem Dritten bezahlt wird. Daher stellt nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des erforderlichen Herstellungsaufwands dar. Dies gilt auch bei Abtretung der Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten (BGH, Urteile vom 05.06.2018, VI ZR 171/16 und VI ZR 185/16). Demnach ist die Angemessenheit der Honorarvereinbarung bzw. des abgerechneten Preises vom Gericht zu prüfen.
53
Bei der Frage, wann von erkennbar überhöhten Preisen auszugehen ist, ist keine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, sondern auf die vom Sachverständigen veranschlagten jeweiligen Einzelpositionen (Grundhonorar und Nebenkosten) abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.2017, VI ZR 61/17).
54
a) Im vorliegenden Fall wurde eine konkrete Honorarvereinbarung entsprechend der Anlage K 4 getroffen.
55
Anhaltspunkte für eine unwirksame Einbeziehung aus AGB-Gesichtspunkten sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
56
Aus Sicht der Kammer ergibt sich auch ohne Weiteres, dass bei der Abrechnung eines Unfallschadens gegenüber einer Haftpflichtversicherung ein Gutachten mit Kalkulation (= Stufe 1 der Honorartabelle) vereinbart wurde, ohne dass dies ausdrücklich im Auftrag zur Gutachtenerstellung genannt ist. Durch die 3 Spalten in der Honorartabelle wird kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für den Sachverständigen gemäß § 315 Abs. 1 BGB begründet, was eventuell zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung führen könnte.
57
Aus der in der Auftragserteilung in Bezug genommenen Honorartabelle, deren Kenntnis oder Zurverfügungstellung nicht im Streit sind, ergeben sich die konkreten Zahlen, sodass dem Geschädigten bei Abschluss der Honorarvereinbarung eine Beurteilung der Plausibilität derselben ohne Weiteres möglich war. Wenn Honorare für Schadengutachten vereinbart werden, erschließt sich auch ohne Weiteres, dass Bemessungsgrundlage der Schaden, d. h. in der Regel die Reparaturkosten, ist. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von dem in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.10.2019, wo keine Zahlen genannt wurden, sodass die Angemessenheit der abgerechneten Tabellenwerte im hier zu entscheidenden Fall geprüft werden kann.
58
b) Das abgerechnete Grundhonorar von 396,00 € ist erstattungsfähig und nicht überhöht.
59
Maßstab für die Höhe des ersatzfähigen Schadens ist allein der nach § 249 Abs. 2 BGB erforderliche Geldbetrag. Die Berechnung des Sachverständigenhonorars in Form eines Grundhonorars abhängig von der Schadenshöhe ist allgemein anerkannt. Die Kammer hat sich bei der Überprüfung der Angemessenheit/Überhöhung der Abrechnung zunächst an der … Honorarbefragung orientiert, um anhand dieser Feststellungen eine Entscheidung zur Frage der erkennbar deutlichen Überhöhung und dem zu erstattenden Betrag im Rahmen des dem Gericht nach § 287 ZPO zukommenden Schätzungsermessens zu treffen. Die … Befragungen sind in der Rechtsprechung als Schätzgrundlage allgemein anerkannt. Die Kammer hält die Befragungen betreffend das Grundhonorar für repräsentativ genug und ausreichend aussagekräftig. Im Übrigen orientiert sich auch die Beklagte bei der Erstellung ihres eigenen, der Kammer aus verschiedenen anderen Verfahren bekannten … an den Ergebnissen der … Befragung. So ist in dem ab 01.03.2019 verwendeten Beklagten-Tableau beispielsweise ausdrücklich ausgeführt, dass die Honorarsätze bis zu einem Schaden von 30.000,- € dem arithmetischen Mittel der Honorargruppen II und IV der … Befragung 2018 entsprechen.
60
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 01.08.2018. Die …-Liste 2015 war die zum Unfallzeitpunkt vorliegende Tabelle. Die … Befragung 2018 wurde im November 2018 herausgegeben und beruht auf Befragungen der Sachverständigen zur Abrechnungspraxis zwischen März und Oktober 2018, also auch zum Unfallzeitpunkt. Es sind somit auch die Werte der … Befragung 2018 bei der Beurteilung der Angemessenheit des Honorars in die Überlegungen einzubeziehen.
