Inhalt

VG München, Beschluss v. 28.10.2022 – M 30 E 22.309
Titel:

Bayerisches Lobbyregistergesetz, Feststellungsbegehren, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Rüge der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, Maßstab der besonders schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit (verneint), Anordnungsgrund (verneint)

Normenketten:
VwGO § 123
BayLobbyRG Art. 1 Abs. 1
BayLobbyRG Art. 2 S. 1 Nr. 4 Buchst. b und c
BayLobbyRG Art. 5
BayLobbyRG Art. 6
Schlagworte:
Bayerisches Lobbyregistergesetz, Feststellungsbegehren, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Rüge der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, Maßstab der besonders schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit (verneint), Anordnungsgrund (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44896

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 75.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die sie bis zur Entscheidung über eine in der Hauptsache erhobene Feststellungsklage vor nachteiligen Folgen einer fehlenden Eintragung nach dem Bayerischen Lobbyregister bewahrt.
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Die Antragsteller sind im Dachverband Bayerischer Beamtenbund e.V. organisierte sog. Beamtengewerkschaften. Sie haben mit Ausnahme der Antragsteller zu 11), zu 15) und zu 20) jeweils eine gemischte, aus Beamten und Tarifbeschäftigten bestehende, Mitgliederstruktur, wobei jedoch die Anzahl der beamteten Mitglieder mit Ausnahme des Antragstellers zu 14) weit überwiegt.
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Das am 1. Januar 2022 in Kraft getretene Bayerische Lobbyregistergesetz (BayLobbyRG) vom 6. Juli 2021 bestimmt, dass sich vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen jede und jeder, die oder der Interessenvertretung gegenüber dem Bayerischen Landtag oder der Bayerischen Staatsregierung betreiben will, in ein öffentlich geführtes Register (Lobbyregister) eintragen lassen muss, sobald die Interessenvertretung regelmäßig, dauerhaft oder für Dritte erfolgt. Der Registerinhalt, der u.a. Angaben zur Mitgliederzahl bei Verbänden und Vereinen, Angaben zur Anzahl der mit der Interessenvertretung beauftragten Beschäftigten und, soweit nicht ohnehin handelsrechtliche Offenlegungspflichten bestehen, Angaben zu finanziellen Verhältnissen umfasst, wird auf der Internetseite des Bayerischen Landtags veröffentlicht (https://www.bayern.landtag.de/lobbyregister/lobbyregister-aktiv/). Bei Verstößen gegen die Bestimmungen des BayLobbyRG kann den Betroffenen der Zugang zum Landtag verweigert werden. Unvollständige, unrichtige oder nicht rechtzeitige Angaben sind bußgeldbewehrt; ebenso der Verstoß gegen einen auf der Grundlage des BayLobbyRG von Landtag und Staatsregierung beschlossenen Verhaltenskodex.
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Die Antragsteller haben am … Dezember 2021 gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b, Art. 5 und Art. 6 BayLobbyRG Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Diese wurde mit Beschluss vom 17. Januar 2022 (1 BvR 2727/21 – juris) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Antragsteller haben darüber hinaus Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 5. April 2022 (Vf. 2-VII-22 – juris) abgewiesen. Über die Popularklage ist noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom … Januar 2022 bat der Bevollmächtigte der Antragsteller die Präsidentin des Bayerischen Landtags um eine Stellungnahme dazu, ob sich aus ihrer Sicht für die Interessenvertretung der Antragsteller aus dem BayLobbyRG eine Registerpflicht ergebe und regte an, ein vorläufiges Absehen von der Registerpflicht bis zur Entscheidung über alle eingereichten Rechtsbehelfe zu erklären. Mit Antwortschreiben teilte die Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 3. Februar 2022 den Antragstellern mit, dass aus ihrer Sicht keine Zusage dahingehend möglich sei, dass das LobbyRG entgegen seinem Wortlaut für die Antragsteller keine Registerpflicht begründe. Aufgrund der geltenden Rechtslage sehe sie auch keine Möglichkeit, das Gesetz in diesem Punkt bis zu einer Entscheidung über die eingereichten Klagen nicht anzuwenden; lediglich bis zu einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs über den Erlass einer einstweiligen Anordnung werde sie keine weiteren Schritte in dieser Frage unternehmen und insbesondere von Maßnahmen nach Art. 6 BayLobbyRG Abstand nehmen.
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Am … Januar 2022 haben die Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben. Sie begehren die Feststellung, dass die klagenden Verbände nicht verpflichtet sind, sich gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BayLobbyRG in das Lobbyregister eintragen zu lassen, die in Art. 3 BayLobbyRG aufgeführten Angaben zu machen und den Verhaltenskodex i.S.v. Art. 5 BayLobbyRG zu beachten, sofern sie zwecks Wahrung und Förderung der Wirtschaftsbedingungen mit dem Bayerischen Landtag oder der Bayerischen Staatsregierung bzw. mit deren Mitgliedern kommunizieren, auch wenn dies die Voraussetzung einer Interessenswahrnehmung i.S.v. Art. 1 Abs. 2 BayLobbyRG erfüllen sollte.
