Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.12.2022 – M 7 SN 22.6123
Titel:

Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen Aufhebung der gesetzlichen Schonzeiten für Rotwild, Gamswild und Rehwild

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
AVBayJG § 15 Abs. 3
BayJG Art. 33
BJagdG § 22
NPVO § 14
Leitsätze:
1. Es ist ausreichend, wenn die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 VwGO zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet und besondere, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 iVm Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG dürfen die gesetzlichen Schonzeiten nur aus besonderen Gründen aufgehoben werden, wobei die Vorschrift beispielhaft mögliche Gründe zur Rechtfertigung einer Schonzeitaufhebung benennt, die nicht nicht abschließen sind. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch der Schutz des Bergwalds kann aufgrund seiner vielfältigen Schutzwirkungen wie die Bewahrung ua des eigenen Standorts vor Bodenabtrag und dem gleichzeitigen Schutz von Siedlungen und Straßen vor Lawinen, Hochwasser, Steinschlag und Muren, einen selbstständigen besonderen Grund iSd § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG darstellen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wildschäden kommt das Gewicht eines besonderen Grundes nach dem Wortlaut der Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 S. 3 BJadG  nur zu, wenn übermäßige Wildschäden zu befürchten sind und diese durch die Verkürzung der Schonzeit vermieden werden können. Im Bergwald, dem als Schutzwald besondere Gemeinwohlaufgaben zukommen, wird die Grenze zum übermäßigen, nicht mehr zumutbaren Wildschaden wesentlich früher erreicht sein, als im Flachland. (Rn. 48 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufhebung der Schonzeit, Berg- und Schutzwald, Nationalpark
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.03.2023 – 19 CS 23.101
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44900

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, eine Naturschutzvereinigung, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner im Hauptsacheverfahren erhobenen Verbandsklage zur Aufhebung eines Bescheids der Nationalparkverwaltung … (im Folgenden: Nationalparkverwaltung) zur Aufhebung der gesetzlichen Schonzeiten für Rotwild, Gamswild und Rehwild in Teilflächen des Nationalparks …
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Das Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 bescheinigt der Hegegemeinschaft Nationalpark … eine Verbissbelastung als „zu hoch“ und enthält die Abschussempfehlung „beibehalten“. In der ergänzenden Revierweisen Aussage für das Staatsjagdrevier Nationalpark … wird eine Wertung der Verbisssituation als „zu hoch“ und eine Tendenz als „nicht verändert“ angenommen.
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Mit Bescheid vom 29. März 2022 traf die Nationalparkverwaltung für die Schwerpunktjagdgebiete, die Waldumbaugebiete und die Sonstige Pflegezone des Forstreviers …see folgende Einzelanordnung:
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In den Schwerpunktjagdgebieten dürfe die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten wie folgt ausgeübt werden (Nr. I. § 1):
Rotwild
Hirsche AK III vom 1. Februar bis 31. Juli
Kälber vom 1. Februar bis 31. März Schmaltiere und -spießer vom 1. April bis 31. Mai
Gamswild
Gamswild (außer Böcke Klasse I) vom 16. Dezember bis 31. Januar
Böcke (außer Klasse I),
Jährlinge und weibliches Gamswild bis zwei Jahre vom 1. Februar bis 31. Juli
Kitze vom 1. Februar bis 31. März
Rehwild
Böcke vom 16. Oktober bis 30. April
Kitze vom 16. Januar bis 31. März
Schmalrehe vom 16. Januar bis 31. Januar und vom 1. April bis 30. April
Geißen vom 16. Januar bis 31. Januar
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In den Waldumbaugebieten dürfe die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten und unter Beachtung der Verkürzung der Jagdzeit sowie des Ruheintervalls wie folgt ausgeübt werden (Nr. I § 2):
Rotwild
Hirsche AK III vom 1. Mai bis 15. Juni
Schmaltiere und -spießer vom 1. Mai bis 31. Mai
Gamswild
Gamswild (außer Böcke Klasse I) vom 16. Dezember bis 31. Januar
Böcke (außer Klasse I), Jährlinge und weibliches Gamswild bis zwei Jahre  vom 1. Mai bis 15. Juni
Rehwild
Böcke vom 16. Oktober bis 31. Januar
Geißen, Schmalrehe und Kitze vom 16. Januar bis 31. Januar
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In der Sonstigen Pflegezone des Forstreviers …see dürfe die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten und unter Beachtung der Verkürzung der Jagdzeit sowie des Ruheintervalls wie folgt ausgeübt werden (Nr. I. § 3):
Rotwild
Hirsche AK III vom 1. April bis 15. Juni
Schmaltiere und -spießer vom 1. April bis 31. Mai
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Als Anlage waren dem Bescheid eine Übersichtstabelle über die Jagdzeiten nach Gebietskulisse sowie eine Übersichtskarte der Gebietskulissen der Wildbestandsregulierung beigefügt.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Wildbestandsregulierung im Nationalpark bezwecke keine herkömmliche Nutzung, sondern diene alleine dem Schutzzweck des Nationalparks, natürliche und naturnahe Lebensräume zu erhalten bzw. ihre Entwicklung zu unterstützen. Gleichzeitig sei im Nationalpark gemäß Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayJG ein artenreicher und gesunder Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Diese Zielsetzungen würden u.a. durch eine zeitlich-räumlich differenzierte Wildbestandsregulierungsstrategie mit örtlicher Schwerpunktsetzung und einer Störungsminimierung für das zu bejagende Schalenwild erreicht. Gemäß dem Schutzzweck des Nationalparks seien natürliche und naturnahe Lebensräume zu erhalten bzw. sei ihre Entwicklung zu unterstützen. Dies umfasse insbesondere den Erhalt und die Verbesserung der Schutzfunktion der Wälder. Die Schwerpunktjagd- und Waldumbaubereiche stellten Gebietskulissen zur planmäßigen Waldentwicklung, insbesondere für die Einbringung von Tanne und Laubhölzern gemäß der Waldentwicklungsplanung dar. Die Einbringung dieser Mischbaumarten sei für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Schutzwaldeigenschaften in der Pflegezone des Nationalparks aus Gründen der Landeskultur unentbehrlich und dringend geboten. Örtlich komme es vor allem im Spätwinter zu starken, übermäßigen Verbissschäden an den Zielbaumarten, insbesondere bei der Tanne, wie das Forstliche Gutachten und das jährliche Traktverfahren zeigten. Ziel dieser Einzelanordnung sei es daher, die Schäden durch gezielten Abschuss auf sensiblen und speziell gefährdeten Verjüngungsflächen im Rahmen der Abschussplanung zu begrenzen. Dies beruhe vor allem im Vergrämungseffekt auf das Schalenwild, die Schonzeitaufhebung ziele damit nicht vorranging auf die Abschusserfüllung ab. Zudem erfolge die Anpassung des Beginns der Jagdzeiten in den Waldumbaubereichen an die derzeit geltenden gesetzlichen Jagdzeiten für Rehwild. Mit dieser Vorverlegung auf den 1. Mai könne die Wildbestandsregulierung noch effektiver (hohe Sichtbarkeit des Schalenwilds zu Beginn der Vegetationszeit) und störungsärmer (geringerer Jagddruck in den Wintermonaten) durchgeführt werden. In der sonstigen Pflegezone des Forstreviers …see erfolge eine Vorverlegung der Jagdzeit für Rotwild auf den 1. April, um bereits frühzeitig die Möglichkeit zu haben, beim Wegzug des Wilds aufgrund einer sehr frühen Vegetationsentwicklung aus der Pflegezone in die Kernzone einen Teil des dringend notwendigen Abschusses möglichst störungsarm realisieren zu können, was sich nach Analyse der Abschussdaten als dringend notwendig zeige. Die Frühjahrsjagd am See mache in Teilen bis über 20% des Gesamtabschusses aus. Mit der Vorverlegung auf den 1. April weiche diese Einzelanordnung auch in diesem Punkt nicht von der Schonzeitaufhebungsverordnung der Regierung von Oberbayern ab. Zudem werde diese Möglichkeit nur bei entsprechend zeitigem Frühjahr und einem frühen Verlassen der Rotwildfütterungen ausgeschöpft. Dieses Umsteuern sei in Anbetracht der zunehmend milderen Winter zwingend notwendig. Die zahlenmäßige Regulation des Rotwilds mithilfe jagdpraktischer Möglichkeiten sei in Fällen kurzer Winter und eines schnellen Abziehens in die Kernzone im Frühjahr anderenfalls nicht mehr möglich, da sonst ein großer Teil der Rotwildpopulation den Sommer über in der Kernzone verbleibe und sich somit über den Rest des Jahres der jagdlichen Einwirkungsmöglichkeit entziehe. Die Effektivität und der Erfolg dieser Maßnahme solle künftig mit besenderten Tieren evaluiert werden. In Summe sei die räumlich eng begrenzte und fachlich abgewogene Schonzeitaufhebung im Vergleich zu einer zahlenmäßig stärkeren, flächigen Bejagung als die tierschutzgerechteste Alternative aufzufassen. Insgesamt sei die Schonzeitaufhebung bzw. die Jagdzeitanpassung ein angemessenes und geeignetes Mittel, sowohl dem Tierschutz (z.B. Reduktion von Störungen) wie auch den Nationalparkzielen (z.B. Wiederherstellung naturnaher Wälder) gerecht zu werden. Aus Gründen der Landeskultur, insbesondere zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden, sei die Abweichung von den Schonzeiten dringend erforderlich. Die Nationalparkverwaltung – Untere Forst- und Jagdbehörde – sei für den Erlass der Einzelanordnung gem. Art. 52 Abs. 3 BayJG und § 21 BJagdG sachlich und örtlich zuständig. Die zuständige Behörde könne nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG und § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG für bestimmte Gebiete aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Landeskultur und zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden, die Schonzeiten aufheben. Die Anordnung gelte bis zum 31. März 2023 und könne nach eingehender Prüfung der Erfordernisse schriftlich jeweils um ein weiteres Jagdjahr verlängert werden (Nr. III).
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Hiergegen lies der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 10. Juni 2022 Klage erheben (M 7 K 22.3037) mit dem Antrag, Nr. I § 1 des Bescheids aufzuheben, soweit er sich auf Hirsche AK III und Rotwildkälber, Gamswild und Rehwild beziehe, Nr. I § 2, soweit er sich auf Hirsche AK III, Gamswild und Rehwild beziehe, Nr. I § 3, soweit er sich auf Hirsche der AK III beziehe, und Nr. III insgesamt aufzuheben.
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Mit Bescheid vom 5. Dezember 2022 ordnete die Nationalparkverwaltung die sofortige Vollziehung im Hinblick auf die Einzelanordnung vom 29. März 2022 an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Antragsteller erhobene Klage habe gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolge gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aus Gründen des öffentlichen Interesses. Ohne die Anordnung des Sofortvollzugs müsste der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abgewartet werden. Ein Abwarten sei vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung und der Naturverjüngung des Berg- und Schutzwalds im Nationalpark unzumutbar. Seit dem 16. Oktober 2022 sei die Bejagung von Böcken beim Rehwild aufgrund der anhängigen Klage nicht mehr möglich. Ab dem 16. Dezember 2022 solle über die Einzelanordnung zusätzlich die Bejagung des Gamswilds ermöglicht werden, ab Januar und Februar 2023 griffen zudem weitere schonzeitaufhebende Regelungen des Bescheids. Die Einzelanordnung vom 29. März 2022 sei Teil eines ganzheitlichen Konzepts der Waldentwicklung und Wildbestandsregulierung der Nationalparkverwaltung. Da es insbesondere im Spätwinter zu starken und übermäßigen Verbissschäden komme, sei unter anderem ein gezielter Abschuss auf Verjüngungsflächen und der damit zu erzielende Vergrämungseffekt in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung für den Erhalt der Verjüngungspflanzen. Dies verdeutliche die Auswertung der letzten fünf Jagdjahre, in welchen die herbst- und winterliche Jagd außerhalb der regulären Jagdzeiten beim Gams- und Rehwild rund 20% der Jahresjagdstrecke ausgemacht hätten. Eine Aussetzung des Vollzugs hätte damit gerade in diesem Zeitraum gravierende negative Folgen auf die Waldverjüngung. Ohne die Vollziehbarkeitsanordnung sei die Bejagung über die gesetzlichen Jagdzeiten hinaus nicht möglich. Die Verbissbelastung in der Pflegezone des Nationalparks sei ausweislich des Forstlichen Gutachtens 2021 zu hoch. Die Verjüngung und nachhaltige Waldentwicklung des Berg- und Schutzwalds im Nationalpark und der Erhalt seiner Schutzfunktion sei daher ohne entsprechende Wildbestandsregulierung gefährdet. Die im Bescheid vom 29. März 2022 angeordnete effektive Bejagung auch außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten sei zur Vermeidung weiterer Verbissschäden zwingend erforderlich. Die Schonzeitaufhebung sei ein angemessenes und geeignetes Mittel, um sowohl dem Tierschutz als auch den Nationalparkzielen gerecht zu werden.
