Titel:
Vorbescheid, Hinreichende Bestimmtheit, Maß der baulichen Nutzung, Rechtmäßige Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens
Normenketten:
BayBO Art. 71
BauGB § 34 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 36 Abs. 2 Satz 1, Satz 3
BayBO Art. 67 Abs. 1
Schlagworte:
Vorbescheid, Hinreichende Bestimmtheit, Maß der baulichen Nutzung, Rechtmäßige Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.10.2023 – 1 ZB 23.775
Fundstelle:
BeckRS 2022, 45314
Tenor
I. Der Vorbescheid des Landratsamtes P. vom …07.2020 (Az: 30/602 VA I 20192453) wird in Ziffer 2 zu 1.6. aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich mit seiner Klage als Standortgemeinde gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für den Neubau eines 7-Familienhauses mit Tiefgarage und Stellplätzen auf FlNr. 16.., 16../4, Gem. M. (jetzt FlNr. 16.., Gem. M.) unter gleichzeitiger Ersetzung des Einvernehmens des Klägers.
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Zunächst mit Formblatt datiert auf den … Juli 2019, später mit Formblatt datiert auf den … März 2020 (Bl. 98 ff. BA) beantragte der Beigeladene die Erteilung eines Vorbescheides hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks FlNr. 16.., 16../4, Gemarkung M. (i.F. Vorhabengrundstück).
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Der Vorbescheid umfasst die Entscheidung über folgende Fragen:
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1.1 Ist die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 7 Wohneinheiten (jede Wohneinheit größer als 50 qm Wohnfläche) möglich?
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1.2. Ist die Errichtung des Gebäudes mit der Dachform als Flachdach möglich?
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1.3. Ist die Errichtung des Gebäudes mit den Wandhöhen 3.20 m Erdgeschoss), 6.20 m (1. Staffelgeschoss) und 9.20 m (2. Staffelgeschoss) möglich?
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1.4. Ist die Errichtung des Gebäudes mit drei Vollgeschossen und einer Geschossigkeit von E + II (Staffelgeschoss) möglich?
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1.5. Ist die Lage der Tiefgaragenzufahrt und der oberirdischen Stellplätze, wie in den Planunterlagen dargestellt, möglich?
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1.6. Sind bei den geplanten 7 Wohneinheiten (jede Wohneinheit größer 50 m2 Wohnfläche) die Anzahl und Lage der Stellplätze (4 Stellplätze oberirdisch, 12 Stellplätze in der Tiefgarage), wie in den Planunterlagen dargestellt, ausreichend und zulässig?
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Für den Bereich des Vorhabengrundstücks besteht kein Bebauungsplan. Das Vorhabengrundstück befindet sich im unbeplanten Innenbereich. Es liegt in einem im Nordosten durch die B.-straße, im Süden durch das Bu., im Südwesten durch die S.-straße und im Nordwesten durch die Straße St. begrenzten Geviert. Das Vorhabengrundstück ist etwas über 1000 m2 groß (Messung des Gerichts im Bayernatlas) und unbebaut.
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Mit Beschluss vom … Oktober 2019 sowie für den aktualisierten Vorbescheidsantrag vom … April 2020 mit Beschluss vom … April 2020 wurde das gemeindliche Einvernehmen verweigert. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Vorhaben nicht nach § 34 BauGB einfüge, weil das Verhältnis „Bebauung zu Freifläche“ den Rahmen der näheren Umgebung überschreite. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Die oberirdischen Stellplätze 1 und 2 entsprächen nicht Art. 47 BayBO i.V.m. § 2 Nr.1 der gemeindlichen Stellplatzsatzung. Die Breite der Zufahrt zur Tiefgarage sei mit 3,10 m zu gering, um den zu erwartenden Zu- und Abfahrtsverkehr zu bewältigen und dem Sicherheitsgedanken Rechnung tragen zu können.
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Der Beklagte hatte den Kläger bereits mit entsprechendem Schreiben auf seine Rechtsauffassung hingewiesen, insbesondere darauf, dass sich das beantragte Vorhaben einfüge und im Falle der Verweigerung des Einvernehmens dieses zu ersetzen sei.
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Mit Vorbescheid vom … Juli 2020 wurden die im Rahmen des Vorbescheides gestellten Fragen, teilweise unter dem Vorbehalt der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, insgesamt positiv verbeschieden (Ziffer 2). In Ziffer 3 wurde das gemeindliche Einvernehmen ersetzt. Ziffer 4, 4.1. enthält die Auflage, dass für den Standort des geplanten Vorhabens von der beiliegenden Lageplanskizze im Verhältnis M = 1:1000 auszugehen ist. Unter Ziffer 5 „Hinweise“, dort 5.2. findet sich folgende Ergänzung: „Antragsunterlagen: die eingereichten Pläne sind nicht Gegenstand dieses Bescheides, sofern oben nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, sondern dienten lediglich der Beurteilungsgrundlage“.