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Zugleich beantragten sie
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den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO, mit der vorläufig, d.h. bis zum Erlass der Entscheidung in der Hauptsache sichergestellt wird, dass die Antragsteller keine nachteiligen Folgen treffen, wenn sie sich zunächst nicht eintragen lassen und die in Art. 3 BayLobbyRG vorgesehenen Angaben machen und den Verhaltenskodex i.S.v. Art. 5 BayLobbyRG beachten, etwa durch die Feststellung, dass die Kläger vorläufig den Pflichten aus Art. 1 2, 3, 5 BayLobbyRG nicht nachkommen müssen.
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Zur Begründung ihres Rechtsschutzbegehrens führen sie im Wesentlichen aus, dass sie durch Art. 1 bis 3 sowie Art. 5 und 6 des BayLobbyRG in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG, Art. 170 BV) verletzt seien. Die Interessenvertretung gegenüber Landtag und Staatsregierung habe für Beamtengewerkschaften besondere Bedeutung. Ihnen fehle das Streikrecht; eine förmliche Beteiligung an der Vorbereitung allgemeiner Regelungen des Beamtenrechts sei den Spitzenorganisationen vorbehalten. Die Verpflichtung, für die Interessenvertretung sensible Informationen wie die Mitgliederzahlen, die Anzahl der Beschäftigten und die finanziellen Verhältnisse offenzulegen, greife in das grundrechtlich geschützte Interesse ein, da hierdurch Rückschlüsse auf die Bedeutung des jeweiligen Verbandes möglich würden. Die Vertraulichkeit der finanziellen Mittel bei Gewerkschaften werde in aller Regel als hochsensibel angesehen, schon allein deshalb, weil ansonsten die „Streikkassen“ mittelbar offengelegt würden. Die Aussagen über die Finanzmittel seien aber auch deshalb sensibel, weil die finanziellen Möglichkeiten eines Verbandes maßgeblich dafür seien, politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Da die Koalitionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet sei, bedürften die Eingriffe der Rechtfertigung durch eine verfassungsimmanente Schranke. An einer solchen fehle es. Soweit sich der Gesetzgeber auf einen allgemeinen Transparenzgrundsatz berufe, handele es sich nicht um ein in der Verfassung hinreichend konkretisiertes Rechtsgut. Die Eingriffe seien jedenfalls unverhältnismäßig. Dafür spreche u.a. auch eine gleichheitsrechtliche Betrachtung. Die Beamtengewerkschaften würden durch die Registrierungspflicht in vielfacher Hinsicht schwerer getroffen als andere Verbände. Auch das Petitionsrecht werde im BayLobbyRG stärker privilegiert. Parteien und Kirchen müssten sich nicht registrieren lassen, die Koalitionen jedoch schon. Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 5. April 2022 stehe dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nicht entgegen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof habe den Verfahrensausgang als offen angesehen, insbesondere im Hinblick darauf, dass es naheliege, die Ausnahmevorschrift des Art. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b BayLobbyRG auf die Interessenwahrnehmung der Antragsteller anzuwenden. Nur mit hohem Begründungsaufwand habe der Verfassungsgerichtshof darlegen können, dass das Unterlassen einer einstweiligen Anordnung die Antragsteller nicht schwer treffe. Insoweit habe er an mehreren Stellen das einfache Recht verbindlich und restriktiv interpretiert, weil andernfalls dieses Ergebnis nicht mehr verständlich wäre. Auch der vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigte Weg, einen Antrag nach Art. 3 Abs. 3 BayLobbyRG zu stellen, könne zwar die Belastungen der Antragsteller auf eine beschränkte Tragweite reduzieren; das Eingriffsgewicht würde damit aber nicht so unerheblich, dass ein Schutz vor ihm unangemessen wäre.