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Am 9. Dezember 2022 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (M 7 K 22.3037). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die kurzfristige Anordnung der sofortigen Vollziehung diene offensichtlich dem taktischen Ansinnen, eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren vor dem „Wirksamwerden“ der Schonzeitaufhebung in Bezug auf Gamswild am 16. Dezember 2022 zu vereiteln. Eine zeitnahe Entscheidung sei insbesondere anlässlich der Klassifikation des Gamswilds als besonders geschützte Art nach Anhang V der FFH-Richtlinie und den möglichen Folgen für weitere geschützte Tierarten (insbesondere die nach der Vogelschutzrichtlinie geschützten Raufußhühner) dringend geboten. Der Antragsteller sei nach § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG antragsbefugt, was im Folgenden vertieft wurde. Darüber hinaus bestehe bei der Verletzung umweltschützender Vorschriften des Unionsrechts eine subjektive Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Der Antrag sei begründet, da der in der Hauptsache angefochtene Bescheid sich als rechtswidrig erweise. Damit überwiege das Aussetzungsinteresse das behördliche Vollzugsinteresse, jedenfalls folge es bei unterstelltem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens aus einer reinen Interessenabwägung. Der Sofortvollzug sei in Bezug auf Rotwild unzureichend begründet. Konkrete Ausführungen würden nur zum Rehwild und zum Gamswild gemacht. Der Bescheid vom 29. März 2022 sei zudem formell rechtswidrig. Die Untere Naturschutzbehörde sei entgegen Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG nicht beteiligt worden. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über den Alpen- und Nationalpark Berchtesgaden vom 16. Februar 1987 – NPVO – sei die Nationalparkverwaltung Untere Forstbehörde und nehme die Verwaltungsbefugnisse der Unteren Jagdbehörde im Nationalpark wahr. Zuständige Untere Naturschutzbehörde sei das Landratsamt Berchtesgadener Land als Kreisverwaltungsbehörde (Art. 43 Abs. 2 Nr. 3 BayNatSchG). Bei der Beteiligung handle es sich hier – anders als im Regelfall – nicht um eine rein behördeninterne Beteiligung. Die Beteiligung sei nicht nachholbar, weil der Zweck der Beteiligung (umfassende Sachverhaltsermittlung und -bewertung) nicht mehr nachträglich erreicht werden könne. Die Erteilung einer Ausnahme von den bundes- bzw. landesrechtlichen Jagd- und Schonzeitenregelungen unter Bezugnahme auf Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BJagdG berühre wesentliche Belange des Naturschutzes, insbesondere, weil störende Auswirkungen auf andere wildlebende Tierarten wie Raufußhühner und trächtiges Schalenwild nicht ausgeschlossen werden könnten, was im Folgenden vertieft wurde. Die Jagd in den Wintermonaten im Gebirge führe zu unnötiger Beunruhigung des Wilds, der hierdurch in die Höhe getriebene Stoffwechsel führe zu erhöhtem Nährstoffbedarf und demzufolge erhöhtem Verbiss. Der erhöhte Energieverbrauch könne zum Verenden der Tiere führen, was nicht tierschutzgerecht sei. Dass die – im Einzelnen dargestellte – erhebliche Verlängerung der Jagdzeiten keine wesentlichen Belange des Tierschutzes berühren solle, sei ausgeschlossen. Die Nationalparkflächen unterlägen strengeren Vorgaben an Natur- und Tierschutz als der Wirtschaftswald (§ 6 Abs. 2 NPVO). Es würden systematisch Wintereinstände bejagt. Auch der Status des Nationalparks als FFH- und Vogelschutzgebiet zwinge zu einer Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid und in der Sofortvollzugsanordnung, wonach die Nationalparkverwaltung ihr Vorgehen als „tierschutzgerecht“ betrachte, sei ungenügend. Zusätzlich finde die Jagd mitten in der Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit der in diesem Zeitraum besonders störungsempfindlichen Raufußhühner (März bis Juni) statt. Folglich könnten durch jagdliche Handlungen Zielkonflikte entstehen. Durch den Verzicht auf die Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde blieben diese unberücksichtigt. Das Thema Störungen sowie die Auswirkungen auf die zu bejagenden Wildarten im Winter würden weder in der Begründung des Bescheids noch in der Vollzugsanordnung erwähnt. Dies sei verfehlt, da im Nationalpark der Prozessschutz, d.h. der ungestörte Ablauf von Naturvorgängen (§ 24 BNatSchG), zu denen auch Wildtierverbiss gehöre, Vorrang genieße; der wirtschaftliche Aspekt der Wildschadensvermeidung spiele im Nationalpark keine Rolle (§ 6 Abs. 2 NPVO). Bedrohungsszenarien durch möglicherweise verlangsamte oder veränderte walddynamische Prozesse seien hier nicht realistisch und widersprächen auch dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Wechselwirkungen von großen Pflanzenfressern und ökologischen Prozessen bei der Entwicklung waldgeprägter Lebensräume. Für die forstlichen Eingriffe im sog. „Waldumbaugebiet“ müsse zudem eine naturschutzfachliche Verträglichkeitsprüfung stattgefunden haben. Eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde sei auch aufgrund der Stellung der Nationalparkverwaltung als Sonderbehörde des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz nicht verzichtbar. Weder das Bayerische Jagdgesetz noch das Naturschutzrecht oder die Nationalparkverordnung gäben etwas für diese Schlussfolgerung her. Eine „teleologische Reduzierung“ des Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG komme nicht in Betracht. Im Übrigen zeige die Nichtbehandlung der naturschutzfachlichen Belange im Bescheid vom 29. März 2022 und in der Sofortvollzugsanordnung, dass eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde angezeigt gewesen wäre. § 14 NPVO sei unwirksam. Die Einzelanordnung vom 29. März 2022 sei materiell rechtswidrig. Auf die Ausführungen in der Klagebegründung werde Bezug genommen. Die Begründung, die Schonzeitaufhebungen seien Ausfluss eines ganzheitlichen Konzepts der Waldentwicklung und Wildbestandsregulierung, sei nicht tragfähig, da das Gesetz eine vom Gesetz abweichende „ganzheitliche“ Praxis nicht vorsehe. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausnahme von der gesetzlichen Jagd- bzw. Schonzeit lägen nicht vor, was im Folgenden vertieft wurde. Nach dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG könnten die Schonzeiten nur aus besonderen Gründen, die den Regelbeispielen in der genannten Norm entsprechen müssten, aufgehoben werden. Als Ausnahmebestimmungen seien die Vorschriften eng auszulegen, in Folge sei ein strenger Maßstab anzulegen. Die Verkürzung der Schonzeit sei nicht erforderlich, um übermäßige Wildschäden zu verhindern. Auch Gründe der Landeskultur geböten dies nicht. Dem Forstlichen Gutachten 2021 könne eine besondere Schadneigung der Schutzwaldsanierungs- und dortigen Verjüngungsflächen nicht entnommen werden. Ihm käme hier ohnehin nur geringe Bedeutung zu, da das Forstliche Gutachten seinem Wesen nach eine Erfassung wirtschaftlich bedeutsamer Einflüsse auf die Waldverjüngung sei, sodass es im Nationalpark, der kein Wirtschaftswald sei, keine Aussagewirkung entfalten könne. Es gälten andere Maßstäbe, allen voran der Prozessschutz. Der Nationalpark verzichte seit Jahren bewusst auf die volle Ausschöpfung der gesetzlichen Jagdzeiten. Die Jagdzeit für männliches Rehwild (außer männlichen Kitzen) habe bereits am 15. Oktober 2022 geendet. Ob und in welchem Umfang das Abschuss-Soll bereits erreicht worden sei, werde von der Nationalparkverwaltung nicht mitgeteilt. Die Parkverwaltung habe den Zeitraum vom 16. Oktober 2022 bis einschließlich 4. Dezember 2022 tatenlos verstreichen lassen, um jetzt – kurz vor dem Hochwinter – die dringende Notwendigkeit der Winterbejagung (auch) des Rehbocks hervorzuheben. Der Bestand an Rehböcken hätte erforderlichenfalls auch in unmittelbarem Anschluss an die gesetzliche Jagdzeit erfolgen können, was die zusätzliche Belastung der im Park vorhandenen Wildtiere ein wenig hätte mindern können. Es sei nicht ersichtlich, warum dem Nationalpark, auf dessen Gelände ausschließlich professionelles Personal zur Jagd eingesetzt werde, die Erfüllung des auf das Jagdjahr 2022/23 (anteilig) entfallenden Abschusses innerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten nicht gelungen sei bzw. gelingen werde. Ein jagdlicher Akteur, der es unterlasse, seinen Abschuss innerhalb der regulären gesetzlichen Jagdzeiten zu erfüllen, könne sich nicht auf das Erfordernis einer Bejagung außerhalb dieser Jagdzeiten berufen. Der Verweis auf den erwünschten Vergrämungseffekt auf Schutzwaldverjüngungsflächen genüge hier nicht, da die von der Jagzeitverlängerung betroffenen Flächen weit über Verjüngungsflächen hinausgingen. Der Nationalpark sei an die gesetzlichen Jagdzeiten gebunden. Eine Verschiebung der Jagdzeiten sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Anordnung vom 29. März 2022 sei unverhältnismäßig. Eine konkrete Zuordnung, ob und wo genau sich die außerhalb gesetzlicher Jagdzeiten zu bejagenden Flächen mit Verjüngungsflächen oder Schutzwald deckten, erfolge nicht. Die betroffenen Flächen stellten offenkundig nicht vollumfänglich (Objekt-)Schutzwald dar und seien schon gar nicht flächig als Verjüngungsflächen anzusehen. Hinzu komme die Störung in einem FFH- und Vogelschutzgebiet, wobei auf die Ausführungen in der Klagebegründung Bezug genommen werde. Alternative Maßnahmen zum Schutz von Verjüngungsflächen (temporärer Einzelschutz, Schwerpunktbejagung während der gesetzlichen Jagdzeit) seien nicht in Erwägung gezogen worden. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft. Weder sei die Erforderlichkeit einer Jagdzeitverlängerung „in den Winter hinein“ ausreichend gewürdigt worden noch habe eine vollständige Sachverhaltsermittlung in Bezug auf Zielkonflikte unter Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde sowie des aktuellen Stands der Abschussplanerfüllung stattgefunden, was im Folgenden vertieft wurde. Die Ermessenserwägung, die Schonzeitaufhebung sei trotz der damit verbundenen Folgen „tierschutzgerecht“, sei plakativ, aber nicht nachvollziehbar. Es sei anerkannte wissenschaftliche Erkenntnis, dass die betroffenen Pflanzenfresserarten ebenso wie die betroffenen Raufußhühner in den Hochwintermonaten und im ausklingenden Winter als Folge des zu dieser Zeit bestehenden „zehrenden Stoffwechsels“ und dem Bedürfnis, die Körperreserven wieder aufzufüllen, unter erhöhten Stressreaktionen litten. Dies werde bei den Raufußhühnern durch die steigenden Hormonwerte im Vorfeld der ab März beginnenden Balz verstärkt. Störungen ab der zweiten Dezemberhälfte bis in das Frühjahr (Setz- und Aufzuchtzeit) wirkten für die Tiere enorm belastend und schwächten das körpereigene Immunsystem, dies führe zu Tierleid und beeinträchtige die Gesundheit der betroffenen Arten. Auch bei einer bei offenem Ausgang der Hauptsache erforderlichen Interessenabwägung überwiege das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Tiere, die aufgrund eines vorläufig vollziehbaren Bescheids erlegt würden, seien als Umweltbestandteile unwiederbringlich verloren. Betroffen sei auch eine nach der FFH-Richtlinie besonders geschützte Wildart. Die waldbaulichen Interessen seien durch die reguläre Bejagung ausreichend sichergestellt – für die Annahme einer besonderen Schadneigung auf den Schutzwaldverjüngungsflächen gebe der Sachverhalt nichts her. Das Projekt der Schutzwaldsanierung sei nicht geeignet, Jagdzeiterweiterungen zu begründen, wenn seit Jahren auf die Ausschöpfung der gesetzlichen Jagdzeiten verzichtet und eine freiwillige Jagdruhe gehalten werde. Der Antragsgegner halte sich ein gewisses Abschusskontingent aus dem Abschussplan frei, um dieses im Winter zu erfüllen. Die Frage, warum der Waldumbau in einem Nationalpark mitten in den Wintereinständen der dort lebenden Schalenwildarten erfolgen müsse, sei berechtigt. Zudem werde der Verbiss durch ständige Beunruhigung des Wilds mit dieser Praxis erhöht.
