Titel:
Bemessung eines Schmerzensgeldanspruchs
Normenkette:
BGB § 253 Abs. 2
Leitsatz:
Der Maßstab für die billige Entschädigung iSv § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstände neu gewonnen werden. Das Schwergewicht liegt hierbei auf Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung; daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben. (Rn. 120 – 121) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schmerzensgeld, Bemessung, Ausgleichsfunktion, Genugtuungsfunktion, Lebensbeeinträchtigung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 08.05.2018 – 3 O 16126/08
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44868
Tenor
I. Im Betragsverfahren nach dem Grundurteil des Oberlandesgerichts München vom 23.12.2020 (Ziffern I.1 und I.2 des Grund- und Endurteils vom 23.12.2020) wird wie folgt entschieden:
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 20.030,59 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.10.2007 zu zahlen (zu Ziffer I.1 des Grundurteils).
2. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 375.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Bezug auf den Beklagten zu 1) seit 05.11.2008 und in Bezug auf den Beklagten zu 2) seit 14.08.2009 zu zahlen (zu Ziffer 1.2 des Grundurteils).
3. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine Schmerzensgeldrente in Höhe von monatlich 1.300,00 EUR, zahlbar jeweils am ersten Werktag des Monats, beginnend ab 02.01.2023 und endend mit dem Tode des Klägers jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem auf den ersten Werktag des Monats jeweils folgenden Tag zu bezahlen (zu Ziffer 1.2 des Grundurteils).
4. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 9.759,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Bezug auf den Beklagten zu 1) seit 05.11.2008 und in Bezug auf den Beklagten zu 2) seit 14.08.2009 zu zahlen (zu Ziffer I.1 des Grundurteils).
II. Klarstellend wird festgehalten, dass die Ziffern I.3, I.4 und I.5 des Grund- und Endurteils vom 23.12.2020 unberührt bleiben.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
V. 1. Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gilt Folgendes:
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 1/2 und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 1/2.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 1/2.
Die Klagepartei trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) und 4).
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
2. Hinsichtlich der Kosten des beim Oberlandesgericht München unter Az. 13 U 4138/11 geführten Berufungsverfahrens gilt Folgendes:
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 1/3 und die Beklagten zu 1) und 2) alsGesamtsamtschuldner 2/3.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 2/3.
Die Klagepartei trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4).
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kosten des hiesigen Berufungsverfahrens (Az. 13 U 1972/18) tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner.
4. Dem Beklagten zu 1) wird auch bezüglich der Kosten, die bis zum 22.09.2017 entstanden sind, die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des Erblassers Herrn Dr. F. G. vorbehalten.
I. Die Verurteilung des Beklagten zu 2) gemäß Ziffer V.1 und V.2 wird ebenfalls beschränkt auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung des Insolvenzschuldners Bauunternehmung M. M. gegen den Versicherer, A. Versicherung AG, …
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
1. Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf 3.856.414,77 EUR abgeändert.
2. Der Streitwert des beim OLG München unter Az. 13 U 4138/11 geführten Berufungsverfahrens wird auf 3.856.414,77 EUR abgeändert.
3. Der Streitwert des hiesigen Berufungsverfahrens (Az. 13 U 1972/18) wird auf 3.788.134,57 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 1) und 2) Schadensersatz wegen eines Unfalls vom 01.04.2006 auf dem Grundstück J.straße 29 in M., bei dem er verletzt wurde. Gegen die Beklagten zu 3) und 4) machte der Kläger im hiesigen Verfahren ebenfalls Schadensersatzansprüche wegen des Unfalls vom 01.04.2006 geltend. Die Klage gegen den Beklagten zu 3) wurde durch Teilurteil vom 08.09.2011 abgewiesen (Bl. 250/275 d. A.), die Klage gegen den Beklagten zu 4) durch Endurteil vom 08.05.2018 (Bl. 641/710 d. A.). Der Kläger legte hiergegen jeweils kein Rechtsmittel ein.
2
Der am 01.08.2000 geborene Kläger lebte im April 2006 zusammen mit seiner Mutter K. B. und seiner Zwillingsschwester A. B. in einer von der Mutter des Klägers vom vormaligen Beklagten zu
3
1) Dr. F. G. angemieteten Erdgeschosswohnung nebst Gartenanteil im Anwesen J.straße 27 in M. Er begab sich am 01.04.2006 auf das unmittelbar benachbarte Grundstück J.straße 29 und erlitt dort den verfahrensgegenständlichen Unfall.
4
Der vormalige Beklagte zu 1) war Eigentümer der an die Mutter des Klägers vermieteten Erdgeschosswohnung und des südlich angrenzenden Anwesens J.straße 29. Er ließ ab 17.11.2005 von der ursprünglichen Beklagten zu 2), der Bauunternehmung M. M.auf dem Grundstück J.straße 29 ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage errichten. Der vormalige Beklagte zu 1) verstarb am 22.09.2017; der nunmehrige Beklagte zu 1) ist sein Alleinerbe.
5
Die Bauunternehmung M. M., deren Inhaber M. M. war, unterhielt bei der Versicherung A. Versicherung AG, …, eine Haftpflichtversicherung, bei der der streitgegenständliche Unfall unter der Schadensnummer …272 gemeldet wurde. Über das Vermögen von M.M., Bauunternehmung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 28.07.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der nunmehrige Beklagte zu 2) ist der Insolvenzverwalter.
6
Die Beklagten zu 3) und 4) waren jeweils freiberuflich für die Bauunternehmung M. M. unter anderem auf der Baustelle J.straße 29 tätig.
7
Gegen den vormaligen Beklagten zu 1) und die Beklagten zu 3) und 4) war unter dem Aktenzeichen 381 Js 36197/06 ein Strafverfahren beim Amtsgericht München anhängig. Das Verfahren wurde nach § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung von Geldauflagen (vormaliger Beklagter zu 1): 3.500,00 EUR; Beklagter zu 3): 3.600,00 EUR; Beklagter zu 4): 900,00 EUR) an die Mutter des Klägers eingestellt. M. M. wurde mit Urteil des Amtsgerichts München vom 22.07.2009 (Aktenzeichen 381 Js 30596/09) wegen fahrlässiger Baugefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt.
8
Insbesondere der Unfallhergang, die Ursachen für den Unfall und die Verantwortlichkeit hierfür sowie die Verletzungen des Klägers im Einzelnen und die Schadensfolgen sind zwischen den Parteien streitig.
9
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 10.09.2008 Klage erhoben gegen den vormaligen Beklagten zu 1), die Beklagten zu 3) und 4) und die Bauunternehmung M. M., Inh. M. M. als Beklagten zu 2).
10
Letzterer ist die Klageschrift vom 10.09.2008 am 29.10.2008 zugestellt worden, dem vormaligen Beklagten zu 1) am 04.11.2008 (nach Bl. 33 d. A.). Aufgrund Verfügung vom 29.04.2009 (eingeheftet als Bl. 861 d. A.) ist die Klageschrift vom 10.09.2008 mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens dem nunmehrigen Beklagten zu 2) am 14.05.2009 zugestellt worden (Zustellzeugnis nach Bl. 90 d. A.). Mit Schriftsatz vom 05.08.2009 (Bl. 117/120 d. A.) hat die Klagepartei erklärt, sie erhebe nun Klage gegen den nunmehrigen Beklagten zu 2) als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn M. M., Bauunternehmung mit den Anträgen aus der Klage vom 10.09.2008 mit dem Zusatz: „Die Anträge gemäß Ziffer I. bis V. werden beschränkt auf Leistung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer, A. Versicherung AG, …, dortige Schadennummer: …272.“ Sie hat ferner beantragt, die Parteiänderung als sachdienlich zuzulassen und die Akten gemäß § 36 ZPO dem Oberlandesgericht München vorzulegen mit dem Antrag, das Landgericht München I als zuständiges Gericht hinsichtlich aller vier Beklagter zu bestimmen. Der Schriftsatz vom 05.08.2009 ist dem nunmehrigen Beklagten zu 2) am 13.08.2009 zugestellt worden (nach Bl. 120 d.A.). Durch Beschluss vom 05.10.2009 hat das Oberlandesgericht München, Az. 31 AR 537/09, als gemeinsam zuständiges Gericht das Landgericht München I bestimmt (vgl. Bl. 131/132 d. A.).
11
Unter dem 08.09.2011 erließ das Landgericht München I ein Teilend- und Teilgrundurteil. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz seines Schadens aus dem Unfall vom 01.04.2006 wurde gegen den vormaligen Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) wurde abgewiesen; die Kostenentscheidung blieb der Endentscheidung vorbehalten (Bl. 250/275 d. A.).
12
Hiergegen haben der vormalige Beklagte zu 1), der Beklagte zu 2) sowie der Kläger bezüglich des Beklagten zu 4) Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht München hat mit Endurteil vom 22.05.2012, soweit der vormalige Beklagte zu 1) und die Beklagten zu 2) und 4) betroffen waren, das Urteil des Landgerichts München I vom 08.09.2011 samt den zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen (Bl. 368/375 d. A.). Die vom Beklagten zu 4) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2013 kostenpflichtig zurückgewiesen worden.
13
Am 08.05.2018 erließ das Landgericht München I folgendes Endurteil:
14
1. Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 500.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Bezug auf den Beklagten zu 1) seit 31.10.2008 und in Bezug auf den Beklagten zu 2) seit 14.08.2009 zu zahlen.
15
2. Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine Schmerzensgeldrente in Höhe von monatlich 1.500,-€, zahlbar jeweils am 01. Werktag des Monats, beginnend ab 01.04.2006 und endend mit dem Tode des Klägers jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Zahlungszeitpunkt zu bezahlen.
16
3. Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 98.188,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 80.000,- € und aus einem weiteren Betrag von 18.288,17 € in Bezug auf den Beklagten zu 1) seit 31.10.2008 und in Bezug auf den Beklagten zu 2) seit 14.08.2009 zu zahlen.
17
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden, den er aufgrund des Unfalls vom 01.04.2006 erlitten hat zu ersetzen haben, soweit die diesbezüglichen Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
18
5. Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden verurteilt, an den Kläger weitere 9.759,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in Bezug auf den Beklagten zu 1) seit 31.10.2008 und in Bezug auf den Beklagten zu 2) seit 14.08.2009 zu zahlen.
19
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
20
7. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/2 und die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 1/2.
21
Die Klagepartei trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) und 4).
22
Die Beklagten zu 1) und zu 2) tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/2. im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
23
8. Den Erben des Beklagten zu 1) wird als Erben die Beschränkung ihrer Haftung aus den Ziffern 1. bis 5. auf den Nachlass des Beklagten zu 1) vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung.
24
9. Die Verurteilung des Beklagten zu 2) gemäß Ziff. 1. bis 5. und gemäß Ziffer 7. wird beschränkt auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung des Insolvenzschuldners Bauunternehmung M. M. gegen den Versicherer, A. Versicherung AG, …, dortige Schadennummer: … .
25
10. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
26
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen zur Anspruchshöhe wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Endurteil des Landgerichts München I vom 08.05.2018 (Az. 3 O 16126/08) (Bl. 641/710 d. A.), berichtigt durch Beschluss vom 03.07.2018 (Bl. 727/728 d. A.), Bezug genommen.
27
Das Landgericht München I führte aus, dass die Klage in Bezug auf sämtliche Beklagte zulässig und gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) auch in weiten Teilen begründet sei.
28
Der Kläger habe im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB gemäß § 253 Abs. 2 BGB Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe eines Betrages von 500.000,00 EUR. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer überzeugt, dass der Kläger durch den Unfall vom 01.04.2006 massive Verletzungen des Körpers und der Gesundheit erlitten habe. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgelds habe die Kammer die erheblichen Verletzungsfolgen, Spätfolgen und Auswirkungen auf das Alltagsleben für den Kläger sowie den Grad des Verschuldens berücksichtigt.
29
Die Kammer sei aufgrund des gesamten Akteninhalts und der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der medizinischen Sachverständigengutachten des Sachverständigen PD Dr. S. vom 09.10.2015 und des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 20.09.2017 überzeugt, dass der Kläger durch den Unfall vom 01.04.2006 nachfolgende erhebliche Beeinträchtigungen erlitten habe:
30
(1) Der Kläger habe schwerste Kopfverletzungen erlitten. Es sei zu einer mehrfragmentären Kalottenfraktur gekommen sowie zu einer ausgeprägten kontusiellen Schädigung mit Quetschungen und Einblutungen und einem nachfolgenden Ödem bzw. einer Schwellung des Hirngewebes. Zwar sei es nicht zu der von der Klagepartei behaupteten Verdoppelung der Größe des ursprünglichen Umfangs des Hirngewebes gekommen. Jedoch habe eine Größenzunahme des Hirnvolumens stattgefunden, die zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen Schädelvolumen und Hirnvolumen geführt habe und damit zu einer dramatischen und bedrohlichen Hirndrucksituation. In den ersten 5 Wochen nach dem Unfall sei fraglich gewesen, ob der Kläger den Unfall überhaupt überlebe.
31
Im Einzelnen habe der Kläger durch den Unfall folgende Verletzungsfolgen davongetragen:
- Schädel-Hirn-Trauma Grad IV
- multiple offene Wunden des Kopfes
- Impressionsfraktur der Kalotte rechts parietal
- Bewusstlosigkeit bei Schädel-Hirn-Trauma
- Pupillenfunktionsstörungen
- traumatisches epidurales Hämatom
- Pupillenfunktionsstörung und -erweiterung
- Medikamentenentzugssyndrom
32
(2) Bei dem Kläger hätten im Zeitraum April 2006 bis Januar 2008 folgende unfallbedingt notwendige Operationen stattgefunden:
Kraniotomie und Dekompression beidseits Duraplastik beidseits Anlegen einer externen Ventrikeldrainage Implantation einer Sonde zur Hirndruckmessung
Bohrlochtrepanation und Entleerung eines epiduralen Hämatoms
Kranioplastik, Schädeldach mit Transposition
Magensonde zur Ernährung (PEG) unter Vollnarkose
Entfernung des PEG (wiederum unter Vollnarkose)
Operation beider Augen (Schieloperation)
33
(3) Bei Aufnahme in der S. klinik V. (23.05.2006) habe sich der Kläger im Wachkomazustand befunden. Bis zur Entlassung (22.09.2006) habe er einen extrem divergierenden Strabismus und lichtstarre große Pupillen gehabt und es hätten sich deutliche Gedächtnisstörungen, ein Durchgangssyndrom und Schwierigkeiten in der Handlungsplanung gezeigt. Eine verbale Kommunikation sei während der ersten Wochen des stationären Aufenthalts überhaupt nicht, bei der Entlassung nicht altersgerecht möglich gewesen. Während der Kläger zunächst eine gute Motivation gezeigt habe, sei später, als er zunehmend seine Defizite reflektiert habe, eine depressiv-resignative Begleitsymptomatik deutlich geworden. Im Verlaufe der Behandlung habe der Kläger einzeln geführte Schritte im Therapiebad sowie geführtes Gehen am Laufband erlernt. Auch bei der Entlassung sei noch kein freies Stehen möglich gewesen.
34
(4) Noch am 31.07.2007 habe eine ausgeprägte Gangstörung mit einer Haltungsinstabilität des Rumpfes vorgelegen. Auch die Koordination zwischen der Rumpfhaltung und der Extremitätenhaltung sei nicht gut gesteuert gewesen. Der Kläger habe nicht frei laufen können und sei instabil - gestützt am Mobiliar entlang gegangen. In der Zeit davor habe er zwar mit einer deutlichen Haltungsinstabilität krabbeln können, sei dabei jedoch gelegentlich zusammengebrochen und auf das Gesicht gefallen.
35
(5) Das Landgericht führte ferner zu den Langzeitfolgen aus, dass der Unfall und die hierdurch erlittenen Verletzungen zu multiplen Funktionsstörungen und massiven dauerhaften Beeinträchtigungen in allen Alltagsbereichen geführt hätten.
36
(a) Der Kläger habe durch die Schädelhirnverletzung eine nicht aufhebbare Augenmuskellähmung erlitten, in deren Folge er keine vertikale Blickwendung mehr leisten könne. Er sei somit in seinem Gesichtsfeld dahingehend eingeschränkt, dass er diese Bewegungsstörungen immer mit Kopfbewegungen ausgleichen müsse. Außerdem bestehe infolge dieser Augenmuskellähmung eine Lähmung der Pupillen, die somit weit gestellt seien, was zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit führe. Es bestehe daher eine ganz auffällige Schiel-Auswärtsblickrichtung, wodurch ein unmittelbarer Blickkontakt nicht möglich sei.
37
Der Kläger leide an erheblichen Behinderungen in der Grobmotorik, bei der Sicherheit im Sitzen, in der Okulomotorik und bei verstärktem Lichteinfall. Er schaue mit dem rechten Auge bevorzugt. Er schaue in einer 34°-Winkelstellung, sodass er kompensatorisch den Kopf immer zur linken Seite neige und somit langsam eine rechtskonvexe skoliotische Haltungsstörung entwickle. Es bestehe ein beständiges HWS-Syndrom, da eine Augenmotorik bzw. -modalität nicht mehr vorhanden sei und eine vermehrte Fixierung zur Fortbewegung aus dem Schultergürtel erfolge. Die Fähigkeit zu sehen sei erheblich eingeschränkt und liege bei 30%. Aufgrund seiner Augenmuskellähmung habe er beidseits einen Tunnelblick und könne aufgrund seiner Augenstellung immer nur mit einem Auge sehen. Es fehle dem Kläger die Dreidimensionalität beim Sehen.
38
(b) Der Kläger habe eine generalisierte Ataxie, kombiniert mit Spastik. Er habe eine Ataxie an Rumpf und Extremitäten und sei deswegen bewegungsmäßig eingeschränkt. Er könne sich seit September 2007 mithilfe eines Rollators fortbewegen. Zum Zeitpunkt der Begutachtung von Prof. H. im Gutachten vom 20.09.2017 habe der Kläger als Hilfsmittel einen Rollstuhl und fersenumfassende Einlagen benutzt. Kürzere Gehstrecken könnten selbstständig gegangen werden; Ganggeschwindigkeit, Gangaufmerksamkeit, Adaption an den Untergrund etc. fänden aber nicht adäquat statt, sondern seien abhängig von bekannter Umgebung. Es könne zu einem bis mehreren Stürzen am Tag kommen. Infolge einer Fehlbelastung der Gelenke, Hüfte, Knie und Wirbelsäule drohten sekundäre Folgeerscheinungen infolge einer nicht adäquaten Abnutzung.
39
(c) Die Narben und die Fehlstellung der Augen hätten eine dauerhafte Entstellung zur Folge. Der Kläger leide unter dysarthrischen Sprachbildungsstörungen, unter spastischen Bewegungsstörungen, unter assoziierten Reaktionen und Gleichgewichtsstörungen. Es bestehe ein hirnorganisches Psychosyndrom mit deutlicher Verlangsamung und Angstzuständen. Die Blasenkontrolle sei vermindert. Durch die Schädelhirnverletzung sei es anfangs zudem zum Verlust der aktiven Sprache gekommen. Inzwischen zeige der Kläger hier kontinuierliche Verbesserungen. Es bestehe eine dysarthrische, aber in der Alltagskommunikation gut verständliche Sprache.
40
(d) Der Kläger leide im Zusammenhang mit der psychischen Verarbeitung des Unfallgeschehens immer wieder an depressiven Phasen, insbesondere infolge des Erkennens seiner körperlichen und geistigen Defizite und seiner Wahrnehmungsunsicherheit und infolge des Verlustes seiner bisherigen Freunde und des daraus resultierenden Gefühls der Vereinsamung. Der Kläger zeige in Anwesenheit der Mutter eine Tendenz zu provokativ clowneskem Verweigerungsverhalten.
41
Der Kläger leide infolge der Schädelhirnverletzung an wiederkehrenden Kopfschmerzen. Infolge der Schädelhirnverletzung könne es in späteren Entwicklungsphasen zudem noch zur Ausbildung von hirnorganischen Krampfanfällen im Sinne einer Epilepsie kommen.
42
(6) Aufgrund der Verletzungsfolgen bestehe ein umfassender Betreuungsbedarf. Der Kläger müsse 24 Stunden betreut werden. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts unter A.II.6.a) (6) der Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
43
All diese Beschwerden, Beeinträchtigungen, Schmerzen, Leiden und psychischen Einschränkungen bestünden für das gesamte Leben des Klägers. Der Kläger werde sich nie allein versorgen können und Zeit seines Lebens auf ständige Hilfe, Betreuung und Pflege angewiesen sein. Er werde niemals einen eigenständigen Beruf erlernen können. Er werde niemals ordnungsgemäß schreiben und lesen können. Er werde insbesondere wegen der Augenmuskellähmung niemals im öffentlichen Verkehr als Fahrradfahrer oder als Autofahrer teilnehmen können. Er sei fortwährend auf fremde Hilfe angewiesen.
44
(7) Wesentliche Störungsbilder seien das hirnorganische Psychosyndrom mit exekutiven Dysfunktionen, die motorischen Störungen Ataxie und spastische Bewegungsstörung und die Störungen für Sehen und Auge in Form von Blickfolgestörung, Fotophobie und Blepharospasmus. Der Grad der Behinderung bzw. die Minderung der Erwerbsfähigkeit lägen für jetzt und für die Zukunft immer bei 100%, weil sowohl die arithmetische Summe der Störungen als auch die Berücksichtigung der Störungen in ihren Beziehungen untereinander immer deutlich mehr als 100% ergeben würden.