61
Der Bundesgerichtshof hat eine Schätzung des erforderlichen Grundhonorars durch Bildung des arithmetischen Mittels des HB V-Korridors der zum Zeitpunkt der Auftragserteilung aktuellen …-Umfrage im Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16, ausdrücklich gebilligt. Diese Beträge legt das erkennende Gericht im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO zugrunde. Zwar wird im Landgerichtsbezirk Coburg die übliche, geschätzte Vergütung häufig dem arithmetischen Mittel von HB II und IV entnommen. Die Schätzpraxis der Gerichte ist aber sehr unterschiedlich. Teilweise wird die Erstattungsfähigkeit generell von HB III, teilweise der Mittelwerte aus verschiedenen Honorarbereichen und teilweise des Höchstwerts aus HB V (vgl. LG Köln, BeckRS 2020, 2966) angenommen. Zu berücksichtigen ist auch, dass bzgl. der Ortsüblichkeit/Angemessenheit auf den Ort des Unfalls bzw. Geschädigten und nicht den Sitz des erkennenden Gerichts abzustellen ist, was mit einer Vielzahl von Unwägbarkeiten behaftet ist. Die Kammer ist unter Berücksichtigung all dessen der Auffassung, dass jedenfalls der Mittelwert aus dem Honorarkorridor HB V, in dem 50-60 % und damit jedenfalls mindestens die Hälfte der Sachverständigen abrechnen, ein tauglicher Schätzwert ist.
62
Bei unstreitig zugrunde zu legenden Netto-Reparaturkosten von 1.599,65 € zzgl. ebenfalls unstreitigem merkantilen Minderwert von 250,00 €, zusammen 1.849,50 €, betragen im Honorarkorridor V
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das arithmetische Mittel
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der Höchstbetrag
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nach der
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Liste 2015
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379,50 €
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397,00 €
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nach der
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Liste 2018
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408,50 €
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426,00 €.
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63
Das vom Sachverständigen berechnete Grundhonorar beträgt vorliegend entsprechend der unstreitigen Reparaturkosten und der Wertstufe „bis 2.000,00 €“ nach der Honorartabelle (Anlage K 4) 396,00 €.
64
Bei Zugrundlegung der …-Liste 2018 liegt das Grundhonorar mit 396,00 € jedenfalls unter dem arithmetischen Mittelwert von 408,50 €.
65
Bei Zugrundelegung der Zahlen aus der …-Befragung 2015 liegt das angesetzte Grundhonorar von 396,00 € um 16,50 € über dem Mittelwert. Dass diese geringe Abweichung für den Geschädigten bei der Gesamthöhe nicht erkennbar war, liegt auf der Hand.
66
Bei Geltendmachung in eigener Person bestünde der Ersatzanspruch insoweit jedenfalls in voller Höhe.
67
c) Die vorgenannten Grundsätze gelten auch bei der Abtretung der Forderung auf Ersatz der Sachverständigenkosten. Im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ist zunächst allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Unfallgeschädigten abzustellen, denn der Zessionar – hier die Klägerin – erwirbt die Forderung in der Form, wie sie zuvor in der Person des Zedenten (Unfallgeschädigten) bestanden hat (BGH, Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875; Urteil vom 19.07.2016, VI ZR 491/15).
68
An der Erstattungsfähigkeit ändert sich somit im konkreten Fall nichts allein dadurch, dass nicht der Unfallgeschädigte selbst, sondern der Sachverständige, an den der Schadensersatzanspruch abgetreten wurde, klagt.
69
Die Beklagte kann der Klägerin im konkreten Fall aber auch nicht im Rahmen des dolo-agit-Einwands eine überhöhte Abrechnung mit der Folge der Reduzierung des Anspruchs entgegenhalten.
70
Der Haftpflichtversicherer könnte dem klagenden Sachverständigen Schadensersatzansprüche entgegenhalten, die aufgrund der Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten im Zusammenhang mit einem vereinbarten Honorar entstehen, wenn dieses Honorar deutlich überhöht war.