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Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2022 vertiefte der Bevollmächtigte des Antragstellers sein bisheriges Vorbringen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, u.a. § 24 Abs. 2 BNatSchG gebiete für den Nationalpark eine besondere Zurückhaltung im Rahmen von Schonzeitaufhebungen. Der großflächige Waldumbau sei nach § 24 BNatSchG kein Nationalparkziel. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2017 sei vom Bundesverwaltungsgericht kassiert worden. Die Einzelanordnung habe mit der Schonzeitaufhebungsverordnung der Regierung von Oberbayern nichts zu tun. § 24 Abs. 2 BNatSchG finde im Bergwald anders als im Nationalpark keine Anwendung. Hinsichtlich der Antragsbefugnis liege ein Vorhaben mit Umweltauswirkung vor, wozu unter Verweis auf aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weiter ausgeführt wurde. Da lediglich gegen die Bejagung außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten Einwände erhoben würden, hätte der Antragsgegner im Sommer nicht auf die Bejagung des Rehwilds verzichten müssen und auch das Gamswild bis zum 15. Dezember 2022 bejagen können. Die Aussage, die Kernzone werde nicht bejagt, sei Augenwischerei, da genau diejenigen Wildtiere, die sich im Sommer dort aufhielten, in ihren Wintereinständen bejagt würden. Es sei nicht belegt, dass sich Gamswild in die Kernzone zurückziehe. Bloße bessere Effektivität könne eine Abweichung von gesetzlichen Jagdzeiten nicht rechtfertigen. Auch das vorgetragene Nichterreichen des Jahresabschusssolls rechtfertige den Sofortvollzug nicht. Rotwild könne noch bis 31. Januar 2023 bejagt werden, für eine Jagdzeitverlängerung auf Vorrat bestehe kein Anlass. In Bezug auf Gamswild sei ein Großteil des Abschuss-Solls bewusst aufgespart worden, um im Winter effektiver jagen zu können. Die Aussage, der Abschuss für Rehwild sei nur zu 56% erfüllt, sei aufgrund des Dreijahreszeitraums des Abschussplans zu unkonkret. Zudem könne das weibliche Rehwild noch bis 15. Januar 2023 bejagt werden. Instandsetzung von Jagdeinrichtungen und Urlaub von Angestellten könnten keine Ausnahmesituation begründen. Die Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde sei gerade, weil der Nationalpark in der Pflegezone seinen Fokus auf den Wald(um) bau lege, notwendig. Wesentliche Belange des Naturschutzes seien berührt. Der Versuch, die Schonzeitaufhebungen zu einem naturschutzfachlichen Erfordernis umzudeuten, sei untauglich. Wie der Antragsgegner einräume, diene die Winterbejagung nicht der Erfüllung des Abschuss-Solls. Die Jagd könne auch auf konkret schadgeneigten Flächen, d.h. Verjüngungsflächen innerhalb von Schutzwäldern, die dem Objektschutz dienten, beschränkt werden. Das Schutzwaldargument könne im Nationalpark nicht pauschal gelten, weil auch Hangrutsche etc. zu geschützten Prozessen gehörten. Nur der Objektschutz rechtfertige eine andere Sichtweise, dieser Anteil der Schutzwälder würde aber weder quantifiziert noch eingegrenzt. Die Darstellung der Verjüngungsflächen sei nicht unzumutbar, da die von der Einzelanordnung umfassten Flächen angeblich weniger als 10% der Parkfläche ausmachten. Die Aussage, bei 73% der Waldflächen in der Pflegezone handele es sich um Schutzwald, widerspreche der ergänzenden Revierweisen Aussage, nach der der Schutzwaldanteil mit 47-68% angegeben werde. Flächenmäßig könne er sich nicht mit dem von der Einzelanordnung betroffenen Gebiet von weniger als 10% der Parkfläche decken. Sollte, wovon auszugehen sei, Schutzwald auch außerhalb des Anordnungsgebiets liegen, zeige dies, das eine Bejagung innerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten ausreichend sein könne. Dass die Einzelanordnung seit Jahren wortgleich von Jahr zu Jahr verlängert werde, spreche nicht für eine an den tatsächlichen Gegebenheiten (Verbissquoten auf Verjüngungsflächen) orientierte Vorgehensweise. Die Raufußhühner – insbesondere das Auerwild – würden durch jagdliche Störungen ebenso beeinträchtigt wie durch Nachsuche mit Hunden, auch die Umgestaltung lichter Fichtenhochwälder in dichte, gemischte Bergwälder könne sich auswirken. Vor allem sei eine Einbeziehung in die Abwägung unterblieben. Die von dem Antragsgegner angeführte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei nicht einschlägig. Dieser habe sich mit jagdlichen Eingriffen im Nationalpark noch nicht befasst. Die vorgelegten Gamszählungen könnten nicht auf Richtigkeit überprüft werden. Die Diagramme zeigten aber, dass die Gamsbestände im Jenner-Gebiet (Pflegezone) abnähmen, im Watzmanngebiet (gehöre nicht zur bejagten Zone) hingegen stabil blieben, womit das Argument der Bestandsreduzierung gerade nicht widerlegt würde. Der Ansatz des Antragsgegners, zur Widerlegung des Störungsarguments auf vermeintlich steigende Birkwildpopulationen zu verweisen, sei verfehlt. Es gehe um die Vermeidung negativer Beeinträchtigungen für die Zukunft, wobei es nicht auf die Population, sondern auf jedes einzelne Tier ankomme. Auch der alleinige Fokus auf Birkwild sei irreführend, aussagekräftige Daten zum Auerwild lägen nicht vor. Das Stagnieren auf niedrigem Level lasse nicht die Aussage zu, es sei unbeeinträchtigt. Die Behauptung, die Bestände der Raufußhühner seien durch hohen Wildverbiss, nicht aber durch jagdliche Störungen beeinträchtigt, würde zu einer vollständigen Aushebelung der Vorgaben der SPA-Richtlinie führen. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2019 stehe mit den vom Europäischen Gerichtshof im Jahr 2021 erneut konkretisierten Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie nicht im Einklang. Eine Ermessensausübung sei schon aufgrund der seit Jahren wortgleichen Anordnung nicht erkennbar. Entgegen der Aussagen des Antragsgegners sei eine Pflanze nur bei einem letalen Verbiss unwiederbringlich verloren. Die hohen Pflanzdichten machten ein gewisses Maß an Verbiss, gerade weil er nicht zu wirtschaftlichen Einbußen führe, verkraftbar. Auch ein im Schutzwald stehender, durch Verbiss „schief und krumm“ gewachsener Baum binde CO² und sorge für Hangstabilität.
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Im Rahmen des Klageverfahrens hatte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 19. August 2022 über das auch im Eilverfahren Vorgetragene hinaus – im Einzelnen vertieft – vorgetragen, es sei schwer nachvollziehbar, dass der Nationalpark dem Waldumbau, d.h. der Gestaltung des Walds in einer Pflegezone von mehr als 4.500 ha Größe nach aktuellen forstfachlichen Vorstellungen, ohne Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde Vorrang gegenüber einer natürlichen Waldentwicklung einräume. Dieser Aspekt sei mit § 6 NPVO nicht vereinbar und relativiere die eigenen Aussagen zum Prozessschutz und die Vorgaben des § 24 BNatSchG. Die Nationalparkverwaltung sei für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht (mehr) sachlich zuständig gewesen, da § 14 Abs. 1 Satz 2 NPVO durch den Wegfall der Ermächtigungsgrundlage (Art. 8 Abs. 4 BayNatSchG a.F.) unwirksam geworden sei. Art. 8 BayNatSchG sehe seit 2011 keine entsprechende Zuständigkeitsverlagerung mehr vor, sodass nach Art. 49, 52 BayJG wieder das Landratsamt für Entscheidungen nach Art. 33 Abs. 5 BayJG zuständig sei. Die früherere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der eine Verordnung auch bei nachträglichem Wegfall der sie tragenden Rechtsgrundlage fortgelten könne, betreffe, soweit ersichtlich, vorkonstitutionelle Verordnungen. Eine Verortung der Ermächtigungsgrundlage an anderer Stelle sei hier nicht gegeben. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausnahme von der gesetzlichen Jagd- bzw. Schonzeit auf allen betroffenen Flächen seien nicht gegeben. Die Nationalparkverwaltung habe Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 BayGJ nicht punktuell angewendet, sondern es würden die Bereiche der Pflegezone insgesamt erfasst. Eine Schonzeitaufhebung in Einstandsgebieten sei kontraproduktiv. Es werde nicht ausgeführt, an welchen Stellen im Spätwinter erhöhter Verbiss festzustellen sei und auch eine Zuordnung des Verbisses zum Verursacher sei nicht erfolgt. Fegeschäden seien lediglich an vier Bäumen festgestellt worden und Schälschäden würden im Bescheid nicht erwähnt, was gegen die Erforderlichkeit der Schonzeitaufhebung bei Rehböcken und Rotwild spreche. Die Akte zeige nicht auf, dass sich die Parkverwaltung über den Bestand des Gamswilds Gedanken gemacht habe. Das Forstliche Gutachten 2021 zeige keinen Bedarf an Schonzeitaufhebungen oder -verkürzungen auf, weiche von der vorgegebenen Systematik ab und die Feststellung eines „zu hohen“ Verbisses sei angesichts der erhobenen Ergebnisse nicht nachvollziehbar. Die Wildschäden lägen nach Aktenlage in einem vertretbaren Bereich. Die Vorgehensweise in den Waldumbaugebieten sei widersprüchlich, da zunächst die Schonzeit verkürzt und dann aber eine eineinhalbmonatige Ruhephase innerhalb der Jagdzeit eingeführt werde. Eine solche Jagdzeitenverschiebung könne nur der Gesetzgeber einführen. Der Nationalpark unterliege anderen Maßstäben als der ökonomisch bewirtschaftete Staats-, Körperschafts- oder Privatwald. Er habe den Prozessschutz und die Schutzwürdigkeit aller im Park vorkommenden Lebewesen (Flora und Fauna) in den Vordergrund zu stellen. Schonzeitaufhebungen müssten mit möglichen negativen Folgen abgewogen werden. Die Bejagung in der Pflegezone wirke sich auch auf die Kernzone aus, da jagdbare Schalenwildarten, auch in der Kernzone lebende Tiere, bei Übertritt in die Pflegezone bejagt würden. Auch führten freiwerdende Einstände zu Nachzug. Eine Evaluation der Bejagung in der Pflegezone in den vergangenen Jahren sei nicht ersichtlich. Die Abwägung sei fehlerhaft, es bestünden Ermessensfehler. Die Schonzeitverkürzung auf konkret bezeichneten schadensgeneigten Verjüngungsflächen wäre ein milderes Mittel gewesen. Die Nichtbeachtung des Gamswild-Schutzstatus sowie die Inkaufnahme negativer Folgen für nach der Vogelschutzrichtlinie geschützte Arten sei mit einem Nationalpark nicht in Einklang zu bringen, es sei eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen. Eine klimabedingte Vorverlegung der Austreibungsphase begründe keine revier- oder hegegemeinschaftsbezogene Sondersituation, wozu weiter ausgeführt wurde.