45
Eine das Bild wesentlich ändernde Besserung des Zustandes des Klägers könne biologisch nicht erwartet und im Gesamtbild ausgeschlossen werden.
46
Mit weiteren Behandlungsmaßnahmen bzw. Behandlungsbedarf sei zu rechnen. Genannt seien insoweit:
- Physiotherapie und psychologische (und möglicherweise ärztlich-psychiatrische) Therapien in Verbindung mit einem individualisierten Bildungsweg
- psychiatrische Behandlungen wegen der Verhaltensbesonderheiten (Nähe-Distanz-Probleme, Impulsivität, Aggressivität)
- medikamentöse, operative und interventionelle Therapieverfahren für den bestehenden und möglicherweise zunehmenden Blepharospasmus
- spezialisierte Zahnbehandlung und dauerhaft weitere zahnmedizinische Behandlungen wegen der Dystonie des Blepharospasmus
- Alltagsversorgung mit externer Verhaltensunterstützung (und gegebenenfalls psychiatrischer Versorgung), die dem hirnorganischen Psychosyndrom (mit exekutiven Dysfunktionen und Störungen von Kognition, Verhalten und Befinden) angemessen ist.
47
Ergänzend wird auf die Ausführungen unter A.II.6.a) (7) der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
48
Bei beiden Beklagten sei zu berücksichtigen, dass sie aufgrund einfacher Fahrlässigkeit hafteten.
49
Unter Berücksichtigung sämtlicher oben genannter Erwägungen halte die Kammer ein Schmerzensgeld in der ausgesprochenen Höhe für angemessen. Die Genugtuungsfunktion sei nur noch bei vorsätzlichen Taten oder grob fahrlässigen Schädigungen relevant. Im vorliegenden Fall erfülle das Schmerzensgeld eine umfassende Ausgleichsfunktion. Zu berücksichtigen gewesen seien insbesondere das Ausmaß und die Schwere der Verletzungen und Schmerzen sowie, dass dauerhafte massive Behinderungen, Einschränkungen und Entstellungen verblieben. Bei dem Kläger lägen schwerste Schädigungen vor, die multiple Bereiche beträfen, vor allem die Motorik, die Sinne (Augen, Sehfähigkeit) und die Psyche (hirnorganisches Psychosyndrom). Es sei zu einer weitgehenden Störung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit gekommen. Der Kläger sei umfassend auf externe Hilfe angewiesen. Die Beeinträchtigungen bestünden auf Dauer und beträfen sämtliche Lebensbereiche. Eine Erwerbstätigkeit und ein selbstbestimmtes Leben sei auf Dauer ausgeschlossen.
50
Ferner stehe dem Kläger die geltend gemachte Schmerzensgeldrente in Höhe von 1500,00 EUR monatlich gemäß § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB zu.
51
Bei schweren Dauerschäden stehe dem Verletzten – in der Regel – neben dem Kapitalbetrag eine Rente zu. Die Rente solle den bereits eingetretenen immateriellen Schaden abgelten und zugleich der Dauerbeeinträchtigung des Verletzten Rechnung tragen.
52
Im vorliegenden Fall sei insoweit zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger schwerste Dauerbeeinträchtigungen habe, bei denen mit einer Verschlechterung des Zustandes und auch künftig mit erheblichem Behandlungsbedarf und massiven Einschränkungen im Alltag sowie daraus resultierendem immateriellen Schaden zu rechnen sei.
53
Von den materiellen Schadensposten, die der Kläger geltend mache, stehe ihm gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB ein Betrag in Höhe von 98.188,17 EUR zu.
54
Die Beklagten hätten den Anfall und die Höhe der geltend gemachten Positionen aus der klägerischen Ausstellung aus der Klageschrift vom 10.09.2008, S. 24, lediglich in Bezug auf die Positionen 9, 10 und 31 wirksam bestritten. In Bezug auf die weiteren Posten seien keine Einwände erhoben worden. Der pauschale Verweis der Beklagtenpartei zu 1) im Schriftsatz vom 04.04.2018 auf ein Bestreiten mit Nichtwissen bezüglich der „Tatsachen, die der Berechnung der geltend gemachten Ansprüche zugrunde liegen“, genüge angesichts der detaillierten Ausführungen der Klagepartei in der Klageschrift (Bl. 23/26 d. A.) nicht den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten der Schadenspositionen und sei zudem in einem nicht nachgelassenen und damit nicht zu berücksichtigenden Schriftsatz erfolgt.
55
Hinsichtlich der vom Landgericht im Einzelnen für erstattungsfähig gehaltenen Positionen wird auf die Ausführungen unter A.II.8.1-8.31 der Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
56
Auch der von der Klagepartei geltend gemachte Verdienstausfall der Mutter des Klägers sei zu erstatten.
57
Der Verdienstausfall sei für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 22.09.2006 gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Kosten der notwendigen Heilbehandlung zu ersetzen und für den Zeitraum vom 23.09.2006 bis zum Mai 2008 nach § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung der notwendigen Bedürfnisse des Geschädigten.
58
Die Betreuung eines Verletzten durch bloße physische Präsenz naher Angehöriger am Krankenbett sei für den Heilungsprozess oft von großer Bedeutung, jedoch im Rahmen des § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Ersatzfähig sei hingegen der Aufwand, der Angehörigen für ihre Besuche am Krankenbett entstehe. Die von den Angehörigen aufgewendeten Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten seien ebenso auszugleichen wie der Verdienstausfall. Maßgebend sei insoweit aber nicht § 843 Abs. 1 BGB, sondern diese Schäden seien unter der Voraussetzung ihrer Erforderlichkeit und Angemessenheit im Rahmen des Anspruchs des Verletzten auf Ersatz der Kosten der notwendigen Heilbehandlung im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichen. Anders liege es, wenn die Angehörigen Pflegeleistungen übernähmen, die auch ein Dritter gegen Entgelt erbringen könnte; der Betreuungsaufwand naher Angehöriger sei im Rahmen des Erforderlichen gemäß § 843 Abs. 1 BGB unabhängig davon auszugleichen, ob die Angehörigen einen Verdienstausfall erlitten hätten. In diesen Fällen habe der Geschädigte Anspruch auf Ersatz fiktiver Pflegekosten in Höhe des Nettolohns einer entgeltlichen Pflegekraft. In Sonderfällen könne ausnahmsweise auch der Verdienstausfall des pflegenden nahen Angehörigen liquidiert werden: Sei einem unfallbedingt behinderten Kind am besten dadurch gedient, dass ein Elternteil seine Pflege und Förderung übernehme, und müsse dieser dafür seinen Beruf aufgeben, so könne ausnahmsweise auch der Verdienstausfall des Elternteils vom Kind als eigener Schaden liquidiert werden.
59
Die Klagepartei habe dargetan, dass die Mutter des Klägers in dem geltend gemachten Zeitraum von 26 Monaten ausschließlich mit der Pflege des Klägers beschäftigt gewesen sei. Dem hierzu erbrachten substantiierten Vortrag der Klagepartei seien die Beklagten zu 1) und 2) nicht entgegengetreten. Der pauschale Verweis auf ein Bestreiten mit Nichtwissen im Schriftsatz des Beklagten zu 1) vom 04.04.2018 bezüglich der „Tatsachen, die der Berechnung der geltend gemachten Ansprüche zugrunde liegen“ genüge nicht und sei zudem in einem nicht nachgelassenen und damit nicht zu berücksichtigenden Schriftsatz erfolgt. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten lediglich Ausführungen zu den Tatsachen gemacht, die die Höhe des vor dem Unfallereignis des erzielten Verdienstes beträfen.
60
Der Verdienstausfall der Mutter des Klägers im Zeitraum 01.04.2006 bis 22.09.2006 sei als Kosten der notwendigen Heilbehandlung ersatzfähig, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Präsenz der Mutter am Krankenbett und im Rahmen der Krankenhausaufenthalte vom 01.04.2006 bis 22.09.2005 (gemeint offensichtlich 22.09.2006) sei für die Heilbehandlung notwendig gewesen und hierfür sei eine Aufgabe der Berufstätigkeit in diesem Zeitraum mit entsprechendem Verdienstausfall erforderlich geworden.
61
Für den Zeitraum vom 23.09.2006 bis zum Mai 2008 sei der Verdienstausfall der Mutter des Klägers aufgrund der vorliegenden Sonderkonstellation gemäß § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu ersetzen. Dem unfallbedingt behinderten Kläger sei in diesem Zeitraum am besten dadurch gedient gewesen, dass die Mutter seine Pflege und Förderung übernommen habe, und diese habe hierfür ihren Beruf aufgeben müssen.
62
Der geltend gemachte Verdienstausfall sei in Höhe eines Betrages von 81.768,70 EUR zu ersetzen. Das Landgericht wendete hierbei § 287 Abs. 1 ZPO an und führte aus, dass für die Berechnung des Verdienstausfalls auf den durchschnittlichen Verdienst abzustellen sei, der bei der Mutter des Klägers ohne das schädigende Ereignis zu erwarten gewesen sei. Im Hinblick darauf, dass die Mutter des Klägers Ende 2004 ihre selbstständige Erwerbstätigkeit nach einem Erziehungsurlaub wieder aufgenommen habe, seien die Einkünfte im Jahr 2005 nicht repräsentativ, sodass erst die Zahlen aus dem Jahr 2006 für die Berechnung des durchschnittlichen Verdienstes und des Verdienstausfalls heranzuziehen seien. Unter Zugrundelegung des Umstands, dass die dem Einkommensteuerbescheid 2006 zu entnehmenden Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 19.050,00 EUR in den ersten 3 Monaten des Jahres erzielt worden seien, ging das Landgericht von Jahreseinkünften in Höhe von 76.200,00 EUR aus und machte sodann einen Abschlag von 25% zur Berücksichtigung von Urlaub, Krankheit und Auftragsschwankungen. Von dem so ermittelten monatlichen Einkommen von 57.150,00 EUR : 12 = 4.762,50 EUR zog es die Zahlungen der Barmer Ersatzkasse in Höhe von 1.617,55 EUR ab, sodass sich ein monatlicher Verdienstausfall von 3.144,95 EUR errechnete.
63
Aufgrund des Schreibens vom 20.09.2007 hätten sich der Beklagte zu 1) und die Insolvenzschuldnerin mit Ablauf des 12.10.2007 in Höhe eines Betrages von 80.000,00 EUR in Zahlungsverzug befunden. Zinsen aus dem darüber hinausgehenden Betrag seien seitens der Beklagten ab der jeweiligen Rechtshängigkeit der Klage gegen sie geschuldet.
64
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien nach §§ 823 Abs. 1, 249 BGB als Kosten der berechtigten Rechtsverfolgung ersatzfähig. Aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit der Angelegenheit sei eine 2,1 Gebühr nach Ziffer 2300 VV RVG angemessen.
65
Aufgrund des Versterbens des vormaligen Beklagten zu 1) sei in Bezug auf diesen Beklagten ein Vorbehalt nach § 780 ZPO mit einer Haftung begrenzt auf den Nachlass auszusprechen.
66
Hinsichtlich des Beklagten zu 2) sei die Haftung beschränkt auf den Entschädigungsanspruch der Insolvenzschuldnerin gegen ihre Haftpflichtversicherung.
67
Ergänzend wird auf das Endurteil vom 08.05.2018 (Bl. 641/710 d. A.) Bezug genommen.
68
Das Endurteil ist dem Kläger am 14.05.2018, dem Beklagten zu 1) am 12.05.2018 und den weiteren Beklagten am 14.05.2018 zugestellt worden (nach Bl. 710 d. A.).
69
Der Beklagte zu 2) hat gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 13.06.2018 (Bl. 740/741 d. A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt, welche er binnen verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 23.08.2018 (Bl. 754/794 d. A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, begründete.
70
Hierbei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Verurteilung des Beklagten zu 2) unter verschiedenen Gesichtspunkten als rechtsfehlerhaft erweise (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) und die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen nicht richtig und vollständig festgestellt worden seien (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO).
71
Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs rügte der Beklagte zu 2), dass die Festsetzung des Kapitalbetrags in Höhe von 500.000,00 EUR rechtsfehlerhaft sei. Der Bezug zu den gängigen Schmerzensgeldtabellen sei in den Entscheidungsgründen nicht hergestellt worden. Das Landgericht habe sich sehr umfassend ausschließlich mit den den Verletzten betreffenden konkreten Bemessungsfaktoren auseinandergesetzt, geboten sei aber auch, die Umstände aus der Sphäre des Schädigers und solche, die beide Parteien beträfen, zu berücksichtigen. Der Tatrichter habe erst eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten. Abwägungen in dieser Richtung seien vom Landgericht rechtsfehlerhaft ausgelassen worden. Es seien nur grundsätzliche Funktionen eines Schmerzensgeldes dargestellt und das Verschulden falsch bewertet worden, eine Prägung des Einzelfalles fehle vollständig. Der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag überschreite die sonst in der Rechtsprechung erkannten Schmerzensgeldbeträge unangemessen und stehe in keinem Verhältnis zu vergleichbaren Fällen.
72
Die Festsetzung einer Schmerzensgeldrente in Höhe von 1.500,00 EUR monatlich, beginnend am 01.04.2006 sei ebenfalls rechtsfehlerhaft. Rechtsfehlerhaft sei bereits die Feststellung des Landgerichts, dass bei schweren Dauerschäden in der Regel dem Verletzten neben dem Kapitalbetrag eine Rente zustehen solle. Es hätte ferner geprüft werden müssen, ob Schmerzensgeldbetrag und -rente in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und der Gesamtbetrag eine billige Entschädigung für den insgesamt erlittenen immateriellen Schaden darstellt. Hierfür sei es erforderlich, dass der Rentenbetrag kapitalisiert werde. Lege man die Streitwertfestsetzung des Landgerichts zugrunde, wäre von einem Gesamtschmerzensgeld in Höhe von mehr als 1.030.000,00 EUR auszugehen; dies sei nicht gerechtfertigt und im Verhältnis zu vergleichbaren Fällen komplett entlegen. Beanstandet werde auch die Festsetzung der Schmerzensgeldrente ab dem Unfallzeitpunkt und die Verzinsung des monatlichen Rentenbetrags ab Fälligkeit. Ferner komme aus Sicht des Beklagten zu 2) eine Verzinsung nur bis zum Stichtag der Insolvenzeröffnung in Betracht, da Haftpflichtforderungen Insolvenzforderungen darstellten.
73
Auch die Feststellungen des Landgerichts zu den materiellen Schadensposten seien rechtsfehlerhaft und rechtsverletzend. Die Klagepartei habe die Berechnung und Darstellung der Schadenshöhe lediglich in der Klage vom 10.09.2008 auf S. 22 ff. dargestellt. Die Ausführungen der Klagepartei in der Klageschrift seien nicht detailliert und seien zutreffend bestritten worden. Der Klagevortrag enthalte keinerlei Angaben dazu, dass, von wem und in welcher Höhe die Rechnungen in Anlage K 13 gezahlt worden wären; Zahlungsnachweise fehlten vollständig. Eine fiktive Schadensberechnung sei jedoch nach geänderter Rechtsprechung des BGH unzulässig. Hinsichtlich der Ausführungen zu den einzelnen Schadenspositionen wird auf Ziff. 8.1 – 8.31 (S. 25 – 32) der Berufungsbegründung (Bl. 778/785 d. A.) Bezug genommen.
74
Dass der Verdienstausfall der Mutter für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis 22.09.2006 als Kosten der notwendigen Heilbehandlung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen sei, werde ebenfalls als rechtsfehlerhaft angegriffen. Verdienstausfall sei nur zu ersetzen, wenn der Ausfall nicht durch Vor- oder Nacharbeit aufgefangen werden könne. Es fehle auch jeder Vortrag dazu, dass die Mutter des Klägers während der stationären Heilbehandlung Pflegeleistungen erbracht hätte, die andernfalls von fremden Pflegekräften zu erbringen gewesen wären. Der Vortrag gehe dahin, dass die Mutter aufgrund der persönlichen Beziehung den Heilverlauf positiv beeinflusst habe. In einem solchen Fall sei die vermehrte elterliche Zuwendung, obwohl sie mit erheblichem Zeitaufwand verbunden gewesen sei, nicht ersatzfähig. Bei dem von der Barmer Ersatzkasse geleisteten Betrag dürfte es sich um Pflegegeld handeln, mit dem eine etwaige Pflegetätigkeit der Mutter während des Krankenhausaufenthaltes des Klägers kompensiert worden sei.
75
Auch soweit dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz im Zusammenhang mit vermehrten Bedürfnissen für den Zeitraum vom 23.09.2006 bis einschließlich Mai 2008 in Höhe des Verdienstausfalls der Mutter zugesprochen worden ist, sei die Entscheidung rechtsfehlerhaft. Es fehle eine nachvollziehbare Abgrenzung zwischen der elterlich geschuldeten Fürsorge zu dem aus dem selbstverständlichen, originären Aufgabengebiet der Eltern herausgehobenen Pflegemehrbedarf. Aus der Aufstellung der Fahrten in der Zeit vom 25.09.2006 bis 25.05.2007 ergebe sich tatsächlich, dass die Mutter des Klägers ihn nicht selbst professionell gefördert habe. Beanstandet werde auch die tatsächliche Feststellung des Gerichts, dass die Mutter die Pflege und Förderung des Klägers übernommen habe und hierfür ihren Beruf habe aufgeben müssen. Dies hätten die Beklagten zulässig mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls aber sei die zusätzliche Mühewaltung der Mutter durch das Pflegegeld der B. Ersatzkasse angemessen ausgeglichen worden.
76
Unterstellt, der Anspruch für vermehrte Bedürfnisse im Zeitraum 23.09.2006 bis Mai 2008 würde dem Grunde nach bestehen, sei er fehlerhaft berechnet. Maßstab für die Berechnung des Betreuungsmehraufwands seien die für eine sachgerechte Pflege durch eine professionelle Hilfsperson erforderlichen Kosten. Hierzu sei zunächst der Pflegemehraufwand rein zeitlich herauszuarbeiten. Dies sei nicht erfolgt. Die Einwendungen der Beklagten seien nicht berücksichtigt worden. Mangels Klagevortrag sei ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig gewesen. Die Ermittlung des Verdienstausfallschadens der Höhe nach sei willkürlich und finde im Klagevortrag keine Grundlage.
77
Hinsichtlich der Zinsen bestritt der Beklagte zu 2) erstmals in der Berufungsbegründung, dass der Insolvenzschuldner bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung ein Anspruchsschreiben vom 20.09.2007 erhalten hätte. Tatsächlich seien mit Bezug auf den Beklagten zu 2) hinsichtlich des Vorschussbetrages Verzugszinsen nicht tenoriert worden, sondern lediglich Rechtshängigkeitszinsen. Allerdings sei Grundlage der Zinsforderung in der Hauptsache ein Haftpflichtanspruch, welcher im Insolvenzverfahren eine Insolvenzforderung darstelle. Der Zinsanspruch auf Insolvenzforderungen werde begrenzt bis zum Stichtag der Forderungsanmeldungsfrist (12.09.2008), welcher bereits vor dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit liege. Eine Rechtsgrundlage für Fälligkeitszinsen hinsichtlich der Schmerzensgeldrente sei nicht erkennbar.
78
Wenn der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei ein Anspruchsschreiben vom 20.09.2007 gefertigt haben sollte, sei er bereits vor Verzugseintritt beauftragt worden. Unter diesem Gesichtspunkt stehe der Klagepartei ein Erstattungsanspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nicht zu. Auch eine abweichende Rechtsgrundlage für die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sei nicht ersichtlich. Auch die Höhe der in Ansatz gebrachten Kosten sei nicht zutreffend bewertet worden. Die Klage gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die ursprünglich streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche, bewertet mit einem Gegenstandswert von 779.824,00 EUR, vorgerichtlich geltend gemacht worden seien.
79
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 23.08.2018 Bezug genommen.
80
Der Beklagte zu 1) hat gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 11.06.2018 (Bl. 736/737 d. A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt, welche er binnen verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 31.08.2018 (Bl. 797/818 d. A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen per Telefax am selben Tag, begründete.
81
Hierbei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass konkrete Anhaltspunkte bestünden, die Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im Sinne des § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO begründeten. Außerdem beruhe das Urteil auf erheblichen Rechtsverletzungen im Sinne des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
82
Hinsichtlich der materiellen Schadenspositionen bestünden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen. S.weg falsch seien die Ausführungen des Ausgangsgerichts im Zusammenhang mit der Ersatzfähigkeit der materiellen Schadenspositionen, wonach der Beklagte zu 1) diese größtenteils nicht substantiiert („wirksam)“) bzw. nicht berücksichtigungsfähig (erst im „nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.04.2018“) bestritten hätte. Es sei gleich mehrfach zulässig mit Nichtwissen bestritten worden, insbesondere schon in der Klageerwiderung vom 27.01.2009 und mit Schriftsatz vom 08.01.2015.
83
Hinsichtlich der Haftung der Höhe nach machte der Beklagte zu 1) insbesondere folgende Rechtsverletzungen geltend:
84
In den Urteilsgründen finde sich entgegen den zwingenden rechtlichen Prämissen noch nicht einmal die Berechnung der kapitalisierten Rente, ganz zu schweigen von einer Herleitung des Gesamtschmerzensgeldes, der grundsätzlichen Rechtfertigung einer Rente inklusive der Darlegung des zeitlichen Auftretens der durch Zuerkennung einer Rente eventuell auszugleichenden Nachteile. Schon allein aufgrund dieses eklatanten Begründungsdefizits sei das erstinstanzliche Urteil im insoweit angegriffenen Umfang aufzuheben.