71
Der Geschädigte gerät in der Regel unversehens und erstmalig in die Situation, rasch einen Sachverständigen zur Begutachtung von Unfallschäden zu benötigen. Er verfügt nur über begrenzte Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten und ist zur Erforschung des Markts zwecks Beauftragung eines möglichst preisgünstigen Gutachters auch nicht verpflichtet (u.a. BGH, Urteil vom 17.12.2019, VI ZR 315/18). Dagegen stehen dem Sachverständigen, wenn er über die übliche Sachverständigenvergütung nicht ohnehin schon im Bilde ist, sehr wohl entsprechende Erkenntnismöglichkeiten offen. Zwischen ihm und dem Auftraggeber herrscht ein Informationsgefälle, weshalb ihn bei deutlich über dem ortsüblichen Honorar liegender Abrechnung aus Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht dahingehend trifft, dass der Haftpflichtversicherer des Gegners das Honorar möglicherweise nicht in voller Höhe erstatten wird (BGH, Urteil vom 01.06.2017, VII ZR 95/16). Eine Verletzung dieser Nebenpflicht löst Schadensersatzansprüche aus. Daher kann der Haftpflichtversicherer des Geschädigten dem Sachverständigen gemäß § 242 BGB die dolo-agit-Einrede entgegenhalten, soweit sich das von ihm geforderte Sachverständigenhonorar als deutlich überhöht erweist (BGH a.a.O.). Hieraus folgt jedoch zugleich, dass nicht jede über dem üblichen Marktpreis liegende Honorarvereinbarung dem Sachverständigen eine Aufklärungspflicht auferlegt. Der Bundesgerichtshof hat eine solche ausdrücklich auf die Fälle deutlicher Überhöhung beschränkt. Das ist aus Sicht der Berufungskammer auch zutreffend. Das allgemein anerkannte und von vornherein feststehende erforderliche Grundhonorar gibt es nicht. Die Ermittlung des ortsüblichen Preises ist mit zahlreichen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten behaftet und führt regelmäßig weniger zu einem exakten Wert als vielmehr zu einer gewissen Bandbreite (BGH a.a.O.). Solange sich der Sachverständige mit seinem Honorar innerhalb dieses Spielraums bewegt, kann ihn auch keine Verpflichtung treffen, den Geschädigten auf eine Überhöhung hinzuweisen, selbst wenn das Gericht in einem eventuellen Rechtsstreit später einen leicht geringeren Betrag als angemessen einstufen sollte. Grund der Auskunftspflicht ist die Gefahr einer nicht vollständigen Regulierung durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer. Diese muss sich dem Sachverständigen aber nur bei einer deutlichen Überhöhung aufdrängen. Ob sich der Versicherer an Umfragen orientiert oder eigene Tabellen heranzieht, deren Inhalt ihm nicht bekannt ist, weiß er nicht. Sollte er die … Befragung zugrunde legen, weiß er nicht, welchen Betrag aus der dortigen Bandbreite die Versicherung noch akzeptiert. Bei nur geringfügigen Überschreitungen besteht ein Kenntnisvorsprung des Sachverständigen damit nicht.
72
Nach diesen Maßstäben traf den Sachverständigen vorliegend keine Aufklärungspflicht und damit auch keine Schadensersatzpflicht in Form der Reduzierung seines Anspruchs. Wo die Grenze für eine deutliche Überhöhung der Honorarforderung liegt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Jedenfalls bei einer Honorarforderung, die ca. 60 % über dem ortsüblichen Satz liegt, soll von einer solchen auszugehen sein (BGH a.a.O.). Vorliegend war das Grundhonorar aber keinesfalls deutlich überhöht, ohne dass eine exakte Grenzziehung erforderlich wäre. Es bewegte sich, wie bereits ausgeführt, jeweils im Rahmen des Honorarkorridors V aus den … Befragungen 2015 und 2018. Selbst bei Zugrundelegung der …-Befragung 2015 liegt das Grundhonorar von 396,00 € jedenfalls noch im Rahmen des Honorarkorridors V, wenn auch an der oberen Grenze (397,00 €). Ausgehend vom arithmetischen Mittel aus dem Honorarkorridor V von 379,50 € lag das geforderte Grundhonorar von 396,00 € nur um 16,50 € oder 4,3 % über diesem Betrag. Bei einer solch geringen Überschreitung kann von einer deutlichen Überhöhung jedenfalls nicht ausgegangen werden, wenn dem Merkmal der „Deutlichkeit“ überhaupt noch eigenständige Bedeutung zukommen soll. Um auf der sicheren Seite zu sein, müsste ein Sachverständiger ansonsten immer darüber belehren, dass die Versicherung vielleicht nicht vollständig zahlen wird.
73
Demnach ist das der Honorartabelle entnommene Grundhonorar von 396,00 € erstattungsfähig.
74
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass ein Gesamthonoraranspruch nur in Höhe von 484,10 € besteht, meint sie damit offenbar die Summe aus 396,00 € Grundhonorar und 68,50 € Nebenkosten netto aus der Rechnung der Klägerin (Anlage K 3). Es gilt insoweit für die Erkennbarkeit einer Überhöhung und eine Hinweis- bzw. Schadensersatzpflicht des Sachverständigen das oben Ausgeführte.