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Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller geführten Klage (M 7 K 22.3037) gegen den Bescheid der Nationalparkverwaltung … vom 29. März 2022 (Az.: SG 4/7946) wird wiederhergestellt.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2022 ausgeführt, der Bescheid vom 29. März 2022 und die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 5. Dezember 2022 seien rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht taktischer Natur, sondern solle eine effektive Wildbestandsregulierung gemäß den Schutzzielen des Nationalparks … ermöglichen. Für den Bergwald im Nationalpark gälten andere Maßgaben. Die hier streitigen Rechtsfragen seien durch die auf den vorliegenden Fall übertragbaren Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Dezember 2017 (19 N 14.1022) und vom 13. Februar 2019 (19 N 15.420) geklärt, was im Folgenden vertieft wurde. Die Bereiche der Schwerpunktbejagung seien im Vergleich zur gesamten Nationalparkfläche gering. Nach der Begründung zur Nationalparkverordnung komme der Wildbestandsregulierung orientiert am Nationalparkzweck eine wichtige Rolle zu. Der Nationalpark sei ein spezielles Naturschutzgebiet. Die Nationalparkverwaltung könne zur Verwirklichung der Nationalparkzwecke von den Vorschriften des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes abweichen, solange die Wildbestandsregulierung in Nationalparken in diesen Vorschriften nicht konkret geregelt sei. Ihr stehe zur Erfüllung der Nationalparkziele ein weiter Einschätzungsspielraum zur Verfügung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei ordnungsgemäß und schlüssig mit dem Erfordernis einer effektiven Wildbestandsregulierung zum Zweck der Naturverjüngung begründet. Der Antrag sei unzulässig. Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt, was im Folgenden vertieft wurde. § 2 Abs. 4 UVPG verweise bei der Definition von Vorhaben ausdrücklich auf dessen Anlage 1, womit der Gesetzgeber klargestellt habe, dass die in § 2 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a bis Buchst. c und in Nr. 2 Buchst. a bis Buchst. c genannten Vorhaben zwingend im Zusammenhang mit einem der in der Anlage 1 gelisteten „UVPpflichtigen Vorhaben“ stehen müssten. Die Modifizierung jagdrechtlicher Jagd- und Schonzeiten finde sich in der Vorhabensliste der Anlage 1 zum UVPG nicht, zudem hätten alle dort gelisteten Vorhaben einen Objektbezug. Ein Bezug auf § 2 Abs. 4 UVPG sei daher nicht möglich. Weiterhin bleibe unberücksichtigt, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG eine eingreifende Maßnahme in Gestalt einer irgendwie gearteten tatsächlichen Änderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder des Grundwasserspiegels voraussetze, was hier nicht gegeben sei. Zudem setze der Begriff der eingreifenden Maßnahme einen Bezug auf den Eingriffsbegriff in § 14 BNatSchG voraus. Aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ergebe sich als Mindestvoraussetzung für ein Vorhaben ein Objektbezug. Eine Antragsbefugnis bestehe auch nicht nach § 42 VwGO, wozu weiter ausgeführt wurde. Die Begründung der Vollziehungsanordnung erfülle die Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wozu weiter ausgeführt wurde. Im Wesentlichen lasse sich aus der exemplarischen Herausstellung von zwei bereits jetzt von der aufschiebenden Wirkung der Klage betroffenen Wildarten nicht ableiten, dass eine Bejagung des Rotwilds ab Februar nicht erforderlich sei. In der Begründung werde generell auf die Bedeutung des Vergrämungseffekts auf den Verjüngungsflächen verwiesen, auf die insbesondere im Spätwinter starken und übermäßigen Verbissschäden und auf die besondere Wichtigkeit der Bejagung in den kommenden Monaten. Diese Ausführungen bezögen sich auf die streitgegenständliche Einzelanordnung und alle dort aufgeführten Wildarten. Auch im letzten Absatz werde ausdrücklich auf die Wichtigkeit der generellen Regulierung des Wildbestands hingewiesen und nicht nach der Wildart differenziert. Im Revier …see habe bereits eine beachtliche Rehwildstrecke erzielt werden können. Die Nationalparkverwaltung habe aufgrund des anhängigen Klageverfahrens bislang auf die Bejagung des Rehbocks verzichtet, was nun nachzuholen sei. Ohne Sofortvollzug würde mit dem Gamswild eine weitere gesamte Population aus der Regulation herausfallen. Dies hätte beim jetzt einsetzenden Schneefall sofortige Schäden an der Verjüngung in den Berg- und Schutzwäldern des Nationalparks zur Folge, weshalb ein weiteres Zuwarten nicht möglich sei. Es sei unzutreffend, dass der Nationalpark die regulären Jagdzeiten nicht in der gebotenen Weise zur Bejagung nutze. Im Nationalpark liege eine nicht mit einer Bejagung im Wirtschaftswald vergleichbare Sonderkonstellation vor. Diese Besonderheit liege darin, dass die Kernzone des Parks (ca. 75% der Fläche) ganzjährig ohne Bejagung bleibe, sodass die Wildbestandsregulierung sich generell nur auf die Pflegezone beschränke. Das Wild ziehe sich jedoch im Laufe des Jahres, insbesondere im Frühjahr nach dem Hochkommen der Vegetation, verstärkt in die Bereiche der Kernzone zurück. Der Wildbestandsregulierung im Winter und im Frühling komme daher nicht nur mit Blick auf das Jahres-Abschusssoll eine erhebliche Bedeutung zu. Es werde vielmehr vorrangig auf die gezielte Vergrämung des Wilds auf den Entwicklungsflächen abgezielt. Die Wildbestandsregulierung sei zu diesen Zeiten um ein Vielfaches effektiver, was auch an der besseren Sichtbarkeit des Wilds im Winter liege. Mit Stand 12. Dezember 2022 sei der Gesamtabschuss beim Rehwild erst zu 56%, beim Rotwild zu 42% und beim Gamswild zu 30% erfüllt. Daher sei auch unter dem Gesichtspunkt der Abschusserfüllung eine Winter- und Frühjahrsbejagung elementar wichtig. Überdies solle mit der Schonzeitaufhebung ein verstärkter Abschussdruck während der regulären Jagdzeiten vermieden werden. Die jagdliche Ruhepause vom 15. Juni bis 31. Juli falle in jagdlich ineffektive Zeiten mit einem nur geringen Beitrag zur Gesamtstrecke, zudem würden in dieser Zeit die jagdlichen Einrichtungen instandgesetzt und die Mitarbeiter seien zum Antritt ihres Urlaubs angehalten. Die Nationalparkverwaltung sei sachlich zuständig. Der Wegfall des § 8 Abs. 4 BayNatSchG a.F. habe den Bestand der auf ihr beruhenden Nationalparkverordnung unberührt gelassen. Zudem blieben nach der Überleitungsvorschrift des Art. 60 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG u.a. die aufgrund des Bayerischen Naturschutzgesetzes in einer nicht mehr geltenden Fassung erlassenen Verordnungen und Anordnungen über den Schutz von einzelnen Flächen und einzelnen Bestandteilen der Natur bis zu ihrer ausdrücklichen Aufhebung in Kraft. Auf die Klageerwiderung werde Bezug genommen. Eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG habe nicht erfolgen müssen. Die Nationalparkverwaltung sei dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz als unmittelbar nachgeordnete Sonderbehörde direkt unterstellt und damit aufsichtlichen Strukturen unterworfen. Sie sei in Bezug auf den Nationalpark der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt übergeordnet. Sinn und Zweck der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 NPVO, wonach die Nationalparkverwaltung die Verwaltungsbefugnisse der Unteren Jagdbehörde im Nationalpark auch für den Erlass von Einzelanordnungen nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG übernehme, sei es, dass die Entscheidung über die Aufhebung der Schonzeit in dem besonders geschützten Gebiet des Nationalparks von derjenigen Behörde getroffen werden solle, die mit besonderen Kenntnissen und Kompetenzen ausgestattet sei, da sie direkt vor Ort sei, Fachleute beschäftige und insgesamt aufgrund der Nationalparkverordnung für den Erhalt und die Pflege des Nationalparks zuständig sei. Die Nationalparkverwaltung übernehme somit nur aufgrund der Sonderzuweisung in § 14 Abs. 1 Satz 2 NPVO für bestimmte Sachverhalte die Verwaltungsbefugnisse der Unteren Jagdbehörde, sei in erster Linie aber Fachbehörde des Naturschutzes und damit zuständige Behörde für die Beurteilung der durch eine Schonzeitanordnung ggf. berührten Belange des Naturschutzes. Hierneben sei eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde als externe Behörde nicht erforderlich. Auch bei einer angenommenen Beteiligungspflicht müsste die Untere Naturschutzbehörde die Beurteilung strikt an den Ziel- und Schutzvorgaben der Nationalparkverordnung und den hierzu entwickelten fachlichen Grundlagen vornehmen, für deren Entwicklung und Umsetzung die Nationalparkverwaltung zuständig sei. Eine von den Vorgaben der Nationalparkverwaltung abweichende Beurteilung könne sich daher nicht ergeben. Durch die Schonzeitanordnung würden wesentliche Belange des Naturschutzes nicht berührt, wozu im Folgenden weiter ausgeführt wurde. Mögliche Störungen jagdbarer Arten könnten nur dann Gegenstand der naturschutzbezogenen Bewertung sein, wenn sie zugleich dem Anwendungsbereich des Naturschutzrechts unterfielen. Dies sei bei Rot- und Rehwild nicht der Fall, vielmehr seien die hier zu berücksichtigenden Belange des Naturschutzes und auch des Tierschutzes über die Grundsätze des § 1 Abs. 2 und 3 BJagdG und des Art. 1 Abs. 1 und 2 BayJG abgedeckt. Die vom Antragsteller behaupteten negativen Folgen der Bejagung für besonders geschützte Arten nach der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie, insbesondere für Gamswild und Raufußhühner, seien durch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits geklärt. Eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde hätte zu keinen abweichenden Ergebnissen führen können. Der Antragsteller habe hinsichtlich möglicher Zielkonflikte nicht erläutert, inwieweit die genannten Arten für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgebliche Bestandteile dieses Gebiets darstellten und Störungen dieser Arten aufgrund der Schonzeitanordnung zu deren erheblicher Beeinträchtigung führen könnten. Der alleinige Hinweis darauf, dass schon die Jagdausübung als solche zu Beeinträchtigungen führen könne, reiche nicht aus. Im Übrigen wäre als Maßstab für Beeinträchtigungen die Population heranzuziehen, nicht vereinzelte Störungen einzelner Individuen. Die streitgegenständliche Einzelanordnung sei materiell rechtmäßig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe im Leitsatz seines Urteils vom 13. Februar 2019 (19 N 15.420) klargestellt, dass die Aufhebung von Schonzeiten zur Ermöglichung/Unterstützung der Schutzwaldsanierung auf § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG gestützt werden könne. Die streitgegenständliche Einzelanordnung diene der nachhaltigen Entwicklung und dem Erhalt des Berg- und Schutzwalds im Nationalpark entsprechend dessen Schutzzielen. Die Waldbestände in der Pflegezone seien ausweislich des Forstlichen Gutachtens 2021 durch „zu hohen“ Verbissdruck gefährdet, weshalb eine effektive Wildbestandsregulierung zwingend erforderlich sei. Die Schonzeitaufhebung sei aus Gründen der Vermeidung übermäßiger Wildschäden, der Landeskultur und der Besonderheiten des Nationalparks und aufgrund von Erfordernissen des Naturschutzes rechtmäßig. Die Ausweitung der Jagdzeiten sei unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände vernünftigerweise geboten und erforderlich. Da die Nationalparkverwaltung von den jagdrechtlichen Vorschriften abweichen könne, könne und müsse sie auch die Wildbestandsregulierung entsprechend ausrichten. Die Bejagung im Winter sei deutlich effizienter. Sie diene allerdings nicht vorrangig der Abschusserfüllung, sondern dazu, die vor allem im Spätwinter verstärkt auftretenden Verbissschäden auf den Verjüngungsflächen durch gezielten Abschuss und den dadurch entstehenden Vergrämungseffekt zu begrenzen, wozu im Folgenden weiter vorgetragen wurde. Eine Bejagung auch während der Ruhepause habe mit Blick auf diese Zielsetzung keinen Einfluss. Die Nationalparkverwaltung habe im Rahmen der Wildbestandsregulierung einen weiten Ermessensspielraum. Sie orientiere sich mit der ganzheitlichen Wildbestandsregulierung an den Nationalparkzielen und der Nationalparkverordnung, die gerade keine wirtschaftliche Nutzung des Walds, sondern eine ganzheitliche Betrachtung des Nationalparks verlange, was im Folgenden weiter ausgeführt wurde. Die Ausweitung der Jagdzeiten sei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung schon dann zulässig, wenn sie vernünftigerweise geboten sei. Eine davon abweichende engere Auslegung sei bei Schonzeitaufhebungen im Nationalpark und bei Berg- und Schutzwäldern zum Zweck der Ermöglichung einer natürlichen Verjüngung nicht angezeigt. Auch die unbejagten Bereiche der Kernzone des Parks seien massiv verbissen. Übermäßige Wildschäden im Sinne von Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG lägen vor. Durchgreifende Mängel am Forstlichen Gutachten 2021 trage der Antragsteller nicht vor. Die Anweisung zum Forstlichen Gutachten sehe eine konkrete Darstellung der Verjüngungsflächen nicht vor. Auch wenn im Nationalpark andere Maßgaben gälten als im Wirtschaftswald, insbesondere der Gedanke des Prozessschutzes, diene das Forstliche Gutachten zur Verdeutlichung der Verbissproblematik und der Erforderlichkeit einer effektiven Wildbestandsregulierung. Die streitgegenständliche Einzelanordnung sei verhältnismäßig. Eine konkrete Zuordnung der Flächen sei weder zumutbar noch erforderlich. Da 73% der Waldflächen in der Pflegezone Schutzwald seien, sei klar, dass eine Bejagung überwiegend auf Schutzwaldflächen stattfinde. Im Rahmen einer dynamischen Wildbestandsregulierung sei eine explizite Benennung der zu bejagenden Flächen weder möglich noch erforderlich. Zudem müsse sich die Bejagung nicht auf die eigentlichen Entwicklungsflächen beschränken. Der Gesetzgeber habe die Nationalparkverwaltung in § 10 Abs. 4 NPVO ermächtigt, den Wildbestand im Nationalpark und im FFH- und Vogelschutzgebiet zu regulieren, dies sei daher zulässig. Eine Beeinträchtigung des Gamswilds und von Raufußhühnern sei nicht gegeben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich mit der Frage deren Beeinträchtigung durch die Bejagung im Bergwald befasst. An dem günstigen Erhaltungszustand des Gamswilds habe sich nichts geändert, die Gamsbestände im Park blieben konstant, wie die beigefügten Übersichten zeigten. Zudem würden die Bestände fortlaufend mit Blick auf den guten Erhaltungszustand beobachtet. Im Rahmen eines Monitorings werde unter anderem der Frage nachgegangen, inwieweit sich die Bestandsregulierung in der Pflegezone auf die Bestände in der Kernzone auswirke. Auch die Bestände der Raufußhühner würden beobachtet und kontrolliert. Sie seien in den letzten Jahren konstant geblieben, wie die Anlagen zeigten. Zu Störungen durch die Winterbejagung komme es nicht. Die Wildbestandsregulierung erfolge schonend durch fachlich geschultes Personal und unter Berücksichtigung des Arten- und Naturschutzes. Störungen für die Raufußhühner würden in Habitatgebieten auf ein verträgliches Mindestmaß reduziert. Eine Gefahr für die Bestände gehe vielmehr von den erhöhten Wildbeständen aus, da diese durch Verbiss die für die Raufußhühner überlebenswichtige Krautschicht und die Bodenvegetation gefährdeten. Dies erkenne auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof an, was im Folgenden dargestellt wurde. Damit stehe fest, dass gerade das Unterlassen einer effektiven Bejagung den günstigen Erhaltungszustand der Raufußhühner gefährde. Eine effektive Bejagung im Wege der streitgegenständlichen Einzelanordnung über die Aufhebung von Schonzeiten sei daher naturschutzfachliches Erfordernis. Das Ermessen der Nationalparkverwaltung sei ordnungsgemäß ausgeübt bzw. sogar auf Null reduziert. Aufgrund der zu hohen Verbissbelastung seien die Berg- und Schutzwälder im Nationalpark und deren Naturverjüngung in Gefahr. Hinzu träten die naturschutzfachlichen Erfordernisse. Es sei die Pflicht der Nationalparkverwaltung, das biologische Gleichgewicht im Nationalpark, den Erhalt des Schutzwalds und besonderer Tierarten, hier der Raufußhühner, zu gewährleisten. Die Besonderheiten des Parks und der Jagd im Bergwald implizierten das Erfordernis der Winter- und Frühlingsjagd. Aus den hier ebenfalls einschlägigen Gründen der Landeskultur, nämlich dem Schutz des Bergwalds im Nationalpark als Kulturgut, könnten Schonzeiten gemäß § 22 Abs. 3 BJagdG sogar gänzlich versagt werden (Wild ohne Schonzeit). Es sei unzutreffend, dass Zielkonflikte mit dem FFH-Recht nicht berücksichtigt worden seien. Dem streitgegenständlichen Bescheid sei zu entnehmen, dass die Wildbestandsregulierung im Wege der Schonzeitaufhebung störungsärmer durchgeführt werden könne, da der Jagddruck verteilt und damit reduziert werde. Mit dem ganzheitlichen Jagdkonzept werde auch die Reduzierung von Störungen verfolgt. Die verteilte Bejagung sei die arten- und auch tierschutzgerechtere Alternative. Potenzielle Zielkonflikte seien berücksichtigt worden. Das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers deutlich. Ohne die Bejagung während der Schonzeiten seien die Wälder des Nationalparks, die Bodenvegetation und damit letztlich auch der Bestand geschützter Tierarten, wie etwa die Raufußhühner, durch zu hohen Verbiss gefährdet. Jede verbissene Baumpflanze oder verbissene Teile der Bodenvegetation seien in gleichem Maße wie in der Schonzeit erlegte Tiere unwiederbringlich verloren. Der bedeutsame Unterschied liege darin, dass der Schalenwildbestand nach wie vor „zu hoch“ sei, die Wildbestände durch die Wildbestandsregulierung in ihrem Erhaltungszustand nicht gefährdet seien und die Entnahme von Wild nur das biologische Gleichgewicht wiederherstelle. Der Berg- und Schutzwald, die Krautschicht und Bodenvegetation und damit letztlich auch geschützte Arten, wie die Raufußhühner im Gebiet, seien hingegen durch den überhöhten Wildverbiss gerade gefährdet.