85
Bei Zugrundelegung der Streitwertbemessung des Landgerichts betrage das Schmerzensgeldvolumen des Rentenzahlungsantrags 530.100,00 EUR. Daraus resultiere ein Gesamtschmerzensgeld in Höhe von 1.030.100,00 EUR, wobei der Kläger aufgrund des ebenfalls zu seinen Gunsten ausgeurteilten immateriellen Vorbehalts noch zukünftige Ansprüche auf Schmerzensgeld zusätzlich geltend machen könnte. Ein Schmerzensgeld in dieser Höhe sei bei weitem übersetzt. Es finde keine Entsprechung in der vergleichbaren Schmerzensgeldjudikatur.
86
Schon der ausgeurteilte Einmalbetrag in Höhe von 500.000,00 EUR entspreche der Höchstgrenze dessen, was die Schmerzensgeldjudikatur bisher überhaupt zugesprochen habe. Dieser Höchstbetrag werde allerdings nur für denkbar schwerste Persönlichkeitsstörungen, mithin für eine „Zerstörung der Persönlichkeit“ zuerkannt, eine solche sei hier jedoch nicht festgestellt worden. Die Verletzungen und Dauerschäden des Klägers rechtfertigten, gemessen an der Schmerzensgeldjudikatur des Oberlandesgerichts München, jedenfalls nicht einen Einmalbetrag in der ausgeurteilten Höhe.
87
Die für die Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente erforderlichen objektiven Voraussetzungen seien nicht gegeben. Außerdem vertrage sich der frühe Zeitpunkt, ab dem die Rente zugesprochen worden sei, schon nicht mit der inneren Rechtfertigung einer Rente, die dann gewährt werden könne, wenn sich der Verletzte seiner unfallbedingten Gesundheitsstörungen immer wieder schmerzlich bewusst werde. Rechtlich nicht haltbar sei außerdem, dass das Erstgericht dem Kläger in Bezug auf die Geldrente Zinsen schon ab dem 01.04.2006 zugesprochen habe.
88
Hinsichtlich der materiellen Schadenspositionen schloss sich der Beklagte zu 1) höchst vorsorglich auch bezüglich der geltend gemachten Rechtsverletzungen den vom Beklagten zu 2) in der Berufungsbegründung erhobenen Einwendungen an und machte sich dessen Vortrag zu eigen.
89
Auf Basis der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen sei ferner rechtlich unzutreffend, dass sich der Beklagte zu 1) aufgrund des Schreibens vom 20.09.2007 mit Ablauf des 12.10.2007 in Verzug befunden hätte. Das im Prozess vorgelegte Schreiben vom 20.09.2007 sei allein an die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 2) gerichtet.
90
Ferner rügt der Beklagte zu 1), dass die Haftungsbeschränkung nach § 780 ZPO rechtsfehlerhafterweise nicht auch in Bezug auf die Kosten aufgenommen worden sei.
91
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 31.08.2018 Bezug genommen.
92
Der Beklagte zu 1) beantragt,
1. Unter Abänderung des am 08.05.2018 verkündeten Endurteils des LG München I mit dem Az. 3 O 16126/08 wird die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
2. Vorsorglich: Für den Fall der ganzen oder teilweisen Zurückweisung der Berufung wird unter Abänderung des am 08.05.2018 verkündeten Endurteils des LG München I mit Az. 3 O 16126/08 beantragt, einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO in den Tenor des Urteils des Inhalts aufzunehmen, dass dem Beklagten zu 1) die Beschränkung seiner Haftung für Kosten auf den Nachlass des am 22.09.2017 in München verstorbenen Herrn Dr. F. G. vorbehalten wird.
3. Höchst vorsorglich wird noch für den Fall der ganzen oder teilweisen Zurückweisung der Berufung die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO in den Tenor des Urteils des Inhalts erneut beantragt, dass dem Beklagten zu 1) die Beschränkung seiner Haftung für Hauptansprüche, Nebenforderung und Kosten auf den Nachlass des am 22.09.2017 in München verstorbenen Herrn Dr. F. G. vorbehalten wird.
93
Der Beklagte zu 2) beantragt,
Das Urteil des LG München I, 3 O 16126/08, vom 08.05.2018 wird abgeändert und die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen. Für den Fall des Unterliegens wird beantragt, die Revision zuzulassen.
94
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufungen,
auch hinsichtlich des Hilfsantrags des Beklagtenvertreters zu 1).
95
Er verteidigt mit seiner am selben Tag eingegangenen Berufungserwiderung vom 12.10.2018 (Bl. 831/842 d. A.) das erstinstanzliche Urteil.
96
Hinsichtlich der Schadenshöhe führte der Kläger aus, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes entscheidend von dem Maß der durch den Unfall verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten abhänge, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten seien oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernsthaft gerechnet werden müsse. Der Tatrichter unterliege bei der Schmerzensgeldbemessung keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Vergleichsfälle seien deshalb nur als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen. Eine erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung sei nur dann abzuändern, wenn der Erstrichter die maßgeblichen Umstände nicht vollständig und richtig berücksichtigt oder greifbar fehlerhaft bewertet habe, also ein Ermessensfehlgebrauch vorliege. Das erstinstanzliche Urteil sei insoweit nicht zu beanstanden. Die Kammer habe die Verletzungen und Verletzungsfolgen durch Sachverständige feststellen lassen. Gegen das Gutachten seien keinerlei Einwendungen seitens der Berufungsführer erhoben worden. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen werde der Kläger nie ein selbstbestimmtes Leben führen können. Teilweise erkenne der Kläger dies intellektuell. Er könne nur eingeschränkt sehen, er könne nicht länger stehen oder laufen, intellektuell sei er äußerst eingeschränkt.
97
Eine Schmerzensgeldrente solle neben einem Kapitalbetrag zugebilligt werden für lebenslange, schwere Dauerschäden, die der Verletzte immer wieder schmerzlich empfinde. Genau dies sei vorliegend der Fall. Ein Ermessensfehler sei nicht zu erkennen.
98
Die materiellen Schadenspositionen seien erstinstanzlich unstreitig gewesen. Dezidiert werde hier auch vorliegend nicht bestritten und wenn, so werde dies als verspätet gerügt.
99
Soweit der Beklagte zu 1) behaupte, Verzug sei nicht eingetreten, da nur mit der Versicherung kommuniziert worden sei, sei dies unrichtig. Mit Schreiben vom 11.04.2006 seien gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beklagten zu 1) Schadensersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfall angemeldet worden. Dieser habe dann auf seine Versicherung verwiesen und dort den Schaden gemeldet. Insoweit werde auf s 101 VVG verwiesen.
100
In der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2020 wurde u. a. der Kläger persönlich angehört. Insoweit wird Bezug genommen auf S. 3 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 18.05.2020 (Bl. 957 d. A.).
101
Am 23.12.2020 hat der Senat ein Grund- und Endurteil erlassen, mit dem das Endurteil des Landgerichts München I vom 08.05.2018 (Az. 3 O 16126/08), berichtigt durch Beschluss vom 03.07.2018, abgeändert und wie folgt neu gefasst wurde:
1. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Unfalls des Klägers am 01.04.2006 auf dem Grundstück J.straße 29 in M. ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes wegen des Unfalls des Klägers am 01.04.2006 auf dem Grundstück J.straße 29 in M. ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall des Klägers vom 01.04.2006 auf dem Grundstück J.straße 29 zu ersetzen, soweit die diesbezüglichen Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
4. Dem Beklagten zu 1) wird als Erben die Beschränkung seiner Haftung aus den Ziffern 1. bis 3. auf den Nachlass des am 22. September 2017 in München verstorbenen Herrn Dr. F. G. vorbehalten.
5. Die Verurteilung des Beklagten zu 2) gemäß Ziff. 1. bis 3. wird beschränkt auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung des Insolvenzschuldners Bauunternehmung M. M. gegen den Versicherer, A. Versicherung AG, …, dortige Schadennummer: … .
102
Die Kostenentscheidung blieb der abschließenden Entscheidung im Betragsverfahren vorbehalten.
103
Die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 1) und zu 2) wurden mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30.11.2021 zurückgewiesen.
104
Mit Beschluss vom 30.03.2022 (Bl. 1117/1138 d. A.) hat der Senat unter Gewährung einer Stellungnahmefrist Hinweise zur Anspruchshöhe erteilt; des Weiteren hat er die Einholung eines ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. H. zu der Frage angeordnet, ob sich hinsichtlich des gesundheitlichen Zustands des Klägers oder hinsichtlich der Prognosen für seine weitere Entwicklung Änderungen gegenüber den im Gutachten vom 20.09.2017 enthaltenen Feststellungen ergeben haben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
105
Der Kläger reagierte hierauf mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 31.05.2022 (Bl. 1171/1181 d. A.). Mit diesem Schriftsatz wurden die klägerischen Ausführungen zur Bemessung des Schmerzensgeldes ergänzt und vertieft. Ferner wurde zur derzeitigen Gesundheits- und Lebenssituation des Klägers vorgetragen, dass er in allen Lebenslagen und Situationen engmaschige Unterstützung benötige, und hierzu im Einzelnen ausgeführt. Ferner wurde vorgetragen, dass der Kläger, nachdem er das Eingangsverfahren zum Berufsausbildungsbereich in der Pfennigparade in München im Wesentlichen absolviert habe, ab dem 01.08.2020 in den Berufsbildungsbereich der Wendelsteinwerkstätten in T. aufgenommen worden sei. Gleichzeitig sei er in dem Wohnprojekt B.-M.-N. in A., einem sogenannten ambulant betreuten Wohnen, untergebracht worden. Den letzten Teil der Qualifizierungsphase im Berufsbildungsbereich habe er in der Wäscherei der Wendelsteinwerkstätten absolviert. Die Unterbringung im ambulant betreuten Wohnen sei gescheitert. Seit dem 17.09.2021 lebe er in einer betreuten Wohngruppe bei der Lebenshilfe T. in U. Seit dem 01.10.2021 arbeite er in der C.gau-Lebenshilfe-Werkstatt in T.
106
Seine Leistung sei aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen so gering, dass sie an der Grenze zur Werkstattfähigkeit des geforderten Mindestmaßes an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit liege. Aufgrund gewisser intellektueller Fortschritte würden ihm seine eingeschränkten Möglichkeiten immer mehr bewusst. Ganz deutlich zeige sich dies, wenn er Kontakt mit seiner Zwillingsschwester habe. Ferner wurde ergänzend zu einzelnen der geltend gemachten materiellen Schadenspositionen sowie zum Verdienstausfall der Mutter des Klägers ausgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 31.05.2022 nebst Anlagen Bezug genommen.
107
Der Beklagte zu 2) nahm mit Schriftsatz vom 17.06.2022 (Bl. 1184/1189 d. A.) auf den Hinweis des Senats Stellung. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes ist er der Auffassung, dass die Vermögenssituation des Insolvenzschuldners nicht mit der des ehemaligen Beklagten zu 1) zu vergleichen sei, welcher mit einem größeren wirtschaftlichen Vermögen hafte als der Beklagte zu 2). Die Haftung des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) müssten unterschiedlich bewertet werden.
108
In beiden Fällen sei die Entschädigung begrenzt; die Begrenzung sei folglich nicht das richtige Abgrenzungskriterium. Die Verletzung der Überwachungspflicht des Bauherrn sei ferner höher zu bewerten als das Verschulden des Insolvenzschuldners. Bei der Gesamthöhe des Schmerzensgeldes aus Kapitalbetrag und Schmerzensgeldrente sei die aktuell in der Rechtsprechung entwickelte Schallgrenze zu beachten. Ferner ist der Beklagte zu 2) der Auffassung, dass die Zahlungen auf die Geldauflagen nach § 153a Abs. 2 StPO bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen seien. Ergänzend wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
109
Der Beklagte zu 1) bestritt mit Schriftsatz vom 27.06.2022 (Bl. 1191 d. A.) den ergänzenden Sachvortrag der Klagepartei im Schriftsatz vom 31.05.2022 und machte sich die Ausführungen des Beklagten zu 2) im Schriftsatz vom 17.06.2022, dort lit. e), zu eigen. Die Ausführungen des Beklagten zu 2) zur unterschiedlichen Bemessung der Haftung im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und das Verschulden wies der Beklagte zu 1) zurück. Ergänzend wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
110
Mit Schriftsatz vom 05.07.2022 (Bl. 1196/1200 d. A.) führte der Beklagte zu 2) ergänzend, u. a. zum fehlenden Zusammenhang zwischen der Bienen- und Wespenallergie und den Unfallschäden, aus.
111
Der Sachverständige Prof. Dr. med. H. erstattete unter dem 08.08.2022 ein schriftliches Sachverständigengutachten (Bl. 1204/1209 d. A. nebst Anlagen), auf welches Bezug genommen wird.
112
In der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2022 wurde der Sachverständige Prof. Dr. med. H. ergänzend einvernommen; ferner wurde die gesetzliche Betreuerin des Klägers Katrin Böhme angehört; der Kläger selbst war erkrankt. Insoweit wird Bezug genommen auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 (Bl. 1225/1240 d. A.).
113
Mit den Parteivertretern wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme erörtert. Der Beklagtenvertreterin zu 2) wurde zudem eine Schriftsatzfrist zur Stellungnahme auf das Gutachten des Sachverständigen vom 08.08.2022 und die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2022 eingeräumt.
114
Innerhalb verlängerter Frist nahm der Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 01.12.2022 zum Ergebnis der Beweisaufnahme am 10.10.2022 Stellung. Hinsichtlich des Verdienstausfalls der Mutter des Klägers ist er der Auffassung, dass Maßstab für die Errechnung eines Durchschnittsverdienstes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme allenfalls ein freiberufliches Jahreseinkommen sein könne, welches sich aus den Einnahmen der Jahre 2004, 2005 und 2006 : 27 Monate x 12 Monate errechne. Aus den Angaben in Anlage K8, welche nicht nachgewiesen und nachvollziehbar dargelegt seien, resultiere ein fiktiver Jahresbetrag von 29.705,00 EUR zu versteuerndem Jahreseinkommen. Daraus ermittle sich ein monatlicher Durchschnittsverdienst von 2.500,00 EUR vor Abzügen und von 1.875,00 EUR nach Abzug von 25%. Abzüglich der Lohnersatzleistungen von monatlich 1.617,55 EUR berechne sich ein Verdienstausfall von eventuell 257,45 EUR monatlich (fiktiv und ohne Anerkennung). Die Werte ab 2011 könnten nicht herangezogen werden, da es sich dabei um nicht erstattungsfähige Fortkommensnachteile handle. Gemessen an der konstanten Einkommensentwicklung in den Jahren 2004 und 2005/2006 könne für den Zeitraum der stationären Unterbringung 4/2006-9/2006 (6 Monate) ein fiktiver Verdienstausfall von insgesamt allenfalls 1.544,70 EUR angesetzt werden. Für den Zeitraum 10/2006 – 5/2008 bestehe kein Anspruch auf Verdienstausfall. Sollte der Verdienstausfall gleichwohl für erstattungsfähig gehalten werden, so wäre der hochgerechnete Ausfall um die Einnahmen in 2007 und 2008 gemäß Anlage K8 zu kürzen. Hinsichtlich der streitigen Einzelpositionen ergänzte und vertiefte der Beklagte seine bisherigen Ausführungen. Hinsichtlich des Schmerzensgelds ist er der Auffassung, dass im Hinblick auf vergleichbare Fälle ein Schmerzensgeld von 500.000 EUR nicht gerechtfertigt sei. Der vorliegende Dauerschaden des Klägers habe einen gewissen Abstand zu den denkbar schwersten Beeinträchtigungen. Eine Schmerzensgeldrente neben einem Kapitalbetrag verschaffe dem Kläger keinen besonderen Vorteil, der im Hinblick auf die weiteren streitigen Schadensersatzansprüche gerechtfertigt wäre. Ergänzend wird auf den Schriftsatz vom 01.12.2022 Bezug genommen.
115
Ergänzend wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die gerichtlichen Verfügungen, Urteile und Beschlüsse sowie die sonstigen Aktenbestandteile sowie die Ermittlungsakten, soweit sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.
116
Im Rahmen des Betragsverfahrens nach dem Grundurteil vom 23.12.2020 (Ziffern I.1 und I.2 des Grund- und Endurteils vom 23.12.2020) waren die Beklagten als Gesamtschuldner zu einem kombinierten Schmerzensgeld, bestehend aus einer Kapitalentschädigung von 375.000,00 EUR und einer Rente von 1.300,00 EUR monatlich, beginnend ab Januar 2023, sowie (hinsichtlich der materiellen Schäden) zur Zahlung von 20.030,59 EUR nebst Nebenforderungen wie tenoriert zu verurteilen. Die Ziffern I.3, I.4 und I.5 des Grund- und Endurteils vom 23.12.2020 bleiben unberührt.
117
Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB Anspruch auf ein kombiniertes Schmerzensgeld, bestehend aus einer Kapitalentschädigung von 375.000,00 EUR und einer Rente von 1.300,00 EUR monatlich, beginnend ab Januar 2023.
118
a) Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind; zugleich aber soll es dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 –, BGHZ 212, 4870, juris Rn. 48 f.; BGH, Beschluss vom 06. Juli 1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 149168, juris Rn. 14 f.).
119
Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund; im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 –, BGHZ 212, 48-70, juris Rn. 49). Der Geschädigte soll durch die Zubilligung von Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten zu verschaffen, die Beschwernisse, die er durch die immaterielle Beeinträchtigung erfährt, lindern (BGH, NJW 2007, 2475 Rn. 8).
120
Der Maßstab für die billige Entschädigung i.S. von § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstände neu gewonnen werden (BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74 –, juris Rn. 12).
121
Das Schwergewicht liegt hierbei auf Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung; daneben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 –, BGHZ 212, 48-70, juris Rn. 54 f.; BGH, Beschluss vom 06. Juli 1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 149-168, juris Rn. 19; vgl. auch zuletzt BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 – VI ZR 937/20 –, juris Rn. 13), insbesondere der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGH, Beschluss vom 06. Juli 1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 149-168, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 –, BGHZ 212, 48-70, juris Rn. 55), aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten sowie des Schädigers (BGH, Beschluss vom 16. September 2016 – VGS 1/16 –, BGHZ 212, 48-70, juris Rn. 29; BGH, Beschluss vom 06. Juli 1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 149-168, juris Rn. 22, 24). Erforderlichenfalls ist die Entschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB im Verhältnis zu jedem Schädiger gesondert auszumessen (BGH, Beschluss vom 06. Juli 1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 149-168, juris Rn. 34).
122
b) Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erschien vorliegend ein kombiniertes Schmerzensgeld, bestehend aus einer Kapitalentschädigung von 375.000,00 EUR und einer Rente von 1.300,00 EUR monatlich, beginnend ab Januar 2023 angemessen.
123
b. a) Der Senat hat hierbei das Schwergewicht auf Höhe und Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten gelegt, soweit diese im Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten waren oder mit deren Eintritt zu diesem Zeitpunkt ernstlich zu rechnen war (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1980 – VI ZR 72/79 –, juris Rn. 10). Dabei soll die aus Einmalbetrag und Rente kombinierte Entschädigung insgesamt eine Kompensation der gesamten Beeinträchtigungen des Klägers in der Vergangenheit und in der Zukunft darstellen; der Senat sieht den Einmalbetrag ausdrücklich nicht als Kompensation für die Vergangenheit und die Rente als solche für die zukünftigen Leiden.
124
Der Kläger hat durch den Unfall ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und dadurch schwere, zudem in Wechselwirkung stehende Gesundheitsstörungen und Funktionsstörungen von Gehirn und Nervensystem erlitten:
125
Zum einen besteht bei ihm aufgrund der Verletzungen ein hirnorganisches Psychosyndrom mit exekutiven Funktionsstörungen und Intelligenzverlust, sodass das kognitiv-emotional-soziale Funktionsniveau einer „mentalen Retardierung/geistigen Behinderung“ gegeben ist.
126
Zum anderen hat er aufgrund des Unfalls schwere Beeinträchtigungen im Bereich der Motorik und Mobilität durch eine vorwiegend ataktische Bewegungsstörung mit muskulärer Hypotonie.
127
Schließlich ist bei ihm unfallbedingt eine massive Störung des Sehvermögens und der Orientierung gegeben.
128
In allen drei Bereichen ist ferner mit einer Verschlimmerung der Situation zu rechnen.
129
Durch den Unfall hat der Kläger einen vollständigen Verlust der Persönlichkeit erlitten. Dennoch nimmt er leidvoll wahr, dass sein Leben sich gravierend von dem eines nicht beeinträchtigten Gleichaltrigen unterscheidet.
130
Er muss seit dem Unfall und für den Rest seines Lebens 24 Stunden täglich betreut werden.
131
(1) Hinsichtlich der Situation bis zur mündlichen Verhandlung erster Instanz am 20.03.2018 wird auf die von den Berufungen nicht angegriffenen und nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom 08.05.2018 unter A.II.6.a) Bezug genommen.