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Der Antragsgegner beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag nach § 123 VwGO sei jedenfalls unbegründet. Die Regelungen des Lobbyregistergesetzes bewirkten äußerst moderate Grundrechtseingriffe. Als normgeprägtes Grundrecht bedürfe die Koalitionsfreiheit in besonderem Maß der gesetzlichen Ausgestaltung. Als eine solche Ausgestaltung sei insbesondere die Verpflichtung zur Angabe der Mitgliederzahl nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 BayLobbyRG zu sehen. Diese Daten seien für nahezu alle Antragsteller frei im Internet zugänglich. Auch die Einordnung der Angaben zu den Vollzeitäquivalenten, nicht aber zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die gleichermaßen an der Interessenvertretung mitwirken können, als Grundrechtseingriff beruhe auf der irrigen Vorstellung, die Möglichkeit der Interessenartikulation sei abhängig von der dahinterstehenden Durchsetzungskraft. Zwar treffe es zu, dass die Wirkungsmacht einer Beamtengewerkschaft auch von der finanziellen Ausstattung abhänge; jedoch mache das Gesetz die Mitwirkungsmöglichkeiten im Wege der Interessenvertretung nicht von der jeweiligen Finanzmacht abhängig. Unabhängig von der Eingriffsqualität seien die mit der Klage mittelbar angegriffenen Vorschriften jedenfalls verfassungsrechtlich zulässig. Die Antragsteller könnten sich zwar unstreitig auf die Koalitionsfreiheit berufen; die Annahme, Eingriffe seien a priori unzulässig, gehe aber fehl. Dabei sei zum einen schon das Gewicht der Grundrechtseingriffe von geringer Intensität. Zum anderen begegne der geringe Eingriff der Registrierungspflicht unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen Bedenken. Auch die Rüge der Gleichheitswidrigkeit greife nicht durch, weil teils vergleichbare Sachverhalte nicht gegeben bzw. für die behaupteten Ungleichbehandlungen durchaus sachliche Gründe einschlägig seien. Einer einstweiligen Anordnung bedürfe es im Übrigen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes nicht mehr, weil die Antragsteller sich auf die Möglichkeit verweisen lassen müssten, den im Gesetz angelegten Weg zu beschreiten, besonders schutzwürdige Angaben gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 bis 12 BayLobbyRG zu verweigern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten verwiesen.
II.
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A. Die Antragsteller verfolgen in der Hauptsache in objektiver Klagehäufung zwei Feststellungsbegehren. In erster Linie wollen sie erreichen, dass festgestellt wird, dass sie keiner Eintragungspflicht nach Art. 1 bis 3 BayLobbyRG unterliegen. Zudem begehren sie – bei interessengerechter Auslegung (§ 88 VwGO) nur hilfsweise für den Fall, dass sie einer Registrierungspflicht unterliegen – die Feststellung, dass sie zumindest den gemäß Art. 5 BayLobbyRG erlassenen Verhaltenskodex nicht zu beachten haben. Mit dem zeitgleich erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wollen die Antragsteller eine vorläufige Regelung erreichen, die bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache sicherstellt, dass sie keine nachteiligen Folgen – namentlich Ordnungswidrigkeitssanktionen und der Verlust von Mitwirkungsrechten vor den Ausschüssen – treffen, sofern sie sich vorläufig nicht in das Lobbyregister eintragen lassen bzw. den Verhaltenskodex nach Art. 5 BayLobbyRG nicht beachten.
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B. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
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I. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (1.). Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (2.-4.).
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1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
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a) Einer Vorabentscheidung über die Rechtswegfrage nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG bedurfte es nicht, weil der Antragsgegner zwar Bedenken gegen die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges geäußert hat, den Rechtsweg aber nicht gerügt hat. Eine Rüge in diesem Sinn setzt ein hinreichend bestimmtes Bestreiten voraus, das bloße Anzweifeln genügt nicht (vgl. BayVGH, U.v. 13.9.2006 – 12 BV 06.808 – juris).
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b) Ein Antrag gemäß § 123 VwGO ist auf dem Verwaltungsrechtsweg nur zulässig, wenn für die Hauptsache der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet ist (vgl. Kuhla in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 123 Rn. 2). Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Entsprechend ist in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet. Was unter einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit zu verstehen ist, ist nicht abschließend geklärt und im Einzelnen umstritten (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 40 Rn. 20; Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 40 Rn. 89 m.w.N.). Einigkeit besteht allerdings darüber, dass es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist, unmittelbar die Betätigung oberster Staatsorgane zu kontrollieren. Namentlich ist den Verwaltungsgerichten deshalb die Kontrolle des parlamentarischen Gesetzgebers entzogen (vgl. BVerfG, B.v. 14.5.1985 – 2 BvR 397/82 – NJW 1985, 2315/2316; B.v. 23.6.1987 – 2 BvR 826/83 – juris Rn. 22; Ehlers/Schneider in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Februar 2022, § 40 VwGO Rn. 140). Ein verfassungsrechtlicher Streit liegt demnach insbesondere dann vor, wenn der Bürger auf Erlass eines förmlichen Gesetzes klagt oder unmittelbar die Verfassungsmäßigkeit eines förmlichen Gesetzes anzweifelt (vgl. Ehlers in Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 2021, § 25 Rn. 81). Nichts anderes gilt, wenn ein Normenkontrollbegehren in den Mantel einer Feststellungsklage i.S.d. § 43 VwGO oder in einen diese begleitenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gekleidet wird. Andernfalls würde eine Umgehung der verfassungsgerichtlichen Zuständigkeiten ermöglicht. Die Möglichkeit einer fachgerichtlichen inzidenten Normenkontrolle mit eventuell anschließender Richtervorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG darf nicht zu einer den Fachgerichten untersagten prinzipalen Kontrolle formeller Gesetze führen (vgl. ausführlich Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Juli 2021, § 90 Rn. 407). Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines formellen Gesetzes ist im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nur möglich, wenn es sich bei der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes lediglich um eine Vorfrage einer Verwaltungsstreitigkeit handelt oder dann, wenn eine fachgerichtliche Klärung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage trifft (vgl. BVerfG, U.v. 26.4.2022 – 1 BvR 1619/17 – juris Rn. 101).