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Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 wurde seitens des Antragsgegners das bisherige Vorbringen weiter vertieft. § 24 BNatSchG fordere ungestörte Abläufe nur im überwiegenden Teil des Nationalparks, was hier auf 75% der Fläche in der Kernzone der Fall sei. Die Jagd auf den Rehbock sei nur in der Zeit vom 16. Oktober 2022 bis zum 5. Dezember 2022 bzw. bis zur Entscheidung über das gegenständliche Eilverfahren ausgesetzt worden. Die Wildbestandsregulierung orientiere sich am Effektivitätsgedanken, um Störungen der Tier- und Pflanzenwelt auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Die vorgelegten Abschusszahlen für Reh-, Rot- und Gamswild bezögen sich auf das Jahressoll. Das Nichterreichen des Abschuss-Solls beim Gamswild liege daran, dass während der regulären Jagdzeit eine effektive Bejagung von Gamswild nicht möglich sei, es werde nicht aufgespart. Durch die Regelung des Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BayJG werde die Jagdausübung in Nationalparken dem Naturschutzrecht zugewiesen. Sie sei daher eine Frage des Naturschutzrechts, weshalb die Wildbestandsregulierung durch die Nationalparkverwaltung als für den Nationalpark zuständige Sonderbehörde durchgeführt werde. Die Bejagung erfolge durch den Einsatz von Schalldämpfern geräuscharm. Nachsuchen seien nur in Ausnahmefällen notwendig, weil die Berufsjäger geschulte Schützen seien. Die Lage der Raufußhühner-Habitatstandorte werde bei der Bejagung berücksichtigt. Die Pflegezone stelle zwar keinen Wirtschaftswald dar, sie müsse zur Erreichung der Ziele des Nationalparks und aufgrund ihrer Bedeutung für den Berg- und Schutzwald aktiv entwickelt werden. Bezogen auf die Nationalparkfläche entfielen 6,2% der Flächen auf die Schwerpunktjagdgebiete, 10,2% auf die Flächen mit Intervalljagd und 6,6% auf die Waldumbaugebiete. Prozessschutz sei derzeit in der Pflegezone nicht möglich, gezielte Waldverjüngung und Waldschutz seien für die Transformation des Walds in der Pflegezone erforderlich. Eine weitgehende Hinnahme von Verbiss und Schälschäden im Bereich der Pflegezone sei unvereinbar mit den Zielen des Nationalparks und würde die Präsenz von Wolf, Bär und Luchs voraussetzen. Die Einzelanordnungen zur Schonzeitaufhebung erfolgten zwar seit langer Zeit, jedoch finde jährlich eine Prüfung der Notwendigkeit statt. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Februar 2019 befasse sich mit der Zulässigkeit von Schonzeitaufhebungen im alpinen oberbayerischen Bergwald, zu dem die Pflegezone des Nationalparks ohne weiteres gerechnet werden könne. Die Handlungsmöglichkeiten der Nationalparkverwaltung zur Steuerung der Bejagung in der Pflegezone seien aufgrund des zu hohen Wildverbisses so stark eingeschränkt, dass nur die streitgegenständliche Schonzeitaufhebung als geeignete Maßnahme verbleibe. Die Definition der naturschutzfachlichen Zielvorgaben für den Nationalpark und hiermit auch das Setzen des Bezugsmaßstabs für Anordnungen zur Bejagung falle in den Beurteilungsspielraum der Nationalparkverwaltung.
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Im Rahmen des Klageverfahrens hatte der Bevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 29. November 2022 über das auch im Eilverfahren Vorgetragene hinaus – im Einzelnen vertieft – ausgeführt, der Gesetzgeber habe dem alpinen Berg- und Schutzwald einen extrem hohen Status eingeräumt. Der Erhalt der Schutzfunktion des Bergwalds sei eine für den Nationalpark verpflichtende Zielvorgabe. Da die Nationalparkverwaltung Sonderbehörde des Naturschutzes und zusätzlich Untere Forstbehörde und in Teilbereichen Untere Jagdbehörde sei, lägen bei ihr auch sowohl die naturschutz-, forst- und jagdfachlichen Kompetenzen, als auch die entsprechenden Befugnisse und Aufgaben im Nationalpark. Eine zusätzliche Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde sei daher weder notwendig noch verwaltungsökonomisch sinnvoll. Potenzielle Zielkonflikte könnten von der Nationalparkverwaltung in unmittelbarer Abstimmung mit dem Ministerium bewertet werden, auch fänden im Zusammenhang mit dem Erlass von Einzelanordnungen regelmäßig Abstimmungen mit Ministeriumsvertretern statt. Neben der hohen naturschutzfachlichen Kompetenz sei auf die fachliche Beratung des Beirats gemäß § 15 NPVO hinzuweisen. Die Beeinträchtigung wesentlicher Belange des Naturschutzes i.S.v. Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG müsse im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung bewertet werden. Eine bloße Beunruhigung durch die Jagd reiche nicht aus. Die Alpen-Gämsen (Rupicapra rupicapra) unterfielen nur dem Schutz des Art. 14 i.V.m. Anhang V der FFH-Richtlinie. Hiernach sei nur darauf zu achten, dass die Entnahme vom Exemplaren mit der Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustands vereinbar sei, was hier der Fall sei. Den erschwerten Bedingungen im Winter im Gebirge werde durch Art. 29 Abs. 2 Nr. 6 BayJG begegnet. So sei im Extremwinter 2018/2019 die Wildbestandsregulierung zeitweise eingestellt worden. Im Übrigen sei eine unterbliebene Behördenbeteiligung nachholbar. Der Nationalpark und die Waldentwicklungsmaßnahmen seien vom Gedanken des Prozessschutzes geleitet. In der Kernzone würden eine Wildbestandsregulierung und eine forstliche Nutzung nicht durchgeführt. Auch in der Pflegezone finde eine forstwirtschaftliche Nutzung wie in Wirtschaftswäldern nicht statt. Eingriffe und eine konsequente Wildbestandsregulierung fänden nur in der am Außenrand des Nationalparks liegenden, 500 m breiten Borkenkäfermanagementzone statt. Für Bejahung des Tatbestandsmerkmals „übermäßige Wildschäden“ komme es nicht darauf an, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Einzelanordnung bereits übermäßige Wildschäden in dem betroffenen Gebiet bestünden, es müsse lediglich die Gefahr eines übermäßigen Wildschadens in Zukunft bestehen. Der Gesetzgeber habe bereits die Vermeidung eines Wildschadens ausreichen lassen. Der Eintritt von Schäden am Bergwald im Nationalpark müsse nicht abgewartet werden. Das Gefährdungspotenzial und das Entwicklungserfordernis für den Wald im Nationalpark sei enorm. Seit 2012 seien verteilt über die Pflegezone Investitionen für Pflanzungen in Millionenhöhe erfolgt. Die Schonzeitaufhebung sei daher auch von Gemeinwohlinteressen getragen. Der Wald im Nationalpark sei akut gefährdet, wie die Verbissquoten in der Anlage zum Forstlichen Gutachten sowie die Auswertung der Verjüngungsinventur zeigten. Die von der Einzelanordnung betroffenen Waldgebiete seien Schutzwälder i.S.v. Art. 10 BayWaldG. Ziel der Waldentwicklung sei die Verjüngung der sich auflösenden Schutzwälder, die größtenteils auf nicht standsicheren Hängen stockten, zur langfristigen Sicherung der Lawinen- und Bodenschutzfunktion. Tief wurzelnden Baumarten, insbesondere der Tanne, komme eine immer größere Bedeutung zu. Die Verpflichtung zur Beschränkung der Anordnung auf nur besonders schadensgeneigte Verjüngungsflächen sei weder erforderlich noch aufgrund der Nationalparkfläche von ca. 21.000 ha zumutbar. Dass die tatsächliche Bejagung letztlich schwerpunktmäßig auf Verjüngungsflächen stattfinden werde, könne der Bescheidsbegründung entnommen werden. Dies führe aber nicht dazu, dass auch die Gebietsumgrenzung im Bescheid nur auf diese Flächen reduziert werden müsse. Auch ein konkreter örtlicher Nachweis der Verbissflächen sei weder erforderlich noch zumutbar. Verbissschäden würden auch durch Rehböcke und Hirsche verursacht. Eine Bestandsermittlung sei im Rahmen von Schonzeitaufhebungen bei keiner betroffenen Wildart vorzunehmen. Auch Gamswild sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG Wild im Sinne des Jagdgesetzes und nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 JagdzeitV mit einer Jagdzeit durch den Gesetzgeber belegt worden. Eine Zuordnung des Wilds zum jeweiligen Verbiss sei nicht erforderlich und aufgrund der Gebietsgröße auch undurchführbar. Das Forstliche Gutachten 2021 sei entsprechend der Anweisung zum Forstlichen Gutachten 2021 erstellt worden, die ausdrücklich auch für die Nationalparkverwaltungen gelte. Da die Wildbestandsregulierung ausschließlich in der Pflegezone stattfinde, beziehe sich auch das Forstliche Gutachten als wesentliche Grundlage für die Abschussplanung ausschließlich auf die Pflegezone und Verbissinventuren würden nur in dieser Gebietskulisse erhoben. Im Übrigen hätten Erfahrungen des letzten Jahrzehnts gezeigt, dass der Verbiss in der Kernzone höher als in der Pflegezone sei. Wie die beigefügte Stellungnahme zeige, sei das Gutachten aus statistisch-methodischer Sicht fehlerfrei erstellt worden. Nach den zwischenzeitlich vorliegenden aktuellen Zahlen der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft seien 50,9% der Fläche der Pflegezone mit Schutzwald belegt, was bezogen auf die vorhandenen Waldflächen einen Anteil von 73% ausmache. Die unterschiedlichen Ergebnisse im Forstlichen Gutachten und der Revierweisen Aussage 2021 hinsichtlich der Einbringung von Tannen- und Buchenmischbeständen lägen in unterschiedlichen Datengrundlagen begründet. Die aktuelle Zahl sei, wie im Gutachten angegeben, 435 ha. Da die Hegegemeinschaft 992 nur ein Jagdrevier, nämlich das Staatsjagdrevier Nationalpark … beinhalte, müsse sich die ergänzende Revierweise Aussage auf dieses Jagdrevier beschränken. Schutzmaßnahmen seien hier nicht mitzuberücksichtigen gewesen, da zum einen die Bejagung nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG die natürliche Verjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen sollte, zum andern ihre Durchführbarkeit im Bergwald aufgrund der natürlichen Gegebenheiten stark eingeschränkt und unwirtschaftlich sei. Auch wenn sich die Tannenanteile in den letzten Jahren erhöht hätte, ändere dies nichts daran, dass die Waldentwicklung und Ermöglichung der Naturverjüngung über einen langen Zeitraum erforderlich sein werde.