132
Allerdings beruht die Bienen- und Wespenallergie nicht auf dem Unfall. Ferner ist insoweit entgegen den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils nicht nachgewiesen, dass der Kläger aufgrund der Ataxie von Insekten attackiert wird. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
133
Dieser gab an, dass die Bienen- und Wespenallergie des Klägers keinen Zusammenhang mit dem Unfall habe. Ein unfallbedingt erhöhtes Risiko, gestochen zu werden, bestehe beim Kläger nicht. Auf die Anmer kung der Mutter des Klägers, dass ihrem Eindruck nach ihr Sohn verstärkt von Bienen und Wespen angegriffen werde, erklärte der Sachverständige, dass dies im Bereich des Spekulativen sei. (S. 3 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1227 d. A.).
134
Durch die Angaben des Sachverständigen nachgewiesen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Kläger aufgrund seiner unfallbedingten Einschränkungen auf einen Stich nicht adäquat reagieren kann, was lebensbedrohlich sein kann (S. 3 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1227 d. A.).
135
(2) Seit der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz ist keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten. In einzelnen Bereichen hat sich (prognosegemäß) eine Verschlechterung ergeben, unter anderem weil sich einzelne Negativfaktoren in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken.
136
(a) Im Bereich der Psyche hat sich der Abstand zu einem gesunden jungen Erwachsenen, der der Kläger ohne das schwere Schädel-Hirn-Trauma hätte werden können, vergrößert, da ihm die natürlicherweise schrittweise positive Entwicklung zu einem eigenverantwortlichen Leben nicht möglich war. Die bereits zum Zeitpunkt des Ersturteils bestehenden sozialen Verhaltensstörungen als Auswirkungen des hirnorganischen Psychosyndroms, nämlich Delinquenz (Stehlen), Distanzlosigkeit und – auch sexuelle – Aggression, sind gravierender geworden; mit einer weiteren Verschlechterung ist insoweit zu rechnen. Ferner haben sich die beim Kläger unfallbedingt bestehenden Schlaf- und Durchschlafstörungen ebenso wie die unfallbedingt bestehende Störung hinsichtlich des Wach-Schlaf-Rhythmus verschlimmert und es ist auch insoweit mit weiterer Verschlimmerung zu rechnen.
137
Dies ergibt sich vor allem aus dem schriftlichen Zusatzgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 08.08.2022 nebst anliegender Tabelle sowie ergänzend aus den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 5 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1229 d. A.).
138
(b) Im Bereich der Motorik besteht nach wie vor die Ataxie, die durch die gleichzeitig gegebene Hypotonie in ihren Auswirkungen verstärkt wird. Die sekundären Folgen, wie Patellaluxationen und Rückenschmerzen, haben bereits zugenommen und es ist eine weitere Zunahme zu erwarten. Hinsichtlich der rezidivierenden Stürze, die derzeit sehr gut motorisch abgefangen werden können und damit noch folgenlos sind, besteht das Risiko, dass diese in der Häufigkeit zunehmen. Ferner werden diese in späteren Lebensjahren nicht mehr so gut abgefangen werden und damit in ihren Folgen wesentlich gravierender werden. Auch die KnickSenk-Füße haben sich verschlimmert und werden sich weiter verschlimmern.
139
Dies ergibt sich vor allem aus dem schriftlichen Zusatzgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 08.08.2022 nebst anliegender Tabelle sowie ergänzend aus den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 4 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1228 d. A.).
140
(c) Im Bereich der Augen besteht nach wie vor eine Augenmuskellähmung sowie eine Pupillomotorikstörung. Die Pupillen sind stets maximal weit geöffnet, sodass eine erhöhte Lichtempfindlichkeit gegeben ist. Dies kompensiert der Kläger dadurch, dass er die Augenlider stets geschlossen hält und die Augen zusammenkneift. Hieraus ist ein Lidkrampf (Blepharospasmus) entstanden. Ferner sieht der Kläger Doppelbilder, weil das Gehirn die zwei Bilder nicht synchronisieren kann. Dies kompensiert der Kläger dadurch, dass er ein Auge schließt. Die Konsequenz daraus ist, dass er nur sehr eingeschränkt dreidimensional sieht. Des Weiteren nimmt er bestimmte Ausschnitte des Gesichtsfelds auf der linken Seite nicht wahr. Er kann dies nur durch eine Bewegung des Kopfes oder des gesamten Körpers ausgleichen, was für ihn in einer ungewohnten Umgebung nicht zu leisten ist.
141
Dies ergibt sich vor allem aus den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 5 f. des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1229 f. d. A.).
142
(3) Ferner besteht beim Kläger ein gegenüber der Situation bei einem ungeschädigten jungen Erwachsenen deutlich erhöhtes Risiko von Folgeerkrankungen, wie Demenz, Parkinson, parkinsonähnlichen Systemerkrankungen, Epilepsie und Suchterkrankungen in jeder Hinsicht.
143
Dies ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 3 f. des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1227 f. d. A.). Der Sachverständige führte dort auch aus, dass eine genauere Einschätzung des individuellen Risikos oder auch nur des Risikos einer entsprechenden Gruppe von geschädigten Personen mangels zureichender Datengrundlage nicht möglich ist.
144
Zu den Folgeerscheinungen gehört des Weiteren die Schmerzerkrankung. So ist zu erwarten, dass beim Kläger die Kopfschmerzen zunehmen werden. Der Kläger hat ferner bereits Rückenschmerzen, die sich verschlimmern werden. Ein Ausgleich mit Schmerzmitteln wäre grundsätzlich möglich. Schmerzmittel können jedoch nicht dauerhaft eingesetzt werden, sondern in Abwägung der Lebensqualität und der Risiken nur sporadisch. Der Kläger muss daher mit dem Schmerz leben, was zu einer weiteren Einschränkung seiner Mobilität führen wird. Weniger Bewegung führt allerdings wiederum zu größeren Schmerzen. Physiotherapie ist zwar nötig, kann jedoch die Schmerzen weder verringern noch ein Fortschreiten der Schmerzen verhindern.
145
Auch dies folgt aus den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 4 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1228 d. A.). Der Sachverständige erläuterte, dass ein Ausgleich mit Schmerzmitteln deshalb nicht dauerhaft möglich sei, weil nichtsteroidale Antiphlogistika das Risiko einer Niereninsuffizienz beinhalteten, Opioide allerdings suchtgefährdend und daher im Dauergebrauch nicht einsetzbar seien. Eine Physiotherapie könne die Schmerzen im Kern weder verringern noch ein Fortschreiten verhindern, da im Vordergrund beim Kläger die Ataxie mit einer zu geringen Körperspannung stehe. Dies bedeute, dass das Maß der Bewegung immer zu viel sei, auch in der Korrektur. Hiergegen könne ein Physiotherapeut nur Seite 32 jeweils für kurze Zeit anarbeiten. Hinzu komme, dass der Kläger im Ge gensatz zu einem gesunden Menschen nicht nach der Einsicht handeln könne, sich in einer bestimmten Weise verhalten zu müssen. Es sei ihm nicht dauerhaft vermittelbar, dass er mit mehr Bewegung einen positiven Einfluss auf die Schmerzen erzielen könnte.
146
(4) Die Persönlichkeit des Klägers ist unwiederbringlich zerstört, er hat Intelligenz verloren, insbesondere aber hat er unfallbedingt die integrative Gesamtleistung des Gehirns verloren.
147
Dies ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 4 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1228 d. A.).
148
(5) Eine Selbstständigkeit des Klägers ist aufgrund des Unfalls ausgeschlossen, er benötigt eine lebenslange dauerhafte Betreuung in allen Lebensbereichen zu jeder Zeit.
149
Dies ergibt sich aus dem Zusatzgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 08.08.2022 nebst der beigefügten Tabelle. Ergänzend erläuterte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung, dass der Kläger in keinem Lebensbereich acht Stunden für sich selbst Verantwortung übernehmen könne; tatsächlich könne er nicht einmal für eine geringere Zeit, auch nicht eine Stunde ohne Betreuung sein (S. 5 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1229 d. A.).
150
Dies passt auch zu den Schilderungen der Mutter des Klägers im Schreiben vom 20.01.2020 an den Bezirk Oberbayern (Anlage K1 zum Schriftsatz vom 31.05.2022), deren inhaltliche Richtigkeit sie in ihrer Anhörung vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2022 bestätigte (S. 7 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1231 d. A.). Daraus ergibt sich insbesondere, dass der Kläger nicht selbständig Termine planen und Wege nicht allein bewältigen kann, dass er nicht allein Einkaufen gehen oder am Straßenverkehr teilnehmen kann, nur langsam reagiert, sehr schreckhaft ist, Alltags- und Haushaltstätigkeiten nicht planen und umsetzen kann, Mahlzeiten nicht allein zubereiten und transportieren kann, an Essen und Trinken erinnert werden muss, Hilfe bei der Körperpflege und zum Teil beim Anziehen und bei der Wundversorgung benötigt und sich seine Notfallmedizin nicht allein verabrei chen kann.
151
Entsprechend wohnt der Kläger nach der Schilderung der Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat in einer Wohngruppe, in der er 24 Stunden betreut wird (S. 7 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1231 d. A.).
152
(6) Die Beeinträchtigungen werden dem Kläger auch immer wieder neu schmerzlich bewusst.
153
Dies ergibt sich zum einen aus den Ausführungen des Sachverständigen:
154
Prof. Dr. H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Der Sachverständige gab an, dass der Kläger häufig ein diffuses Mangelgefühl habe, aber den genauen Inhalt dieses Mangelgefühls nicht finde; er empfinde den Mangel, könne aber nicht einordnen, woher er genau komme. Ferner werde ihm ständig durch seine sich normal entwickelnde Zwillingsschwester vor Augen geführt, was ihm selbst fehle. Es sei also kein „ich kann es nicht, bin aber happy“, sondern „ich suche, finde es aber nicht“ (S. 4 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1228 d. A.). Zum anderen schilderte auch die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat: „…, aber eigentlich möchte er ein normales Leben wie seine Schwester führen“ (S. 8 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1232 d. A.); der Kläger sei häufig sehr unglücklich (S. 7 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1231 d. A.).
155
(7) Die Angaben der Mutter des Klägers sind glaubwürdig. Als gesetzliche Vertreterin hat der Senat sie als Partei angehört. Auch unter Berücksichtigung ihres persönlichen Interesses am Ausgang des Verfahrens haben ihre Angaben den Senat überzeugt. Sie blieb stets sachlich und hat die Sachverhalte so genau, wie es ihr möglich war, geschildert und auch dann, wenn dies für ihren Sohn nachteilig war, offen eingeräumt, wenn sie sich an etwas nicht erinnerte. Auch soweit ihr hinsichtlich der Zahlung der Notarztrechnung (siehe unten 2.a)) möglicherweise ein Fehler unterlaufen ist, schmälert dies die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage im Übrigen nicht.
156
Angesichts der damaligen Umstände ist nachvollziehbar, dass sie an die Bezahlung einer einzelnen Rechnung keine Erinnerung hatte und aus dem Auffinden der Rechnung den möglicherweise unzutreffenden Schluss auf ihre Bezahlung gezogen hat. Nach Abschluss der Anhörung erschien eine förmliche Parteivernehmung nach § 448 ZPO nicht angezeigt; auch unter Berücksichtigung des psychologischen Unterschieds zwischen Anhörung und verantwortlicher, mit Eidessanktion bedrohter Parteivernehmung (Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 141 ZPO Rn. 1) war ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten.
157
(8) Das Gutachten vom 08.08.2022 und die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind vollumfänglich überzeugend. Der Sachverständige hat den Kläger bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens begutachtet und dabei Beobachtungen während eines stationären Aufenthalts und mehrerer ambulanter Termine zugrunde gelegt. Für das Zusatzgutachten hat er den Kläger erneut im Rahmen eines ambulanten Termins sowohl im Beisein seiner Mutter als auch allein untersucht. Die Ausführungen des Sachverständigen sind gut nachvollziehbar und in sich schlüssig. In der mündlichen Verhandlung konnte er die an ihn gestellten Fragen äußerst verständlich, anschaulich, differenziert und erschöpfend beantworten.
158
(9) Von einer nochmaligen Anhörung des Klägers im Betragsverfahren hat der Senat abgesehen. Er hatte sich bereits aufgrund der Anhörung des Klägers im Grundverfahren einen persönlichen Eindruck verschafft. Die Situation des Klägers wurde durch die Angaben der Mutter und des Sachverständigen plastisch geschildert. Es war nicht zu erwarten, dass eine weitere Anhörung, die zudem für den Kläger mit erheblichen Belastungen verbunden gewesen wäre, weitere Erkenntnisse erbracht hätte.
159
b. b) Hinsichtlich des Verschuldensgrades ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sowohl dem ursprünglichen Beklagten zu 1) als auch dem Insolvenzschuldner lediglich einfache Fahrlässigkeit zur Last fiel (Ziffer II.6.b) des Urteils vom 08.05.2018). Letztlich ist der Grad des Verschuldens bei dem ursprünglichen Beklagten zu 1) und dem Insolvenzschuldner nicht maßgeblich verschieden und führt daher auch nicht zu einer unterschiedlichen Haftung der Beklagten zu 1) und 2). Zwar wurde die Baustelle unmittelbar von dem Insolvenzschuldner als Bauunternehmer betrieben, der ur sprüngliche Beklagte zu 1) als Bauherr wohnte jedoch auf demselben Grundstück wie der Kläger, wusste, dass er an eine Familie mit Kindern vermietet hatte, die im Garten spielten, und kannte die örtlichen Verhältnisse. Er hatte vor dem Unfall auch Kenntnis von Mängeln bei der Absicherung der Baustelle.
160
b. c) Die wirtschaftlichen Verhältnisse von Kläger und vormaligen Beklagten zu 1) und 2) sind im vorliegenden Fall nicht von maßgeblicher Bedeutung. Insbesondere führt der Umstand, dass die Bauunternehmung M. M. in Insolvenz ist, nicht zu einer geringeren Haftung des Beklagten zu 2). Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit, das heißt der Berücksichtigung der Verhältnisse beider Parteien, sollte der Gedanke des Ausgleichs im Allgemeinen nicht dazu führen dürfen, den Schädiger in schwere und nachhaltige Not zu bringen (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 – GSZ 1/55 –, BGHZ 18, 149-168, juris Rn. 25). Vorliegend ist der Anspruch gegen den Beklagten zu 2) jedoch ohnehin auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung des Insolvenzschuldners Bauunternehmung M. M. beschränkt (vgl. hierzu BGH aaO Rn. 36-40). Auch hinsichtlich des vormaligen Beklagten zu 1) ist nicht ersichtlich, dass dieser aufgrund der Schmerzensgeldforderung in Not hätte geraten können.
161
b. d) Eine Berücksichtigung der Regulierungsdauer hält der Senat trotz des langen Zeitablaufs seit dem Unfall nicht für angezeigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auch der Umstand berücksichtigt werden, dass der Verletzte durch einen langwierigen Rechtsstreit um ein angemessenes Schmerzensgeld und durch das lange Warten auf dieses zusätzlich belastet worden ist (BGH, Urteil vom 18. November 1969 – VI ZR 81/68 –, juris Rn. 29). Vorliegend konnte aber erst im hiesigen Berufungsverfahren geklärt werden, dass überhaupt eine Haftung dem Grunde nach besteht; ein Missbrauch ihrer prozessualen Rechte oder eine etwa mutwillige Verweigerung zumindest zum Teil ersichtlich berechtigter Ansprüche kann den Beklagten zu 1) und 2) bzw. ihren Rechtsvorgängern nicht angelastet werden (vgl. OLG München, Urteil vom 23. Januar 2020 – 1 U 2237/17 –, juris Rn. 123; OLG München, Urteil vom 29. Juni 2007 – 10 U 4379/01 –, juris Rn. 49).
162
c) Vorliegend ist es sachgerecht, eine Kapitalentschädigung und eine Rente zu kombinieren.
163
c. a) Insbesondere bei schweren lebenslangen Dauerschäden, bei denen dem Geschädigten die lebenslange Beschränkung der Erlebenssphäre immer wieder neu schmerzlich bewusst wird, ist grundsätzlich die Festsetzung in Form einer Schmerzensgeldrente möglich (BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74 –, juris Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 02. Februar 1968 – VI ZR 167/66 –, juris Rn. 15).
164
Auch eine Festsetzung des Schmerzensgelds teilweise als Kapitalleistung und teilweise als Rente ist in geeigneten Fällen möglich (BGH, Urteil vom 13. März 1959 – VI ZR 72/58 –, juris Rn. 5).
165
c. b) Hier liegen die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Schmerzensgeldrente vor.
166
Der Kläger hat durch den Unfall schwere lebenslange Dauerschäden erlitten; die schwere lebenslange Beschränkung seiner Erlebenssphäre wird ihm auch immer wieder neu schmerzlich bewusst (siehe oben lit. b) b.a) (6)).
167
c. c) Unter Berücksichtigung aller Umstände wird hier die zusätzliche Festsetzung einer Schmerzensgeldrente den Zwecken des Schmerzensgelds am besten gerecht. Insbesondere fällt ins Gewicht, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt noch sehr jung war und nach wie vor jung ist und es um besonders schwere Dauerschäden geht. Das Leid, das der Kläger weiterhin wird erdulden müssen, wird, soweit dies möglich ist, teilweise auch im zeitlichen Zusammenhang kompensiert; dies dürfte für den Kläger in einigen Jahren eingängiger und befriedigender sein, als wenn der aktuell ohnehin zuzusprechende erhebliche Einmalbetrag weiter erhöht werden würde. Die Rente schafft auch eine sichere, von Fehlentscheidungen etwa bei der Investition eines Einmalbetrages unabhängige Grundlage dafür, dass mit dem insgesamt zuzusprechenden Schmerzensgeld auch in der Zukunft Anschaffungen getätigt werden können, die die Situation des Klägers verbessern können. In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit zur Anpassung der Rente an veränderte Verhältnisse nach § 323 ZPO zweckmäßig. Dass dies für den Schädiger zwar nicht im Augenblick, wohl aber auf Dauer belastender ist (BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74 –, juris Rn. 23), tritt demgegenüber zurück.
168
c. d) Sachgerecht erscheint hier eine Geldrente ab Januar 2023.
169
Der Sachverständige führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überzeugend aus, dass sich die Erfolge einer Reha regelmäßig binnen eines, maximal zwei Jahren einstellten; darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der psychischen Defekte im Kindesalter wesentlich weniger gravierend gewesen seien als nunmehr im jungen Erwachsenenalter, was sich insbesondere auch beim Thema „Distanz“ zeige. Vor diesem Hintergrund sehe er ein Plateau in der Vorpubertät zwischen 10 bis 13 Jahren (S. 5 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1229 d. A.).
170
Zwar war mithin in der Vorpubertät des Klägers der „Eintritt eines gewissen Stillstandes in der Entwicklung der Unfallfolgen“ (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. März 1959 – VI ZR 72/58 –, juris Rn. 7) gegeben.
171
Eine Geldrente für die Vergangenheit erscheint vorliegend dennoch nicht sinnvoll, zumal auch diese nunmehr zu einer Verurteilung zur Zahlung des bislang aufgelaufenen Betrages nebst Zinsen führen würde, also de facto ebenfalls zur Zahlung eines Kapitalbetrages.
172
c. e) Hinsichtlich der Zahlungsweise erscheint eine Zahlung monatlich im Voraus jeweils am ersten Werktag sachgerecht.
173
c. f) Die Entschädigungsbeträge (Kapitalentschädigung und Rente) stehen auch zueinander in einem angemessenen Verhältnis.
174
d) Auch der Gesamtbetrag des Schmerzensgelds (Kapitalentschädigung zzgl. kapitalisierte Schmerzensgeldrente) ist angemessen (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74 –, juris Rn. 25f.).
175
d. a) Insoweit ist von einem Gesamtbetrag von 669.777,60 EUR (Kapitalentschädigung 375.000,00 EUR + kapitalisierte Schmerzensgeldrente 294.777,60 EUR) auszugehen.
176
Im Rahmen der Kapitalisierung der Schmerzensgeldrente ist der Kapitalbetrag zu ermitteln, der nach den individuellen Verhältnissen des Geschädigten während der voraussichtlichen Laufzeit der Rente zusammen mit dem Zinsertrag dieses Kapitals ausreicht, die Renten zu zahlen (vgl. BGH, VersR 1981, 283, juris Rn. 11). Unter Zugrundelegung eines mittleren Zinssatzes von 5%, der wegen der Unwägbarkeiten der Zinsentwicklung im künftigen, voraussichtlich langen Zeitraum angemessen erscheint (vgl. auch Küppersbusch/Höher Ersatzansprüche bei Personenschaden, 13. Aufl., XVII. Kapitalabfindung Rn. 869 mwN), ergibt sich mithin bei Anwendung der Kapitalisierungstabelle für lebenslängliche Leibrenten bei Männern (Küppersbusch/Höher aaO, Kapitalisierungstabellen Tabelle I/1) und Eingabe eines Alters von 22 Jahren ein Kapitalisierungsfaktor von 18,896. Der Anwendung der Kapitalisierungstabelle steht nicht entgegen, dass die Lebenserwartung des Klägers wesentlich eingeschränkt wäre. Der Sachverständige führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aus, dass die normale Lebenserwartung eines männlichen jungen Menschen heute 80 Jahre betrage. Beim Kläger sei zu erwarten, dass er in den Bereich zwischen 65 und 80 Jahre gelange. Dies liege an der Qualität der medizinischen Versorgung (S. 5 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1229 d. A.) Die Angaben des Sachverständigen sind auch in diesem Punkt nachvollziehbar und überzeugend.