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Zur Begründung des Vorbescheides ist im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben hinsichtlich der zu entscheidenden Fragen, auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen, den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen entspreche. Das Einvernehmen sei ersetzt worden (§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB), da das Vorhaben ge-nehmigungsfähig sei. Das Verhältnis der bebauten Grundstücksfläche zur verbleibenden Freifläche auf einem Baugrundstück sei grundsätzlich kein Kriterium des Einfügens. Ausschlaggebend seien regelmäßig die von der Rechtsprechung vorgegebenen Kriterien Geschossentwicklung, Wandhöhe, Firsthöhe und Grundfläche, welche ein harmonisches Gesamtbild eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils sicherstellen sollen. Ohnehin sei vorliegend im maßgeblichen Bereich eine Homogenität mit Blick auf das Verhältnis von Bebauung zu Freifläche bezogen auf die jeweiligen Grundstücke nicht gegeben. Das seitens des Klägers herangezogene Kriterium für die Frage des Einfügens sei vorliegend nicht sachgerecht. Hinsichtlich der maßgeblichen Kriterien füge sich das Vorhaben in die maßgebliche Umgebung nach § 34 Abs. 1 BauGB ein. Ein entsprechender Bezugsfall sei das Gebäude auf FlNr. 228, Gem. M. Das geplante Vorhaben halte den dadurch vorgegebenen Rahmen mit Blick auf die maßgeblichen Kriterien ein. Das gemeindliche Einvernehmen dürfe im Übrigen nur aus bauplanungsrechtlichen Gründen versagt werden, § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen Art. 47 BayBO i.V.m. § 2 Nr. 1 der Stellplatzsatzung. Die Stellplätze 1 und 2 würden in ausreichender Größe und Beschaffenheit hergestellt. Die Vorgaben nach § 4 Abs. 2, Abs. 3 GaStellV seien eingehalten. Auf die Bescheidsbegründung wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Kläger hat hiergegen mit Schriftsatz vom 28. August 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, Klage erhoben und beantragt,
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Der Vorbescheid des Landratsamtes P. a.d.I. vom …07.2020, Aktenzeichen: … … …, für den Neubau eines 7-Familienhauses mit Tiefgarage und Stellplätzen, auf dem Grundstück S.-straße …, FlNr. 16.., 16../4, Gemarkung M., und zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens wird aufgehoben, soweit darin die Fragen Ziff. 1.1, 1.5. und 1.6. positiv beantwortet werden und insoweit das Einvernehmen des Klägers ersetzt wurde.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der erteilte Vorbescheid sowie die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens rechtswidrig seien, da sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung einfüge und die Erschließung im Übrigen nicht gesichert sei. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich seiner Grundfläche und seines Verhältnisses der mit dem geplanten Hauptgebäude überbauten Fläche und der verbleibenden Freifläche nicht in die Umgebung ein. Das Vorhaben selbst weise eine Grundfläche von 425 m2 auf. Die Umgebungsbebauung – abgesehen von der Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 228 – sei jedoch geprägt von Gebäuden mit einer Grundfläche von bis zu 263,82 m2. Der angeführte Bezugsfall auf FlNr. 228 gehe weit über den prägenden Rahmen hinaus und sei als Ausreißer zu betrachten. Auch finde sich in der näheren Umgebung kein Grundstück, das annähernd in einer vergleichbaren Dichte bebaut sei. Das Verhältnis von bebauter Fläche des Hauptgebäudes zu verbleibender Freifläche sei bei offener Bauweise nach ständiger Rechtsprechung als Kriterium für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung zu beachten. Das Maß der baulichen Nutzung sei insofern vorliegend überschritten, weshalb sich das Vorhaben nicht einfüge. Im Übrigen sei die Erschließung nicht gesichert. Es verbleibe mit Blick auf die geplanten oberirdischen Stellplätze und die Tiefgaragenzufahrt mit einer Zufahrtsbreite von 3,10 m kein ausreichender Ausweich- und Warteraum bei Gegenverkehr aus der einspurig befahrbaren und mit einer Ampelanlage geplanten Tiefgaragenein- und -ausfahrt. In der Folge sei zu erwarten, dass wartende Fahrzeuge auf die öffentliche Straße zurücksetzen müssen und dies zu Rückstauungen und Gefährdungen des fließenden Verkehrs auf der S.-straße führe. Die geplante Zufahrt der Tiefgarage und die in diesem Bereich geplanten Stellplätze seien bauplanungsrechtlich unzulässig und mit Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit verbunden, weshalb die wegemäßige Erschließung nicht gesichert sei. In diesem Zusammenhang sei daher auch der Vorbescheid mit Blick auf Ziff. 1.5. aufzuheben. Dies gelte auch mit Blick auf Ziffer 1.6., da die Zulässigkeit der Nutzung für sieben Wohneinheiten die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit voraussetze. Diese sei aber vorliegend gerade nicht gegeben. Aufgrund der planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens sei die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens rechtswidrig und der Kläger damit in seiner Planungshoheit sowie dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht verletzt, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV. Darüber hinaus verfüge der Vorbescheid nicht über eine hinreichende Bestimmtheit. In der Bauakte befänden sich diverse Planskizzen und Pläne, die nicht mit Genehmigungsstempel versehen seien und die von dem Bescheid nicht ausdrücklich in Bezug genommen worden seien. Auch seien aus den Plänen oder in den Fragen die maßgeblichen Bezugsgrößen des Bauvorhabens, insbesondere die Grundfläche, nicht zweifelsfrei ersichtlich. Weder die Fragen noch das Bauvorhaben selbst seien hinreichend bestimmt. Auf die (ergänzenden) Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Vorbescheides im Schriftsatz vom … Oktober 2022 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der streitgegenständliche Vorbescheid rechtmäßig und das gemeindliche Einvernehmen zu Recht ersetzt worden sei. Insbesondere füge sich das geplante Vorhaben in die maßgebliche nähere Umgebung ein, da das Maß der baulichen Nutzung nicht überschritten werde. Mit Blick auf das zulässige Maß der baulichen Nutzung und die maßgebliche nähere Umgebung sei insbesondere die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung maßgeblich. Vorrangig seien in diesem Zusammenhang die absoluten Größen von Grundflächen, Geschosszahl und Höhe zu Grunde zu legen. Maßfaktoren wie Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl müssten insoweit nach der obergerichtlichen Rechtsprechung als Bestimmungsfaktoren zurücktreten und könnten nur in begrenzter Weise als Auslegungshilfe herangezogen werden. Ebenso sei die absolute Grundstücksgröße des Baugrundstücks für die Beurteilung, ob sich ein Vorhaben einfügt, nicht ausschlaggebend. Gemessen daran habe im vorliegenden Fall ein entsprechender Bezugsfall gefunden werden können. Auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid werde Bezug genommen. Ohnehin könne das Verhältnis von bebauter Fläche zu verbleibender Fläche auf dem Baugrundstücks zum einen nur bei offener Bebauung und zum anderen nur dann herangezogen werden, wenn sich aus der Bebauung in der näheren Umgebung in dieser Hinsicht eine deutlich erkennbar homogene Situation ergebe. Vorliegend gebe es aber in der näheren Umgebung gerade kein solches homogenes Verhältnis und kein ablesbares städtebauliches Konzept in diesem Sinne. Die Situation in der näheren Umgebung stelle sich sehr heterogen dar, weshalb das vorhandene Gebäude auf FlNr. 228, Gem. M., als Bezugsfall habe herangezogen werden können. Das vorhandene Gebäude auf dem Nachbargrundstück sei überdies auch nicht als „Ausreißer“ anzuerkennen. Es handle sich dabei nicht um eine singuläre Anlage, die in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung stehe. Allein der Umstand, dass es hinsichtlich seiner Grundfläche über die ansonsten vorhandene Bebauung hinausgehe, reiche nicht aus, um die bauliche Anlage als Unikat anzusehen. Das Gebäude sei hinsichtlich der Bebauungsstruktur nicht so weit von dem ansonsten vorhandenen Rahmen entfernt, wie es für die Einstufung eines „Ausreißers“ erforderlich wäre. Auf die ausführliche Begründung im Schriftsatz vom 26. Oktober 2021 wird im Übrigen Bezug genommen. Auch die Erschließung sei gesichert, da das Baugrundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Straße liege und die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung gewährleistet sei. Ein Verstoß gegen die Stellplatzsatzung der Klägerin, Art. 47 BayBO oder die Garagen- und Stellplatzverordnung bestehe nicht. Die Fragen sowie der Vorbescheid seien hinreichend bestimmt. Auf die detaillierten Ausführungen im ergänzenden Schriftsatz vom 17. Oktober 2022 wird Bezug genommen.