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c) Nach diesen Maßstäben ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, obwohl die Antragsteller im Schwerpunkt die Verfassungswidrigkeit mehrerer Bestimmungen des BayLobbyRG geltend machen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 17. Januar 2022 – 1 BvR 2727/21 – ausgeführt, dass sich die Antragsteller gegen Verpflichtungen aus einem neu geschaffenen Gesetz wenden, dessen Auslegung und Anwendung fachgerichtlich bislang nicht geklärt sei und dass die Beurteilung, ob die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Vorschriften beschwert sind, von dieser Klärung abhängen könne (Rn. 17). Es gebe mehrere Auslegungsfragen, die die Fachgerichte hier klären könnten (Rn. 18); so sei der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BayLobbyRG fraglich (Rn. 19) und sei zunächst fachrechtlich zu beantworten, ob auf die Angabe bestimmter für Gewerkschaften sensibler Daten im Lichte von Art. 9 Abs. 3 GG sanktionslos zu verzichtet werden müsse (Rn. 20).
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann zulässigerweise ein Antrag auf vorläufige Feststellung eines in der Hauptsache streitigen Rechtsverhältnisses gestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.1993 – 20 CE 93.1589 – juris Rn. 12; B.v. 30.9.2013 – 10 CE 13.1802 – juris).
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3. Die Antragsteller sind auch antragsbefugt. Eine Verletzung der Antragsteller in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG erscheint jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Als Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen können sich die Antragsteller in persönlicher Hinsicht auf die Koalitionsfreiheit berufen. Als „Doppelgrundrecht“ gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG unmittelbar nicht nur die individuelle Koalitionsfreiheit, sondern auch die Existenz und das Betätigungsrecht der „Koalitionen“ selbst. Grundrechtsträger der Koalitionsfreiheit sind zudem auch die Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes bzw. deren Verbände (vgl. Scholz in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 09/2017, Art. 9 Rn. 178, 215), ohne dass dem die ihnen fehlende Bereitschaft und Fähigkeit zum Arbeitskampf entgegengehalten werden könnte (vgl. Scholz in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 09/2017, Art. 9 Rn. 217). In sachlicher Hinsicht schützt Art. 9 Abs. 3 GG in seiner kollektiven Dimension die „spezifisch koalitionsgemäße Betätigung“ der Verbände (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.1964 – 2 BvR 69/62 – juris Rn. 51). Vom Schutzbereich umfasst sind die Existenz und die freie Betätigung, soweit diese gerade in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen besteht (vgl. BVerfG, U.v. 2.3.1993 – 1 BvR 1213/85 – juris Rn. 43). Insbesondere die mit einer Eintragung in das Lobbyregister verbundene Verpflichtung, bestimmte Verhältnisse der Koalition, etwa deren Mitgliederzahl, Budget oder Finanzierungsquellen offenzulegen, kann grundsätzlich als mittelbarer Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG gewertet werden (vgl. Sodan, LKV 2012, 193/200).
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4. Ferner besteht das für die Erlangung vorbeugenden Rechtsschutzes erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse, insbesondere mit Blick auf die Ordnungswidrigkeitentatbestände des Art. 6 Abs. 3 BayLobbyRG.
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II. Der Antrag ist allerdings unbegründet. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs (2.). Im Übrigen besteht auch kein Anordnungsgrund, der eine vorläufige Regelung zur Abwendung schwerer und unzumutbarer Nachteile erforderlich erscheinen ließe (3.).
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1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung). Der Begriff des Anordnungsanspruches meint dabei den materiellen Anspruch bzw. das subjektive Recht, das im Hauptsacheverfahren geltend gemacht wird. Er ist glaubhaft gemacht, wenn es im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen wird. Für das Bestehen des Anordnungsgrundes ist entscheidend, ob dem Antragsteller im Einzelfall unter Berücksichtigung seines Anspruches auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG das Abwarten der Hauptsachentscheidung zumutbar ist. Dabei sind die betroffenen Interessen des Antragstellers, aber auch entgegenstehende öffentliche Interessen und Interessen Dritter zu würdigen. Es ist ferner zu berücksichtigen, ob der Antragsteller die Dringlichkeit der Sache und die zu befürchtenden Nachteile durch eigenes vorwerfbares Verhalten herbeigeführt hat bzw. alles Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um diese abzuwenden (vgl. zum Ganzen Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 123 Rn. 20). Das allgemeine Interesse an einer beschleunigten gerichtlichen Entscheidung genügt nicht (vgl. VGH BW, U.v. 8.11.1966 – OS I 67/66 – NJW 1967, 219; BayVGH, B.v. 3.7.1980 – 7 CE 80 A.825 – BayVBl. 80, 536); es müssen sich darüber hinausgehende Belastungen feststellen lassen, die die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten (vgl. Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Zweiter Teil, Rn. 129).