177
Die zugesprochene Schmerzensgeldrente ist mithin wie folgt zu kapitalisieren:
1.300,00 EUR x 12 x 18,896 = 294.777,60 EUR.
178
d. b) Der sich hieraus ergebende Gesamtbetrag von 669.777,60 EUR ist angemessen.
179
Da immaterielle Schäden in Geld überhaupt nicht unmittelbar messbar sind, müssen die durch Übereinkunft der Rechtsprechung bisher gewonnenen Maßstäbe in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung bilden (BGH, Urteil vom 18. November 1969 – VI ZR 81/68 –, juris Rn. 33; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1969 – VI ZR 111/68 –, juris Rn. 13). Allerdings ist das Gericht nicht gehindert, mit entsprechender Begründung (vgl. BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74 –, juris Rn. 13) die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bisher gewährten Beträge zu unterschreiten oder über sie hinaus zu gehen, wenn ihm dies nach Lage des Falles – vor allem in Anbetracht der wirtschaftlichen Entwicklung oder veränderter allgemeiner Wertvorstellungen – geboten erscheint (BGH, Urteil vom 08. Juni 1976 – VI ZR 216/74 –, juris Rn. 13; U 1972/18 BGH, Urteil vom 19. Dezember 1969 – VI ZR 111/68 –, juris Rn. 13).
180
Unter Berücksichtigung der oben genannten Gesichtspunkte erscheint das vom Landgericht im angefochtenen Urteil zugesprochene Schmerzensgeld von 500.000 EUR + 1.500 EUR x 12 x 19,783 (der Kläger war am 01.04.2006 5 Jahre alt) = 856.094 EUR überhöht.
181
Nur äußerst vereinzelt wurde überhaupt Schmerzensgeld in Höhe von 800.000 EUR und mehr zuerkannt, so zum Beispiel
- vom Landgericht Aachen mit Urteil vom 30.11.2011 – 11 O 478/09 – ein Schmerzensgeld von 700.000 EUR (dies entspricht im Jahr 2022 unter Berücksichtigung des Verbraucherpreisindexes: 866.040 EUR) zuzüglich immateriellem Vorbehalt für einen zweieinhalbjährigen Jungen, der aufgrund mehrerer, teils grober ärztlicher Behandlungsfehler schwere Mehrfachbehinderungen infolge schwerer zerebraler Schädigung mit rechtsbetonter spastischer Tetraplegie, Oculomotoriusparese, therapieresistenten Krampfanfällen und schwerer Bewusstseinsstörung mit vegetativer Dysregulation erlitt (vgl. Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch, Schmerzensgeld-Beträge 2023, 41. Aufl., lfd. Nr. 2371), oder
- vom Landgericht Gießen mit Urteil vom 06.11.2019 – 5 O 376/18 – ein Schmerzensgeld von 800.000 EUR bei schwersten zerebralen Schäden nach Sauerstoffunterversorgung, sodass der 23-jährige Kläger nicht mehr in der Lage war, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und
- so das Landgericht – seine Persönlichkeit eingebüßt hatte und auf Dauer lebenslang auf intensive Pflege angewiesen war (vgl. beckonline.SCHMERZENSGELD/Slizyk, Entscheidungen: Von Kopf bis Fuß, lfd. Nr. 6274), sowie vom Oberlandesgericht Oldenburg mit Urteil vom 18.03.2020 – 5 U 196/18 – ein Schmerzensgeld von 800.000 EUR für einen fünfjährigen Jungen, dem aufgrund eines groben Behandlungsfehlers beide Unterschenkel amputiert werden mussten (rechts mit Entfernung der Kniescheibe) und der zudem massive Nekrosen und Narben erlitt und sich deshalb – sowohl wegen der Stumpfanpassungen als auch wegen des großflächigen Narbengewebes – zahlreichen schmerzhaften Operationen unterziehen musste und sich aufgrund seines jungen Alters auch in Zukunft noch solchen Operationen wird unterziehen müssen und der zudem posttraumatische Belastungsstörungen [PTBS] erlitt, die erheblich waren und mit mangelndem Selbstbewusstsein, motorischer Unruhe, einer deutlich reduzierten Ausdauerspanne und einer deutlich reduzierten Frustrationstoleranz als Traumafolgen einhergingen (beck-online.SCHMERZENSGELD/Slizyk, Entscheidungen: Von Kopf bis Fuß, lfd. Nr. 6426).
182
Bei jüngeren Geschädigten mit besonders schweren Hirnschädigungen wurden in einigen Fällen auch Beträge von 600.000 EUR bis 700.000 EUR zugesprochen, so etwa vom LG Paderborn mit Urteil vom 09.06.2021 – 4 O 334/12 – ein Schmerzensgeld von 600.000 EUR zzgl. Rente von 350 EUR für ein Kind, welches im Zusammenhang mit der Geburt eine schwerste Gehirnschädigung mit Dystrophie, Mikrozephalie, Tetraspastik, schwerster statomotorischer und geistiger Entwicklungsstörung, zentraler Sehstörung, fehlender Sprachentwicklung ohne gezielte Kommunikationsfähigkeit, schwerer cerebraler Bewegungsstörung mit einschließender Spastik, vorhandener symptomatischer Epilepsie, permanenter Harn- und Stuhlinkontinenz, Verbleib einer Rest-Stenose, Hörstörung, schwerer Ernährungsproblematik mit Schluckstörungen (oropharyngeale Dysphagie) und Verdauungsstörungen mit über zwei Jahre andauernder Ernährung über eine PEG-Sonde erlitt (beck-online.SCHMERZENSGELD/Slizyk aaO, lfd. Nr. 6997.
183
Auch bei den bei Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch aaO, lfd. Nr. 1308 (nach Indexierung), 1309 (nach Indexierung) und beck-online.SCHMERZENSGELD/Slizyk aaO, lfd. Nr. 4082, 4225, 4460, 4485 dokumentierten Fällen lag das Schmerzensgeld in diesem Bereich.
184
Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass in den Vergleichsfällen mit einem Gesamtschmerzensgeld von 600.000 bis 700.000 EUR die Dauerschäden im Bereich der Motorik und der Kommunikation gravierender waren als im hiesigen Fall. So war den Geschädigten teilweise keinerlei Kommunikation und eigenständige Bewegung mehr möglich.
185
Insbesondere bei Erwachsenen liegen auch bei schwersten Verletzungen und Dauerfolgen die angesetzten Beträge meist im Bereich unter 500.000 EUR (vgl. Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch aaO unter „Kopf – Gehirnverletzungen – Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades“).
186
Allerdings ist auch der zum Unfallzeitpunkt erst knapp 6-jährige Kläger in zahlreichen Bereichen dauerhaft massiv beeinträchtigt und bedarf der dauerhaften Betreuung in allen Lebensbereichen zu jeder Zeit.
187
Zudem besteht vorliegend die Besonderheit, dass der Kläger eine gewisse Erinnerung an den früheren Zustand hat, die Einschränkungen bewusst erlebt und zudem den Vergleich zu seiner Zwillingsschwester zieht, welche die bei ihm gegebenen Einschränkungen nicht hat.
188
Der Umstand, dass der Kläger bis an sein Lebensende ganz erhebliche Belastungen, Schmerzen und Einschränkungen im dauerhaften Bewusstsein der Beeinträchtigung wird ertragen müssen, ist vorliegend ein gewichtiger Bewertungsfaktor (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 18. März 2020 – 5 U 196/18 –, juris Rn. 50; KG, NJW-RR 2012, 920; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – VI ZR 182/97 –, juris Rn. 13 „Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten“). Hinzukommt, dass in dem oben beschriebenen Ausmaß eine Verschlimmerung der Beeinträchtigungen zu erwarten ist.
189
Bei einer Gesamtschau aller Umstände bewegt sich daher ein Gesamtschmerzensgeld in der zugesprochenen Höhe innerhalb der Maßstäbe der Rechtsprechung.
190
Dem steht auch nicht das vom Beklagten zu 2) herangezogene Urteil des OLG München vom 23.01.2020 – 1 U 2237/17 – entgegen. Dort wurde einer 14jährigen Geschädigten ein Schmerzensgeld von 500.000 EUR zugesprochen. Die Geschädigte hatte aufgrund von Behandlungsfehlern eine Querschnittslähmung mit vollständigem Verlust des Geh- und Stehvermögens und stark eingeschränkter Beweglichkeit der Arme und Beine erlitten und ist deshalb in ihrem gesamten derzeitigen und zukünftigen Leben in schwerster Art beeinträchtigt, da sie zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Lebensführung dauerhaft nicht in der Lage ist und ihr Leben lang Tag und Nacht auf ständige fremde Hilfe auch in intimsten Bereichen angewiesen sein wird, und da sie schon wegen der Beatmungsnotwendigkeit immer wieder mit Schmerzen und erheblichen Ängsten bis hin zur Todesangst durch Ersticken Seite 42 zu kämpfen haben wird und ihr eine auch nur ansatzweise „normale“ Lebensplanung mit beruflicher Tätigkeit, mit der sie selbst ihren Lebensunterhalt verdienen könnte, mit Finden eines Partners und etwaiger Gründung einer Familie, wie sie „Gesunden“ und auch körperlich weniger gravierend beeinträchtigten Personen selbstverständlich erscheint, verschlossen bleiben wird. Allerdings war die Geschädigte anders als der Kläger gesundheitlich erheblich vorbelastet (OLG München aaO, juris Rn. 122). Beim Kläger sind zudem auch die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt bei gleichzeitig gegebener Wahrnehmung der Beeinträchtigung. Die vom OLG München im Urteil vom 23.01.2020 – 1 U 2237/17 – angenommene „Schallgrenze“ von 600.000 EUR (OLG München aaO, juris Rn. 125) betrifft die Arzthaftung aufgrund von Behandlungsfehlern, um welche es vorliegend nicht geht.
2. Materielle Schadenspositionen gemäß Ziffern 1 bis 31 der Aufstellung auf S. 24 f. der Klageschrift
191
Von den materiellen Schadenspositionen, die der Kläger dort geltend macht, steht ihm ein Betrag von 9.814,47 EUR – 8.000,00 EUR = 1.814,47 EUR zu.
192
Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt ein wirksames Bestreiten nicht lediglich hinsichtlich der Positionen 9, 10 und 31 vor. Der Beklagte zu 1) hat mit Schriftsatz 08.01.2015 die Grundlagen der Schadensberechnung zulässig mit Nichtwissen bestritten (S. 6 des Schriftsatzes = Bl. 465 d. A.). Ein substantiiertes Bestreiten war nicht erforderlich, da der eingetretene Schaden nicht Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten ist, § 138 Abs. 4 ZPO. Das Bestreiten erfolgte auch rechtzeitig bereits vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und ist auch dem Beklagten zu 2) zurechenbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in der Regel davon auszugehen, dass von einem Streitgenossen geltend gemachte Angriffs- oder Verteidigungsmittel für alle Streitgenossen vorgetragen sind, soweit sie alle angehen und die Übrigen nicht selbst eine Erklärung abgeben (BGH, Beschluss vom 24. März 2015 – VI ZR 179/13 –, juris Rn. 14 mwN); gegenteilige Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich.
193
Soweit die Beklagten in der Berufungsinstanz allerdings ausführten, dass Zahlungsnachweise fehlten, mithin eine Zahlung bestritten, steht dies einem Zahlungsanspruch schon deshalb nicht entgegen, weil die Beklagten während des Rechtsstreits nicht nur ihre Zahlungsverpflichtung, sondern ihre Einstandspflicht allgemein, also auch ihre Verpflichtung zur Freistellung bestritten haben; hierin liegt eine endgültige und ernsthafte Ablehnung jeglicher Schadensersatzleistung im Sinne des § 250 S. 2 BGB mit der Folge, dass sich ein Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch verwandelt hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 1999 – VIII ZR 70/98 –, juris Rn. 20 mwN).
194
Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der auch zu den materiellen Schadenspositionen angehörten Mutter wird auf die obigen Ausführungen unter 1.b) b.a) (7) Bezug genommen.
a) Transportkosten Notarzt (Ziffer 1 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
195
Die geltend gemachten Notarzt-Transportkosten sind nicht erstattungsfähig.
196
Der Kläger hat hierzu nicht sustantiiert vorgetragen. Zwar wurde in K 13 ein Rechnungsduplikat vom 11.04.2006 vorgelegt, das den geltend gemachten Betrag ausweist. Der Beklagte zu 2) trug jedoch in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 05.07.2022 vor, dass die Kosten von der Krankenkasse gezahlt worden seien (Bl. 1199 d. A.). Hierfür spricht neben dem Umstand, dass der Kläger gesetzlich versichert ist, auch, dass es sich bei der vorgelegten Rechnung um ein Duplikat handelt und auf dem anliegenden Überweisungsbeleg der zu zahlende Betrag mit „…“ angegeben war. Die Mutter des Klägers gab in ihrer Anhörung vor dem Senat an, dass sie die Notarztkosten bezahlt habe, weil sie die Rechnung erhalten habe. In ihren Ordnern habe sie nichts dazu gefunden, dass sie die Rechnung eingereicht habe, sie könne dies jedoch auch nicht ausschließen. Sie habe bei ihrer Überprüfung nicht auf die Kontoauszüge geschaut, weil sie diese für das Jahr 2007 nicht mehr habe. (S. 10 f. des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 f. d. A.) Es liegt nahe, dass die Mutter des Klägers bei Zusammenstellung der Unterlagen für den Prozess das Rechnungsduplikat gefunden hat und zu Unrecht davon ausgegangen ist, diese selbst bezahlt zu haben.
b) Fahrtkosten der Mutter des Klägers von der J. straße ins Krankenhaus Sch. (Ziffer 2 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
197
Die entsprechenden Kosten sind in Höhe von 192,40 EUR zu erstatten.
198
b. a) Zu Recht ist das Landgericht von der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Fahrtkosten der Mutter des Klägers ausgegangen.
199
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehören zu den dem Verletzten nach §§ 823, 249 BGB zu ersetzenden Heilungskosten auch die Aufwendungen, die dadurch entstehen, dass der Verletzte von nahen Angehörigen im Krankenhaus besucht wird, etwa der durch Krankenbesuche bedingte Verdienstausfall oder die für solche Besuche aufgewendeten Fahrtkosten (BGH, Urteil vom 22. November 1988 – VI ZR 126/88 –, BGHZ 106, 2833, Rn. 6 mwN). Allerdings ist zu beachten, dass – abgesehen von den im Gesetz ausnahmsweise auch Dritten gewährten Ansprüchen (§§ 844, 845 BGB) – der deliktische Ersatzanspruch des Verletzten gegen den Schädiger grundsätzlich auf einen Ausgleich für dem Verletzten selbst entstandenen Schaden geht (BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90 –, juris Rn. 15). Da die Aufwendungen naher Angehöriger für Besuche den Verletzten nicht selbst wirtschaftlich belasten, können sie wegen der genannten Begrenzung der Deliktshaftung nur aus besonderen Sachgründen ausnahmsweise dem Schädiger als Einbußen des Verletzten entgegengehalten werden (BGH aaO, Rn. 16). Die Rechtsprechung hat deshalb die Erstattungsfähigkeit stets auf den Kreis „nächster“ Angehöriger und auf Besuche während des stationären Krankenhausaufenthalts des Verletzten beschränkt; darüber hinaus können im Interesse einer sich am Gesetz orientierenden Abgrenzung auch die Besuchskosten nächster Angehöriger nur erstattungsfähig sein, wenn und soweit diese Besuche für die Gesundung des Patienten nach seiner Befindlichkeit medizinisch notwendig sind; der Ersatz hat sich ferner auf die unvermeidbaren Kosten zu beschränken (BGH aaO Rn. 17). Insoweit kann die Erstattungsfähigkeit sich nicht allein an dem allgemeinen Maßstab der §§ 249ff. BGB orientieren; die Grenzen sind wegen der prinzipiellen Beschränkung des Deliktsrechts auf den „unmittelbar“ Verletzten enger zu ziehen (BGH aaO Rn. 17).
200
Die Mutter des Klägers gehört zu den nächsten Angehörigen.
201
Der Krankenhausaufenthalt des Klägers vom 01.04.2006 bis zum 22.05.2006 ist durch den Arztbericht des Städtischen Klinikums M. Sch. vom 23.05.2006 nachgewiesen.
202
Die medizinische Notwendigkeit der Anwesenheit der Mutter hat das Landgericht beanstandungsfrei festgestellt (S. 62 unten/ S. 63 oben des landgericht13 U 1972/18 lichen Urteils vom 08.05.2018).
203
b. b) Die geltend gemachte Strecke J.straße 27 – Krankenhaus Sch. beträgt nach eigener Sachkunde des Gerichts aufgrund einer Internet-Recherche (eine entsprechende Recherche wurde auch bei den sonstigen Strecken durchgeführt) einfach 13 km.
204
b. c) Die Höhe des geltend gemachten Kilometergeldes ist nicht zu beanstanden. Mangels sonstiger Anhaltspunkte für die Bemessung der Fahrtkosten erscheint es insoweit angemessen, sich an den Bestimmungen über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu orientieren, die auch sonst in der gerichtlichen Praxis zur Schätzung von Fahrtkosten herangezogen werden (BGH, Urteil vom 17. November 2009 – VI ZR 64/08 – juris Rn. 21; BAG, Urteil vom 28. November 2019 – 8 AZR 125/18 –, BAGE 169, 1-13, Rn. 36) . Der geltend gemachte Kilometersatz von 0,20 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ist durch § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in der Fassung vom 05.05.2004 gedeckt.
205
b. d) Hinsichtlich der Anzahl der Fahrten gab die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat an, dass sie in der Zeit vom 01.04.2006 bis 22.05.2006 ein Zimmer im Krankenhaus Sch. gehabt habe. In dieser Zeit sei sie jeweils mindestens fünfmal wöchentlich nach Hause und zurückgefahren, um ihre Tochter, die damals ebenfalls 5-jährige Zwillingsschwester des Klägers zu betreuen (S. 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1235 d. A.).
206
b. e) Es ergibt sich mithin folgende Berechnung:
37 Tage x 26 km zu je 0,20 EUR = 192,40 EUR
c) Eigenanteil für die Betreuung der Schwester des Klägers (Ziffer 3 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
207
Die entsprechenden Kosten sind in Höhe von 250,00 EUR zu erstatten.
208
c. a) Auch die Kosten für die Betreuung der Schwester gehören letztlich zu den Aufwendungen für den Krankenhausaufenthalt der Mutter beim Kläger und sind daher dem Grunde nach erstattungsfähig.
209
c. b) Die Kosten sind in Höhe von 250,00 EUR nachgewiesen.
210
Insoweit wurde als Bestandteil der Anlage K 13 zum einen die Rechnung der Ersatzkraft an die Krankenkasse vom 12.05.2006 über 50 Tage (02.04.2006 bis 21.02.2006, gemeint offenbar: 21.05.2006) zu je 35,00 EUR vorgelegt. Zusätzlich enthält die Anlage K 13 eine Quittung der B. Ersatzkasse vom 23.05.2006 über von der Mutter des Klägers geleistete Zuzahlungen zur Haushaltshilfe in Höhe von 250,00 EUR. Dies reicht insoweit als Nachweis aus.
211
Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Betrages von 10,00 EUR reichen die vorgelegten Unterlagen nicht als Nachweis aus. Auch die Mutter des Klägers konnte bei ihrer Anhörung vor dem Senat nicht erklären, woraus die Differenz von 10,00 EUR zwischen dem geltend gemachten Betrag und der Quittung für die Zuzahlung durch die Krankenkasse resultiert. Sie gab darüber hinaus an, dass die Ersatzkraft am 01.04.2006 noch nicht tätig gewesen sei. (S. 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. d)
212
Verpflegungspauschale für die Mutter des Klägers im Krankenhaus Sch. (Ziffer 4 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
213
Hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen seiner Mutter während ihres Aufenthalts im Krankenhaus Sch. besteht ein Anspruch des Klägers in der geltend gemachten Höhe von 1.248,00 EUR.
214
d. a) Zu den ersatzfähigen Besuchskosten zählen auch notwendig werdende Verpflegungskosten (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., BGB § 249 Rn. 413). Dies gilt jedoch nur für zusätzliche, d.h. über die zu Hause ohnehin anfallenden Kosten hinausgehende, Verpflegungskosten, die anders nicht vermeidbar sind (MüKoBGB/Oetker aaO; BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90 – , juris Rn. 21).
215
d. b) Die Mutter des Klägers gab hierzu im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat an, dass sie in der Zeit im Krankenhaus Sch. vom 01.04.2006 bis 22.05.2006 in der Kantine, beim Italiener oder unterwegs gegessen habe; gekocht habe sie in dieser Zeit nie (S. 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1235 d. A.). Im Hinblick auf die Gesamtsituation ist dies nicht zu beanstanden.
216
d. c) Das Gericht kann den unvermeidbaren täglichen Mehraufwand für Verpflegung und Getränke gemäß § 287 ZPO schätzen.
217
Insoweit geht der Senat von einem Betrag von pauschal 24,00 EUR täglich aus. Denn mangels sonstiger Anhaltspunkte für die Bemessung erscheint es angemessen, sich auch diesbezüglich an den Bestimmungen über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, mithin an § 6 Abs. 1 JVEG in der Fassung vom 05.05.2004 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 a) EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.2002, zu orientieren.
