Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 09.12.2022 – Au 7 S 22.2239
Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsums (Methamphetamin) – einstweiliger Rechtsschutz

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3, Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 1 S. 2, § 46 Abs. 1, Anl. 4 Nr. 9.1
Leitsätze:
1. Bei Einnahme von Betäubungsmitteln iSd BtMG (ausgenommen Cannabis) entfällt die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen. Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind (vgl. VGH München BeckRS 2019, 13677 Rn. 14 mwN). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach allgemeiner Lebenserfahrung stellt die vom Betroffenen unbemerkte Verabreichung durch Dritte und daher unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln eine seltene Ausnahme dar. Wer behauptet, die in seinem Blut festgestellten Substanzen unwissentlich eingenommen zu haben, muss deshalb einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (vgl. VGH München BeckRS 2019, 13677 Rn. 15 mwN). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wegfall der Kraftfahreignung, einmaliger Nachweis harter Drogen, unbewusste Einnahme, detaillierter, schlüssiger und glaubhafter Sachverhaltsvortrag
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.03.2023 – 11 CS 22.2608
Fundstelle:
BeckRS 2022, 45385

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
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1. Der im Jahr 1965 geborene Antragsteller war seit dem Jahr 1983 im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1 und C1E.
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a) Am 14. Mai 2021 ging beim Landratsamt … eine Mitteilung der Polizeiinspektion … wegen eines Betäubungsmitteldelikts ein. Dem Antragsteller werde ein allgemeiner Verstoß mit Betäubungsmitteln zur Last gelegt. Aufgrund der Ermittlungen des Hauptzollamts … bestehe der Verdacht, dass er 25 g 3-MMC bestellt und per Post erhalten hat. Bei der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume seien diverse Betäubungsmittel gefunden und sichergestellt worden. Am 13. April 2021 seien zunächst sein Wohnhaus und dann seine Geschäftsräume durchsucht worden. Laut dem Schlussvermerk der Polizei vom 4. Mai 2021 wurden im Wohnhaus des Antragstellers zwei Tütchen mit 3-MMC (3-Methylmethcathinon), ein CathinonDerivat aus der Gruppe der Amphetamine, aufgefunden, außerdem ein angerauchter Marihuana-Joint und ein Tütchen mit 1,0 g Marihuana. Außerdem hätten sich verschiedene Drogenutensilien mit Anhaftungen weißen Pulvers gefunden (Keramikmörser mit Pistill, Glas-Chillums). Auch im Büro des Antragstellers sei eine Einschweißfolie mit Resten weißen Pulvers, die positiv auf Amphetamin getestet wurden, gefunden worden. In seiner Firma seien ebenfalls ein Chillum mit weißen Anhaftungen im Rohr, ein abgeschnittenes, einseitig verschweißtes Kunststoffröhrchen mit Anhaftungen innen, ein Eppendorfgefäß mit Anhaftungen innen sowie ein Druckverschlusstütchen mit weißen Anhaftungen aufgefunden worden, die positiv auf Amphetamin getestet worden seien.
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Die Behörde konnte hierzu keine Akteneinsicht in die Strafakten erhalten, da das Verfahren bisher nicht abgeschlossen ist. Am 23. Februar 2022 wurde dem Landratsamt telefonisch mitgeteilt, dass derzeit ein Berufungsverfahren am Landgericht … anhängig sei. Im Oktober 2022 wurde mitgeteilt, dass die Akte wegen eines Revisionsverfahrens beim Bundesgerichtshof sei.
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b) Am 2. November 2022 ging am Landratsamt … eine Mitteilung der Polizeiinspektion … wegen eines Betäubungsmitteldelikts ein. Es wurde mitgeteilt, dass aufgrund der hier dokumentierten Erkenntnisse der Verdacht bestehe, dass der Antragsteller wiederholt Amphetamine und Methamphetamine konsumiere.
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Zum Sachverhalt wurde mitgeteilt, dass am 8. September 2022 gegen 20.00 Uhr über den Notruf der Polizei ein Anrufer mitgeteilt habe, dass der Ehemann des Anrufers, nämlich der Antragsteller, nach einem Beziehungsstreit im gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus mit dem PKW weggefahren sei, dabei eine schwarze Aktentasche befüllt mit Geld, Drogen und einer Schusswaffe mitgenommen habe, außerdem alkoholisiert sei und unter Drogeneinfluss stehe. Bei einer sodann erfolgten persönlichen Befragung habe der Anzeigende seine Angaben ergänzt. Sein Ehemann, der Antragsteller, habe nach einem Streit das Haus verlassen. Nachdem der Anzeigende ihm über WhatsApp mit der Polizei gedroht habe, sei der Antragsteller zurückgekommen. Der Streit habe sich fortgesetzt. Der Antragsteller sei daraufhin in den Keller gegangen und habe ein ca. 30 x 30 cm großes Paket mit ca. 10 g Crystal Meth geholt und sei damit weggefahren.