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Zuletzt führte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2022 weiter aus, es bleibe dabei, dass Waldumbau kein Nationalparkziel sei. Den natürlichen Prozessen sei Vorrang zu geben. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 NPVO sei es verboten, Lebensbereiche (Biotope) der Pflanzen und Tiere zu stören oder zu verändern (Nr. 3) bzw. Pflanzen einzubringen (Nr. 4). Die Pflanzungsaktivitäten/Waldumbaumaßnahmen seien hiervon nicht gedeckt. Bewirtschafteten Wald gebe es im Nationalpark nicht. Es bestehe kein Erfordernis für die Bejagung außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten, schon weil die von der Nationalparkverwaltung vorangetriebene Schutzwaldsanierung gegen § 9 NPVO verstoße. Eine Ausnahme sei nach § 12 NPVO für jeden Einzelfall durch die Untere Naturschutzbehörde zu erteilen, was jedoch nicht erfolgt sei. Art. 31 BayJG sehe lediglich Beschränkungen der Jagd, nicht aber die Ausweitung von Jagdzeiten in Nationalparks vor. Da sich Gamswild insbesondere im Winter auf anderen Flächen als das Reh- und Rotwild aufhalte, verursache die Gamsbejagung auf den Gamseinstandsflächen, insbesondere den südausgerichteten Hängen, zusätzliche Störungen. Der Unterschied zwischen alpinen Schutzwaldflächen inner- und außerhalb des Nationalparks sei, dass in letztgenannten Bereichen der Prozessschutz und das Veränderungsverbot nicht gälten. Da die Schonzeitaufhebung dem Schutz von Waldumbau- und Schutzwaldsanierungsflächen diene, sei sie bereits wegen § 6 und § 9 NPVO nicht mit den Nationalparkzielen in Einklang zu bringen. Die Einzelanordnung erfasse 22% der Parkfläche, sodass von Geringfügigkeit nicht gesprochen werden könne. Der strenge Winter sorge bereits für sich genommen für eine Bestandsregulierung. Wolf, Bär und Luchs seien keine Einflussfaktoren bei der Dezimierung des Gamswilds im Gebirge, weil sich dieses in viel höheren Lagen aufhalte. Viel wichtiger sei der Steinadler, der als Nahrungsquelle auf Gamskitze und Fallwild angewiesen sei. Aufgrund eines Austauschs der Zählgebiete seit 2009 könne der Eindruck eines stabilen Gamsbestands aufgrund veränderter Zählgebiete verfälscht sein. Der Anteil letalen Verbisses sei nicht ausgewiesen. Der „Verbiss im oberen Drittel“ sei nicht aussagekräftig. Seitentriebverbiss sei weder letal noch hemme er das Wachstum entscheidend. Bei der Interessensabwägung sei zu berücksichtigen, dass durch die Jagd erlegte Tiere endgültig verloren seien. Sanierungsziele seien nicht berücksichtigungsfähig, da sie mit den Nationalparkzielen nicht im Einklang stünden. Eine Verträglichkeitsprüfung sei durchzuführen, da sich die bejagten Flächen in einem Natura-2000-Gebiet befänden.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Klageverfahren (M 7 K 22.3037) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
21
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die von der Nationalparkverwaltung mit Bescheid vom 29. März 2022 getroffene Anordnung zur Schonzeitaufhebung (M 7 K 22.3037) hat keinen Erfolg.
22
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet, sodass für das Eilverfahren im Ergebnis offenbleiben kann, ob im konkreten Fall eine Antragsbefugnis des Antragstellers gegeben ist.
23
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1) oder geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2a bis 6 UmwRG oder gegen deren Unterlassen zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.
24
Der Antragsteller ist zwar eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG im Freistaat Bayern anerkannte landesweit tätige Naturschutzvereinigung (vgl. Bekanntmachung nach § 3 Abs. 1 Satz 5 UmwRG, https://www.lfu.bayern.de/wir/anerkennung/index.htm, zuletzt abgerufen am 22.12.2022).
25
Fraglich ist indes, ob es sich bei der streitgegenständlichen Einzelanordnung zur Schonzeitaufhebung um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG handelt.
26
Die Kammer hat in ihren jüngeren Beschlüssen angenommen, dass nach dem als weitem Auffangtatbestand (vgl. VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW – juris Rn. 20 m.w.N.) konzipierten § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG Schonzeitaufhebungen als Verwaltungsakt anzusehen sind, durch den unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union ein anderes als in den Nrn. 1 bis 2b genanntes Vorhaben zugelassen wird, wobei für die Bestimmung des Vorhabensbegriffs auf die weite Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 UVPG zurückgegriffen werden kann (vgl. VG München, B.v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1686 – juris Rn. 21; B.v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1688 – juris Rn. 21; B.v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1695 – juris Rn. 19; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 13.4.2022 – RO 4 S 22.1162, BayVBl. 2022, 563). Hiergegen hat der Antragsgegner u.a. eingewendet, dass der Gesetzgeber durch die Verweisung des § 2 Abs. 4 UVPG im Rahmen der Vorhabensdefinition auf Anlage 1 zum UVPG klargestellt habe, dass die in § 2 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a bis Buchst. c und in Nr. 2 Buchst. a bis Buchst. c UVPG genannten Vorhaben zwingend im Zusammenhang mit einem der in Anlage 1 gelisteten UVPpflichtigen Vorhaben stehen müssten und sich die streitgegenständliche Schonzeitaufhebung weder in dieser Liste finde noch den allen dort gelisteten Vorhaben gemeinsamen Objektbezug aufweise. Der Antragsteller hat wiederum auf eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 8.11.2022 – Rs. C 873/19) hingewiesen, in der dieser sich zur Klagebefugnis anerkannter Umweltverbände geäußert habe. Beide Parteien haben gewichtige und nicht von der Hand zu weisende Argumente sowohl für, als auch gegen eine mögliche Subsumtion der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung unter den Vorhabensbegriff und damit das Vorliegen einer Antragsbefugnis angeführt, sodass die Frage des Bestehens einer Antragsbefugnis im Rahmen des Hauptsacheverfahrens noch zu vertiefen sein wird. Wie bereits ausgeführt, kann dies für das gegenständliche Eilverfahren indes dahinstehen, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist.
27
Der Antrag ist nicht begründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung der mit Bescheid vom 29. März 2022 angeordneten Schonzeitaufhebung vom 5. Dezember 2022 formell rechtmäßig ist und das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
28
Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vom 5. Dezember 2022 ist formell rechtmäßig.
29
Die vom Antragsgegner vorgebrachte Begründung – an die keine besonders hohen Anforderungen zu stellen sind – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Es ist ausreichend, wenn die Begründung zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet und die besonderen, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben werden (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Nationalparkverwaltung hat unter Bezugnahme auf die im Forstlichen Gutachten 2021 festgestellte zu hohe Verbissbelastung in der Pflegezone des Nationalparks nachvollziehbar ausgeführt, dass die Verjüngung und nachhaltige Waldentwicklung des Berg- und Schutzwalds und der Erhalt dessen Schutzfunktion ohne entsprechende Regulierung des Wildbestands über die gesetzlichen Jagdzeiten hinaus gefährdet ist. Insbesondere hat die Nationalparkverwaltung hervorgehoben, dass es insbesondere im Spätwinter zu starken und übermäßigen Verbissschäden komme, sodass u.a. ein gezielter Abschuss auf Verjüngungsflächen und der damit zu erzielende Vergrämungseffekt in den kommenden Monaten für den Erhalt der Verjügungspflanzen von entscheidender Bedeutung sei und eine Aussetzung des Vollzugs gerade in diesem Zeitraum gravierende negative Folgen auf die Waldverjüngung habe.
30
Einer ordnungsgemäßen Begründung steht auch nicht entgegen, dass – wie vom Antragsteller gerügt – das ebenfalls von der Sofortvollziehbarkeitsanordnung betroffene Rotwild in dem Bescheid nicht ausdrücklich genannt wird. Denn aus dem Gesamtkontext der für die Anordnung des Sofortvollzugs tragenden Gründe – im Spätwinter auftretende starke und übermäßige Verbissschäden und die nach dem Forstlichen Gutachten 2021 bestehende zu hohe Verbissbelastung – und dem Inhalt des für sofort vollziehbar erklärten Bescheids vom 29. März 2022 ist erkennbar, dass sich die Vollziehbarkeitsanordnung auf alle von der Schonzeitaufhebungen betroffenen Schalenwildarten bezieht.
31
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines Interesses an der Aussetzung mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit keinen Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Einzelanordnung für die Aufhebung der Schonzeiten für die Schalenwildarten Rot-, Reh- und Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
32
Nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung seiner Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
33
Unter Anwendung dieser Grundsätze dürfte die mit Bescheid vom 29. März 2022 angeordnete Schonzeitaufhebung im angefochtenen Umfang nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig sein.
34
Den Maßstab für die Erfolgsaussichten der Hauptsache bestimmt § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG als eine von § 113 VwGO abweichende Sonderregelung (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 2 UmwRG Rn. 18). Der Erfolg eines (zulässig erhobenen) Rechtsbehelfs nach § 2 Abs. 1 UmwRG setzt hiernach voraus, dass die angegriffene Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind und der Verstoß Belange berührt, die zu den satzungsgemäßen Zielen der Vereinigung gehören. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses.
35
Gemäß Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG i.V.m. §§ 14 Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 4 NPVO kann die Nationalparkverwaltung durch Einzelanordnung für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdreviere aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken und kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Zwecken, Lehr- und Forschungszwecken, bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder der Wildhege die Schonzeiten aufheben.
36
An der formellen Rechtmäßigkeit der angeordneten Schonzeitaufhebung bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
37
Die Nationalparkverwaltung dürfte nach § 14 Abs. 1 Satz 2 NPVO für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zuständig gewesen sein. Hiernach ist die Nationalparkverwaltung Untere Forstbehörde und nimmt die Verwaltungsbefugnisse der Unteren Jagdbehörde im Nationalpark mit Ausnahme der Feststellung und Abrundung von Jagdrevieren, der Erteilung, Versagung und Einziehung von Jagdscheinen, der Anordnungen zur Bekämpfung von Wildseuchen, des Erlasses von Rechtsverordnungen und der Richtlinien für die Hege und Bejagung des Wilds sowie der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten war. Diese Befugnis umfasst auch den Erlass von Einzelanordnungen zur Aufhebung von Schonzeiten nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG, da dieser Bereich nicht von den in § 14 Abs. 1 Satz 2 NPVO aufgezählten Ausnahmen umfasst ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht der Zuständigkeit nicht entgegen, dass die diese Vorschrift tragende Ermächtigungsgrundlage des Art. 8 Abs. 4 BayNatSchG 1973 mit Ablauf des 28. Februar 2011 außer Kraft getreten ist (vgl. Art. 61 Abs. 2 BayNatSchG in der bis zum 29. Dezember 2015 geltenden Fassung, GVBl. 2001 S. 82/101). Denn nach Art. 60 Abs. 1 BayNatSchG bleiben die auf Grund des Naturschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 in der Fassung vom 1. August 1968 (BayBS ErgB S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Juli 1970 (GVBl S. 345), und die auf Grund des Bayerischen Naturschutzgesetzes in einer nicht mehr geltenden Fassung erlassenen Verordnungen und Anordnungen über den Schutz von Flächen und einzelnen Bestandteilen der Natur bis zu ihrer ausdrücklichen Aufhebung oder bis zum Ablauf ihrer Geltungsdauer in Kraft. Dies betrifft auch die Nationalparkverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Februar 1987, die auf Grund von Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und Art. 45 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG erlassen worden ist.
38
Soweit der Antragsteller die nicht erfolgte Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde rügt, dürfte eine Beteiligung nicht erforderlich gewesen sein.
39
Nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG sind, soweit wesentliche Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt werden, diejenigen Naturschutzbehörden zu beteiligen, die dem Zuständigkeitsbereich der Jagdbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe entsprechen. So dürften hier jedoch schon keine wesentlichen Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt sein, die über das hinausgingen, was der Zweck des Nationalparks (§ 6 NPVO) bestimmt und der Nationalparkverwaltung als Aufgabe zugewiesen ist (vgl. § 14 Abs. 2 NPVO). Zudem dürfte es sich bei der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts nicht um eine Behörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe handeln, auch wenn der Nationalparkverwaltung teilweise Verwaltungsbefugnisse der Unteren Jagdbehörde zugewiesen sind.
40
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 NPVO untersteht die Nationalparkverwaltung, die noch bis zum 13. Oktober 2003 (vgl. G.v. 23.2.2004, GVBl. S. 14) dem Landratsamt Berchtesgaden angegliedert war, nunmehr dem Staatsministerium (für Umwelt und Verbraucherschutz) als unmittelbar nachgeordnete Sonderbehörde. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 NPVO wurden ihr bestimmte Verwaltungsbefugnisse der Unteren Jagdbehörde im Nationalpark übertragen, gleichzeitig ist sie aber auch für die Durchführung und Förderung aller Maßnahmen des Naturschutzes, insbesondere Schutz und Pflege der gesamten Pflanzen- und Tierwelt (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 3 NPVO) zuständig, wozu auch Maßnahmen des Artenschutzes zählen (vgl. LT-Drs. 8/5505, S. 14). Weitere Aufgabe ist gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 NPVO die Ausarbeitung und Aufstellung des Nationalparkplans, der nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 NPVO insbesondere die zur Erfüllung des in § 6 NPVO bestimmten Zwecks des Nationalparks notwendigen Maßnahmen beinhaltet. Zweck des Nationalparks ist es u.a., die gesamte Natur zu schützen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 NPVO) und die natürlichen und naturnahen Lebensgemeinschaften sowie einen möglichst artenreichen heimischen Tier- und Pflanzenbestand zu erhalten, wissenschaftlich zu beobachten, zu erforschen und, soweit dies bei Wahrung der Eigentumsrechte und bei Erhaltung der Schutzfunktionen möglich ist, einer natürlichen Entwicklung zuzuführen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 NPVO). Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 NPVO reguliert die Nationalparkverwaltung den Wildbestand aufgrund wildbiologischer Untersuchungen gemäß dem Zweck des Nationalparks und nach Maßgabe des Landschaftsrahmenplans und des Nationalparkplans. Schon anhand dieser Aufgabenzuweisungen wird deutlich, dass der Nationalparkverwaltung umfangreiche Naturschutzaufgaben übertragen worden sind, sodass der hierfür notwendige naturschutzfachliche Sachverstand in besonderem Maße vorhanden sein wird. So ist auch den Bereichen Naturschutz und Planung sowie Forschung und Monitoring nach dem Organigramm der Nationalparkverwaltung jeweils ein eigenes Sachgebiet zugeordnet. Für das besondere Vorhandensein naturschutzfachlicher Kompetenzen spricht weiter, dass die bayerischen Naturschutzbehörden u.a. von den beiden Nationalparkverwaltungen fachlich unterstützt werden (vgl. https://www.stmuv.bayern.de/themen/naturschutz/organisation/index.htm, zuletzt abgerufen am 22.12.2022). Der Sinn und Zweck der in Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG normierten Pflicht zur Beteiligung der jeweiligen Naturschutzbehörde auf gleicher Verwaltungsstufe dürfte demgegenüber darin liegen, sicherzustellen, dass bei dem Vollzug jagdrechtlicher Vorschriften durch die Jagdbehörden nicht nur jagd- oder forstrechtliche Belange, sondern auch die Belange des Naturschutzes ausreichend berücksichtigt werden, da bei den Jagdbehörden im Regelfall naturschutzfachlicher Sachverstand nicht in ausreichendem Maße vorhanden sein dürfte. Dies ist bei der Nationalparkverwaltung – wie dargestellt – aber gerade nicht der Fall. Aus diesem Grund dürfte es nur sachgerecht sein, dass die Nationalparkverwaltung auch für die Beurteilung der natur- und artenschutzrechtlichen Aspekte der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung umfassend zuständig ist, zumal sie auch aufgrund der größeren Sachnähe die zu berücksichtigen Umweltbelange und den Sachverhalt ohnehin besser beurteilen können dürfte, als die (insoweit externe) Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt. Da die Wildbestandsregulierung im Nationalpark gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 NPVO auch an dem Nationalparkzweck auszurichten ist, woran sich auch die Untere Naturschutzbehörde als Prüfungsmaßstab zu orientieren hätte, dürfte sich im Übrigen aus ihrer Beteiligung auch kein neuer Erkenntnisgewinn ergeben. Zudem spricht insbesondere auch die Regelung des § 14 Abs. 5 NPVO dafür, dass die Nationalparkverordnung die fachlichen Zuständigkeiten der Unteren Naturschutzbehörden und der Nationalparkverwaltung abschließend regelt, da insoweit nur die Zuständigkeiten anderer Behörden unberührt bleiben (vgl. auch LT-Drs. 8/5505, S. 15).