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Der Beigeladene beantragt.
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Das Gericht hat am 19. Oktober 2022 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins auf dem streitgegenständlichen Grundstück und der näheren Umgebung. Auf das Protokoll über die Augenscheinfeststellungen vom 19. Oktober 2022 wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- bzw. die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. Oktober 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat Erfolg, soweit sie sich gegen Ziffer 2 zu 1.6. des Bescheides vom … Juli 2020 richtet. Im Übrigen ist sie zwar zulässig, jedoch unbegründet.
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Grundsätzlich kommt dem Kläger – hier dem Markt M. – im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine an einen Dritten gerichtete Baugenehmigung kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Vielmehr kann der Kläger als Nachbar oder wie hier als Standortgemeinde nur solche Rechtsverletzungen ins Feld führen, die auf Normen beruhen, die auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 15 CS 21.1636 – juris).
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Im Falle der Klage einer Standortgemeinde – wie hier – kommt eine Rechtsverletzung etwa dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens nicht gegeben sind und eine Einvernehmensersetzung unter Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit dennoch erfolgt ist (bauplanungsrechtliches Einvernehmen gemäß § 36 BauGB). Daneben kommt eine Verletzung der Satzungshoheit der Gemeinde als Ausprägung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts in Betracht, sofern Vorgaben der gemeindlichen Stellplatzsatzung bzw. der in Bezug genommenen GaStellV verletzt sind.
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I. Mit Blick auf die begehrte Aufhebung von Ziffer 2 zu 1.6. des Bescheides vom … Juli 2020 ist die Klage begründet. Denn insoweit ist der erteilte Vorbescheid nicht hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), weshalb eine Rechtsverletzung des Klägers gegeben ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Eine Baugenehmigung und so auch ein Vorbescheid, wie vorliegend, muss nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinreichend bestimmt sein, was bedeutet, dass die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – erkennen können müssen, was von ihnen verlangt wird oder was ihnen zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 20.4.2005 – 4 C 18/03 – juris Rn. 53 = NVwZ 2005, 933). Sie muss vollständig klar und unzweideutig sein (Decker in Busse/Kraus, BayBO, Werkstand: 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 250). Sie muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist. Der Inhalt der Genehmigung und damit das genehmigte Vorhaben bestimmen sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Bescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen, mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen. Dritte können eine Baugenehmigung unter Verweis auf den Bestimmtheitsgrundsatz nur dann erfolgreich angreifen, wenn sich die Unbestimmtheit gerade auf ein drittschützendes Recht bezieht und deswegen eine Verletzung dieses Rechtes nicht ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 11 m.w.N.). Auch eine Standortgemeinde kann sich auf die Unbestimmtheit der erteilten Baugenehmigung – etwa aufgrund unbestimmter, in Bezug genommener Bauvorlagen – berufen (BayVGH, U.v. 10.12.2007 – 1 BV 04.843 – juris Rn. 26 = BayVBl 2008, 376).
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Gemessen daran ist der streitgegenständliche Vorbescheid mit Blick auf Ziffer 2 zu 1.6. nicht hinreichend bestimmt und eine Verletzung der Rechte des Klägers, hier mit Blick auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht, nicht ausgeschlossen. Denn die insoweit in Bezug genommene Planunterlage weist einen Genehmigungsstempel mit einem vom Bescheid abweichendem Datum auf.
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In Ziffer 2 zu 1.6. des streitgegenständlichen Bescheids vom … Juli 2020 heißt es: „Bei den geplanten 7 Wohneinheiten (jede Wohneinheit größer als 50 m2 Wohnfläche) sind die Anzahl und Lage der Stellplätze (4 Stellplätze oberirdisch, 12 Stellplätze in der Tiefgarage), wie in den Planunterlagen dargestellt, ausreichend und zulässig“. Durch die ausdrückliche Inbezugnahme der konkreten Darstellung in den insoweit relevanten Planunterlagen kann eine hinreichende Bestimmtheit des Vorbescheides nur unter Hinzuziehung der insoweit geltenden und für eine abschließende Beurteilung maßgeblichen Planunterlagen sichergestellt werden. Die insoweit auch relevante Planunterlage betreffend die Lage der Tiefgaragenstellplätze, konkret der mit Stempel versehende Plan „Kellergeschoss“ mit Datum vom … März 2020 (Bl. 127 BA) weist insoweit jedoch einen unauflösbaren Widerspruch auf. Der Vorbescheid wurde mit Datum vom … Juli 2020 erteilt. Die zu diesem gehörenden und für die hinreichende Bestimmtheit erforderlichen Planunterlagen sind allesamt und richtigerweise mit entsprechendem Genehmigungsstempel und Bescheidsdatum (… Juli 2020) versehen. Der mit Blick auf Ziffer 2 zu 1.6. unter anderem maßgebliche Plan „Kellergeschoss“ mit Datum vom … März 2020, welcher für die Beurteilung der Lage und Beschaffenheit der Tiefgaragenstellplätze erforderlich ist, wurde jedoch wohl mit einem das falsche Bescheidsdatum tragenden Genehmigungsstempel versehen – nämlich mit dem … Juli 2020, was offenbar einer früheren Version des dann letztendlich am … Juli 2020 erteilten Bescheids entspricht. Auch wenn für die Beteiligten des Verfahrens klar sein dürfte, dass es sich insofern um ein Versehen handelt, kann dies an der Unbestimmtheit und dem offenen, unauflösbaren Widerspruch des Genehmigungstextes und den datumsmäßig nicht zweifelsfrei zuzuordnenden Unterlagen nichts ändern. Für den Kläger ist letztendlich nicht hinreichend bestimmt ersichtlich, welche Planunterlagen maßgeblich sind. In der Folge kann seitens des Klägers nicht zweifelsfrei geprüft werden, ob insbesondere die Vorgaben der gemeindlichen Stellplatzsatzung und die dort in Bezug genommene GaStellV sowie in diesem Zusammenhang gegebenenfalls erforderliche Abweichungen erforderlich sind und das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht verletzt ist. Der Bescheid ist daher insoweit aufzuheben.