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Im Rahmen der anschließenden Fahndung sei der Antragsteller von einer Polizeistreife angehalten und kontrolliert worden. Die genannte Aktentasche samt Inhalt sei nicht gefunden worden. Auch die anschließend angeordnete Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume sei ergebnislos verlaufen. Der Ehemann des Antragstellers habe jedoch weiterhin angegeben, dass er seit mindestens 2018 verschiedene Tütchen mit Crystal Meth, 3-MMC und 4-MMC gesehen habe, die sein Ehemann im Tresor im Keller zum Eigenkonsum verwahrt habe. Auf einem Videoclip sei der Antragsteller mit einer wie oben beschriebenen Box unter dem Arm zu sehen. Der im Rahmen der Kontrolle durchgeführte Drogenschnelltest sei positiv auf Amphetamine und Methamphetamine verlaufen. Es sei eine Blutentnahme durchgeführt worden, die eine knappe Überschreitung des Amphetamingrenzwerts (25,2 ng/ml) und eine erhebliche Überschreitung des Methamphetamingrenzwerts (130 ng/ml) ergeben habe. Diesbezüglich werde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren durchgeführt. Der Antragsteller habe keine Angaben zur Sache gemacht.
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Der Mitteilung beigefügt war u.a. die Befundmitteilung über die Untersuchung der Probe des …, …, vom 21. September 2022.
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c) Unter dem 2. November 2022 hörte daher das Landratsamt den Antragsteller zur geplanten Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen des nachgewiesenen Drogenkonsums an und gab Gelegenheit zur Äußerung bis spätestens 16. November 2022. Für den Antragsteller bestellte sich ein Verfahrensbevollmächtigter und beantragte zunächst Akteneinsicht und Fristverlängerung. Die Fristverlängerung wurde nicht gewährt. Nach Akteneinsicht wurde sodann vorgetragen, dass der Antragsteller sich dagegen verwahre, jedwede Betäubungsmittel oder Alkohol wissentlich oder willentlich zu konsumieren, dies schon aus gesundheitlichen Gründen. Ausweislich der Akte ergebe sich, dass am 8. September 2022 ein Ehe- bzw. Beziehungsstreit in der gemeinsam bewohnten Ehewohnung stattgefunden habe, wobei sich aus der Sachverhaltsdarstellung der Polizei ergebe, dass behauptet worden sei, der Antragsteller habe ein ca. 30 x 30 cm großes Paket mit ca. 10 g Crystal Meth geholt und sei damit weggefahren. Ebenfalls aus dieser Sachverhaltsdarstellung ergebe sich, dass eine Durchsuchung des Antragstellers diesbezüglich ergebnislos verlaufen sei. Zwar hätte sich beim Antragsteller ein positiver Nachweis bezüglich des Amphetamins bzw. Methamphetamins ergeben. Der Antragsteller bestreite jedoch ausdrücklich, jemals, so auch in diesem zeitlichen Zusammenhang, ein derartiges Betäubungsmittel konsumiert zu haben bzw. dieses konsumieren zu wollen, sodass lediglich eine nicht wissentliche Aufnahme in Betracht komme (in Form eines Einflößens). Auch sei festzustellen, dass ein entsprechendes aktenkundiges Verfahren, das bei der Staatsanwaltschaft geführt werde, mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten worden und folglich nicht rechtskräftig sei. Folglich sei der Antragsteller kein Betäubungsmittelkonsument, sodass eine Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegend nicht in Betracht komme. Weniger einschneidende Maßnahmen kämen in Betracht. Im Übrigen sei die Entziehung der Fahrerlaubnis unverhältnismäßig, nachdem der Antragsteller Geschäftsführer eines … und dringend auf seinen Führerschein angewiesen sei. Unabhängig davon habe der Antragsteller bereits zum Nachweis seiner Abstinenz einen freiwilligen Test bei seinem Hausarzt gemacht und außerdem mit einem Labor einen Termin zum Drogenscreening mittels Haaranalyse vereinbart.
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Mit Bescheid vom 17. November 2022, dem Antragsteller zugestellt am 22. November 2022, entzog sodann das Landratsamt … dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete an, dass der ausgestellte Führerschein unverzüglich beim Landratsamt abzugeben sei. Sollte er unauffindbar sein, so sei stattdessen eine Versicherung an Eides statt über den Verbleib des Führerscheins abzugeben (Nr. 2 des Bescheids). Für den Fall, dass der Führerschein nicht innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung abgeliefert werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3 des Bescheids). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung ist unter Würdigung des oben unter b) dargestellten Sachverhalts und seines Vorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass bei nachgewiesenem Konsum von harten Drogen die Fahreignung nicht bestehe.