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2. Den Antragstellern steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zu.
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a) Das vorliegend geltend gemachte materielle Recht, ohne Eintragung in das Lobbyregister gegenüber dem Bayerischen Landtag und der Bayerischen Staatsregierung Interessenvertretung zu betreiben, könnte sich zum einen aus dem BayLobbyRG selbst ergeben, wenn bereits die in Art. 2 Satz 1 BayLobbyRG vorgesehenen Ausnahmetatbestände unmittelbar oder entsprechend auf die Antragsteller Anwendung fänden (b). Der Anordnungsanspruch könnte zum anderen aus verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gültigkeit der im Streit stehenden Regelungen folgen (c). Beide denkbaren Begründungsansätze greifen jedoch nicht durch.
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b) Eine Befreiung der Antragsteller von der Registerpflicht gemäß Art. 1 BayLobbyRG ergibt sich weder aus einer direkten noch einer analogen Anwendung der Ausnahmevorschriften des Art. 2 Satz 1 BayLobbyRG. Insbesondere können die Antragsteller sich nicht auf Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b oder c BayLobbyRG berufen.
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Nach Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b und c BayLobbyRG unterliegt die Interessenvertretung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, soweit sie ihre Funktion als Tarifpartner wahrnehmen (Buchst. b) und der Spitzenorganisationen nach Art. 16 Bayerisches Beamtengesetzes (BayBG) (Buchst. c) keiner Registerpflicht. Diese Ausnahmetatbestände sind auf die Tätigkeit der Antragsteller nach ihrem Wortlaut nicht anwendbar. Weder handelt es sich bei den Antragstellern um Spitzenorganisationen, die gemäß Art. 16 BayBG bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse mitwirken, noch treten sie in ihrer koalitionsspezifischen Betätigung mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder oder gar dem Landtag oder der Staatsregierung in Tarifverhandlungen. Auch aus der Gesetzesbegründung und den weiteren Materialien des Gesetzgebungsverfahrens ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Willen des Gesetzgebers, dass mit den genannten Ausnahmen die koalitionsspezifische Tätigkeit der Antragsteller als (sonstige) Beamtenverbände generell von der Registerpflicht bzw. der Einhaltung des Verhaltenskodex für registerpflichtige Tätigkeiten freigestellt werden sollte. In der Begründung des Änderungsantrags von Abgeordneten der Fraktionen der CSU, FREIEN WÄHLER und SPD vom 17.11.2021 (LT-Drs. 18/19000 S. 2), der in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration (LT-Drs. 18/19356 vom 2.12.2021) aufgegriffen wurde, wurde im Gegenteil sogar ausdrücklich darauf verwiesen, dass Fragen des Beamtenrechts nicht durch Tarifverträge, sondern einseitig durch Gesetz geregelt werden, sodass der Ausnahmetatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BayLobbyRG zugunsten der Beamtenverbände nicht eingreife. Daraus haben die Abgeordneten jedoch gerade nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass eine allgemeine Ausnahme von der Registerpflicht für die Interessenvertretung durch Beamtenverbände in den Entwurf einzufügen sei. Sie haben vielmehr lediglich eine Gleichstellung der in Art. 16 BayBG i.V.m. Abschnitt 1 Nr. 3.1 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht abschließend genannten Spitzenorganisationen mit den an Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden für geboten gehalten. Diese Einschätzung wird im Übrigen durch die Ausführungen im Schreiben der Vorsitzenden der Regierungsfraktionen vom 23. Dezember 2021 (Anl. 32 zum Schriftsatz vom 19.1.2022) bestätigt, in dem ausgeführt wird, dass von einer Erstreckung der für Tarifpartner sowie Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienstes geltenden Ausnahme von der Registerpflicht auf „Einzelgewerkschaften“ des öffentlichen Dienstes bewusst Abstand genommen worden sei.
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Über diesen Befund kann im Wege einer fachgerichtlichen Auslegung auch unter Berücksichtigung der vorbehaltlos gewährleisteten Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht hinweggegangen werden, da die (verfassungskonforme) Auslegung weder über die gesetzgeberischen Grundentscheidungen noch über die Wortlautgrenze der Norm hinweggehen darf (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2014 – 1 BvR 2142/11 – NVwZ 2015, 510 Rn. 86 m.w.N.). Wirft diese Regelungstechnik des Gesetzes auch Fragen auf (vgl. ausführlich BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 72 ff.), so sieht das Gericht gleichwohl keinen Ansatzpunkt, im Wege der fachgerichtlichen Gesetzesauslegung von der in den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens dokumentierten, bewussten Entscheidung des Landtags gegen die im Entwurf der Abgeordneten der SPD-Fraktion (LT-Drs. 18/12034) vorgesehene vollständige Freistellung der koalitionsspezifischen Betätigung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände gemäß Art. 9 Abs. 3 GG bzw. Art. 170 Abs. 1 BV abzuweichen.