41
Die Schonzeitaufhebung dürfte nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig sein.
42
Nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG dürfen die gesetzlichen Schonzeiten nur aus besonderen Gründen aufgehoben werden, wobei die Vorschrift beispielhaft mögliche Gründe zur Rechtfertigung einer Schonzeitaufhebung benennt. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ macht dabei deutlich, dass die Aufzählung der besonderen Gründe nicht abschließend ist.
43
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann auch der Schutz des Bergwalds aufgrund seiner vielfältigen Schutzwirkungen wie die Bewahrung u.a. des eigenen Standorts vor Bodenabtrag und dem gleichzeitigen Schutz von Siedlungen und Straßen vor Lawinen, Hochwasser, Steinschlag und Muren, einen selbstständigen besonderen Grund i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG darstellen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 108 f. m.w.N.).
44
Diese Fallgruppe dürfte vorliegend gegeben sein. Die streitgegenständliche Schonzeitaufhebung bezieht sich vorliegend auf die Schwerpunktjagdgebiete, die Waldumbaugebiete sowie die Sonstige Pflegezone im Revier …see, die ausweislich der Gebietskulisse innerhalb der Pflegezone des Nationalparks liegen. Das Forstliche Gutachten 2021 für den Nationalpark … und die ergänzende Revierweise Aussage beschreiben die Pflegezone mit rund 70% als sehr waldreich, wobei der hohe Schutzwaldanteil mit rund 47-68% der Waldfläche besonders hervorzuheben sei. Diese Wälder der Hoch- und Kammlagen und an Steilhängen erfüllten hier überwiegend eine Bodenschutz- (64%), Lawinenschutz- (45%) und Wasserschutzfunktion (27%). Weitere Bereiche im Randbereich hätten einen Objektschutzcharakter, z.B. die Wälder im …berg oberhalb von …sau.
45
Soweit der Antragsteller widersprüchliche und ungenaue Angaben zum Schutzwaldanteil rügt, hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargetan, dass die lediglich grobe Angabe des Schutzwaldanteils im Forstlichen Gutachten und in der Revierweisen Aussage auf dem Nichtvorliegen genauer Daten über die Schutzwaldprozente in der Pflegezone im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung beruht habe. Nach den zwischenzeitlich aktualisierten Daten der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft bestehe für die gesamte terrestrische Nationalparkfläche ein Schutzwaldprozent von 50,3, aufgeteilt auf 2.644 ha Wald innerhalb der Pflegezone und 7.542,89 ha Wald innerhalb der Kernzone. 90,4% der im Nationalpark enthaltenen Waldflächen seien Schutzwald i.S.d. Art. 10 Abs. 1 BayWaldG, wobei 50,9% der Fläche der Pflegezone mit Schutzwald belegt sei. Der Schutzwaldanteil bezogen auf die vorhandenen Waldflächen in der Pflegezone liege bei 73%. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen dürfte es im Ergebnis auch nicht auf die prozentgenaue Angabe des Schutzwaldanteils ankommen, da jedenfalls auch der nach dem Forstlichen Gutachten und der Revierweisen Aussage festgestellte Schutzwaldanteil nicht unerheblich ist.
46
Weiter dürfte der mit der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung angestrebte Schutz des Bergwalds darüber hinaus einen besonderen Grund der Landeskultur i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG darstellen. Der Begriff Landeskultur umfasst jedenfalls die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung einschließlich der Maßnahmen zur Bodenerhaltung, Bodenverbesserung (Melioration), Neulandgewinnung und Flurbereinigung. Der Schutz des Bergwalds ist unter den Begriff der Landeskultur zu subsumieren, da es bei der Bewahrung eines gesunden und lebensfähigen Bergwalds auch um die Vermeidung erheblicher Schäden an der Kulturlandschaft geht (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 116 m.w.N).
47
Die Nationalparkverwaltung dürfte zudem zu Recht angenommen haben, dass die Schonzeitaufhebung zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden erforderlich ist.
48
Wildschäden kommt das Gewicht eines besonderen Grundes nach dem Wortlaut der Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG zwar nur zu, wenn übermäßige Wildschäden zu befürchten sind und diese durch die Verkürzung der Schonzeit vermieden werden können. Von einem übermäßigen Wildschaden ist daher auszugehen, wenn er das übliche Maß von durch Wild verursachte Schäden erheblich und in einem Umfang übersteigt, dessen Hinnahme dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten ist (vgl. OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 62 m.w.N.).
49
Vorliegend sind jedoch die besonderen Bedingungen, denen der Wald im Hochgebirge ausgesetzt ist, zu berücksichtigen. Ein Fall der Vermeidung übermäßiger Wildschäden ist ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn ohne die Ausweitung der Jagdzeiten die Naturverjüngung wegen des Wildverbisses unterbleibt und der Erhalt des Bergwalds mit seinen vielfältigen Schutzfunktionen nicht mehr zu gewährleisten ist. Es liegt auf der Hand, dass in die Subsumtion die Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind und dass der Eintritt von Schäden am Bergwald nicht abgewartet werden muss. Es wäre verfehlt, die Frage des Übermaßes von Wildschäden unabhängig von den naturräumlichen Gegebenheiten ihres Auftretens und der Bedeutung der betroffenen Güter nach einem einheitlichen (landesweiten) Maßstab zu beurteilen. Im Bergwald, dem als Schutzwald besondere Gemeinwohlaufgaben zukommen, wird die Grenze zum übermäßigen, nicht mehr zumutbaren Wildschaden wesentlich früher erreicht sein, als im Flachland. Angesichts der aus klimatischen und standortspezifischen Gründen erschwerten Wachstumsbedingungen für Jungbäume kann die Waldverjüngung hier – je nach Waldzustand – manchmal nur durch künstliche Anpflanzungen herbeigeführt werden und oft nur durch weitestgehende Unterbindung von Verbiss (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 117 f. m.w.N.).
50
Nach diesen Maßstäben dürften übermäßige Wildschäden zu befürchten sein. In dem Forstlichen Gutachtens 2021 wurde die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft 992 (Nationalpark …*) als „zu hoch“ bewertet. Im Rahmen der Empfehlung für die Abschussplanung wird ausgeführt, dass dem Rehwild der größte Verbisseinfluss zugeordnet werde. In Bezug auf Gamswild müssten v.a. im Revier …see größte Anstrengungen zur Realisierung des Abschusses unternommen werden, da sonst erfahrungsgemäß die Regeneration der Schutzwälder unmöglich sei. Beim Rotwild sei aufgrund der deutlichen Unterschreitung der Abschusspläne in den vergangenen Jahren im Revier Königssee eine gravierende Bestandserhöhung festzustellen. Hier liege ein Schwerpunkt der aktiven Wildbestandsregulierung, die weitere Entwicklung müsse streng überwacht werden. Es sei von allen Beteiligten Wert darauf zu legen, die Abschussvorgaben einzuhalten und zu erreichen. Anderenfalls könnten die bisherigen Erfolge nicht gehalten und notwendige Verbesserungen des Zustands der Waldverjüngung nicht erreicht werden. Den Belangen des Tierschutzes sei hierbei stets oberste Priorität einzuräumen. Weiter wird im Rahmen der Würdigung der zu hohen Verbissbelastung in der Pflegezone u.a. ausgeführt, dass aufgrund der nicht auf breiter Fläche angepassten Schalenwildbestände die Waldentwicklungsplanung noch nicht im erforderlichen Maß umgesetzt werden könne. Die Verjüngungsziele für Tanne und Buche seien nur auf Teilflächen über Naturverjüngung sinnvoll realisierbar. Das vorhandene Naturverjüngungspotenzial (Tanne!) könne nicht voll genutzt werden, was schließlich zur Überalterung der Bestände und zum Verlust an wertvollen Waldstrukturen führe. Auf Teilflächen würden noch keine naturnäheren, langfristig stabilen und artenreicheren Bergmischwälder unter Erhaltung der Schutzfunktion erreicht, was dem Nationalparkzweck, dem Nationalparkplan, dem Waldgesetz und dem Bergwaldprotokoll widerspreche. Bei der gegebenen Verbisssituation hätten Tanne und Buche weiterhin einen deutlichen Konkurrenznachteil. Damit komme der Wildbestandsregulierung auch zukünftig und auf Dauer eine wichtige Aufgabe zu. Nach einer revierweisen Betrachtung sei die Verbissbelastung bei der Tanne im Revier trotz positiver Entwicklung noch zu hoch, in den Revieren …bach und …see dagegen tragbar. Die Situation der Buche sei in allen Revieren tragbar. Das waldbauliche Ziel eines funktionsfähigen Bergmischwalds mit ausreichendem Tannenanteil könne ohne Schutzmaßnahmen in einem von drei Revieren nicht erreicht werden. Daher müsse bei Gesamtbetrachtung für die Hegegemeinschaft die Verbissbelastung als zu hoch bewertet werden. Ausweislich der Revierweisen Aussage ist das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung bei Fichte, Kiefer, Buche und Edellaubbäumen ohne Schutzmaßnahmen möglich, bei der Tanne nicht möglich. Weiter wird u.a. ausgeführt, dass die Tanne, die im Bergwald und besonders im Schutzwald eine übergeordnete Rolle spiele, sich nur in Teilbereichen natürlich verjüngen könne. Auch in den Bereichen …bach und …see zeigten sich starke räumliche Unterschiede, im Bereich Königssee müsse von einem großflächigen Hemmnis der Tannenverjüngung durch Schalenwild gesprochen werden. Sie bleibe hinter ihrem natürlichen Potenzial zurück, was nicht nur in Sondersituationen der Fall, sondern über das ganze Staatsjagdrevier betrachtet die überwiegende Regel sei. Das erfolgreiche Aufwachsen von Pflanzungen und Saaten sei bei der Buche ohne Schutzmaßnahmen möglich, bei der Tanne nicht möglich. Die neue Waldentwicklungsplanung reduziere die Pflanzungen von Buche und Tanne auf durch natürliche Störungen entstandene Bestandslücken. Auch bei der Buche zeigten sich räumliche Unterschiede. Verjüngung der Tanne durch Einbringung von Forstkulturen oder Saat sei im Wesentlichen nicht möglich. Der Einfluss des Schalenwilds müsse über den gesamten Park als zu hoch eingewertet werden. Es zeigten sich räumlich starke Unterschiede, vor allem im Bereich …see herrsche akuter Handlungsbedarf. Die Bereiche …bach und …see wiesen eine insgesamt bessere Situation auf, aber auch hier gebe es lokal starke Verbissschwerpunkte. Im Bereich …see werde aktuell weitestgehend auf die Einbringung von Tanne und Buche verzichtet, da dies in Anbetracht der Verbisssituation keine Aussicht auf Erfolg habe. Nach der Auswertung der Verjüngungsinventur 2021 bei den Verjüngungspflanzen ab 20 cm bis zur maximalen Verbisshöhe wiesen bei der Tanne 37,3% keinen Verbiss-/Fegeschaden und 62,7% einen Verbiss-/Fegeschaden auf, wobei bei 21,5% ein Leittriebverbiss, bei 62% ein Verbiss im oberen Drittel und bei 1,3% ein Fegeschaden ausgewiesen wurde. Bei der Buche wiesen 77,4% keinen Verbiss-/Fegeschaden und 22,6% einen Verbiss-/Fegeschaden auf, wobei bei 7,2% ein Leittriebverbiss und bei 22,6% ein Verbiss im oberen Drittel ausgewiesen wurde.