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2. Am 25. November 2022 hat der Antragsteller hiergegen Klage erhoben mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht Augsburg unter dem Aktenzeichen Au 7 K 22.2238 anhängig; über sie ist noch nicht entschieden. Gleichzeitig wurde beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 17. November 2022 hinsichtlich der Nrn. 1 bis 2 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 3 anzuordnen.
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Zur Begründung wird unter Vorlage von Fotos sowie einer Urinanalyse und der Benennung zweier Polizeibeamter als Zeugen insbesondere vorgetragen, die streitgegenständliche Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers sowie die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins seien nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung von Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtwidrig und verletzten den Antragsteller in seinen Rechten. Das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnungen im Bescheid.
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Zutreffend sei, dass die dem Antragsteller am 9. September 2022 um 0.33 Uhr entnommene Blutprobe laut dem rechtsmedizinischen Gutachten Werte von 25,2 g/ml Amphetamin und 130 ng/ml Methamphetamin und die Aufnahme von Methamphetamin bestätigt habe. Dem Antragsteller seien die vorgenannten Betäubungsmittel jedoch ohne sein Wissen und Wollen beigebracht worden. Der Antragsteller habe nicht bewusst die vorgenannten Betäubungsmittel konsumiert. Nach ständiger Rechtsprechung sei bei behaupteter unbemerkter Verabreichung von Betäubungsmitteln durch Dritte davon auszugehen, dass dies eine seltene Ausnahme darstelle. Daher müsse ein detaillierter in sich schlüssiger und auch im Übrigen glaubhafter Sachverhalt vorgetragen werden, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lasse und damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich sei. Beachtlich seien diese Behauptungen auch nur dann, wenn überzeugend aufgezeigt werde, dass der Einnahme von Betäubungsmitteln ein Kontakt mit Personen vorausgegangen sei, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, den Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen, und dass diesem die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb. Zur Erfüllung dieser obergerichtlichen Anforderungen an die Darlegungslast des Antragstellers sei in Ergänzung des bisherigen Sachverhalts, der zugegebenermaßen stark verkürzt dargelegt worden sei, Weiteres vorzutragen. Der Antragsteller führe seit dem Jahr 2007 mit Herrn …, mit dem er seit November 2017 auch verheiratet sei, eine Partnerschaft. Die eheliche Beziehung erweise sich aufgrund der bestehenden Depressionen des Ehemanns des Antragstellers seit längerem als stark belastet. Diese persistierende Belastungssituation habe am 8. September 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Der Ablauf des Abends und der Nacht des 8. September 2022 sei wie folgt zu schildern: Der Antragsteller sei am 8. September 2022 gegen 18.00 Uhr von der Arbeit nach Hause zurückgekommen und dort auf seinen Ehemann getroffen. Er habe dann festgestellt, dass der Ehemann versucht habe, einen Streit mit dem Antragsteller zu provozieren. Der Antragsteller habe diesem entgehen wollen und deshalb erklärt, er habe Kopfschmerzen und wolle einen kurzen Spaziergang mit dem Hund machen. Obwohl er alleine habe gehen wollen, habe sein Ehemann ihn begleiten wollen und ihn gedrängt, vorher noch eine in der Zwischenzeit vom Ehemann vorbereitete „Kopfschmerztablette“ einzunehmen. Der Antragsteller habe diesem Drängen nachgegeben, die vorbereitete Tablette genommen und dem Ehemann gestattet, ihn zu begleiten. Bei dieser Kopfschmerztablette müsse es sich um das im Nachgang festgestellte Amphetamin/Methamphetamin gehandelt haben. Während des Spazierens hätten beide nicht zusammen gesprochen, aber via WhatsApp jeweils in einem Gruppenchat mit einem Dritten korrespondiert. Auch aufgrund dessen sei bei der Rückkehr nach Hause der schwelende Konflikt sodann weiter eskaliert. Der Ehemann des Antragstellers habe diesem u.a. mit einer Anzeige wegen vorgeblichen Drogenbesitzes gedroht. Augenscheinlich habe er den Antragsteller weiter unter Druck setzen wollen, da er von einem derzeit noch laufenden Strafverfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gegen den Antragsteller gewusst habe. Dieses Strafverfahren sei nicht abgeschlossen, sodass weiter von der Unschuld des Antragstellers auszugehen sei. Um dem Streit ein Ende zu setzen, habe der Antragsteller zurück in seine Geschäftsräume fahren wollen. Der Ehemann habe versucht, dies durch körperliche Gewalt zu verhindern, weil er sicherlich gewusst habe, dass er dem Antragsteller im Vorfeld die vorgenannten Betäubungsmittel eingeflößt hatte. Der Ehemann des Antragstellers habe in diesem Zusammenhang auch den Polizeinotruf gewählt. Gegen 19.30 Uhr habe der Streit geendet, der Antragsteller habe das Anwesen mit seinem Kraftfahrzeug verlassen und sei direkt nach … in seine Geschäftsräume gefahren. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt deutlich aufgeregt gefühlt, dies aber auf den Streit nebst körperlicher Auseinandersetzung zurückgeführt. Noch während der Fahrt habe der Antragsteller beim Polizeinotruf angerufen und dem Beamten den Sachverhalt erklärt und auch gesagt, dass er sich nicht mehr zu Hause befinde, und dass auch keine Notsituation bestanden habe. Der Beamte habe sich damit zufriedengegeben. Der Antragsteller habe sich dann gegen 21.00 Uhr in seinen Geschäftsräumen aufgehalten und dann nach Hause fahren wollen, da er angenommen habe, sein Ehemann habe sich zwischenzeitlich beruhigt. An einer nahegelegenen Tankstelle sei er dann aber durch zwölf Polizeibeamte vorläufig in Gewahrsam genommen worden. Es sei ihm eröffnet worden, dass sein Ehemann ihn wegen häuslicher Gewalt und Drogenbesitzes angezeigt habe. Der Ehemann habe behauptet, der Antragsteller sei im Besitz erheblicher Mengen von Betäubungsmitteln. Die Polizeibeamten hätten dies zum Anlass genommen, sowohl die Geschäftsräume des Antragstellers als auch dessen Räume im ehelichen Anwesen zu durchsuchen. Betäubungsmittel seien, wie zu erwarten, nicht gefunden worden, auch nicht im Kraftfahrzeug des Antragstellers. Die Durchsuchungen hätten ca. zwei Stunden gedauert. Beim Antragsteller sei durch die Polizeibeamten gegen 23.15 Uhr ein Drogenschnelltest auf freiwilliger Basis durchgeführt worden. Der Antragsteller habe dem zugestimmt, um seine Unschuld weiter zu untermauern. Umso überraschter sei er gewesen, als der Drogenschnelltest positiv gewesen sei. Dieses Ergebnis habe bei ihm schon den Verdacht aufkommen lassen, dass sein Ehemann ihm bei Darreichung der oben erwähnten Kopfschmerztablette die festgestellten Betäubungsmittel beigebracht hatte. Nach Durchführung der Blutabnahme sei der Antragsteller gegen 2.00 Uhr wieder nach Hause zurückgekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Ehemann das Anwesen bereits verlassen gehabt. Der Antragsteller habe sich das positive Ergebnis des Drogenschnelltests nicht erklären können, aber auch den in ihm schwelenden Verdacht, sein Ehemann habe ihm die Betäubungsmittel beigebracht, noch nicht zur Gänze wahrhaben wollen. Ca. vier bis fünf Tage nach der Hausdurchsuchung habe der Ehemann den Antragsteller angewiesen, einige Kleidungsstücke zur Abholung durch einen gemeinsamen Bekannten bereitzustellen. Der Antragsteller habe daraufhin den Kleiderschrank seines Ehemannes geöffnet, um die entsprechenden Kleidungsstücke zu entnehmen. Dort habe er eine durchsichtige Plastiktüte mit vier bis fünf Packungen von Psychopharmaka gefunden. Er habe diese zur Polizei gebracht. Der anwesende Beamte habe die Medikamente aber nur oberflächlich in Augenschein genommen und festgestellt, dass es sich zwar um verschreibungspflichtige aber sonst legale Substanzen gehandelt habe und habe die Medikamente wieder an den Antragsteller übergeben. Zwei bis drei Tage später habe der Antragsteller, immer noch auf der Suche nach einer Erklärung für den positiven Drogenschnelltest und verunsichert wegen des schwelenden Verdachts gegen seinen Ehemann, die aufgefundenen Medikamentenverpackungen erneut untersucht. Bei einer Verpackung sei ihm aufgefallen, dass auf den ersten Blick die an den Seiten angebrachten durchsichtigen Klebeflächen zwar intakt schienen, aber jedoch auf den zweiten Blick diese bereits gelöst waren. Als der Antragsteller die Klebeflächen angehoben habe und in das Innere der Schachtel gesehen habe, habe er dort statt der Medikamente einen Blister und ein Tütchen mit für ihn verdächtigen Substanzen festgestellt. Unschlüssig, was hiermit zu tun sei, habe er sie zu seinem früheren Verfahrensbevollmächtigten mitgenommen. Dieser habe gemeint, der Antragsteller könne die Medikamentenverpackungen bei der Polizei abgeben. Schlussendlich habe der Antragsteller noch zwei weitere Wochen überlegt, ob er dies tun solle, da er davon ausgegangen sei, dass sein Ehemann dort die dem Antragsteller beigebrachten Betäubungsmittel aufbewahrt habe und sich daraus erhebliche Nachteile für seinen Ehemann ergeben könnten. Trotz dieser Skrupel habe sich der Antragsteller schließlich zur Übergabe der aufgefundenen Medikamentenpackungen entschlossen und diese an die Polizei übergeben. Am 15. November 2022 habe er durch seinen inzwischen von ihm getrenntlebenden Ehemann drei nur einmal lesbare Textnachrichten mit folgendem sinngemäßen Inhalt erhalten: „Ich mache dich als Geschäftsführer fertig.