75
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei der Beurteilung der Angemessenheit der Rechnung zwischen dem Grundhonorar und den Nebenkosten zu unterscheiden und nicht lediglich ein Gesamtvergleich der abgerechneten oder „abrechnungsfähigen“ Beträge vorzunehmen. Denn während der Geschädigte in der Regel mangels technischer Expertise keine oder nur wenig Erkenntnismöglichkeiten zur Angemessenheit des Grundhonorars hat, handelt es sich bei den Nebenkosten wie Fotokosten, Kopierkosten und Fahrtkosten um Kosten des täglichen Lebens, mit denen ein Unfallgeschädigter auch sonst in Kontakt kommt und deren Angemessenheit und Üblichkeit er auch ohne besondere Sachkunde oder Hinweis des Sachverständigen abschätzen kann. Der wirtschaftlich denkende, vernünftige Geschädigte weiß, dass mit den Nebenkosten nur der tatsächliche Aufwand für die Erstellung dieser Positionen abgegolten werden soll (BGH, Urteil vom 24.10.2017, VI ZR 61/17).
76
Hinsichtlich der Nebenkosten hat der Geschädigte mit Vereinbarung der Preise in der Honorartabelle K 4 ebenfalls eine konkrete Preisabsprache getroffen. Auch diese hält wie das vereinbarte Grundhonorar der Prüfung stand.
77
Zur Frage der Angemessenheit oder Überhöhung der ortsüblichen Nebenkosten orientiert sich die Kammer ebenso wie beim Grundhonorar an den Werten der …-Befragung 2015 (vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2017 – VI ZR 76/16 –, der dem Tatgericht die Heranziehung der … als Schätzgrundlage ausdrücklich auch für die Nebenkosten gestattet), die in der Befragung 2018 insoweit fortgeschrieben wurde. Darüber hinaus wurden die nach dem JVEG für gerichtlich bestellte Sachverständige erstattungsfähigen Nebenkosten in die Bewertung bzw. Schätzung mit einbezogen.
aa) Schreib- und Kopiekosten
78
Die Vereinbarung einer Pauschale von 21,00 € für Schreib- und Kopiekosten ist entgegen der Auffassung der Beklagten möglich und angemessen. Üblicherweise umfasst ein Schädensgutachten mehrere Seiten, in der Regel kaum unter 10 Seiten Typischerweise werden mindestens 2 Ausfertigungen (Original und Kopie) erstellt und versandt. Bei Zugrundelegen dieser Zahlen wären nach 18,00 € für das Original (10 Seiten à 1,80 €) und 5,00 € (10 Seiten à 0,50 €) für die Kopie, insgesamt somit 23,00 €, sowie nach §§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG 14,00 € für das Original und 5,00 € für das Duplikat, insgesamt also 19,00 €, abrechenbar. Es begegnet keinen Bedenken, wenn insoweit realistische Pauschalen, wie sie auch als Unkostenpauschale für Unfallgeschädigte oder bei Rechtsanwaltsvergütung (vgl. Nr. 7002 VV RVG) gängige Praxis sind, vereinbart werden. Auch die Beklagte selbst setzt in ihrem SV-Honorartableau eine Nebenkostenpauschale, die u.a. Text- und Fotoseiten enthält, an. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb das Recht, Pauschalen anzusetzen, für die Beklagte, aber nicht für Sachverständige gelten soll. Ein Zählen der Gutachtenseiten und eine Entscheidung der Frage, wieviel Schreib- und Druckkosten im Einzelnen in den Preisen enthalten sind, ist daher entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nötig, zumal es ohnehin nicht die Aufgabe der Zivilgerichte ist, die wirtschaftliche Kalkulation nachzuprüfen.
79
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im konkreten Fall nach gängiger Rechtsprechung der Kammer bei 10 Seiten und 2 Gutachten (Original und Duplikat) entsprechend … 23,00 € abrechnungsfähig gewesen wären, sodass die Beklagte mit der Pauschale besser dasteht.
80
Selbst wenn ein Gutachten nur elektronisch erstellt und versandt sein sollte, sind die Schreibkosten jedenfalls für die erste Ausfertigung erstattungsfähig. Denn diese decken den Schreibaufwand ab.