51
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Erstellung oder Unrichtigkeit des Forstlichen Gutachtens und der ergänzenden Revierweisen Aussage dürften nach summarischer Prüfung nicht gegeben sein. Die Nationalparkverwaltung dürfte das Forstliche Gutachten sowie die ergänzende Revierweise Aussage zu Recht als Grundlage für die Ermittlung der Verbisssituation und die Beurteilung des Umfangs der erforderlichen Wildbestandsregulierung herangezogen haben.
52
Die Forstlichen Gutachten bieten eine objektive und hinreichend umfassende Ermittlung der Schadenssituation (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 96; U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 56). Das System, die Methodik und die Durchführung der Forstlichen Gutachten sind nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 29 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass sich die Nationalparkverwaltung bei der Erstellung des Forstlichen Gutachtens und der Revierweisen Aussage nicht an die nach Nr. 2 der Anweisung sinngemäß auch für sie geltenden Grundsätze des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der jeweils aktuellen Fassung (Anweisung für die Erstellung der Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie zur Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussagen zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, https://www.stmelf.bayern.de/wald/jagd/forstliches-gutachten/004961/index.php, zuletzt abgerufen am 22.12.2022) gehalten hat, sind nicht ersichtlich.
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Dem dürfte nicht entgegenstehen, dass sich das Forstliche Gutachten inhaltlich (nur) auf die Pflegezone beschränkt. Die Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung werden von den zuständigen Forstbehörden im Vorfeld der Abschussplanung erstellt (vgl. Art. 32 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BayJG) und stellen für die Untere Jagdbehörde eine wesentliche Entscheidungsgrundlage bei der behördlichen Abschussplanung dar (vgl. Anweisung für die Erstellung der Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, Nr. 1). Da im Nationalpark die Wildbestandsregulierung ausschließlich in der Pflegezone stattfindet, während in der Kernzone die Jagd ruht, dürfte die Beschränkung des Forstlichen Gutachtens auf die Pflegezone sachgerecht sein. Dies entspricht auch den Vorgaben in der Anweisung, wonach Verjüngungsflächen in befriedeten Bezirken, auch Waldflächen, auf denen nach § 6a BJagdG die Jagd aus ethischen Gründen ruht, als Aufnahmeflächen nicht berücksichtigt werden (vgl. Anweisung für die Erstellung der Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, Nr. 3.3.1). Es dürften keine durchgreifenden Bedenken bestehen, dass aus diesem Grund die Verbissinventurdaten ebenfalls nur in diesem Bereich erhoben wurden. Denn aufgrund der Funktion des Gutachtens als Entscheidungsgrundlage für die Abschussplanung könnten aus den auf die Kernzone bezogenen Ergebnissen keine weiteren jagdlichen Erfordernisse abgeleitet werden. Zudem würde, wie in der vom Antragsgegner vorgelegten Sachverständigenstellungnahme vom 20. September 2022 nachvollziehbar ausgeführt wird, die Erhebung von Schäden in der Kernzone die Aussagekraft der Erhebung für den Bereich der Pflegezone erheblich schmälern, da deutlich weniger Verjüngungsflächen aufgenommen worden wären.
54
Ebenso ist nicht ersichtlich, weshalb die Aussagen des Forstlichen Gutachtens, wie der Antragsteller meint, in einem Nationalpark aufgrund des Prozessschutzes anders zu würdigen seien als in einem Wirtschaftswald und ihm daher nur eine geringe Bedeutung zukommen sollte. Mit dem im Rahmen der Verjüngungsinventur durchgeführten Stichprobenverfahren als Grundlage der Forstlichen Gutachten werden die Waldverjüngung sowie der Schalenwildverbiss und die Fegeschäden auf Hegegemeinschaftsebene objektiv erfasst (vgl. Anweisung für die Erstellung der Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, Nr. 3.1). Bei der objektiven Erfassung von Verbiss- bzw. Fegeschäden dürfte es indes keinen Unterschied machen, ob sich der zu beurteilende Baum in einem Wirtschaftswald oder einem Nationalpark oder sonstigem Schutzgebiet befindet. Das Forstliche Gutachten dürfte daher geeignet sein, einen Überblick über die Verbisssituation in der Pflegezone des Nationalparks als Basis für die notwendige Wildbestandsregulierung zu geben.
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Die Nationalparkverwaltung dürfte auch das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt haben. Ermessensfehler dürften nicht ersichtlich sein. Insbesondere kann entgegen der Auffassung des Antragstellers aus der langjährigen Verwaltungspraxis der Aufhebung der Schonzeit im Nationalpark nicht ohne weiteres auf das Vorliegen eines Ermessensfehlers geschlossen werden.
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Die Nationalparkverwaltung dürfte den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen haben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Nationalparkverwaltung die Belange des Naturschutzes im Rahmen der Abwägung nicht angemessen berücksichtigt hat.
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Wie bereits ausgeführt, reguliert die Nationalparkverwaltung nach § 10 Abs. 4 Satz 1 NPVO den Wildbestand aufgrund wildbiologischer Untersuchungen gemäß dem Zweck des Nationalparks und nach Maßgabe u.a. des Nationalparkplans. Schon die Bezugnahme auf den in § 6 NPVO definierten Zweck des Nationalparks, die gesamte Natur zu schützen und die natürlichen und naturnahen Lebensgemeinschaften sowie einen möglichst artenreichen heimischen Tier- und Pflanzenbestand zu erhalten, wissenschaftlich zu beobachten, zu erforschen und einer natürlichen Entwicklung zuzuführen, impliziert, dass die Wildbestandsregulierungsstrategie bereits eine Abwägung der einzelnen Belange des Natur- und Artenschutzes beinhaltet. Entsprechend wird auch in dem Vorspann des streitgegenständlichen Bescheids zur Schonzeitaufhebung ausgeführt, dass diese Zielsetzungen u.a. durch eine zeitlich-räumlich differenzierte Wildbestandsregulierungsstrategie mit örtlicher Schwerpunktsetzung und einer Störungsminimierung für das zu bejagende Schalenwild erreicht werden sollen.
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Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass, wie der Antragsteller bemängelt, die durch die jagdlichen Handlungen in SPA- und FFH-Gebieten entstehenden Zielkonflikte, insbesondere etwaige, durch die Jagd verursachte Störungen der Balz-, Brut- und Setzzeit der besonders geschützten Raufußhühner unberücksichtigt geblieben sind. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Bestände der Raufußhühner durch die Nationalparkverwaltung beobachtet und kontrolliert werden und in den letzten Jahren konstant geblieben sind. Eine durch die Jagd verursachte Bestandsgefährdung dürfte daher schon nicht vorliegen. Weiter hat der Antragsgegner ausgeführt, dass im Gegenteil eine effektive Bejagung im Wege der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung auch naturschutzfachlich erforderlich sei, da überhöhte Schalenwildbestände zu einem Verlust der Krautschicht und damit des wichtigsten Lebensraums der Raufußhühner führten (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 131), sodass auch aus diesem Grund für die Annahme der Nichtberücksichtigung naturschutzfachlicher Belange kein Raum verbleiben dürfte.
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Ebenso wenig dürfte anzunehmen sein, dass der Schutzstatus des Gamswilds nach Anhang V der FFH-Richtlinie unberücksichtigt geblieben ist. Denn zum einen dürfte dieser Belang ebenfalls bereits im Rahmen der Wildbestandsregulierungsstrategie berücksichtigt worden sein, zum anderen hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, dass sich das Gamswild in einem günstigen Erhaltungszustand i.S.d. Art. 1 Buchst. i der FFH-Richtlinie befindet. Im Zählgebiet Jänner sind die Bestände seit dem Jahr 2000 trotz diverser Schwankungen insgesamt angestiegen, wenngleich seit 2020 ein leichter Rückgang zu verzeichnen war. Im Zählgebiet Watzmann sind die Bestände ebenfalls seit dem Jahr 2000 trotz diverser Schwankungen insgesamt angestiegen. Für einen günstigen Erhaltungszustand sprechen weiter auch die vom Landesjagdverband Bayern e.V. veröffentlichten Zahlen (vgl. https://www.jagd-bayern.de/jagd-wild-wald/jagdpraxis/jagdstrecken, zuletzt abgerufen am 22.12.2022), nach denen die jährlichen Gamswildstrecken in Bayern seit 20 Jahren im Bereich von 4000 Stück (mit einer Schwankungsbreite von mehreren 100 Stück nach unten und nach oben) liegen, wobei sie seit dem Jagdjahr 2011/2012 kontinuierlich über 4000 Stück liegen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 128; U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022 – juris Rn. 139).
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Schließlich dürften auch keine Anhaltspunkte für die Unverhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung vorliegen.
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An der Geeignetheit der mit der Jagdstrategie des Antragsgegners in erster Linie verfolgten Vergrämung des Schalenwilds von den insbesondere im Spätwinter besonders verbissgefährdeten Verjüngungsflächen in der Pflegezone dürften keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die Aufenthaltsmeidung entspricht dem natürlichen Fluchtverhalten von Wildtieren im Fall von Störungen einschließlich Abschüssen von Artgenossen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 138).
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Die Schonzeitaufhebung dürfte aufgrund der Besonderheiten des Nationalparks auch erforderlich gewesen sein. Übermäßige Verbissschäden auf den Verjüngungsflächen in der Pflegezone treten insbesondere im Spätwinter und damit im Wesentlichen außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten auf. Aufgrund des im Nationalpark bestehenden besonderen Umstands, dass die Jagd in der Kernzone des Nationalparks ganzjährig nicht ausgeübt wird und sich das Wild in den Sommermonaten gerade in die Kernzone zurückzieht und sich damit einer Bejagung tatsächlich entzieht, dürfte der Wildbestand effektiv nur durch die Aufhebung der gesetzlichen Schonzeit reguliert werden können. Auch der mit der Schonzeitaufhebung in erster Linie bezweckte Vergrämungseffekt dürfte aufgrund der dargestellten besonderen Situation nur erzielt werden können, wenn ein Abschuss in denjenigen Zeiten erfolgt, in denen sich das Wild auf den Verjüngungsflächen tatsächlich aufhält. Hingegen dürfte der Vergrämungseffekt durch eine vollständige Erfüllung des Abschuss-Solls innerhalb der gesetzlichen Jagdzeit oder etwa einer Erhöhung der Abschusszahlen nicht erreicht werden können. Der Antragsgegner hat weiter nachvollziehbar dargelegt, dass die Durchführbarkeit von Verbissschutzmaßnahmen im Bergwald aufgrund der natürlichen Gegebenheiten und der extremen Verhältnisse im Gebirge nicht nur stark eingeschränkt, sondern solche aufgrund des großen Aufwands auch unwirtschaftlich sind (vgl. auch BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 138).
63
Entgegen dem Vortrag des Antragstellers dürfte es auch nicht erforderlich gewesen sein, die Anordnung der Schonzeitaufhebung örtlich auf die konkreten Sanierungsflächen zu beschränken. Der räumliche Geltungsbereich der Schonzeitaufhebung ergibt sich aus der dem streitgegenständlichen Bescheid beigefügten Gebietskulisse. Nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG kann sich die Schonzeitaufhebung auf bestimmte Gebiete oder auf einzelne Jagdreviere beziehen. Da der der Vorgang der letalen Vergrämung des Schalenwilds örtlich nicht auf die Sanierungsfläche selbst beschränkt werden kann, sondern einen angemessenen Wirkungsbereich um die eigentliche Sanierungsfläche erfordert, muss sich die Aufhebung der Schonzeiten nicht auf die eigentliche Sanierungsfläche beschränken. In das bestimmte Gebiet gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG, Art. 33 Abs. 3 BayJG dürfen die Flächen einbezogen werden, die aus jagdlicher Sicht für die Zielerreichung erforderlich erscheinen, das Schalenwild möglichst wirksam von der Sanierungsfläche fernzuhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Lage der Grenzen eines solchen Gebiets selbst bei größter Sorgfalt und genauer Kenntnis der örtlichen Verhältnisse nur selten zwingende Gründe aufgeführt werden können. Gleichzeitig muss die Grenzziehung in der Natur so erfolgen, dass sie eine rechtssichere Handhabung gewährleistet. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn sich die zuständige Jagdbehörde auf plausible, in sich schlüssige und vor Ort praktikable jagdfachliche Einschätzungen stützt (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 142).
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Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers zuletzt vorgetragen hat, Waldumbaumaßnahmen und insbesondere Pflanzungen verstießen gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 4 NPVO, ist darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen der Waldpflege schon nicht unter § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NPVO fallen dürften, sondern in § 10 Abs. 3 NPVO abschließend geregelt sein dürften (vgl. LT-Drs. 8/5505, S. 10). Hierzu dürften insbesondere auch Pflanzungen zählen, da nur diese von der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NPVO betroffen wären. Zudem dürfte sich die grundsätzliche Zulässigkeit von Waldumbaumaßnahmen auch aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 NPVO ergeben, wonach die natürliche Entwicklung (nur) unter dem Vorbehalt der Erhaltung der Schutzfunktion zulässig ist. Dem Vorbehalt der Erhaltung der Schutzfunktion wurde besondere Bedeutung beigemessen, da dieser erst nachträglich aufgrund von Ausschussempfehlungen eingefügt wurde (vgl. LT-Drs. 8/8085; vgl. hierzu auch LT-Drs. 8/5505, S. 9). Im Übrigen werden seit Anbeginn des Nationalparks Waldumbaumaßnahmen als Bestandteil der Waldpflegemaßnahmen gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 NPVO durchgeführt (vgl. LT-Drs. 8/5505, S. 11; vgl. hierzu auch LT-Drs. 10/4584, S. 2; LT-Drs. 10/7592).
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.