“ „Du wirst nicht mehr auf die Beine kommen.“ „Deinen Hund wirst du auch verlieren.“ Auf Nachfrage bei dem sachbearbeitenden Polizeibeamten habe dieser dem Antragsteller mitgeteilt, dass er mit dessen Ehemann kurz vor Eingang der obigen Textnachrichten Kontakt gehabt habe, um dessen Beschuldigtenvernehmung zu organisieren. Der Antragsteller habe am 16. November 2022 nochmals einen Drogentest mittels Urinanalyse durchführen lassen. Das Ergebnis sei auf alle getesteten Substanzen negativ gewesen. Die Motivation des Ehemanns des Antragstellers sei für diesen nicht zur Gänze nachvollziehbar. Dessen psychische Beeinträchtigung durch die Depression mit der hochproblematischen Beziehungssituation sei geeignet, einen Vernichtungswillen beim Ehemann des Antragstellers hervorzurufen, was auch die geschilderten Drohungen erkennen ließen. Damit ließen sich auch falsche Verdächtigungen bis hin zur Verabreichung von Betäubungsmitteln als Vernichtungshandlungen als wahrscheinlich ansehen. Nach dem obigen Sachvortrag des Antragstellers, welcher in sich schlüssig und glaubhaft sei und ernstlich möglich erscheine, sei die Annahme der Voraussetzung des bewussten Konsums als nicht erwiesen anzusehen, sodass sich der Bescheid des Antragsgegners voraussichtlich als rechtswidrig erweise.
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Es werde ein Ermittlungsverfahren bei der Polizeiinspektion … wegen des Auffindens der dem Antragsteller beigebrachten Drogen geführt. Die Akten dieses Verfahrens seien beizuziehen. Zumindest bis zur strafrechtlichen Klärung sei die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Es wäre unverhältnismäßig, den Antragsteller bereits jetzt mit der einschneidenden Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis zu belasten, wenn sich – wie zu erwarten – im Ermittlungsverfahren herausstellt, dass tatsächlich nur eine unbewusste Einnahme möglich scheint.
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3. Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass wegen der nachgewiesenen Drogenaufnahme von der Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs auszugehen sei. Vor Erlass des Entziehungsbescheids habe sich der damalige Verfahrensbevollmächtigte geäußert, aber die behauptete unwissentliche Drogeneinnahme schon nicht schlüssig dargelegt. Dem Vorbringen des jetzigen Prozessbevollmächtigten sei ebenfalls entgegenzutreten. Zwar werde nun in der Antragschrift ein wesentlich ausführlicherer Sachvortrag hinsichtlich der behaupteten unwissentlichen Einnahme gemacht, dieser sei jedoch nicht schlüssig. Hierzu sei auszuführen, dass es schon nicht nachvollziehbar erscheine, dass der beschuldigte Ehemann aufgrund eines Beziehungsstreits derartige Maßnahmen überhaupt ergreife. Hierzu müsste sich der Ehemann bereits selbst in die Strafbarkeit begeben, um die fraglichen Substanzen zu beschaffen. Dies erfordere zudem einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand. Ebenso müsse dem zumindest eine gewisse Planung vorausgehen, u.a. um überhaupt den Kontakt zu Personen herzustellen, bei denen Drogen beschafft werden können, sodass hier eine kurz entschlossene Tat nur aufgrund einer Streitigkeit nicht nachvollziehbar erscheine. Hinzu komme, dass in der Folge dann auch noch eine Situation abgewartet werden müsse, in welcher eine unbemerkte Verabreichung erfolgen könnte. Hierfür sei eine Motivation erforderlich, die über einen Ehestreit hinausgehen müsste, da hierfür zumindest auch eine gewisse kriminelle Energie vorhanden sein müsse. Einen konkreten Vortrag zur Motivation des Beschuldigten bleibe die Antragstellerseite jedoch schuldig. Falsche Beschuldigungen, auch gegenüber der Polizei, könnten insoweit noch nachvollzogen werden. Die Beschaffung sowie Planung einer angeblich nicht bemerkten Verabreichung von Betäubungsmitteln, könne aber nicht mehr mit dem Sachvortrag des Antragstellers vereinbart werden. Weiterhin sei es nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum vorstellbar, dass der Antragsteller den Einfluss des Betäubungsmittels nicht bemerkt haben will. Hier dürfe nicht vergessen werden, dass es sich bei Methamphetamin um eine sog. harte Droge handle. Insofern beschränke sich der Vortrag der Gegenseite darauf auszuführen, dass sich der Antragsteller „deutlich aufgeregt“ gefühlt habe, dies jedoch auf den vorangegangenen Streit zurückgeführt habe. Bei einer, wie vorgetragen, nicht an derartige Substanzen gewöhnten Person, wären aber deutlich drastischere Wirkungen zu erwarten gewesen, als eine gewisse wenn auch deutliche Aufgeregtheit. Insbesondere erscheine es nicht wahrscheinlich, dass bei einer Person, die derartige