81
Die abgerechneten Fotokosten in Höhe von insgesamt 32,50 € sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
82
Wie nach der vereinbarten Honorartabelle (K 4) wären auch nach … und § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG 2,00 € pro Foto und 0,50 € pro weiteren Ausdruck abrechenbar.
83
Das Gutachten (Anlage K 2) enthält 13 Fotos. Abgerechnet wurden 26,00 € für das Original- und 6,50 € für das Zweitgutachten. Die abgerechneten 32,50 € sind daher nicht zu beanstanden.
84
Soweit die Beklagte einen Ausdruck und das physische Versenden des Gutachtens bestreitet, ist dies für die Schreibkosten wegen der vereinbarten Pauschale unerheblich. Bzgl. der Lichtbilderkosten es jedoch erheblich. Mit dem Pauschalbetrag von 2,00 € sind alle Aufwendungen im Zusammenhang mit der Fotoerstellung von Anschaffung der Kamera über fotografieren und technische Aufbereitung bis zum ersten Ausdruck abgegolten (vgl. Toussaint, Kostenrecht, Rdnr. 20 zu § 12 JVEG). Die Kosten für den zweiten Ausdruck sind nur bei tatsächlichem Anfall erstattungsfähig.
85
Die Kammer geht davon aus, dass dieser auch erfolgt ist. Ausweislich des Auftrags (Anlage K 1) sollte dem Geschädigten das Gutachten per Post übersandt werden. Der Postversand war demnach in nicht zu beanstandender Weise geschuldet. Die Kammer ist der Auffassung, dass jedenfalls Anspruch auf 2 Exemplare des Gutachtens besteht, da der Geschädigte ein Gutachten behalten und eines an seinen Anwalt, die gegnerische Versicherung oder die Reparaturwerkstatt weitergeben können muss. Auf Grundlage der in Anlage K 6 vorgelegten Übersendungsschreiben vom 02.08.2018 hat das Original die Reparaturwerkstatt und die Kopie der Geschädigte erhalten. Die Kammer ist aufgrund der vorgelegten Anschreiben in Anlage K 6 überzeugt davon, dass diese Ausfertigungen erstellt und versandt wurden Einer Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme bedurfte es insoweit nicht. Dass die Beklagte das Gutachten „nur“ per Mail erhalten hat, ändert an dieser Beurteilung nichts.
86
cc) Die geltend gemachten Fahrtkosten und die Porto-/Telefonkosten sind unstreitig.
87
e) Die Klägerin kann auch die Mehrwertsteuer verlangen.
88
Anders als die Beklagte meint, können die in der Honorartabelle ausgewiesenen (Netto)Preise nicht als Endpreise und damit allein geschuldete Preise verstanden werden. Zwar mag die Klägerin nach § 1 der Preisangabenverordnung (PAngV) gesetzlich verpflichtet sein, einen Endpreis (Bruttopreis) anzugeben. Nachdem die Mehrwertsteuer gesetzlich geregelt und hinreichend bestimmt ist, führt eine mögliche Ordnungswidrigkeit wegen eines Verstoßes nach § 1 PAngV aber nicht zur Unwirksamkeit der vereinbarten Vergütung.
89
Die Honorarvereinbarung ist für den Verbraucher auch nicht unklar. Es ergibt sich aus der Tabelle durch den Zusatz „ohne Mehrwertsteuer“ zweifelsfrei, dass die Mehrwertsteuer zu dem in der Tabelle genannten Preis hinzugerechnet wird. Der vernünftige, durchschnittliche Kunde weiß, dass er bei derartigen Aufträgen Mehrwertsteuer zahlen muss.
90
Nach alledem besteht folgender Anspruch:
Grundhonorar
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396,00 €
|
Schreibkosten/Kopien
|
21,00 €
|
Porto-/Telefonkosten
|
15,00 €
|
Lichtbilder zum Original
|
26,00 €
|
Lichtbilder zum Duplikat
|
6,50 €
|
Fahrtkostenersatz 28 km × 0,70 €
|
19,60 €
|
|
484,10 €
|
Mehrwertsteuer 19,0 %
|
91,98 €
|
Endbetrag
|
576,08 €
|
./. Zahlung der Beklagten
|
499,00 €
|
|
77,08 €
|
91
3) Auch hinsichtlich der Nebenforderung erweist sich die Klage als weitgehend begründet.