218
d. d) Es ergibt sich somit folgende Berechnung:
52. Tage x 24,00 EUR = 1.248,00 EUR
e) Fahrtkosten der Großeltern des Klägers von Tr. ins Krankenhaus Sch. (Ziffer 5 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
219
Insoweit ergeben sich keine erstattungsfähigen Kosten.
220
Die Großeltern zählen, jedenfalls wenn wie hier mindestens ein Elternteil in relevantem Umfang zu Besuch kommt, bereits nicht zu den nächsten Angehörigen im Sinne der oben genannten Rechtsprechung. Dies gilt selbst dann, wenn eine sehr enge Beziehung zu den Großeltern besteht.
221
Im Übrigen ist nicht dargetan, warum ein Besuch der Großeltern neben der (täglichen) Anwesenheit der Mutter medizinisch notwendig war. Dies gilt auch, wenn zugrunde gelegt wird, dass die Mutter des Klägers zeitweise aufgrund anderer familiärer Verpflichtungen (Kümmern um die Zwillingsschwester des Klägers) nicht anwesend sein konnte. Dass die durchgehende Anwesenheit eines Angehörigen medizinisch notwendig gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
f) Fahrten der Mutter des Klägers zum Anwalt (Ziffer 6 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
222
Diesbezüglich sind 12,80 EUR zu erstatten.
223
f. a) Die Ersatzpflicht erstreckt sich auch auf die durch Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursachten Kosten (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 249 Rn. 56). Zwar gilt dies grundsätzlich nicht für den Zeitaufwand des Geschädigten (Grüneberg/Grüneberg aaO, § 249 Rn. 59).
224
Hier wird jedoch nicht der Zeitaufwand geltend gemacht, sondern Fahrtkosten. Diese sind entgegen der Auffassung der Beklagten grundsätzlich ersatzfähig.
225
f. b) Die geltend gemachte Strecke J.straße 27 – B.Straße 46 beträgt nach eigener Sachkunde (siehe oben) des Gerichts einfach 8 km.
226
f. c) Die Anzahl der Fahrten ist durch die Anhörung der Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachgewiesen. Diese gab an, dass sie vor Beginn des Prozesses mindestens viermal zur Kanzlei K./B. gefahren sei. (S. 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = f. d) Es ergibt sich somit folgende Berechnung: 4 x 16 km zu je 0,20 EUR = 12,80 EUR
g) Fahrtkosten der Mutter des Klägers von V. nach M. zur Betreuung der Schwester des Klägers (Ziffer 7 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
227
Insoweit sind Aufwendungen in Höhe von 608,00 EUR zu erstatten.
228
g.a) Auch diese Kosten gehören zu den Aufwendungen der Mutter des Klägers für die Besuche und sind daher dem Grunde nach erstattungsfähig.
229
g.b) Der stationäre Reha-Aufenthalt des Klägers gemeinsam mit seiner Mutter in V. vom 23.05.2006 bis zum 22.09.2006 ist durch den Arztbrief vom 02.11.2002 (nach Bl. 535 d. A.) und die Angaben der Mutter des Klägers bei ihrer Anhörung vor dem Senat (S. 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1235 d. A.) nachgewiesen.
230
g.c) Hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit der Anwesenheit der Mutter wird wiederum auf die beanstandungsfreien Ausführungen des Landgerichts (S. 62 unten/ S. 63 oben des Urteils vom 08.05.2018) Bezug genommen.
231
g.d) Die geltend gemachte Strecke K.straße 20, V. – J.-straße 27, M., beträgt nach eigener Sachkunde des Gerichts einfach 80 km (siehe oben).
232
g.e) Die geltend gemachten 19 Fahrten sind durch die Anhörung der Mutter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachgewiesen. Diese gab an, dass sie in V. mit dem Kläger zusammen in einem Zimmer gewohnt habe. Ihre Tochter sei auch oft da gewesen, sie habe sie dann aber nach München gefahren, damit sie unter der Woche in den Kindergarten habe gehen können, und fürs Wochenende wieder geholt. Sie sei daher mindestens zweimal pro Woche von V. nach M. und zurück gefahren (S. 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1235 d. A.).
233
g.f) Es ergibt sich mithin folgende Berechnung:
19 Tage x 160 km zu je 0,20 EUR = 608,00 EUR
h) Fahrtkosten der Großeltern des Klägers von T. nach V. (Ziffer 8 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
234
Auch diese Kosten sind nicht erstattungsfähig (siehe oben zu lit. e).
i) Kosten des Gutachtens K. (Ziffer 9 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
235
Die entsprechenden Kosten sind in der geltend gemachten Höhe von 656,68 EUR zu erstatten.
236
i.a) Die Kosten von Sachverständigengutachten sind zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (Grüneberg/Grüneberg aaO, Rn. 58). Dies ist vorliegend der Fall.
237
i.b) Die Kosten sind auch nachgewiesen. Zum einen wurde die (an die ehemaligen Rechtsanwälte des Klägers gerichtete) Rechnung des Sachverständigen K. als Anlage K7 zum klägerischen Schriftsatz vom 31.05.2022 vorgelegt. Ferner gab die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat glaubhaft an, dass sie die Rechnung in Höhe von 656,68 EUR bezahlt und diese nicht bei der Rechtsschutzversicherung eingereicht habe (S. 11 f. des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1235 f. d. A.).
j) Kosten des Gutachtens Dr. D. (Ziffer 10 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
238
Die entsprechenden Kosten sind in der geltend gemachten Höhe von 3.049,41 EUR zu erstatten.
239
j.a) Die Entstehung der Kosten ist durch Vorlage der Rechnung des Sachverständigen vom 14.11.2006 als Bestandteil der Anlage K 13 und die Angaben der Mutter des Klägers in der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.) nachgewiesen. Auf die Frage, wer die Gutachtenserstellung in Auftrag gegeben hat, kommt es nicht an. Selbst wenn dies durch den Großvater des Klägers im eigenen Namen erfolgt sein sollte, hätte dieser einen Anspruch auf Freistellung von den hierfür entstandenen Kosten aus § 683 BGB. Die Mutter des Klägers hat glaubhaft angegeben, diese Rechnung bezahlt und nicht bei der Rechtsschutzversicherung eingereicht zu haben.
240
j.b) Der Senat kann die für die Erstattung des Gutachtens erforderlichen Kosten nach § 287 ZPO schätzen. Danach ist die Höhe der Kosten nicht zu beanstanden.
241
Zwar können nur die Kosten verlangt werden, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17 –, juris Rn. 17). Allerdings ist bei der Beurteilung des erforderlichen Aufwands auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnisund Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH aaO). Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen; ihn trifft aber eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise (BGH aaO; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18 –, juris Rn. 15).
242
Durch die Angaben der Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat ist nachgewiesen, dass sie die Rechnung des Gutachters bezahlt hat (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.).
243
Der mithin von der Mutter des Klägers für diesen in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB; in ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 315/18 –, juris Rn. 16). Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17 –, juris Rn. 18).
244
Demnach ist das Bestreiten seitens der Beklagten vorliegend bereits nicht ausreichend. Von Beklagtenseite wurde lediglich ausgeführt, dass aufgrund der Tatsache, dass die Begutachtung lediglich nach Aktenlage erfolgt sei, der Arbeitsaufwand nicht nachvollziehbar sei, und dass die Kosten, die fast das Fünffache des Architekten Dr. K. ausmachten, der Höhe nach unangemessen und daher nicht erstattungsfähig seien. Selbst wenn man das Bestreiten als ausreichend erachten würde, geht der Senat aufgrund einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO von der Erforderlichkeit der Kosten aus. Die Mutter des Klägers hatte in der damals gegebenen Situation erkennbar weder Zeit noch Kraft, sich lange mit der Auswahl eines geeigneten Sachverständigen zu beschäftigen. Darüber hinaus erscheint ein Arbeitsaufwand von 16 Stunden im Hinblick auf die Schwierigkeiten und die Dimension des Falles mit einer Begutachtung nach Aktenlage durchaus vereinbar; der Stundensatz des Sachverständigen in Höhe von 150 Euro bewegt sich ebenfalls im Bereich des Üblichen. Auch führt allein ein Vergleich der Kosten der zwei herangezogenen Privatgutachter nicht dazu, dass die höheren Kosten von vornherein als unplausibel zu qualifizieren wären.
245
j.c) Auch die Einholung von zwei Sachverständigengutachten ist im Hinblick auf die existenzielle Bedeutung des Schadensfalls nicht zu beanstanden.
k) Telefongebühren im Krankenhaus Sch. und V. (Ziffern 11.a und 11.b der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
246
Diese sind in der geltend gemachten Höhe von 100,00 EUR und 316,90 EUR zu erstatten.
247
Der Anfall von zusätzlichen Telefongebühren in dieser Höhe ist nachgewiesen.
248
Zwar ist bezüglich der Telefongebühren im Krankenhaus Sch. in Anlage K 13 weder eine Rechnung noch ein Zahlungsnachweis enthalten. Die Mutter des Klägers erklärte jedoch in ihrer Anhörung vor dem Senat glaubhaft, dass man auf der Intensivstation nicht mit dem Handy habe telefonieren können, sondern Telefonkarten benötigt habe. Diese habe sie genutzt, um mit ihrer Tochter zu sprechen. Sie habe insgesamt weit mehr als 100,00 EUR ausgegeben (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.).
249
Die Telefongebühren in V. sind durch die in Anlage K 13 vorgelegte Rechnung vom 22.09.2006 nachgewiesen.
250
Die Telefongebühren wären ohne den Unfall nicht angefallen. Wie sich aus unten lit. z.2) ergibt, wurden auch keine Aufwendungen erspart.
251
l) Der in Ziffer 12 der Aufstellung S. 24 f. der Klage geltend gemachte Betrag von 1.082,00 EUR ist nicht erstattungsfähig.
252
Erstinstanzlich fehlte es diesbezüglich an jeglichem Vortrag. Auf den entsprechenden Hinweis des Senats trug der Kläger vor, dass es sich um Kosten für eine Haushaltshilfe ab dem 25.09.2006 (40 EUR/Tag einmal wöchentlich für 32 Wochen) handle. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb die Beschäftigung einer Haushaltshilfe erforderlich war und inwiefern der Unfall hierfür kausal war.
m) Homöopathie Kläger (Ziffer 13 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
253
Diese Position ist in der geltend gemachten Höhe von 198,80 EUR zu erstatten.
254
Der Anfall der Kosten ist durch Vorlage einer Rechnung in Anlage K 13 nachgewiesen.
n) Hippotherapie Kläger (Ziffer 14 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
255
Für diese Position sind lediglich 280,00 EUR für den Zeitraum Februar bis Mai 2007 zu erstatten.
256
Erstinstanzlich trug der Kläger vor, dass es um 20 Monate zu je 70,00 EUR im Zeitraum Februar bis Mai 2007 gehe.
257
Auf den Hinweis des Senats, dass der Vortrag lediglich in Höhe von 280,00 EUR schlüssig sei, da Februar bis Mai 2007 lediglich 4 Monate seien, erfolgte innerhalb der gesetzten Frist kein weiterer Vortrag. Die Mutter des Klägers führte in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aus, dass der Kläger bestimmt 2 Jahre lang Hippotherapie gemacht habe. Sie schätze den Zeitraum auf 2008 für 2 Jahre. Es könne aber auch sein, dass die Hippotherapie schon 2007 stattgefunden habe. (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.)
258
Es ist daher nach wie vor unklar, für welche Monate über den Zeitraum Februar bis Mai 2007 hinaus die Kosten geltend gemacht werden sollen.
259
Die schlüssig geltend gemachten Kosten für den Zeitraum Februar bis Mai 2007 sind auch nachgewiesen. Zwar ist in Anlage K 13 weder eine Rechnung noch ein Zahlungsnachweis enthalten. Allerdings ergibt sich aus der von der Mutter des Klägers in ihrer Anhörung bestätigten (S. 13 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1237 d. A.) Kilometeraufstellung Anlage K 14, dass im Zeitraum Februar bis Mai 2007 insgesamt 12 Fahrten zur Hippotherapie erfolgt sind. Die Stunde kostete nach den Angaben der Mutter des Klägers 25-30 EUR (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.).
o) Brillen (Ziffer 15 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
260
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten von 600,00 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
261
Kosten in entsprechender Höhe sind nachgewiesen. In Anlage K 13 ist eine Quittung der Firma Brillen M. vom 26.09.2006 in Höhe von 23,00 EUR für 2 Brillen sowie eine Rechnung der Firma F. vom 06.06.2007 in Höhe von 307,12 EUR und eine weitere Rechnung der Firma F. vom 30.06.2007 in Höhe von 273,80 EUR enthalten.
262
p) Eigenanteil Therapierad (Ziffer 16 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
263
Eine entsprechende Position ist nicht zu erstatten.
264
Trotz eines Hinweises des Senats, dass diesbezüglich keine Rechnung vorgelegt worden sei und es auch im Übrigen an Vortrag zu dieser Position fehle, wurde kein weiterer Vortrag erbracht.
q) Rollstuhl (Ziffer 17 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
265
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten von 390,19 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
266
Die Entstehung der Kosten ist durch die in Anlage K 13 vorgelegte Rechnung vom 06.12.2006 über 390,19 EUR nachgewiesen.
267
Zwar betrifft die Rechnung nicht einen Rollstuhl als solchen, sondern „Rundumdesign für Speichenschutz und Rückenschale“. Auch die Erforderlichkeit dieser Kosten ist jedoch nachgewiesen.
268
Hinsichtlich des Rundumdesigns für Speichenschutz erklärte die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat, dass der Kläger den Rollstuhl zunächst abgelehnt habe; er habe sich so steif gemacht, dass man ihn nicht habe hineinsetzen können. Sie habe dann beobachtet, dass ihm die Farbe eines Speichenschutzes gefallen habe. Sie hätten das mehrmals ausprobiert, da habe er sich hineingesetzt. Die Kosten seien aber von der Krankenkasse nicht übernommen worden. Die Rückenschale habe sie für den Kläger gewollt, da sie aus Erfahrung wisse, dass sie sich positiv auswirke; es handle sich um eine Aufpolsterung der Rückenschale. (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.) Der Kläger war auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Denn nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 20.09.2017 konnte er nur kürzere Strecken selbständig gehen (S. 7 des Gutachtens = Bl. 568 d. A.). Ferner kann der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht nach der Einsicht handeln, sich in einer bestimmten Weise verhalten zu müssen (S. 4 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1228 d. A.). Das Design war mithin erforderlich, um die Akzeptanz des – seinerseits erforderlichen – Rollstuhls zu gewährleisten. Auch eine aufgepolsterte Rückenschale erscheint im Hinblick auf die aus dem Gutachten des Sachverständigen PD Dr. med. S. vom 09.10.2015 hervorgehende Haltungsinstabilität des Rumpfes (S. 32 des Gutachtens = Bl. 521 d. A.) erforderlich.
r) Autositz (Ziffer 18 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
269
Diese Position ist nicht erstattungsfähig.
270
Aus dem in Anlage K 13 vorgelegten Schreiben der B. Ersatzkasse vom 17.08.2006 ergibt sich, dass es sich lediglich um den Eigenanteil für den Autositz handelt, welche nicht ersetzt wurde, weil das Hilfsmittel in seiner Funktion einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ersetzt.
271
Auf den entsprechenden Hinweis des Senats trug der Kläger lediglich vor, dass die Anschaffung des Autositzes notwendig gewesen sei.
272
Dies ändert nichts daran, dass der auf den Eigenanteil entfallende Betrag auch ohne den Unfall angefallen wäre und nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs nicht erstattungsfähig ist (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., Vorb. vor § 249 Rn. 67 ff.).
s) Schulsonderzubehör (Ziffer 19a der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
273
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten von 159,90 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
274
Die Entstehung der Kosten ist durch die in Anlage K 13 enthaltene Rechnung vom 20.11.2006 nachgewiesen.
t) Kosten für Schulbegleitung (Ziffer 19b der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
275
Diese Position ist nicht erstattungsfähig.
276
Zwar ist der Anfall von Kosten in der geltend gemachten Höhe durch die in Anlage K 13 enthaltene Rechnung vom 18.02.2008 nachgewiesen.
277
Die Erforderlichkeit ist jedoch nicht nachgewiesen.
278
Aus der Rechnung ergibt sich nicht, dass es um Schulbegleitung geht.
279
Die Mutter des Klägers führte hierzu in ihrer Anhörung vor dem Senat aus, dass die Rechnung einen Zeitraum (28.01.2008 bis 01.02.2008) betroffen habe, in dem der Kläger nicht in die Schule gegangen sei. Warum sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht selbst um ihren Sohn habe kümmern können, wisse sie nicht mehr (S. 12 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1236 d. A.).
u) Großbuchstaben (Ziffer 20 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
280
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten in Höhe von 25,75 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
281
Der Anfall der Kosten ist durch die in Anlage K 13 enthaltene Rechnung vom 07.12.2006 nachgewiesen.
v) Geschenke an Ärzte, Pflegepersonal und Therapeuten (Ziffern 21-25 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
282
Diese Positionen sind nicht erstattungsfähig.
283
Die Ersatzpflicht besteht nur für Aufwendungen, die ein wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH, NJW 2005, 1041, 1042; BGH, NJW-RR 2009, 43, 46 Rn. 31; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., Vorb. vor § 249 Rn. 44).
284
Dies trifft für Geschenke an Ärzte, Pflegepersonal und Therapeuten nicht zu. Zu entsprechenden Zuwendungen ist der Patient nicht verpflichtet. Derartige bewusst überobligatorische Aufwendungen können nicht zulasten des Schädigers gehen.
w) Fahrtkosten vom 25.09.2006 bis 25.05.2007 (gemeint offenbar: August 2007)
(Ziffer 26 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
285
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten in Höhe von 430,50 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
286
Die Anzahl der Fahrten ist nachgewiesen. Anlage K 14 enthält eine Kilometeraufstellung. Die dort aufgeführten Kilometerangaben entsprechen denen auf S. 23 der Klageschrift mit Ausnahme der Kilometer für Januar 2007, wo für „Logo“ in der Aufstellung K 14 65,6 km, in der Klage jedoch nur 65,5 km ausgewiesen sind. Allerdings handelt es sich um Fahrtkosten bis einschließlich August 2007. Die Mutter des Klägers bestätigte in ihrer Anhörung vor dem Senat die Durchführung der in Anlage K 14 aufgelisteten Fahrten. Die Zusammenstellung habe sie geschrieben. Sie habe die entsprechenden Informationen ihrem Kalender entnommen; dort habe sie sich jeweils aufgeschrieben, wann sie wen wohin gefahren habe (S. 13 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1237 d. A.).
287
Die Fahrten zu Ergotherapie, Krankengymnastik, Kinderarzt, Augenarzt, Logopädie, Kinderzentrum, „ViF“, „Locomat“, Hippotherapie und Arzt gehören zu den Kosten der notwendigen Heilbehandlung. Hinsichtlich der Abkürzung „ViF“ erläuterte die Mutter des Klägers in der Anhörung, dass es sich hierbei um die Vereinigung Integrationsförderung in der K.straße handle. „Locomat“ ist ausweislich der Angaben der Mutter des Klägers ein Gehtrainer, welcher sich im Kinderzentrum in der H.straße befand. (S. 13 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1237 d. A.)
288
Auch die Fahrten zur Landesschule und die Fahrten zum Anwalt sind zweckmäßige und notwendige Aufwendungen. Die Fahrten zum Anwalt sind nicht in Ziffer 6 der klägerischen Aufstellung enthalten, da die Mutter des Klägers nach ihren Angaben vor dem Senat vor Prozessbeginn mindestens 6-7 Mal bei der Kanzlei K./B. war (S. 13 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1237 d. A.), die in K 14 enthaltenen 2 Fahrten also zu den obigen 4 Fahrten hinzukommen.
x) Fahrtkosten (Ziffer 27 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
289
Soweit der Kläger weitere Fahrtkosten in Höhe von 240,20 EUR für 12.001 km (gemeint wohl 1.201 km) zu je 0,20 EUR geltend macht, sind diese Kosten nicht erstattungsfähig.
290
Es ist bereits unklar, wann und wofür die entsprechenden Fahrtkosten angefallen sein sollen. Auf den entsprechenden Hinweis des Senats erfolgte kein weiterer Vortrag des Klägers.
y) Kinderautositz (Ziffer 28 der Aufstellung S. 24 f. der Klage): Diese Position ist nicht erstattungsfähig.
291
Soweit der Kläger 149,00 EUR für einen Kinderautositz geltend macht, ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag bereits nicht, dass es sich um Kosten handelt, die ohne den Unfall nicht angefallen wären.
292
Auf den entsprechenden Hinweis des Senats trug der Kläger lediglich vor, dass die Anschaffung des Autositzes notwendig gewesen sei.
293
Auch im Übrigen benötigt ein 6-jähriges Kind jedoch einen Autositz.
z) Buchstaben (Ziffer 29 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
294
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten in Höhe von 32,61 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
295
Der Anfall der Kosten ist durch die in Anlage K 13 enthaltene Rechnung vom 13.12.2007 nachgewiesen.
z.1) 2 Kinderstühle (Ziffer 30 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
296
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten in Höhe von 318,00 EUR sind in vollem Umfang zu erstatten.