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II. Im Übrigen ist der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der erteilte Vorbescheid ist auch unter Berücksichtigung der ihm zugrundeliegenden Fragen hinreichend bestimmt (1.). Auch in materieller, bauplanungsrechtlicher (2.) sowie bauordnungsrechtlicher Hinsicht (3.) bestehen gegen das Vorhaben keine rechtlichen Bedenken.
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1. Eine Rechtsverletzung des Klägers mit Blick auf die vorgetragene Unbestimmtheit der Vorbescheidsfragen, die aufgrund der positiven Beantwortung der Fragen auch insoweit den streitgegenständlichen Vorbescheid erfassen würden, scheidet aus (zum Maßstab im Allgemeinen vgl. die Ausführungen oben unter I.). Der streitgegenständliche Vorbescheid ist mit Blick auf die ihm zugrundeliegenden Fragen sowie seiner rechtlichen Bindungswirkung hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).
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Generell dürfen an die Bestimmtheit von Bauvoranfragen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Eine gegebenenfalls im Raum stehende Unbestimmtheit eines Vorbescheidsantrags kann sich im Einzelfall auch durch die Auslegung des Antrags beseitigen lassen (BayVGH, U.v. 22.8.2006 – 1 B 04.3531 – juris). Bei der Auslegung eines Vorbescheidsantrags gilt, dass neben dem bloßen Antrag auch die eingereichten Bauvorlagen in die Auslegung mit einzubeziehen sind (vgl. Decker a. a. O. Art. 71 Rn. 36).
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a. Das Landratsamt hat vorliegend insbesondere die Frage 1.1 als „Grundfrage“ ausgelegt, welche durch die folgenden Fragen konkretisiert wird. Dies ist mit Blick auf die vorgelegten Bauvorlagen auch nicht zu beanstanden. Der gesamte Vorbescheidsantrag zielt ausweislich der vorgelegten Unterlagen, Pläne und geführten Diskussionen – auch innerhalb des Gemeinderates – auf die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mit Schwerpunkt Maß der baulichen Nutzung, Erschließung und Rücksichtnahmegebot ab. Im Zweifel soll regelmäßig auch das Sicherungsinteresse des Bauherrn dafür sprechen, einen Antrag dahingehend auszulegen, dass eine Antwort auf die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens (einschließlich Erschließung) gestellt ist (Michl in: Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 23. Edition, Stand: 1.9.2022, Art. 71 BayBO Rn. 22 f.). Aus den vorgelegten Unterlagen und den darin enthaltenen Angaben ist im Übrigen auch ersichtlich, dass nicht etwa – wie der Klägerbevollmächtigte meint – die gesamte Zulässigkeit des Bauvorhabens, wie sie im Rahmen einer Baugenehmigung zu prüfen wäre, was in der Tat im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens unzulässig wäre, Gegenstand des Vorbescheids sein sollte. Denn etwaige, hierfür zwingend erforderliche zusätzliche Angaben wie etwa betreffend die Einhaltung der Abstandsflächen fehlen in den vorgelegten Plänen gänzlich. Im vorliegenden Fall sind die Vorbescheidsfrage 1.1 („Ist die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit 7 Wohneinheiten – jede Wohneinheit größer 50 m2 Wohnflächemöglich?“), Frage 1.3. (Ist die Errichtung des Gebäudes mit den Wandhöhen 3,20 m – Erdgeschoss –, 6,20 m – 1.Staffelgeschoss –, und 9,20 m – 2. Staffelgeschoss –, möglich?“) sowie Frage 1.4. („Ist die Errichtung des Gebäudes mit drei Vollgeschossen und einer Geschossigkeit von E + II – Staffelgeschoss – möglich?“) nach sachgerechter Auslegung unter Berücksichtigung der Antragsunterlagen zusammen zu verstehen und zu bewerten mit Blick auf die Frage: „ist ein solches Vorhaben – Mehrfamilienhaus mit 7 Wohneinheiten – in dieser Größe zulässig“ und als zulässige Vorbescheidsfrage nach dem Maß der baulichen Nutzung anzusehen. Durch die Vorlage und Inbezugnahme der insofern im Übrigen erforderlichen Planskizze Maßstab 1:1000 (4.1. des Bescheides) sowie aufgrund der konkreten Angaben betreffend die Höhe sowie die Geschossigkeit des Gebäudes in den Fragen 1.3 und 1.4 war hinreichend bestimmt erkennbar, dass als Beurteilungsgegenstand die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des durch die Pläne und Angaben konkret bestimmten Vorhabens mit Schwerpunkt Maß der baulichen Nutzung beabsichtigt war. Ausweislich der Begründung des Bescheides hat auch das Landratsamt dies nicht nur so verstanden, sondern auch dahingehend geprüft und damit die Bindungswirkung des Vorbescheides festgelegt. Die für die Beurteilung des Vorhabens erforderlichen Pläne sind mit einem entsprechenden Stempel versehen und soweit erforderlich im Rahmen der Frage und Antwort des Vorbescheides ausdrücklich in Bezug genommen. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist eindeutig erkennbar, welche Pläne für welche Frage gelten. Die in Vorbescheiden durchaus übliche Formulierung unter 5.2 „die eingereichten Pläne sind nicht Gegenstand dieses Bescheides, sofern oben nicht ausdrücklich darauf verwiesen wurde, sondern dienten lediglich als Beurteilungsgrundlage“ stehen der Bestimmtheit nicht entgegen, sondern ermöglichen vielmehr eine eindeutige Zuordnung und Festlegung der Bindungswirkung. Die vorgelegten Unterlagen waren für eine abschließende Beurteilung auch hinreichend konkret. Insbesondere schadet es nicht, dass in den in Bezug genommenen Plänen die Grundfläche des Vorhabens nicht ausdrücklich angegeben war. Denn die einzelnen Vermaßungen ermöglichen eine hinreichend genaue Berechnung derselben.
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b. Mit Blick auf Frage 1.5 und deren Beantwortung im streitgegenständlichen Bescheid bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken mit Blick auf deren Bestimmtheit. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Antragsunterlagen und der Formulierung der Frage ergibt sich hinreichend bestimmt, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Lage der Tiefgaragenzufahrt sowie der oberirdischen Stellplätze unter Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebots sowie die Vorgaben der gemeindlichen Stellplatzsatzung, die zum Prüfprogramm gemäß Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 c) BayBO gehören, geprüft werden sollen. Da die Satzung in § 3 Nr. 6 wiederum auf § 4 GaStellV verweist, ist auch insoweit der Prüfungsumfang erweitert. Die Lage der Tiefgaragenzufahrt sowie der oberirdischen Stellplätze ergibt sich auch hinreichend konkret aus den in Bezug genommenen und gestempelten Planunterlagen.