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c) Ein Anordnungsanspruch folgt auch nicht aus der von den Antragstellern geltend gemachten teilweisen Verfassungswidrigkeit des BayLobbyRG. Die Kammer hat keine bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchgreifenden Zweifel an der Gültigkeit der infrage stehenden Rechtsgrundlagen.
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aa) Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes von den Fachgerichten auch von Amts wegen zu prüfen ist, wobei erforderlichenfalls einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren und im Hauptsacheverfahren im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen ist (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.2011 – 2 BvR 2362/11 – juris). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine Vorlage im Verfahren der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nur zulässig ist, wenn das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist; bloße Zweifel oder Bedenken des Gerichts gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes genügen nicht (vgl. Dederer in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 12/2013, Art. 100 Rn. 129). Hieraus ergeben sich Folgen für den Entscheidungsmaßstab im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren. Da im Hauptsacheverfahren eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nur dann erfolgt, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt ist, rechtfertigen im einstweiligen Rechtsschutz nur besonders schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Fehlt es hingegen an derartigen besonders schwerwiegenden Zweifeln, so ist bis zur etwaigen allgemeinverbindlichen Feststellung seiner Nichtigkeit jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz von der Gültigkeit des Gesetzes auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 20 NE 20.2482 – juris Rn. 17; B.v. 29.3.2007 – 19 CS 07.397 – juris Rn. 31; B.v. 18.8.1992 – 23 CS 92.430 – NVwZ-RR 1993, 378; SächsOVG, B.v. 20.5.2021 – 3 B 141/21 – juris Rn. 29; ThürOVG, B.v. 14.4.2021 – 3 EN 195/21 – Rn. 61).
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bb) Die hiernach erforderlichen besonders schwerwiegenden Bedenken hat das Gericht nicht. Die Einführung und die Ausgestaltung der Registerpflicht bzw. des Verhaltenskodex für Interessenvertreter durch das BayLobbyRG ist nicht offensichtlich unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. bereits BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 63 ff.).
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(1) Dass es kein verfassungsunmittelbares Rechtsgut gebe, auf das sich die mit der Ausgestaltung des BayLobbyRG bewirkten Eingriffe in die vorbehaltlos gewährleistete Koalitionsfreiheit stützen ließen, lässt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht ohne weiteres feststellen. Es erscheint vielmehr durchaus denkbar und nicht fernliegend, dass sich aus dem Demokratie- oder Rechtsstaatsprinzip ein verfassungsunmittelbarer Transparenzgrundsatz ableiten lässt, der als verfassungsimmanente Schranke geeignet ist, Eingriffe in die Koalitionsfreiheit zu rechtfertigen (vgl. NWVerfGH, U.v. 16.5.1995 – VerfGH 20/93 – NVwZ 1996, 164; ThürVerfGH, NVwZ-RR 1999, 282; Mehde in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 12/2014, Art. 28 Rn. 54; das Bundesverfassungsgericht spricht von einem „allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie“, U.v. 14.1.1986 – 2 BvE 14/83 – juris Rn. 135; a.A. Austermann, NVwZ 2021, 585/587 und Sodan, LKV 2012, 193/198).
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(2) Auch die Ausgestaltung der Registerpflicht mit den gesetzlich geforderten Pflichtangaben auf der einen und einer Reihe von Ausnahme- und Befreiungstatbeständen auf der anderen Seite rechtfertigt nicht die Annahme besonders schwerwiegender Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, die bereits dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Erfolg verhelfen könnten. Greifbare Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der im Streit stehenden Bestimmungen des BayLobbyRG ergeben sich – unter Berücksichtigung der vorgesehenen Befreiungsmöglichkeiten – zum einen nicht daraus, dass die bewirkte Eingriffsintensität als schlechthin unzumutbar angesehen werden müsste (vgl. dazu im Einzelnen die nachfolgenden Ausführungen unter Rn. 41 ff.). Zum anderen drängen sich auch die von den Antragstellern in ihrer Klage- und Antragsschrift gerügten Verstöße gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 GG bzw. Art. 118 BV nicht mit dem Gewicht schwerwiegender Gültigkeitszweifel auf.
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Dass Gewerkschaften in „ihrer Funktion als Tarifpartner“ ohne vorherige Registrierung an Landtag und Staatsregierung herantreten dürfen, hat der Gesetzgeber mit der Aufnahme eines parallelen Ausnahmetatbestandes für die Spitzenverbände i.S.d. Art. 16 BayBG kompensieren wollen. Ein greifbar gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss der sonstigen Beamtengewerkschaften ist darin schon deshalb nicht zu erkennen, weil sich die Beteiligung nur der Spitzenverbände der Beamten an der Vorbereitung allgemeiner beamtenrechtlicher Regelungen unmittelbar aus den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben ergibt.