92
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen einen erstattungsfähigen Schaden der Klägerin gemäß § 286 Abs. 1 BGB dar. Da die Kammer von der Wirksamkeit der Abtretung vom 01.08.2018 ausgeht, befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt des vorprozessualen Tätigwerdens der jetzigen Klägervertreter bei deren erstmaliger Zahlungsaufforderung am 09.10.2018 (Anlage B 1) bereits in Zahlungsverzug, nachdem die Klägerin – unstreitig – zuvor selbst schon gemahnt hatte.
93
Angesichts des bekannt schwierigen Regulierungsverhaltens der Beklagten bei der Abrechnung von Sachverständigenkosten durfte die Klägerin die außergerichtliche anwaltliche Geltendmachung der Forderung als erforderlich und zweckmäßig ansehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Aktivlegitimation der Klägerin vorprozessual offensichtlich gar nicht in Streit stand. Vielmehr hat sich die Beklagte erst im gerichtlichen Verfahren auf die fehlende Aktivlegitimation aufgrund unwirksamer Abtretung berufen. Die Klägerin musste vorgerichtlich nicht damit rechnen, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht geeignet war, ein Klageverfahren über eine relativ niedrige Hauptforderung in Höhe von 77,08 € abzuwenden.
94
Die Klägerin hat in der Klage vorgetragen, dass sie ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendmachung der offenen Restforderung beauftragt hat. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, sodass die Gebühr nach Nr. 2300 RVG erstattungsfähig ist.
95
Unabhängig von der von der Beklagten bestrittenen Zahlung der Rechtsanwaltskosten durch die Klägerin kann diese aufgrund der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung der Beklagten, die auch in den prozessualen Anträgen zum Ausdruck kommt, gemäß 250 BGB Zahlung verlangen.
96
Zu erstatten ist entsprechend der üblichen Rechtsprechung der Kammer für vorgerichtliche Regulierungsstreitigkeiten eine 1,3-Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von bis zu 500,00 € zuzüglich 20 % Pauschale.
97
Zugrunde zu legen ist gemäß § 60 Abs. 1 RVG die bis zum 31.12.2020 gültige Gebührenhöhe. Der Klägervertreter hat bereits mit Schreiben vom 09.10.2018 (Anlage B 1) gemahnt. Er war offenkundig zu diesem Zeitpunkt mit der außergerichtlichen Geltendmachung der offenen Restforderung beauftragt. Jedenfalls mit dem Schriftsatz vom 09.10.2018 ist die Gebühr auch entstanden. Das weitere Schreiben vom 16.08.2021 (Anlage K 11) lässt die Gebühr nicht neu entstehen. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich um eine Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG, nämlich die außergerichtliche Geltendmachung des offenen Betrags. Dass diese 2021 (auch) auf eine weitere Abtretung gestützt wird, ändert daran nichts. Weder die Tatsache, dass es sich zivilprozessual bei Stützen auf eine andere Abtretung um einen neuen Streitgegenstand handeln kann, noch die Tatsache, dass der Klägervertreter ein neues Aktenzeichen im Jahr 2021 anlegt, ändert etwas daran, dass es eine Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG bleibt.
98
Maßgeblich sind somit die 2018 geltenden Gebühren, wonach eine Gebühr 45,00 € (ab 01.01.2021 49,00 €) beträgt. Somit sind erstattungsfähig eine 1,3-Gebühr von 58,50 € zzgl. 20 % Pauschale (11,70 €), insgesamt also 70,20 €.
99
Die darüber hinausgehende Forderung war abzuweisen.
100
Der Zinsanspruch hinsichtlich Haupt- und Nebenforderung folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
101
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
102
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
103
Die Revision war zuzulassen, da gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung, die in einer Vielzahl von Fällen im gesamten Bundesgebiet verwendet wurde, wird unterschiedlich beurteilt. So fordern das Oberlandesgericht Bamberg im oben genannten Urteil vom 13.10.2020 (5 U 95/19) sowie auch das Landgericht Coburg in einem derzeit in der Berufung beim Oberlandesgericht Bamberg befindlichen erstinstanzlichen Urteil vom 25.11.2021 (22 O 918/20) einen Hinweis zu den Rechten des Geschädigten bei Inanspruchnahme durch den Geschädigten, während etliche Landgerichte in zweitinstanzlichen Entscheidungen dies nicht für erforderlich halten. Ob die ergangenen Urteile des VI. Zivilsenats vom 17.07.2018 auch auf den streitgegenstäridlichen Fall zu übertragen sind, ist eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.