Betäubungsmittel nie zuvor konsumiert haben will, nur ein Gemütszustand entstehe, der ohne weiteres auf einen Streit zurückführbar sein soll. Dies gelte umso mehr, nachdem zu den Effekten der Droge ein gehobenes Selbstwertgefühl und Euphorie gehörten, die schwerlich mit der Gefühlslage in einem Streit in Einklang zu bringen seien. Es erscheine hier weiterhin auch fragwürdig, dass im Rahmen des polizeilichen Einsatzes keinerlei Aussage des Klägers erfolgt sei. Auch wenn nachvollzogen werden könne, dass eine vollständige Stellungnahme im Rahmen einer Vernehmung erst nach Rücksprache mit einem Rechtsbeistand erfolge, wäre doch zumindest eine Aussage zur eigenen Unschuld nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten gewesen. Dementgegen habe der Antragsteller jedoch keinerlei Angaben gemacht. Dies sei zwar sein gutes Recht, erscheine aber bei behaupteter Unschuld eher unüblich. Es sei weiterhin festzustellen, dass ausweislich des polizeilichen Protokolls zur Feststellung von Drogen im Blut statt der hier behaupteten Kopfschmerztablette noch von einer „Halsschmerztablette“ die Rede gewesen sei. Zudem habe der Ehemann, entgegen dem hier angegebenen Vernichtungswillen, ausweislich des polizeilichen Ermittlungsberichts die Beantwortung weiterer Fragen mit der Angabe, er wolle den Antragsteller „nicht in die Pfanne hauen“, abgelehnt. Er habe ebenfalls erst mit einem Rechtsbeistand Rücksprache halten wollen. Hier sei auch auszuführen, dass die Depression des Ehemannes, sofern diese tatsächlich klinisch diagnostiziert sei, auch nicht geeignet sei, den hier behaupteten „Vernichtungswillen“ überhaupt auszulösen. Sofern in einem derartigen Krankheitsbild überhaupt zerstörerische Gedanken aufkommen würden, richteten sich diese in der Regel gegen den Erkrankten selbst (Eigengefährdung, Suizidalität), nicht aber gegen andere Personen. Die Symptome, zu denen neben gedrückter Stimmung und Interessen- bzw. Freudlosigkeit insbesondere auch Antriebsmangel gehörten, sprechen hier ebenfalls deutlich gegen das vom Antragsteller vorgebrachte Vorgehen, das – wie bereits ausgeführt – eine nicht unerhebliche vorherige Planung voraussetzen würde. Ein derartiges Planungserfordernis lasse sich mit den Symptomen einer Depression nicht vereinbaren. Gleiches gelte aber auch bereits für die Behauptung, der angeblich depressive Ehemann habe den Streit von Beginn an provoziert. In der Gesamtschau sei daher der Sachvortrag des Antragstellers nicht schlüssig. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Um die Entziehung der Fahrerlaubnis unmittelbar und wirkungsvoll durchzusetzen, sei eine Anordnung der sofortigen Vollziehung des Entzugs und der Ablieferungspflicht unerlässlich. Das Interesse der Behörde zum Schutz der Allgemeinheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Schutz der anderen Straßenverkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrzeugführern überwiege hier das Interesse des Antragstellers, der angebe, durch die Entziehung Nachteile zu haben, weil er beruflich und privat auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei.
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Eine Abgabe des Führerscheins sei bisher nicht erfolgt. Das Landratsamt werde vorerst auf die Festsetzung von Zwangsgeldern verzichten. Es sei jedoch festzuhalten, dass entgegen der Ansicht des Antragstellerbevollmächtigten der Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern, nicht damit Genüge getan sei, dass angegeben werde, der Antragsteller führe zurzeit keine Kraftfahrzeuge.
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4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO führt in der Sache nicht zum Erfolg.
22
1. Die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis, die im Bescheid gegeben wird, entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Danach hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalles darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Die Behörde hat im streitgegenständlichen Bescheid dargelegt, warum der Antragsteller als nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr angesehen wird. Das besondere öffentliche Interesse, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr sofort zu unterbinden und die Bestandskraft des Bescheids nicht abzuwarten, wird mit der fehlenden Eignung und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dieses öffentliche Interesse wurde mit den persönlichen Interessen des Antragstellers abgewogen, was den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Der Umstand, dass im streitgegenständlichen Bescheid angesprochene Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (stRspr., vgl. z. B. BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris).