297
Der Anfall der Kosten und ihre Erforderlichkeit ist durch Anlage K 13 sowie die Anhörung der Mutter des Klägers vor dem Senat nachgewiesen. In Anlage K 13 sind zwei Rechnungen vom 17.08.2006 enthalten, welche jeweils eine Zahlung in Höhe von 159,00 EUR ausweisen. Aus den Rechnungen geht zwar der gekaufte Gegenstand nicht hervor. Die Mutter des Klägers gab jedoch an, dass sie 2 Kinderstühle gebraucht hätten, einen für München und einen für Österreich, wo sie ein zweites Zuhause hätten. Es habe sich um spezielle Stühle mit einer hohen Rückenlehne in Form einer Halbschale und einem Brett vorne dran gehandelt, damit der Kläger nicht herausfalle. Die Rechnung der Firma P. B. in Höhe von 2 × 159,00 EUR beziehe sich hierauf. (S. 13 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. z.2) Telefonmehrkosten (Ziffer 31 der Aufstellung S. 24 f. der Klage):
298
Die diesbezüglich geltend gemachten Kosten sind in Höhe von 944,53 EUR zu erstatten.
299
Wie vom Landgericht zutreffend festgestellt, hat die Klagepartei Mehrkosten für Telefonate, die aufgrund des Unfallereignisses angefallen sind, substantiiert dargelegt, in dem sie darstellte, dass vor dem Unfallereignis durchschnittlich 60 EUR an monatlichen Telefonkosten angefallen seien, für den Zeitraum von Mai 2006 bis November 2007, mithin für 19 Monate also mit Kosten von 1.140 EUR zu rechnen gewesen sei, für den Zeitraum Mai bis November 2007 jedoch höhere Kosten angefallen seien.
300
Auf der Grundlage der Telefonkosten nach dem Unfall verglichen mit den bisherigen Durchschnittskosten ist eine Schätzung nach § 287 ZPO möglich. Ein Einzelnachweis ist hierfür nicht erforderlich.
301
Allerdings führt die Schätzung vorliegend lediglich zu Mehrkosten in Höhe von 944,53 EUR.
302
Die vom Kläger vorgetragenen Telefonkosten nach dem Unfall für den Zeitraum April bis November 2006 sind durch die in Anlage K 16 vorgelegten Telefonrechnungen nachgewiesen. (Beim Monat Mai 2006 stellt der Kläger in seiner Aufstellung offenbar anders bei den anderen Monaten auf den Monat der Rechnungsstellung ab; was unter „Mai 2006“ steht, betrifft also den Zeitraum April 2006; auch die Rechnung für den Zeitraum Mai 2005 deckt jedoch den in der Aufstellung angegebenen Betrag.) Die in der Klage aufgeführten Beträge für den Zeitraum Dezember 2006 bis November 2007 wurden von der Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat bestätigt (S. 13 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1237 d. A.). Allerdings ergibt sich bei Addition der in der Aufstellung enthaltenen Beträge nicht 2.104,81 EUR, sondern 2.272,63 EUR.
303
Die vorgelegten Telefonrechnungen für den Zeitraum Januar bis März 2006 über 79,23 EUR, 52,80 EUR und 77,67 EUR ergeben für den Zeitraum davor Durchschnittskosten von 69,90 EUR monatlich, sodass der Vergleichswert 19 × 69,90 EUR = 1.328,10 EUR beträgt.
304
Die schlüssig vorgetragenen und nachgewiesenen Mehrkosten betragen somit 2.272,63 EUR – 1.328,10 EUR = 944,53 EUR.
z.3) abzüglich: Zahlungen nach § 153a Abs. 2 StPO
305
Aufgrund der Zahlungen der Beklagten zu 1), 3) und 4) im Rahmen der Auflagen nach § 153a Abs. 2 StPO verringert sich die Forderung des Klägers um insgesamt 8.000,00 EUR (3.500,00 + 3.600,00 EUR + 900,00 EUR).
306
Vorliegend ist von Zahlungen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 StPO „zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens“ auszugehen. Die Zahlungen dienten mithin gerade dazu, den Schaden zu auszugleichen. Bei realitätsnaher Betrachtung ging es dabei um den beim Kläger als dem unmittelbar Verletzten eingetretenen Schaden. Dass die Zahlungen nach dem Gerichtsbeschluss an die Mutter des Klägers erfolgen sollten, ändert daran nichts, da die Mutter hier nach den Gesamtumständen offensichtlich in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin des Klägers gemeint war.
3. Verdienstausfallschaden der Mutter des Klägers im Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 22.09.2006
307
Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner ferner einen Anspruch auf Zahlung von 4.378,55 EUR für den Verdienstausfall seiner Mutter im Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 22.09.2006.
308
Für die Ersatzfähigkeit des Verdienstausfalls der Mutter des Klägers in diesem Zeitraum hat das Landgericht zutreffend auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB abgestellt, da es um Besuchsaufwendungen geht (siehe dazu lit. b) der materiellen Schadenspositionen).
309
a) Die Voraussetzungen für eine Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach sind gegeben, da die Mutter zu den nächsten Angehörigen des Klägers zählt und sowohl der Klinikaufenthalt des Klägers als auch die Anwesenheit seiner Mutter und die medizinische Erforderlichkeit der Anwesenheit der Mutter nachgewiesen sind (vgl. lit. b) und g) der materiellen Schadenspositionen).
310
Auch ein zeitliches Umdisponieren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90 –, juris Rn. 23) hätte es der Mutter des Klägers nicht ermöglicht, ihrer Erwerbstätigkeit weiter nachzugehen.
311
b) Der erstattungsfähige Verdienstausfallschaden beträgt 763,70 EUR monatlich.
312
b. a) Bei selbständig Tätigen bedarf es zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte, wobei dem Geschädigten im Rahmen der danach erforderlichen Prognose der hypothetischen Geschäftsentwicklung die Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach § 252 BGB, § 287 ZPO zugutekommen (BGH, Urteil vom 03. März 1998 – VI ZR 385/96 –, juris Rn. 14 mwN). Der Geschädigte muss allerdings konkrete Anknüpfungstatsachen darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen (BGH aaO Rn. 15).
313
Zur Ermittlung des Verdienstausfalls eines selbständig Tätigen im Rahmen der §§ 252 BGB, 287 ZPO ist es in der Regel erforderlich und angebracht, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen (BGH, Urteil vom 06. Februar 2001 – VI ZR 339/99 –, juris Rn. 14). Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich aber nicht aufstellen; der erforderliche Prüfungsrahmen ist vielmehr nach den jeweiligen Umständen des Falles zu bestimmen (BGH aaO, Rn. 16).
314
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wurde vorliegend zur Ermittlung des hypothetischen monatlichen Verdienstes der Mutter des Klägers das zu versteuernde Einkommen gemäß dem Einkommensteuerbescheid 2006 durch sechs geteilt und ein Abzug von 25% vorgenommen, was zu einem hypothetischen monatlichen Verdienst in Höhe 2.381,25 EUR monatlich (EUR 19.050,00 : 6 = 3.175,00 EUR x 75%) führt.
315
b. b) Entgegen der Auffassung der Klagepartei ist auch im Rahmen des Maßstabes des § 287 ZPO nicht davon auszugehen, dass die im Einkommenssteuerbescheid der Mutter des Klägers für 2006 (Anlage K 18) aufgeführten Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 19.050 EUR ausschließlich in den Monaten Januar bis März 2006 erzielt worden sind. Die Beklagten haben den diesbezüglichen Vortrag des Klägers bestritten.
316
Zwar gab die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat glaubhaft an, dass sie nach dem Unfall des Klägers, mithin ab April, im Jahr 2006 nicht mehr gearbeitet habe (S. 9 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1233 d. A.). Aus dem Einkommensteuerbescheid geht nicht hervor, auf welche Leistungszeiträume sich die im Jahr 2006 zugeflossenen Beträge beziehen. Insoweit führte die Mutter des Klägers in ihrer Anhörung aus, dass die Praxen die von ihr abgearbeiteten Rezepte quartalsweise eingereicht hätten und sie selbst erst nach Zahlung der Abrechnungsstelle an die jeweilige Praxis eine Rechnung an die Praxis gestellt und diese im Anschluss bezahlt bekommen habe (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.). Es ist daher davon auszugehen, dass die im Jahr 2006 zugeflossenen Beträge nicht nur auf in den ersten drei Monaten des Jahres 2006 erbrachten Leistungen beruhen, sondern auch Leistungen betreffen, welche bereits im vierten Quartal des Jahres 2005 erbracht wurden.
317
b. c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber auch eine Berechnung aus dem zu versteuernden Einkommen 2004-2006 nicht sachgerecht.
318
Denn die Mutter des Klägers hatte vor 2000 im Krankenhaus B. gearbeitet.
319
Von 2000-2003 war sie in Erziehungsurlaub gewesen. Erst im Dezember 2003 hatte sie eine freiberufliche Tätigkeit bei zwei verschiedenen Praxen begonnen. Dies ist durch ihre Angaben in ihrer Anhörung vor dem Senat nachgewiesen; sie bestätigte dort auch die in der als Anlage K8 zum Schriftsatz vom 31.05.2022 vorgelegten Gehaltstabelle aufgeführten Einkünfte (S. 9 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1233 d. A.). Das Landgericht hat zurecht ausgeführt, dass bei Selbstständigen nach einer längeren Pause der Erwerbstätigkeit davon auszugehen ist, dass in der Aufbauphase des Erwerbsgeschäfts mit geringeren Einkünften zu rechnen ist, weil erst ein Patientenstamm aufgebaut und Aufträge akquiriert werden müssen (vgl. S. 64 des landgerichtlichen Urteils). Das in den sechs Monaten von 10/2005 bis 03/2006 erwirtschaftete Einkommen kann daher als Basis für eine Schätzung des hypothetischen Verdiensts in der Folgezeit herangezogen werden.
320
b. d) Die Entwicklung der Einkünfte ab Wiederaufnahme der Tätigkeit kann insbesondere im Rahmen von Kontrollüberlegungen berücksichtigt werden.
321
Allerdings kommt nur der Zeitraum ab 04/2011 in Betracht. Denn aus den Angaben der Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat ergibt sich, dass sie zwar wohl ab 2007 wieder begonnen habe zu arbeiten, allerdings unfallbedingt in einem deutlich geringeren Umfang (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.).
322
Auch die im Zeitraum ab 4/2011 erzielten Einkünfte lassen nur einen sehr eingeschränkten Rückschluss auf den im maßgeblichen Zeitraum zu erwartenden Verdienst zu. Denn die Mutter des Klägers hat nach ihren Angaben in der Anhörung ab diesem Zeitpunkt eine eigene Physiotherapiepraxis betrieben, in der darüber hinaus eine freiberufliche Kraft tätig war, deren Einnahmen wie bei ihr selbst früher nach einem Schlüssel verteilt wurden (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.). Die Mutter des Klägers gab hierzu an, dass sie vor dem Unfall noch nicht geplant habe, sich in dieser Form selbstständig zu machen (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.) oder Seite 63 mehr zu arbeiten, wenn die Kinder in die Schule gehen (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.).
323
b. e) Für die Berechnung ist das gesamte zu versteuernde Einkommen heranzuziehen.
324
Die Mutter des Klägers gab in ihrer Anhörung vor dem Senat an, dass sie keine anderen Einkünfte als die aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit gehabt habe (S. 9 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1233 d. A.).
325
Auszugehen ist vom Bruttoverdienst (ohne Abzug von Einkommensteuer).
326
Nach § 24 EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 a) EStG) oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Nr. 1 b) EStG).
327
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist bei Entschädigungen wegen Körperverletzung zu unterscheiden zwischen Beträgen, die den Verdienstausfall ersetzen, und solchen, die als Ersatz für Arzt- und Heilungskosten und die Mehraufwendungen während der Krankheit sowie als Ausgleich für immaterielle Einbußen in Form eines Schmerzensgeldes gewährt werden; nur soweit entgangene oder entgehende Einnahmen auf Grund der verminderten Erwerbsfähigkeit ersetzt werden, besteht Steuerpflicht i.S. des § 24 Nr. 1 a) EStG (BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 – XI R 40/02 –, BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716, Rn. 13 mwN).
328
Insoweit handelt es sich zwar primär um einen Anspruch des Klägers, welcher keinen eigenen Verdienstausfall geltend macht, sondern den Verdienstausfall seiner Mutter als Heilungskosten verlangt.
329
Allerdings muss er den entsprechenden Betrag an seine Mutter weiterleiten, für welche er als Entschädigung nach § 24 Nr. 1 a) oder b) EStG zu werten ist.
330
Umsatzsteuer ist nach den Angaben der Mutter des Klägers in ihrer Anhörung vor dem Senat nicht angefallen (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.).
331
b. f) Auch das Einkommen der Mutter des Klägers in den vorangegangenen und späteren Jahren spricht nicht gegen die mit 3.175,00 EUR ermittelte Ausgangsbasis für die Schätzung des hypothetischen monatlichen Verdiensts. Sie liegt über dem Betrag, der sich ergibt, wenn man das zu versteuernde Jahreseinkommen der Jahre 2004 und 2005 jeweils durch zwölf teilt, auch etwas über dem Betrag, der sich ergibt, wenn man das zu versteuernde Jahreseinkommen des Jahres 2012 durch zwölf teilt, aber unter dem Betrag der Jahre ab 2013. Dies erscheint insofern realistisch, als die Anlaufphase der freiberuflichen Tätigkeit vor dem Unfall bereits fortgeschritten war, die selbstständige Tätigkeit in der neuen Form ab 04/2011 bereits in den ersten Jahren zu mehr Einkünften führte, jedoch im Jahr 2012 noch ganz am Anfang stand.
332
b. g) Der vom Landgericht vorgenommene Abzug von 25% für Urlaub, Krankheit und Auftragsschwankungen (siehe S. 65 des Urteils vom 08.05.2018) erscheint insbesondere im Hinblick darauf, dass die Berechnung des hypothetischen monatlichen Verdienstes sich hier – wenngleich durch Kontrollüberlegungen bezogen auf andere Zeiträume unterstützt – vorwiegend auf einen Zeitraum von nur sechs Monaten bezieht, erforderlich, aber auch ausreichend.
333
Als hypothetischer monatlicher Verdienst errechnet sich mithin ein Betrag von 3.175,00 EUR x 75% = 2.381,25 EUR.
334
b. h) Hiervon sind die Zahlungen der Barmer Ersatzkasse in Höhe von 1.617,55 EUR abzuziehen, sodass sich ein ersatzfähiger Schaden von monatlich 763,70 EUR ergibt.
335
c) Der Anspruch des Klägers für den Zeitraum 01.04.2006 bis 22.09.2006 errechnet sich daher wie folgt: 5 x 763,70 EUR + 22/30 x 763,70 EUR = 4.378,55 EUR
336
4. Verdienstausfallschaden der Mutter des Klägers im Zeitraum vom 23.09.2006 bis zum Mai 2008 Diesbezüglich hat der Kläger gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner einen Anspruch in Höhe von 13.837,57 EUR.
337
a) Für diesen Zeitraum nach der Entlassung des Klägers aus der Klinik V. hat das Landgericht zu Recht auf § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB abgestellt.
338
Denn insoweit handelt es sich nicht um Heilungskosten, sondern um – hiervon abzugrenzende (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16 –, juris Rn. 22) – Aufwendungen zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse.
339
a. a) Zu den vermehrten Bedürfnissen im Sinne des § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB gehören sowohl die Kosten für die Beschäftigung einer Pflegeperson als auch der Betreuungsaufwand naher Angehöriger, der über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinausgeht (BGH, Urteil vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16 –, juris Rn. 12). Die dem Geschädigten gegenüber unentgeltlich erbrachte Pflegetätigkeit durch nahe Angehörige ist im Rahmen des Erforderlichen gemäß § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB unabhängig davon angemessen abzugelten, ob diese einen Verdienstausfall erlitten haben (BGH aaO, Rn. 12; BGH, Urteil vom 22. November 1988 – VI ZR 126/88 –, BGHZ 106, 28-33, Rn. 6 mwN).
340
Eine derartige Ersatzpflicht hat jedoch zur Voraussetzung, dass sich der geltend gemachte Aufwand in der Vermögenssphäre als geldwerter Verlustposten konkret niedergeschlagen hat; dies ist einerseits bei einem Verdienstausfall der unentgeltlich einspringenden Angehörigen gegeben, andererseits aber auch dort, wo der Vermögenswert der geleisteten Dienste im Sinne eines „Marktwerts“ objektivierbar ist, da sie ihrer Art nach in vergleichbarer Weise ohne weiteres auch von einer fremden Hilfskraft übernommen werden könnten (BGH, Urteil vom 22. November 1988 – VI ZR 126/88 –, BGHZ 106, 28-33, Rn. 9; BGH, Urteil vom 08. Juni 1999 – VI ZR 244/98 –, juris Rn. 8).
341
Die Voraussetzungen für die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit des Betreuungsaufwands sind hier gegeben.
342
Der Betreuungsaufwand ging über die üblicherweise im Krankheitsfall zu erwartende persönliche Zuwendung innerhalb der Familie hinaus. Der Kläger bedurfte im maßgeblichen Zeitraum der ständigen Betreuung. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. H. vom 20.09.2017. Dort wird ausgeführt, dass der Kläger in jedem Lebensalter auf eine ununterbrochene, alltagssteuernde, externe Betreuung und Begleitung angewiesen sein werde (S. 20 des Gutachtens = Bl. 581 d. A.). Ferner spricht der Sachverständige von einer „angesichts des primären Schädigungsausmaßes zum Teil nicht erwartete[n] und nicht für möglich gehaltene[n] Gesamterholung unter der Vorgabe der stattgehabten maximalen Therapie und Betreuung“ (S. 17 des Gutachtens = Bl. 578 d. A.). Zu Recht ist das Landgericht mithin davon ausgegangen, dass der Kläger auch im Zeitraum 23.09.2006 bis Mai 2008 ständige Betreuung benötigte und diese Betreuung auch erfolgt ist.
343
Der Betreuungsbedarf ermöglichte der Mutter des Klägers im fraglichen Zeitraum die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur in geringstem Umfang, etwa wenn der Kläger mit dem Schulbegleiter in der Schule war (S. 10 des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 10.10.2022 = Bl. 1234 d. A.), und schlug sich mithin in einem bei ihr eintretenden Verdienstausfall nieder.
344
a. b) Der Kläger durfte im maßgeblichen Zeitraum auch eine Betreuung durch seine Mutter wählen.
345
Der ersatzfähige Aufwand zur Befriedigung vermehrter Bedürfnisse, insbesondere des Pflegebedarfs, bestimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde (BGH, Urteil vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16 –, juris Rn. 20). Kommen zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit verschiedene Möglichkeiten mit unterschiedlichem Kostenaufwand in Betracht (z.B. Einstellung einer Pflegekraft, Unterbringung in einem Pflegeheim oder Versorgung durch einen Familienangehörigen), so bestimmt sich die Höhe des Anspruchs danach, welcher Bedarf in der vom Geschädigten in zumutbarer Weise gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt (BGH aaO, Rn. 20).
346
Die Frage, ob der Geschädigte seine Lebensgestaltung in zumutbarer Weise gewählt hat, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (BGH aaO, Rn. 21). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Schwerstgeschädigter grundsätzlich wählen, dass er in die ihm vertrauten früheren Lebensumstände zurückgeführt wird (BGH aaO, Rn. 21). Im Hinblick insbesondere auf die Schwere der Beeinträchtigungen, das junge Alter des Klägers und die Kosten professioneller Pflegekräfte bzw. einer Heimunterbringung erscheint die Wahl der Mutter als Pflegerin den Schädigern gegenüber auch nicht unzumutbar.
347
a. c) Aufgrund der Gesamtumstände des konkreten Falls ist hier der Verdienstausfall der Mutter des Klägers zu erstatten.
348
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich zwar die Höhe des nach § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu ersetzenden Schadens bei dem Geschädigten gegenüber unentgeltlich erbrachter Pflegetätigkeit durch nahe Angehörige grundsätzlich nach dem Nettolohn einer vergleichbaren entgeltlich eingesetzten Pflegekraft und regelmäßig nicht nach dem entgangenen Verdienst des Angehörigen (BGH, Beschluss vom 09. April 2019 – VI ZR 377/17 –, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16, juris Rn. 12).
349
Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass sich der Kläger zum einen für die Betreuung durch seine Mutter entscheiden durfte (siehe oben lit. a.b)) und dass zum anderen die Betreuung des Klägers dazu führte, dass der Mutter im fraglichen Zeitraum die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur in geringstem Umfang möglich war (siehe oben lit. a.a)).
350
In diesem Sonderfall würde eine Beschränkung des ersatzfähigen Schadens auf den Nettolohn einer Pflegekraft, wenn dieser geringer wäre, der Entscheidungsfreiheit für eine Betreuung durch die Mutter zuwiderlaufen, da die entsprechende Entscheidung dann finanzielle Nachteile zur Folge hätte.
351
Vorliegend ist daher der Verdienstausfall der Mutter des Klägers erstattungsfähig.
352
Entsprechend gelangte auch das OLG Bamberg in einem Fall, in welchem ein Vater zum Zwecke der persönlichen intensiven Förderung seines bei einem Verkehrsunfall schwer verletzten Sohnes seine Erwerbstätigkeit aufgab, zur Ersatzpflichtigkeit in Höhe des Verdienstausfalls des Vaters (OLG Bamberg, Urteil vom 28. Juni 2005 – 5 U 23/05 –, juris Rn. 12).