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Die Andersbehandlung des Petitionsrechts (Art. 115 BV) gegenüber registerpflichtiger Interessenvertretung dürfte sich ebenfalls am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes rechtfertigen lassen, weil die Behandlung von Eingaben und Beschwerden an den Bayerischen Landtag im Bayerischen Petitionsgesetz (BayPetG) speziell geregelt ist und Petitionen zudem grundsätzlich in öffentlichen Sitzungen des zuständigen Ausschusses des Landtags behandelt werden. Es erscheint daher nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber im Bereich des Petitionsrechts kein zusätzliches Instrumentarium zur Verbesserung der Transparenz und Korruptionsprävention für erforderlich gehalten hat.
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Ebenso wenig offensichtlich zu beantworten ist die Frage, ob der besondere grundrechtliche Schutz der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften nach Art. 4 Abs. 1 GG bzw. Art. 107 BV eine generelle Ausnahme von der Registerpflicht trägt (vgl. Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BayLobbyRG) und ob die generelle Freistellung der Tätigkeiten der politischen Parteien (Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. f BayLobbyRG) von hinreichenden sachlichen Gründen getragen ist. Für die Freistellung der Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften ließe sich anführen, dass das Eintreten (der Kirchen) für sozialethische und karitative Belange Teil eines durch Art. 4 Abs. 1 GG besonders geschützten kirchlichen Verkündigungsauftrags sei, das mit der Vertretung eigener Belange durch Interessenverbände nicht gleichgesetzt werden könne. Für eine Freistellung der Parteien wiederum könnte sprechen, dass das BayLobbyRG nach seiner Entstehungsgeschichte der Normierung bislang nicht geregelter Formen der Mitwirkung an der politischen Willensbildung dient (vgl. die Entwurfsbegründung des Lobbyregistergesetzes (Bund) BT-Drucks. 19/22179, S. 7); die Parteien sind jedoch unmittelbar durch Art. 21 GG zur Mitwirkung bei der politischen Willensbildung berufen und unterliegen dabei insbesondere den Vorgaben des Parteiengesetzes (PartG), das sie u.a. zu einer demokratischen Willensbildung (§ 15 Abs. 3 PartG) in den Parteiorganen verpflichtet und ihnen eine Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaftslegung auferlegt (§§ 23 ff. PartG). Die weitere Klärung dieser Fragen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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3. Das Eilrechtsschutzbegehren der Antragsteller hat auch deshalb keinen Erfolg, weil der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden und ein Anordnungsgrund somit nicht glaubhaft gemacht ist.
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a) Ungeachtet der obigen Ausführungen, ist es den Antragstellern zumutbar, ihr Rechtsschutzbegehren im Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Das Fehlen des Anordnungsgrundes trägt insofern selbstständig die Ablehnung des Eilrechtsschutzbegehrens. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Erwägung, dass die Zumutbarkeit der Verweisung auf ein Hauptsacheverfahren auch von materiell-rechtlichen Wertungen beeinflusst wird. Damit ist gemeint, dass in Ausnahmefällen eine inhaltliche Vorprägung der Prüfung des Anordnungsgrundes dahin anzunehmen sein kann, dass die Hinnahme einer erkennbar rechtswidrigen oder willkürlichen Maßnahme in der Regel auch für einen Übergangszeitraum nicht zumutbar ist. Im Grundsatz ist jedoch streng zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu unterscheiden. Der Regelungsgrund basiert auf der Dringlichkeit; er hat als Anordnungsvoraussetzung eigenständige Bedeutung und wird grundsätzlich nicht durch das Maß der Erfolgsaussichten bestimmt (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Februar 2022, § 123 VwGO Rn. 83a). Geringere Anforderungen an den Anordnungsgrund kommen nur dann in Betracht, wenn der Regelungsanspruch „mehr als nur glaubhaft gemacht ist” oder „einen hohen Evidenzgrad besitzt” (vgl. Schoch a.a.O. Rn. 83b). Dann ist die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren unter Berücksichtigung der Zwecke der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage weniger zumutbar, als in Fällen, in denen z.B. schwierige Rechtsfragen noch der Klärung bedürfen (vgl. BayVGH, B.v. 22.11.2000 – 22 ZE 00.2779 – NVwZ 2001, 342). Eine solche Fallkonstellation, in der sich das Bestehen eines Anordnungsanspruches aufdrängt, ist im hier zu entscheidenden Fall aber jedenfalls nicht gegeben (vgl. oben Rn. 28 ff.)