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2. Eine Rechtverletzung des Klägers liegt auch mit Blick auf das ersetzte bauplanungsrechtliche Einvernehmen nicht vor. Das Vorhaben ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Innenbereich bauplanungsrechtlich zulässig. Es fügt sich insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein (a.) und verletzt das Rücksichtnahmegebot nicht (b.). Die Erschließung ist gesichert (c.).
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a. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Augenscheins, der konkreten, örtlichen Verhältnisse sowie der Aktenlage fügt sich das Vorhaben entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere mit Blick auf das Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Eine Rechtsverletzung des Klägers besteht insoweit durch die Ersetzung des bauplanungsrechtlichen Einvernehmens nicht.
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Die nähere Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der Bereich, auf den sich das geplante Vorhaben städtebaulich prägend auswirken wird und von dem aus die vorhandene Bebauung das Baugrundstück prägt, wobei darauf abzustellen ist, was in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7). Wie weit diese gegenseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls und für die jeweiligen Einfügenskriterien gesondert zu bestimmen (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13 – juris Rn. 7). Im Regelfall wird die nähere Umgebung für die Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Fläche enger zu ziehen sein als für die Art der baulichen Nutzung, weil es bei diesen Kriterien maßgeblich auf den optischen Eindruck und damit eine Sichtbeziehung vom bzw. zum Vorhaben ankommt, letztlich entscheidend ist aber der jeweils zu beurteilende Einzelfall.
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Bedeutsam für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung sind solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und sind deshalb – und zwar kumulierend (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – BVerwGE 157, 1 = juris Rn. 20) – vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung heranzuziehen. Damit ist eine Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren der Baunutzungsverordnung zwar nicht ausgeschlossen; sie werden allerdings vielfach nur eine untergeordnete bis gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, weil sie aus der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – BVerwGE 95, 277 = juris Rn. 7; B.v. 14.3.2013 – 4 B 49.12 – juris Rn. 5; B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 49). Daraus kann zwar nicht geschlossen werden, dass die Grundflächen- oder Geschossflächenzahl für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB stets von vornherein keine Rolle spielt. Allerdings hängt ihre zumindest unterstützende Heranziehung von der jeweiligen konkreten Situation ab, wobei eine unterstützende Heranziehung vor allem bei nach Größe und Zuschnitt gleichen Grundstücken in Betracht kommt (vgl. BverwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – juris Rn. 11 f; B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – juris Rn. 4). Zudem kann ein Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgrund des insoweit geltenden groben Maßstabs auch in diesem Fall nicht stets wegen einer geringfügigen Überschreitung der in der näheren Umgebung vorhandenen Grundflächen- oder Geschoßflächenzahl verneint werden (vgl. VG München, U.v. 25.1.2016 – M 8 K 14.5723 – juris Rn. 43; U.v. 9.10.2017 – M 8 K 16.2971 – juris Rn. 31). Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es bei Vorhaben im unbeplanten Innenbereich für das Maß der zulässigen baulichen Nutzung auf den Verlauf der Grundstücksgrenzen nicht ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 73.68 – juris Leitsatz; B.v. 21.11.1980 – 4 B 142.80 – juris Rn. 3). Bei der im Rahmen der Prüfung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung ist, gerade weil Gebäude ihre im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB entscheidende optisch maßstabsbildende Wirkung durch ihr gesamtes Erscheinungsbild und nicht durch einzelne Maßbestimmungsfaktoren im Sinne von § 16 Abs. 2 BauNVO erzielen, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kumulierend auf die absolute Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe abzustellen. Die Übereinstimmung von in Rede stehenden Vorhaben und Referenzobjekten in nur einem Maßfaktor genügt nicht, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäuden in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben, was der planersetzenden Funktion des § 34 Abs. 1 BauGB, eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung eines Bereichs zu gewährleisten, widerspräche (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Leitsatz 2, Rn. 20; BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 15 ZB 17.985 – juris Rn. 11 spricht vom Verbot der „Rosinentheorie“; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 20).
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Dagegen ist bei dem bei offener Bebauung – wie vorliegend – ebenfalls vorrangig als Bezugsgröße zur Ermittlung des die nähere Umgebung prägenden Maßes der baulichen Nutzung heranzuziehenden Kriterium des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche die gesamte für die Prüfung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung maßgebliche Umgebung heranzuziehen; insofern ist nicht nur von den Referenzobjekten auszugehen, die nach der absoluten Größe der Gebäude nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe mit dem betrachteten Bauvorhaben vergleichbar sind. Der Maßbestimmungsfaktor des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche ist insoweit nicht kumulativ, d.h. nicht auf dieselben Referenzobjekte beschränkt, anzuwenden (so ausdrücklich VG München, U.v. 22.1.2018 – M 8 K 16.3662 – juris Rn. 47; vgl. zur dahingehenden tatsächlichen Handhabung BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 19; B.v. 12.10.2017 – 15 ZB 17.985 – juris Rn. 11; a.A. Söfker, in: E/Z/B/K, BauGB, 125. EL Mai 2017, § 34 Rn. 40a).