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2. Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll, hier also diejenigen der Klage vom 25. November 2022. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass das Rechtsmittel mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Sind die Erfolgsaussichten offen, findet eine Interessenabwägung statt, unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten, soweit diese abzusehen sind.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711 – juris). Damit ist hier auf die Zustellung des angefochtenen Bescheids vom 17. November 2022 am 22. November 2022 abzustellen.
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3. Die Interessenabwägung führt hier zum Überwiegen der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des streitgegenständlichen Bescheids, da die Klage des Antragstellers nach derzeitigem Sachstand voraussichtlich erfolglos bleiben wird, weil der angefochtene Bescheid nach der im Eilverfahren ausreichenden aber auch erforderlichen summarischen Prüfung voraussichtlich rechtmäßig ist. Selbst wenn von offenen Erfolgsaussichten ausgegangen würde, überwiegt jedenfalls das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz von Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer sowie erheblicher Sachwerte hier das Interesse des Antragstellers, zunächst weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.
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a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel u.a. nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
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Dies ist beim Antragsteller nach Aktenlage der Fall.
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Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt. Es ist nicht erforderlich, dass ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter Einfluss eines solchen Betäubungsmittels geführt wurde. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Methamphetamin bzw. Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anl. II, III zum Betäubungsmittelgesetz), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn 10 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind (BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 – Rn. juris 14).
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Durch das Gutachten des … vom 21. September 2022 steht fest, dass der Antragsteller Methamphetamin konsumiert hat, da Methamphetamin und sein Stoffwechselprodukt Amphetamin im Blut nachgewiesen wurden. Damit ist er nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da Methamphetamin gemäß Anl. II zum Betäubungsmittelgesetz (ebenso wie Amphetamin gemäß Anl. III zum Betäubungsmittelgesetz) ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes darstellt.
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b) Der Antragsteller trägt zwar vor, er habe die Drogen nicht wissentlich eingenommen, vielmehr hätte sein Ehemann sie ihm ohne sein Wissen und Wollen verabreicht.
Dieser Sachvortrag ist jedoch nach Aktenlage nicht glaubhaft.
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Zwar setzt die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Wie von Antragsteller und Landratsamt zutreffend ausgeführt, stellt die vom Betroffenen unbemerkte Verabreichung durch Dritte und daher unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Wer behauptet, die in seinem Blut festgestellten Substanzen unwissentlich eingenommen zu haben, muss deshalb einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt (BayVGH, B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 12, m.w.N.) und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 – juris Rn. 15). So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entsprechende Behauptungen allenfalls dann als beachtlich angesehen, wenn der Betroffene überzeugend aufzeigen konnte, dass der Dritte einen Beweggrund hatte, ihm ohne sein Wissen Betäubungsmittel zuzuführen, und dass er selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (BayVGH, B.v. 19.1.2016 – a.a.O.).
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Der Antragsteller hat vor Bescheidserlass nur ganz allgemein einen entsprechenden Konsum bestritten, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens jedoch noch ausführlichst zu einem im Vorfeld stattgefundenen Ehestreit und einer daraus resultierenden Beibringung der Droge durch seinen Mann vorgetragen. Der Antragsteller hat damit nunmehr zwar einen ausführlichen und detaillierten Sachverhalt zur Begründung unbewussten Konsums vorgetragen; dieser ist jedoch weder schlüssig noch glaubhaft.
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Wie das Landratsamt im Rahmen seiner Antragserwiderung zutreffend vorträgt, steht schon der Vortrag der Einnahme einer Kopfschmerztablette auf Veranlassung des Ehemannes im Widerspruch zu der Angabe bei seiner Anhaltung durch die Polizei, er habe gegen 18.30 Uhr „1x Halsschmerztabletten (3 St.)“ eingenommen.
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Wie das Landratsamt weiter substantiiert dargestellt hat, lässt sich auch nicht schlüssig nachvollziehen, aus welchem Grund der Ehemann des Antragstellers diesem die Droge hätte beibringen sollen und dass der Antragsteller als, wie er vorträgt, insoweit abstinente Person diesen Konsum auch nicht bemerkt habe, sondern sich lediglich als durch den Streit aufgeregt gefühlt haben will.
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Schon dass der Ehemann unter einer Depression leidet, wird lediglich behauptet. Dass, wie und warum er die Droge besorgt haben soll, lässt sich nicht mit dem Auffinden von Psychopharmaka im Schrank des Ehemannes glaubhaft machen, diese sprechen – unterstellt, sie gehören dem Ehemann – lediglich für das Bestehen einer Depression, mit der sich allerdings – wie das Landratsamt zutreffend ausführt – ein „Vernichtungswille“ nicht nachvollziehbar begründen lässt. Die fehlende Wahrnehmung eines Rauschmittelkonsums trotz der Wirkung von Methamphetamin als Euphorie verursachende Droge (vgl. die im Internet hierzu verfügbaren Beiträge Methamphetamin – Wikipedia und Methamphetamin – drugcom) und einer länger anhaltenden Rauschdauer von bis zu 16 Stunden (Methamphetamin – drugcom), lässt sich mit der Wahrnehmung einer durch den Streit verursachten Aufregung nicht schlüssig erklären, zumal nicht bei sonst bestehender Abstinenz, auf die sich der Antragsteller beruft, insbesondere auch im Hinblick auf das nicht abgeschlossene Strafverfahren wegen angeblichen früheren Drogenbesitzes, das hier nicht berücksichtigt wird (§ 3 Abs. 3 StVG).