353
Entgegen den Ausführungen der Beklagtenpartei zu 2) (S. 6 des Schriftsatzes vom 17.06.2022 = Bl. 1189 d. A) wurde diese Entscheidung nicht durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 09.04.2019 – IV ZR 377/17 – aufgehoben. Dieser Beschluss des Bundesgerichtshofs betraf die Entscheidung des OLG Bamberg vom 05.09.2017 – 5 U 100/16, welcher zwar derselbe Unfall wie der Entscheidung vom 28.06.2005 – 5 U 23/05 –, jedoch ein anderer Zeitraum zugrunde lag (vgl. BGH aaO, Rn. 3). Gegenstand des Beschlusses war eine Nichtzulassungsbeschwerde des Geschädigten gegen eine Teilklageabweisung.
354
a. d) Der hypothetische monatliche Verdienst der Mutter des Klägers beträgt 2.381,25 EUR. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer 3.b.a)-b.g) Bezug genommen.
355
a. e) Im Übrigen wäre hier der Nettolohn entgeltlich eingesetzter Pflegekräfte mindestens genauso hoch gewesen. Im Hinblick darauf, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum ständiger Aufsicht und Betreuung bedurfte, wären mindestens zwei in Vollzeit tätige Pflegekräfte erforderlich gewesen, deren Kosten den Betrag von 2.381,25 EUR offensichtlich überstiegen hätten, § 287 ZPO.
356
a. f) Nach Abzug der Zahlungen der Barmer Ersatzkasse in Höhe von 1.617,55 EUR verbleibt ein Betrag von monatlich 763,70 EUR.
357
a. g) Von dem sich hieraus ergebenden Gesamtbetrag von 8/30 x 763,70 EUR + 20 x 763,70 EUR = 15.477,65 EUR sind, wie die Beklagten zu Recht geltend machen, die tatsächlich in 2007 sowie in Januar bis Mai 2008 erzielten Einkünfte, mithin 348,00 EUR + 5/12 x 3.101,00 EUR = 1.640,08 EUR abzuziehen, so dass sich ein erstattungsfähiger Betrag von 15.477,65 EUR – 1.640,08 EUR = 13.837,57 EUR ergibt.
358
5. Nebenforderungen a) Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 9.759,90 EUR.
359
Der Anspruch ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB; Verzug ist hierfür nicht erforderlich (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 249 Rn. 56) .
360
Zu Recht wurde eine 2,1 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 779.824,00 EUR zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer angesetzt.
361
Die Geschäftsgebühr ergibt sich aus Nr. 2300 VV RVG (soweit in der Klageschrift Nr. 2400 VV RVG zitiert wurde, handelt es sich um ein offensichtliches Versehen).
362
Die Gebühr ist hier jedenfalls mit den Schreiben vom 20.09.2007 entstanden, mit welchen der spätere Prozessbevollmächtigte für den Kläger nach außen tätig wurde und u. a. den vormaligen Beklagten zu 1) und den Insolvenzschuldner dazu aufforderte, ihre Einstandspflicht zu erklären und einen Vorschuss in Höhe von 80.000,00 EUR zu bezahlen.
363
Der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 779.824,00 EUR ist nicht überhöht.
364
Auch der Ansatz einer 2,1-fachen Gebühr ist nicht unbillig (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Die Geschäftsgebühr beträgt 0,5 bis 2,5. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist der Ansatz einer 2,1-fachen Gebühr nicht zu beanstanden. Hierbei fielen insbesondere die erhebliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die außerordentliche Bedeutung der Angelegenheit, aber auch das besondere Haftungsrisiko ins Gewicht. Auch die Voraussetzungen des Nr. 2300 (1) VV RVG für das Überschreiten der Schwellengebühr von 1,3 liegen im Hinblick auf die Schwierigkeit der Tätigkeit vor.
365
Die Gebühren wurden auch nach § 13 Abs. 1 RVG in der vom 01.07.2004 bis 31.07.2013 gültigen Fassung berechnet.
366
Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen im tenorierten Umfang.
367
b. a) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 2) steht einem gegen ihn gerichteten Zinsanspruch nicht entgegen, dass über das Vermögen des ursprünglichen Beklagten zu 2) mit Beschluss vom 28.07.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und auch die Forderungsanmeldungsfrist bereits vor dem Zeitpunkt des landgerichtlich tenorierten Zinsbeginns endete.
368
§ 39 InsO ist vorliegend nicht anwendbar. Denn nach § 157 VVG a. F. kann der Kläger wegen des ihm gegen den Insolvenzschuldner als Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen. Materiellrechtlich handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um ein gesetzliches Pfandrecht (BGH, NZI 2016, 603, 604 Rn. 12 mwN). Es gilt somit § 50 Abs. 1 InsO, wonach Gläubiger nicht nur für die Hauptforderung, sondern auch für Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Pfandgegenstand – hier dem Freistellungsanspruch des Insolvenzschuldners gegen die Versicherung – berechtigt sind.
369
b. b) Der Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Zinsen aus 20.030,59 EUR seit dem 13.10.2007 ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB, da sich der vormalige Beklagte zu 1) und der Insolvenzschuldner aufgrund der Mahnung mit Schreiben vom 20.09.2007 seit diesem Zeitpunkt in dieser Höhe in Verzug befunden haben.
370
Zwar ist auf S. 7 des landgerichtlichen Urteils vom 08.05.2018 nur das an die A. Versicherungs AG gerichtete Mahnschreiben (Anlage K 19) erwähnt.
371
Jedoch wird am Ende des Tatbestandes hinsichtlich des Parteivorbringens unter anderem auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen (S. 20 des landgerichtlichen Urteils vom 08.05.2018).
372
Bereits auf S. 28 des Klageschriftsatzes vom 10.09.2008 (Bl. 29 d. A.) hat die Klagepartei vorgetragen, dass alle vier (damaligen) Beklagten, also auch der vormalige Beklagte zu 1) und der Insolvenzschuldner, unter dem 20.09.2007 angeschrieben, auf ihre Haftung hingewiesen und zur Zahlung eines allgemeinen Vorschusses in Höhe von 80.000 EUR bis zum 12.07.2007 aufgefordert worden seien.
373
Seitens des Beklagten zu 2) wurde erstmals mit der Berufungsbegründung vom 29.06.2019 bestritten, dass der Insolvenzschuldner oder dessen Haftpflichtversicherung ein Schreiben vom 20.09.2007 erhalten hätten. Dieses Bestreiten ist nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es ist insbesondere weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass das fehlende Bestreiten in erster Instanz nicht auf Nachlässigkeit beruht. Ein diesbezüglicher Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO ist nicht erforderlich, da lediglich eine Nebenforderung betroffen ist.
374
Soweit der Beklagte zu 1) in der Berufungsbegründung vom 31.08.2018 erstmals ausführt, dass auf Basis der vom Landgericht getroffenen Feststellungen unzutreffend sei, dass sich der Beklagte zu 1) aufgrund des Schreibens vom 20.09.2007 mit Ablauf des 12.10.2007 in Verzug befunden habe, und darauf verweist, dass das im Prozess vorgelegte Schreiben (Anlage K 19) allein an die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 2) gerichtet sei, liegt darin bereits kein Bestreiten des Vortrags, dass auch der vormalige Beklagte zu 1) mit einem Schreiben vom 20.09.2007 angeschrieben wurde. Falls man darin doch ein entsprechendes Bestreiten sähe, wäre auch dieses verspätet, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO.
375
Eine rechtskräftige Abweisung des geltend gemachten Zinsanspruchs für den Zeitraum vor Rechtshängigkeit ist dem landgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen. Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 98.188,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 80.000 € zu bezahlen (Ziffer 3 des Tenors). Dass diesbezüglich der Ausspruch des Zinsbeginns fehlte, beinhaltet keine Klageabweisung, wie sich im Übrigen auch aus den Ausführungen auf Seite 65 des landgerichtlichen Urteils ergibt. Dies folgt sowohl aus dem einleitenden Satz, wonach die Klage auch in den Nebenforderungen begründet sei, als auch aus dem Umstand, dass das Landgericht darlegt, dass bezüglich des Betrages von 80.000,00 EUR mit Ablauf des 12.10.2007 Zahlungsverzug bestanden habe, und sodann die Zinsen aus dem darüber hinaus gehenden Betrag gesondert behandelt.
376
b. c) Hinsichtlich der Kapitalentschädigung im Rahmen des Schmerzensgelds und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren schulden die Beklagten zu 1) (ab dem 05.11.2008) und zu 2) (ab dem 14.08.2009) Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 288, 291 BGB. Soweit das Landgericht hinsichtlich des Beklagten zu 1) Zinsen bereits ab dem 31.10.2008 zugesprochen hat, verstieß dies gegen § 308 ZPO.
377
b. d) Auch hinsichtlich der Schmerzensgeldrente beruht der Zinsausspruch auf §§ 288, 291 BGB. Wenn die zugrunde liegende Hauptforderung nach Rechtshängigkeit fällig wird, wie es bei der hier zugesprochenen Schmerzensgeldrente der Fall ist, können Prozesszinsen erst von der Fälligkeit an gefordert werden, § 291 Satz 1, 2. Halbs. BGB. Zwar besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann kein Anspruch auf Prozesszinsen, wenn die Fälligkeit erst nach Beendigung der Rechtshängigkeit (etwa aufgrund rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens) eintritt (BGH, Urteil vom 4. April 2006 – X ZR 122/05 –, BGHZ 167, 139-150, juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 21. April 1971 – V C 45.69 –, BVerwGE 38, 49-54, juris Rn. 12). Mit der Verkündung des hiesigen Urteils tritt jedoch im Hinblick auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde keine Rechtskraft ein, § 544 Abs. 7 Satz 1 ZPO.
378
b. e) Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung (Beklagter zu 1)) bzw. die Beschränkung der Verurteilung auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung des Insolvenzschuldners gegen den Versicherer (Beklagter zu 2)) auch hinsichtlich der Zinsen wurde bereits unter I.4 bzw. I.5 des Tenors des Grund- und Endurteils des Oberlandesgerichts München vom 23.12.2020 bindend festgestellt.
379
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 100 ZPO.
380
a) Hinsichtlich der Kosten des hiesigen Berufungsverfahrens macht der Senat von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Gebrauch.
381
a. a) Dem liegt folgende Streitwertberechnung für das hiesige Berufungsverfahren zugrunde:
- Ziffer 1 des Urteils des LG vom 08.05.2018: 500.000,00 EUR
- Ziffer 2 des Urteils des LG vom 08.05.2018: 108.000,00 EUR
- Ziffer 3 des Urteils des LG vom 08.05.2018: 98.188,17 EUR
- Ziffer 4 des Urteils des LG vom 08.05.2018: 3.081.946,40 EUR
383
Die Streitwertberechnung weicht hinsichtlich der Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung einer Schmerzensgeldrente (Ziffer 2 des landgerichtlichen Urteils) von der Streitwertfestsetzung des Landgerichts ab, da insoweit § 9 ZPO iVm § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zur Anwendung kommt.
384
§ 42 Abs. 1 GKG in der vom 01.09.2009 bis 31.07.2013 gültigen Fassung ist nach § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht anwendbar, da das hiesige Berufungsverfahren nach der Streichung dieser Regelung anhängig gemacht wurde.
385
Bei der Berechnung nach § 9 ZPO iVm § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ist der bis zur Klageeinreichung rückständige Betrag hinzuzurechnen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 9 Rn. 5), so dass sich für die Berufung gegen Ziffer 2 folgende Berechnung ergibt: 30 (04/2006 – 09/2008) x 1.500,00 EUR + 42 x 1.500,00 EUR = 108.000,00 EUR
386
a. b) Der Kläger hat mit 375.000,00 EUR + 42 x 1.300,00 EUR + 20.030,59 EUR + 3.081.946,40 EUR = 3.531.576,99 EUR, d. h. 93% obsiegt.
387
a. c) Die Zuvielforderung des Klägers macht weniger als 10% aus, war damit verhältnismäßig geringfügig (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2019 – VIII ZR 12/18 –, juris Rn. 56) und hat auch nur verhältnismäßig geringfügig höhere Kosten verursacht (vgl. hierzu Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 92 Rn. 10). Hinsichtlich des Schmerzensgeldbetrages (Klageantrag I) und der Schmerzensgeldrente (Klageantrag II) ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Umstand, dass der Senat weniger als die vom Kläger genannten Mindestbeträge zugesprochen hat, ausschließlich auf der gerichtlichen Ermessensausübung beruhte (vgl. § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); die Mindestforderung des Klägers war auch nicht völlig übersetzt; der Kläger ist weder mit einem wesentlichen Bemessungsgesichtspunkt beweisfällig geblieben, noch hat diesbezüglich eine Einwendung des Beklagten durchgegriffen (vgl. auch Zöller/Herget aaO, § 253 Rn. 14). Insgesamt war es deshalb angemessen, die Kosten des hiesigen Berufungsverfahrens vollständig den Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldnern (§ 100 Abs. 4 ZPO) aufzuerlegen, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
388
b) Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren wie tenoriert zu verteilen.
389
b. a) Im Hinblick darauf, dass gemäß § 37 GKG das erstinstanzliche Verfahren nach Zurückverweisung mit dem früheren erstinstanzlichen Verfahren einen Rechtszug im Sinne des § 35 GKG bildet, mithin die Gerichtsgebühren nur einmal erhoben werden, und dass hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren bei Zurückverweisung die Anrechnungsvorschrift aus Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG gilt, erscheint es sachgerecht, für das „erste“ (zum Urteil vom 08.05.2018 führende) und das „zweite“ (zum Urteil vom 08.09.2011 führende) erstinstanzliche Verfahren eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen.
390
b. b) Die erstinstanzlichen Kosten sind unter Berücksichtigung des letztlichen Obsiegens und Unterliegens des Klägers und der Beklagten zu verteilen.
391
b. c) Der erstinstanzliche Streitwert errechnet sich wie folgt:
„Klageantrag zu I: 500.000,00 EUR
Klageantrag zu II: 135.000,00 EUR
Klageantrag zu III: 139.468,37 EUR Klageantrag zu IV: 3.081.946,40 EUR
Der Unterschied zu der Berechnung des Streitwerts der Schmerzensgeldrente im hiesigen Berufungsverfahren resultiert daraus, dass für das erstinstanzliche Verfahren gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG die Regelungen des § 42 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GKG in der vom 01.01.2008 bis 31.08.2009 gültigen Fassung Anwendung finden, da die Klage am 16.09.2008 eingereicht wurde.“
392
Es ergibt sich mithin folgende Berechnung: 30 (04/2006 – 09/2008) x 1.500,00 EUR + 60 x 1.500,00 EUR = 135.000,00 EUR
393
b. d) Die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) wurde rechtskräftig abgewiesen, insoweit ist der Kläger mithin unterlegen.
394
Dementsprechend wurden dem Kläger mit Urteil des Landgerichts vom 08.05.2018 die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) und 4) und je die Hälfte der Gerichtskosten und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten auferlegt. Soweit im Tenor des landgerichtlichen Urteils von den „Kosten des Rechtsstreits“ die Rede ist, sind offensichtlich nur die Gerichtskosten gemeint, da die außergerichtlichen Kosten gesondert tenoriert wurden.
395
b. e) Gegen die Beklagten zu 1) und 2) hat der Kläger letztlich mit 375.000,00 EUR + 60 x 1.300,00 EUR + 20.030,59 EUR + 3.081.946,40 EUR = 3.554.976,99 EUR, d. h. 92% obsiegt. Auch insoweit hält der Senat aufgrund der oben ausgeführten Erwägungen die Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für sachgerecht.
396
Den Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner waren daher die Hälfte der erstinstanzlichen Gerichtskosten und die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers für die erste Instanz aufzuerlegen.
397
c) Hinsichtlich der Kosten des „ersten“ Berufungsverfahrens (Az. 13 U 4138/11) war die Kostenverteilung wie tenoriert abzuändern.
398
c. a) Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Verfahren bilden das Berufungsverfahren, das zur Zurückverweisung führt, und das erneute Berufungsverfahren nach der Zurückverweisung kostenrechtlich keine Einheit (vgl. MüKoZPO/ Rimmelpacher, 6. Aufl. § 538 Rn. 88). Es gilt weder § 37 GKG noch Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG.
399
c. b) Der Streitwert des „ersten“ Berufungsverfahrens errechnet sich wie folgt:
- Klageantrag zu I: 500.000,00 EUR
- Klageantrag zu II: 135.000,00 EUR
- Klageantrag zu III: 139.468,37 EUR – Klageantrag zu IV: 3.081.946,40 EUR
Der Streitwert hinsichtlich der Berufung bezüglich Klageantrag zu II ergibt sich nunmehr aus § 42 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GKG in der vom 01.09.2009 bis 31.07.2013 gültigen Fassung, da die fragliche Berufung in diesem Zeitraum eingelegt wurde, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG.“
400
Der Unterschied zu der (abändernden) Streitwertfestsetzung mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 18.07.2018 ergibt sich aus der Berücksichtigung der bis zur Klageeinreichung fälligen Beträge der Schmerzensgeldrente sowie des Klageantrags zu III.
401
c. c) Die Klage gegen den Beklagten zu 4) wurde rechtskräftig abgewiesen.
402
c. d) Gegen die Beklagten zu 1) und 2) hat der Kläger ebenfalls mit 3.554.976,99 EUR, d. h. 92% obsiegt. Auch insoweit hält der Senat im Hinblick auf die verhältnismäßig geringe Zuvielforderung des Klägers und die hierdurch verursachten geringfügig höheren Kosten die Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für sachgerecht.
403
c. e) Im Hinblick auf den Umstand, dass an dem „ersten“ Berufungsverfahren nur mehr drei Beklagte beteiligt waren, hat der Kläger allerdings neben den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4) lediglich 1/3 der Gerichtskosten zu tragen; 2/3 der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner; im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
404
c. f) Der Umstand, dass der Kläger nach der Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts vom 08.05.2018 auch im Hinblick auf das „erste“ Berufungsverfahren die Hälfte der Gerichtskosten sowie seiner eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen hatte und gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Denn bei einer Änderung des Kostenausspruchs der unteren Instanz ist das Rechtsmittelgericht nicht an das Verbot der reformatio in peius gebunden (BGH, NJW 1993, 1260, 1261 unter IV. mwN; BGH, Urteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 35/79 –, juris Rn. 20; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 19. Aufl., ZPO § 308 Rn. 24).
405
d) Zur Klarstellung wurde die Kostenentscheidung vollständig neu gefasst.
406
2. Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 Abs. 1 ZPO zugunsten des Beklagten zu 1) war bezüglich der bis zum 22.09.2017 entstandenen Kosten aufzunehmen.
407
a) Der Beklagte zu 1) hat die Einrede mit Schriftsatz vom 31.01.2018 (Bl. 619 d.A.) ausdrücklich auch bezogen auf die Kosten erhoben.
408
b) Die Voraussetzung für die Aufnahme des Vorbehalts in den Entscheidungstenor ist erfüllt, da der nunmehrige Beklagte zu 1) als Erbe des vormaligen Beklagten zu 1) verurteilt wird. Eines darüber hinaus gehenden Sachvortrags oder einer gesonderten Begründung bedarf es nicht; denn auf die Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung erfüllt sind, kommt es im Erkenntnisverfahren nicht an (BGH, NJW-RR 2010, 664; BAG, NJW 2014, 413, 414).
409
c) Der Vorbehalt ist auch bezüglich der Kostenentscheidung aufzunehmen (vgl. BGH, 13 U 1972/18 – Seite 77 – NJW 1970, 1742). Denn wenn gegen den Erben eine Kostengrundentscheidung ergeht, kann er seine Haftung nur bei Vorliegen eines entsprechenden Vorbehalts auf den Nachlass beschränken (BAG, NJW 2014, 413, 414). Die Haftungsbeschränkung greift aber nur für die bis zum Eintritt des Erbfalls entstandenen Kosten. Denn die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass kann nur im Hinblick auf Nachlassverbindlichkeiten iSd § 1967 BGB eingreifen, nicht dagegen im Hinblick auf Eigenverbindlichkeiten des Erben und kommt daher den Erben nicht für die Kosten eigener Prozessführung zugute (BAG, NJW 2014, 413, 414).
410
3. Bezüglich der Kosten bis einschließlich des „zweiten“ landgerichtlichen Verfahrens war die Beschränkung der Verurteilung des Beklagten zu 2) auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer aufzunehmen, weil das landgerichtliche Urteil eine entsprechende Beschränkung enthält und der Kläger keine Berufung eingelegt hat. Hinsichtlich der Kosten des hiesigen Berufungsverfahrens war bezüglich des Beklagten zu 2) keine derartige Beschränkung aufzunehmen, da der Insolvenzverwalter, wenn er als Beklagter wie hier einen nach Verfahrenseröffnung gegen ihn begonnenen Passivprozess um ein Absonderungsrecht führt, hinsichtlich der ihn treffenden Kostenhaftung eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet (MüKoInsO/Hefermehl, 4. Aufl., InsO § 55 Rn. 42). Für die Kosten haftet, soweit sie nicht nach § 101 VVG von der Entschädigungsforderung gedeckt sind, daher die Insolvenzmasse.
411
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
412
5. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH ergangen ist.