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Dies ergibt sich nicht nur aus den insoweit eindeutigen Formulierungen in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sowie der diesem folgenden obergerichtlichen Rechtsprechung, die von einer kumulierenden Prüfung nur hinsichtlich der Grundfläche, Geschosszahl und Höhe sprechen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 20; OVG Münster, U.v. 25.4.2018 – 7 A 165.16 – juris Rn. 47; OVG Koblenz, U.v. 8.3.2017 – 8 A 10695/16 – Rn. 28 f.), und der hierfür angegebenen Begründung, dass vermieden werden solle, dass Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension, d.h. in ihrer Kubatur kein Vorbild in der näheren Umgebung haben (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 20). Denn die Kubatur eines Gebäudes wird durch das Verhältnis von bebauter Fläche zu Freifläche nicht beeinflusst. Die Zugrundlegung der gesamten näheren Umgebung bei der Anwendung des Maßbestimmungsfaktors des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche ergibt sich vielmehr auch aus dem Steuerungszweck dieses Maßbestimmungsfaktors. Dieser zielt letztlich auf eine Steuerung der Bebauungsdichte (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 18). Die optisch wahrnehmbare – und allein darauf kommt es im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB an – Wirkung der Bebauungsdichte kann beispielsweise bei einem nach seiner Kubatur großen Gebäude, das von einer großen unbebauten, insbesondere begrünten Freifläche umgeben ist, dieselbe sein wie bei einem nach seiner Kubatur deutlich kleineren Gebäude, das jedoch kaum von Freiflächen umgeben ist. Die Bebauungsdichte hängt – anders als die Größe, Kubatur bzw. Dimension eines Gebäudes – insofern nur mittelbar von der Grundfläche, Geschosszahl und Höhe der Gebäude ab. Die Bebauungsdichte wird – abhängig von der konkreten Situation (vgl. VG München, U.v. 25.1.2016 – M 8 K 14.5723 – juris Rn. 46) – nicht nur durch die relative und optisch allenfalls bei sehr ähnlich großen und ähnlich geschnittenen Grundstücken wahrnehmbare Grund- bzw. Geschossflächenzahl, sondern insbesondere durch die optisch unabhängig von den Grundstücksgrenzen gut wahrnehmbaren und die Wirkung der Bebauungsdichte deutlich beeinflussenden Gebäudeabständen (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 18; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 18) und/oder die Größe der verbliebenen Gartenanteile in einem bestimmten Grundstücksbereich bestimmt (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 18). Der Maßbestimmungsfaktor des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche ist bei der Prüfung des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich bei offener Bebauung, d.h. einen Abstand zwischen den Gebäuden wahrender Bebauung, anzuwenden. Nicht maßgeblich ist dagegen hierbei, ob gleichzeitig auch ein Grenzabstand eingehalten wird, weil es im Rahmen des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf den Verlauf der Grundstücksgrenzen und die Lage der Gebäude im Verhältnis zu diesen nicht ankommt. Die nach dem Lageplan und dem unmittelbaren Eindruck vor Ort optisch wahrnehmbare Bebauungsdichte, die mit dem Maßbestimmungsfaktor des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche gesteuert werden soll, wird ebenfalls wesentlich durch die Abstände der Gebäude zueinander beeinflusst – unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen. Insofern kommt den Gebäudeabständen, die in der Regel optisch als erstes und am einfachsten wahrgenommen werden, bei der Betrachtung des Verhältnisses von bebauter zu Freifläche eine besondere Bedeutung zu (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 9.11.2020 – M 8 K 20.2917 – juris). Denn im Rahmen des Einfügens geht es vordergründig um Harmonie innerhalb der Umgebungsbebauung (BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55,369 = juris Rn. 47).
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Dies zugrundgelegt fügt sich das streitgegenständliche Vorhaben im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein.
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Unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Augenscheins sowie der konkreten, örtlichen Verhältnisse ist die nähere Umgebung vorliegend ausschließlich die Bebauung innerhalb des durch das Bu. im Südosten, die S.-straße im Süden bzw. Südwesten, St. im Westen bzw. Nordwesten sowie die B.-straße im Nordosten begrenzten Gevierts, was maßgeblich darauf beruht, dass sich innerhalb des Gevierts eine weitgehend heterogene Bebauung abbildet, während jenseits der genannten Straßen und außerhalb des genannten Gevierts die Bebauung teilweise eine andersartige Struktur etwa mit Blick auf die dort existierende Homogenität der Gebäude aufweist und teilweise deutlich kleinteiliger ist. Nach dem gerichtlichen Augenschein tritt das Geviert insgesamt als eigenständiger Bebauungskomplex in Erscheinung, der aus sich heraus und beschränkt auf sich selbst Prägung entfaltet. Eine Prägung der gegenüberliegenden Straßenseite ist angesichts der oben dargestellten Umstände (Homogenität, Kleinteiligkeit) nicht ablesbar. In der näheren Umgebung findet das streitgegenständliche Vorhaben im Hinblick auf die Grundfläche sowie Wandhöhe und Geschossigkeit in dem Gebäude auf FlNr. 228 ein Vorbild. Das Gebäude auf FlNr. 228 weist eine Grundfläche von 425 m2 auf, welche durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht überschritten wird. Auch mit Blick auf Wandhöhe und Geschossigkeit entspricht das Vorhaben dem Vorbild auf FlNr. 228. Die jeweilige Wandhöhe der Staffelgeschosse des Referenzobjekts (ca. 9,28 m an der höchsten Stelle des oberen Geschosses; ca. 8,25 m an der niedrigsten Stelle des oberen Geschosses und 6,05 m am rückwärtigen Vorsprung über dem zweiten Geschoss) wird durch die geplanten Wandhöhen von 3,20 m (erstes Staffelgeschoss), 6,20 m (zweites Staffelgeschoss) und 9,20 m (drittes Staffelgeschoss) nicht überschritten. Durch die geplante Fuge wird auch die konkrete Erscheinung der Geschossigkeit mit Blick auf das Referenzobjekt, welches über einen zweigeschossigen Mitteilteil verfügt, abgebildet. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei dem Gebäude auf FlNr. 228 auch nicht um einen sogenannten Ausreißer oder Fremdkörper, welcher im Falle seines Vorliegens nicht als rahmengebend berücksichtig werden könnte, weil für den zu bestimmenden Rahmen die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden und alles außer Acht gelassen werden muss, was die Umgebung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint. Um einen Fremdkörper handelt es sich bei baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Dies ist der Fall, wenn bauliche Anlagen von ihrem Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Ein Herausfallen aus dem Rahmen wird auch angenommen, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Dies ist der Fall, wenn die Anlagen nach ihrer – auch äußerlich erkennbaren – Zweckbestimmung in der näheren Umgebung einzigartig sind. Sie erlangen die Stellung eines Unikats umso eher, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist. Trotz ihrer deutlich in Erscheinung tretenden Größe und ihres nicht zu übersehenden Gewichts in der näheren Umgebung bestimmen sie nicht deren Eigenart, weil sie wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägt vom üblichen Charakter der Umgebung abweichenden Struktur gleichsam isoliert dastehen (Söfker in: E/Z/B/K, Baugesetzbuch, Stand: 147. EL August 2022, § 34 Rn. 37). Nach dem gerichtlichen Augenschein weist das Gebäude auf FlNr. 228 Merkmale, welche für die Annahme eines Fremdkörpers sprechen könnten, nicht auf. Dem Klägerbevollmächtigten ist zwar insofern zuzustimmen, dass das Gebäude auf FlNr. 228 ausweislich der vorgelegten Pläne und des Ergebnisses des Augenscheins in der näheren Umgebung die größte Grundfläche aufweist und auch mit Blick auf die Staffelgeschosse ohne Vorbild ist. Gleichwohl prägt das Gebäude auf FlNr. 228 und sein Gesamterscheinungsbild das maßgebliche Geviert (es besteht eine Sichtbeziehung zu weitgehend sämtlichen Gebäuden im Geviert), dominiert diese nicht und gibt den einzuhaltenden Rahmen vor. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Umgebungsbebauung keine homogene, sondern eine heterogene Struktur aufweist. Der Baukörper auf FlNr. 228 erscheint als Teil der Umgebungsbebauung und weist keine Andersartigkeit im oben beschriebenen Sinne auf. Hierbei fällt insbesondere auch ins Gewicht, dass die Gesamterscheinung des Gebäudes auf FlNr. 228 aufgrund der Staffelgeschosse, des Versatzes der Hauptgebäude sowie des dazwischenliegenden niedrigeren Mittelteils an den maßgeblichen Gesamteindruck der Umgebungsbebauung angelehnt ist und in seiner Wirkung mit der von zwei separat errichteten Gebäuden mit Verbindungsbau vergleichbar ist. Das Gebäude auf FlNr. 228 steht in keinem auffälligen Kontrast zu der ohnehin heterogenen Umgebungsbebauung und bildet daher mit dieser eine Einheit. Zu einer anderen Bewertung kann auch nicht der Umstand führen, dass, wie der Klägerbevollmächtigte meint, die Grundstücksgröße mit Blick auf FlNr. 228 von der Umgebung abweicht und schon deshalb das darauf errichtete Gebäude als Ausreißer bewertet werden muss. Dies überzeugt schon deshalb nicht, da, wie bereits erläutert, die Umgebungsbebauung und auch die Grundstückszuschnitte eine deutliche Heterogenität aufweisen. Denn nur eine gewisse Einheitlichkeit ermöglicht es, einzelne Abweichungen von der hauptsächlich vorhandenen Struktur eher als „Fremdkörper“ auszuscheiden, und erschwert es, einem den Rahmen überschreitenden Vorhaben gleichwohl das ausnahmsweise Einfügen zu bescheinigen. Eine solche Einheitlichkeit liegt vorliegend aber gerade nicht vor.