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b) Hinsichtlich der hier fehlenden Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist – im Anschluss an die Entscheidung des BayVerfGH vom 5. April 2022 (Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 75 f.) – zunächst darauf zu verweisen, dass die Antragsteller auch ohne vorherige Eintragung in das Lobbyregister in einem nicht unerheblichen Umfang die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem Landtag und der Staatsregierung vertreten können. Offen steht ihnen namentlich die Mitwirkung an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse (Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BayLobbyRG), die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten und die Erstellung von an die Allgemeinheit gerichteten Darstellungen und Erörterungen von Rechtsfragen (Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. e BayLobbyRG) sowie von Expertisen, die direkt oder individuell zur Erlangung von Sachinformationen, Daten oder Fachwissen angefordert wurden (Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. f BayLobbyRG). Zudem unterliegt die Interessenwahrnehmung durch die Spitzenorganisationen i.S.d. Art. 16 BayBG der Registerpflicht von vornherein nicht (Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c BayLobbyRG). Es greift daher zu kurz, wenn die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 19. Januar 2022 (dort Rn. 432) geltend machen, dass ihnen abgesehen von der registerpflichtigen Tätigkeit in einem etwaigen Übergangszeitraum keine Möglichkeiten verbleiben würden, an den Landtag heranzutreten, um ihre Interessen zu artikulieren. Eine nähere Auseinandersetzung mit den zur Verfügung stehenden Optionen und eine Darlegung, warum diese von den Antragstellern selbst für die Dauer einer Übergangszeit von vornherein als unzureichend angesehen werden, lässt ihr Vorbringen nicht erkennen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Kammer verkennt nicht, dass die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder der Antragsteller spürbar eingeschränkt wäre, wenn sie sich zur Wahrung der Vertraulichkeit bestimmter Verhältnisse zumindest für eine Übergangszeit gezwungen sähen, von registerpflichtigen Tätigkeiten i.S.d. Art. 1 und 2 BayLobbyRG abzusehen. Dass das Ausmaß dieser Beeinträchtigung jedoch so schwer wöge, dass eine Versagung des Eilrechtsschutzes die Gewährung effektiven Rechtsschutzes überhaupt in Frage stellte, lässt sich nicht feststellen.
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c) Aus Sicht der Kammer wären die Antragsteller auch dann nicht in einem unzumutbaren Ausmaß belastet, wenn sie sich zur Abwendung von nachteiligen Auswirkungen auf ihre Tätigkeit veranlasst sähen, sich vorläufig im Lobbyregister eintragen zu lassen.
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Soweit im Lobbyregister lediglich „einfache Grunddaten“ (gemeint sind damit wohl die Angaben gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 BayLobbyRG) zur Eintragung anzugeben sind, gehen die Antragsteller selbst von einer verfassungskonformen bloßen Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit aus (vgl. Schriftsatz vom 19.1.2022, Rn. 419 ff.).
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Die von den Antragstellern als „hochsensibel“ angesehenen Angaben zu den finanziellen Verhältnissen gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 bis 12 BayLobbyRG könnten wiederum nach Art. 3 Abs. 3 BayLobbyRG verweigert werden, sofern ein schutzwürdiges überwiegendes Interesse glaubhaft gemacht wird. Nach der Gesetzesbegründung kann diese Weigerung insbesondere mit dem Schutz evtl. betroffener Grundrechte begründet werden (vgl. BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Az. Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 75). Hat das Landtagsamt die Schutzwürdigkeit der Daten anerkannt, hat die Verweigerung der Angaben, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof (vgl. BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Az. Vf. 2-VII-22 – Rn. 80 ff.) dargelegt hat, keine nachteiligen Folgen. Dennoch haben die Antragsteller, soweit ersichtlich, bislang davon abgesehen, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren beim Landtagsamt zu betreiben. Dies spricht, soweit diese Befreiungsmöglichkeit reicht, gegen die Dringlichkeit ihres Rechtsschutzbegehrens (vgl. Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, 2. Teil Rn. 132). Solange die Antragsteller insoweit eine behördliche Vorbefassung nicht in die Wege leiten und diese nicht abgeschlossen wurde, rechtfertigt die mit der Offenbarung der einschlägigen Angaben verbundene Belastung die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes (für sich genommen) nicht. Etwas anderes wäre anzunehmen, wenn eine behördliche Vorbefassung ausnahmsweise unzumutbar wäre (vgl. Kuhla in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021, § 123 Rn. 38). Dafür ist jedoch nichts ersichtlich.
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Ein Anordnungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass bestimmte über die „Grunddaten“ hinausgehende Pflichtangaben keiner Befreiungsmöglichkeit nach Art. 3 Abs. 3 BayLobbyRG unterliegen. Soweit die Pflicht zur Angabe der Mitgliederstärke in Rede steht, ist der Eingriff allenfalls gering (vgl. BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 83 f.). Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Mitgliederzahl von einem großen Teil der Antragsteller bereits jetzt im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Entsprechendes gilt in Bezug auf die Angabe der Anzahl der Beschäftigten nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 BayLobbyRG (vgl. BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 85).
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d) Eine besondere Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens ist schließlich auch insoweit nicht ersichtlich, als die Antragsteller sich in der Hauptsache hilfsweise dagegen wenden, den nach Art. 5 BayLobbyRG erlassenen Verhaltenskodex beachten zu müssen. Mit den Vorgaben dieses durch Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 14. Dezember 2021 (BayMBl. Nr. 933) veröffentlichten Verhaltenskodex haben sich die Antragsteller im Verfahren inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass den Antragstellern durch eine vorläufige Befolgung des Kodex wesentliche, nicht zumutbare Nachteile drohten (ähnlich BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 88).
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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5. Der festgesetzte Streitwert beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.