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Insgesamt ist der Sachvortrag damit nicht nachvollziehbar, und wird auch durch die Benennung der Polizeibeamten als Zeugen dafür, dass bei der nachfolgenden Durchsuchung beim Antragsteller keine Drogen gefunden wurden und dieser später Psychopharmaka bei der Polizei abgegeben hat, nicht dahingehend nachprüfbar, dass aus dem Ehestreit die Möglichkeit einer unwissentlichen Einnahme der Droge entstanden wäre. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass der Ehemann zuvor im Besitz von Methamphetamin gewesen wäre. Damit ist hier allerdings nach Aktenlage davon auszugehen, dass es sich bei der Darstellung unwissentlichen Konsums um eine reine Schutzbehauptung handelt.
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c) Die Behörde hatte danach die Fahrerlaubnis ohne Ermessensspielraum zu entziehen. Dass der Antragsteller angeboten hat, einen Abstinenznachweis zu erbringen, hindert die Entziehung der Fahrerlaubnis hier ebenfalls nicht. Im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Bescheids kommt dem Nachweis einer danach bestehenden Abstinenz keine Bedeutung zu, unabhängig davon, dass der hier vorgelegte Laborbericht schon nicht ergibt, dass eine Identitätsüberprüfung bei Probenahme stattgefunden hat. Die Teilnahme an einem Kontrollprogramm wird für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erforderlich sein, um eine evtl. wiederhergestellte Fahreignung nachzuweisen. Aber die Fahrerlaubnisbehörde ist nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gehalten, vom Vollzug eines rechtmäßigen Entziehungsbescheides abzusehen, um einem Betroffenen die Gelegenheit einzuräumen, die (zukünftige) Wiedererlangung der Fahreignung nachzuweisen (BayVGH, B.v. 6.11.2018 – 11 CS 18.821 – juris Rn. 18). Nachweise über die Wiedererlangung der Fahreignung können erst in einem Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis berücksichtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 11 CS 18.1429 – juris Rn. 21; B.v. 9.10.2017 – 11 CS 17.1483 – juris Rn. 27; B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 18 ff.).
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d) Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV.
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4. Da der Klage derzeit nach Aktenlage wohl keine Erfolgsaussichten zukommen, kommt im überwiegenden öffentlichen Interesse eine Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht.
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Selbst wenn jedoch davon ausgegangen würde, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen sein sollten, kommt auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen hier zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse daran, die Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr vorläufig zu unterbinden, ein größeres Gewicht einzuräumen ist, als seinem Interesse, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Es entspricht der Pflicht des Staates zum Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), nur solche Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 Abs. 1, § 46 Abs. 1 FeV). Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen die für sofort vollziehbar erklärte Fahrerlaubnisentziehung kommt deshalb in der Regel nur in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafürsprechen, dass das von dem Betroffenen ausgehende Gefahrenpotential nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liegt (BayVGH, B.v. 1.4.2008 – 11 CS 07.2281 – juris). Vom Antragsteller geht dagegen ein im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmern wesentlich erhöhtes Gefahrenpotenzial aus. Dass er die Drogen unbewusst konsumiert habe, ist derzeit nicht glaubhaft. Nachweislich hat er hingegen unter Wirkung von Drogen am Straßenverkehr teilgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass das Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer an der sofortigen Vollziehung des Bescheids hier das Interesse des Antragstellers, vorerst weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, überwiegt. Dass die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Fahrerlaubnisinhabers gravierend beeinflussen kann, hebt die Notwendigkeit, einen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehenden Fahrerlaubnisinhaber zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer mit sofortiger Wirkung von einer weiteren Verkehrsteilnahme auszuschließen, nicht auf. Angesichts der irreparablen Folgen, zu denen ein von einem ungeeigneten Kraftfahrer verursachter Verkehrsunfall führen kann, ist unbedenklich, dass als Folge hieraus bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen die sofortige Vollziehung nicht nur ausnahmsweise, sondern in der großen Mehrzahl der Fälle angeordnet wird (BayVGH, B.v. 4.7.2019 – 11 CS 19.1041 – juris Rn. 16).
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG sowie den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, Anhang zu § 164 Rn. 14). Danach ist für die Führerscheinklasse B/BE und C1/C1E jeweils ein Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR anzusetzen. Beide Werte sind zu addieren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.