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Schließlich ist das geplante Vorhaben auch hinsichtlich des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche mit der in der maßgeblichen, oben bestimmten näheren Umgebung tatsächlich vorhandenen Bebauung vergleichbar. Die maßgebliche Umgebungsbebauung weist, wenn man Nebenanlagen außen vor lässt, Gebäudeabstände zwischen 4 und etwa 20 Metern auf. Das streitgegenständliche Vorhaben wahrt in südlicher, südöstlicher, südwestlicher und westlicher Richtung einen Abstand zwischen 5 und 12 Metern, in nördliche bzw. nordöstliche Richtung einen Abstand von über 20 Metern. Die seitens des Klägerbevollmächtigten angeführte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995), kann an dem gefundenen Ergebnis nichts ändern. Denn der Fall, über den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden hatte, ist mit der vorliegenden Situation schon insofern nicht vergleichbar, als es in dem entschiedenen Fall um eine Umgebungsbebauung ging, welche ein gewisses „Muster“, also eine Homogenität aufwies. Das ist unabhängig von dem oben dargestellten und ausführlich erläuterten Maßstab und auch unabhängig davon, dass es um die nach außen wahrnehmbaren Umstände und Abstände geht, vorliegend gerade nicht der Fall.
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Das geplante Vorhaben fügt sich daher nach dem Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein.
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b. Soweit der Klägerbevollmächtigte anführt, dass aufgrund der Situierung der Stellplätze sowie der Tiefgaragenzufahrt im hinteren, nordöstlichen Bereich des Grundstücks eine bauplanungsrechtlich unzulässige Situation mit Blick auf den zu erwartenden An-, Abfahrts- und Rangierverkehr entstehe und das Einvernehmen aus diesem Grunde zu Recht verweigert wurde, teilt das Gericht diese Auffassung unter Berücksichtigung der vorgelegten Akten sowie des Ergebnisses des Augenscheins nicht.
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Insbesondere liegt keine Verletzung des hier allein möglicherweise berührten bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots vor. Das Gebot der Rücksichtnahme ist kein generelles Rechtsprinzip des öffentlichen Baurechts und verkörpert auch keine allgemeine Härteregelung, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht. Es ist vielmehr Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 – BVerwGE 68, 58, 60) und als solches in den Tatbestandsmerkmalen der §§ 30 bis 35 BauGB und des § 15 Abs. 1 BauNVO enthalten (BVerwG, U.v. 30.9.1983 a.a.O.). Es ist gegenüber anderen (ausdrücklich und von vornherein) nachbarschützenden Vorschriften subsidiär (BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – juris Rn. 10). Im unbeplanten Innenbereich ergibt sich das Gebot der Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (im Falle eines sog. „faktischen Baugebiets“) oder über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 25). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BayVGH, B.v. 30.7.2021 – 1 CS 21.1506 – juris Rn. 10). Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots mit Blick auf die Stellplatzsituation und den durch das Vorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehr vorliegend nicht gegeben. Mit Blick auf die vorgetragene Unzulässigkeit der Lage der Stellplätze ist insofern seitens der Klägerseite schon nicht substantiiert vorgetragen, woraus genau eine Verletzung folgen soll. Unabhängig davon ist nach durgeführtem Augenschein und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls auch nicht ersichtlich, woraus sich die Unzulässigkeit der beantragten Stellplätze mit Blick auf eine Verletzung des allein in Betracht kommenden Rücksichtnahmegebots ergeben sollte. Allein die Anordnung der Stellplätze im rückwärtigen Bereich des Grundstücks reicht für die Annahme einer Verletzung des Rücksichnahmegebots nicht aus. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang die Wertung des § 12 Abs. 2 BauNVO besonders in den Blick zu nehmen. Danach sind bei einem Wohngebiet – wie hier – die für die Wohnnutzung notwendigen Stellplätze und Garagen gemäß § 12 BauNVO grundsätzlich zulässig und daher hieraus entstehende Beeinträchtigungen grundsätzlich hinzunehmen. Etwas anderes gilt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nur, wenn von ihnen ausnahmsweise Belästigungen und Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Bei der einzelfallbezogenen Prüfung ist jedoch der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen. Die von den Stellplätzen einer rechtlich zulässigen Wohnbebauung ausgehenden Emmissionen sind demnach im Regelfall – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – hinzunehmen. Im Einzelfall können ausnahmsweise besondere örtliche Verhältnisse zu dem Ergebnis führen, dass die Errichtung von Stellplätzen auf dem Baugrundstück abweichend von § 12 Abs. 2 BauNVO nicht oder nur mit Einschränkungen genehmigt werden kann. Dies ist etwa bei einer besonders steilen Stellplatzzufahrt, ungünstigen Höhenverhältnissen zu Wohnräumen oder einer beengten Situation (beengte Hoflage), in welcher es zu vermehrtem Rangieraufwand kommt, denkbar (vgl. in diesem Zusammenhang BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 26 ff.).
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Dies zugrunde gelegt sind die Stellplätze im vorliegenden Fall und dem vorliegenden Wohngebiet zulässig. Anhaltspunkte, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund besonderer örtlicher Umstände ausnahmsweise begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar ist der Klägerseite zuzugestehen, dass insbesondere die Situierung der zwei Stellplätze im nordöstlichen Bereich des Vorhabengrundstücks und die dort ebenfalls vorgesehene Tiefgaragenzufahrt sowie der Umstand, dass die Zufahrt zu den Stellplätzen sowie zur Tiefgarage lediglich ohne Begegnungsverkehr möglich ist, zu beengten Verhältnissen für den entstehenden Zu- und Abfahrtsverkehr führt. Richtig ist auch, dass ein Ausparken mit Blick auf die zwei Stellplätze im rückwärtigen Bereich des Grundstücks in der Tat vermutlich nur rückwärts auf die S.-straße zurücksetzend erfolgen kann. Gleichwohl kann dieser Umstand eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht begründen. Es ist weder mit erheblichem Rangieraufwand noch mit anderen, die Schwelle der Zumutbarkeit überschreitenden besonderen Störungen zu rechnen, die durch die zugegeben beengte Stellplatzsituation entstehen werden. Es mag zwar sein, dass es in Einzelfällen aufgrund der konkreten Situation auf dem Baugrundstück zu gewissen geringfügigen Verzögerungen bei Ein- und Ausparksituationen und aufgrund der vorgesehenen Ampelanlage ggf. zu geringfügigen Rückstau- bzw. Wartesituationen auf der Erschließungsstraße kommen mag, die den sonstigen Anliegern hin und wieder ein kurzfristiges Warten abverlangen. Eine diesbezügliche sporadisch auftretende Lästigkeit erreicht aber – auch kontrastiert mit dem Interesse des Beigeladenen an einer derartigen Situierung der Stellplätze – nicht den Grad der Unzumutbarkeit und damit die Schwelle einer etwaigen Rücksichtslosigkeit. Das gilt auch dann, wenn sich die verkehrliche Situation gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert. Die Grenze zur Rücksichtslosigkeit kann in Einzelfällen – unabhängig von Lärmbelastungen – dann überschritten sein, wenn es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommen wird (vgl. auch BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 36; B.v. 30.4.2020 – 15 ZB 19.1349 – juris Rn. 11 ff.). Solche chaotischen Verhältnisse sind hier jedoch weder vorgetragen noch nach Aktenlage und unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse zu erwarten.
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c. Soweit geltend gemacht wird, dass die Erschließung nicht gesichert sei und das gemeindliche Einvernehmen deshalb nicht hätte ersetzt werden dürfen, trifft das nicht zu. Die für eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit erforderliche gesicherte Erschließung, worauf sich die Gemeinde berufen darf (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 9 CS 581 – juris), ist vorliegend gegeben. Eine Rechtsverletzung des Klägers liegt auch insofern nicht vor.
52
Das bauplanungsrechtliche Erschließungserfordernis verlangt in hier allein fraglicher wegemäßiger Hinsicht einerseits, dass das Vorhaben durch Straßen zugänglich ist, und andererseits, dass der durch das Vorhaben zusätzlich ausgelöste Verkehr von der vorhandenen Straße aufgenommen werden kann (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (E/Z/B/K), BauGB, Stand Febr. 2021, § 34 Rn. 65; BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 9 CS 19.581 – Rn. 30). Die Erschließung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann wegemäßig nicht gesichert sein, wenn die vorhandenen Straßen durch den vom Vorhaben zu erwartenden Verkehr so belastet würden, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht nur in Spitzenzeiten ohne zusätzliche Erschließungsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet wäre (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 9 B 6.14 – juris Rn. 13). Im Innenbereich sind daher nur Vorhaben zulässig, die sich mit der vorhandenen Erschließung abfinden können, wobei aber nicht jede Erhöhung der Verkehrsbelastung die Sicherung der Erschließung gefährdet (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 15.84 – juris Rn. 34; BayVGH, B. v. 20.5.2019 – 9 ZB 18.1261 – juris Rn. 11). Dass sich das hier streitgegenständliche Vorhaben, ein 7-Familienhaus, nicht mit der vorhandenen Erschließung wird abfinden können, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aus dem soeben angeführten Maßstab sowie den oben unter b. gemachten Ausführungen ergibt sich im Übrigen auch, dass etwaige, durch das geplante Vorhaben entstehende Rückstau- oder Wartesituationen auf der Erschließungsstraße, hier der S.-straße, und damit ggf. in Zusammenhang stehende Fragen der Verkehrssicherheit keine Frage der gesicherten Erschließung sind und auch im Übrigen nicht zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens führen (s.o.).
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3. Eine Rechtsverletzung des Klägers scheidet auch mit Blick auf die Einhaltung der Vorgaben der Stellplatzsatzung des Marktes aus. Denn das beantragte Vorhaben hält die Vorgaben der Satzung ein. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Zufahrt zu der Tiefgarage inklusive deren Rampe. Die Breite dieser Fahrbahnen mit jeweils mindestens 3 m genügt sowohl den Anforderungen des von § 3 Nr. 6 der gemeindlichen Stellplatzsatzung in Bezug genommenen § 4 Abs. 3 GaStellV, soweit man diesen trotz seines Wortlautes („Fahrgassen in Mittel- und Großgaragen“; Hervorhebung hier) auf die oberirdische Zufahrt anwenden möchte, als auch den Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 2 GaStellV. Letzteres gilt unabhängig davon, dass diese Vorschrift nicht in der gemeindlichen Stellplatzsatzung in Bezug genommen und daher nicht Teil des Prüfprogramms ist. Für beides sei angemerkt, dass es sich wegen der in den Bauvorlagen vorgesehenen und auch im Bescheid in Bezug genommenen Ampelanlage um eine lediglich einspurige Zufahrt handelt. Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2022 keine inhaltlichen Argumente vorgetragen hat, welche einen Verstoß gegen die gemeindliche Stellplatzsatzung begründen könnten. Die seitens des Klägers angeführten und erläuterten Erfahrungswerte mit vergleichbaren Situationen wurden zwar nachvollziehbar dargelegt, sind für die rechtliche Bewertung jedoch nicht von Bedeutung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar ist die Klage mit Blick auf Ziffer 2 zu 1.6. teilweise erfolgreich. Dem Kläger können jedoch gleichwohl die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt werden, da der Beklagte im Verhältnis zum gesamten Streitgegenstand nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Der Beigeladene hat einen Antrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt. Es entspricht daher der Billigkeit ihm einen Kostenerstattungsanspruch zuzusprechen, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO sowie §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.