Titel:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Wohnungseigentümerversammlung, Stimmrechtsausschluss, Bauträger, Vertretung widerstreitender Interessen, Stimmrechtsverbot, Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, Eigentümerversammlung, Miteigentümer, Streitwertfestsetzung, Beschlußfassung, Elektronisches Dokument, Rechtsschutzbedürfnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Anwaltsvertrag, für Rechtsanwalt, Rechtsanwaltes, Anderer Rechtsanwalt, Beauftragung eines Rechtsanwalts, Beauftragter Rechtsanwalt
Schlagworte:
Zuständigkeit des Amtsgerichts, Rechtsschutzbedürfnis, Materielle Ausschlussfristen, Nichtigkeit des Beschlusses, Verstoß gegen Stimmrechtsverbot, Interessenkollision, Ordnungsgemäße Verwaltung
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Beschluss vom 15.11.2022 – 36 S 5288/22 WEG
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44810
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 13.313,54 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Gültigkeit eines Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
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Die Klägerin ist als Eigentümerin der Wohneinheiten 22 und 23 im 5. OG des Gebäudes sowie von 5 Tiefgaragenstellplätzen mit einem Anteil von insgesamt 145, 14/1000 Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird. Die Anlage besteht aus 23 Wohneinheiten sowie 43 Tiefgaragenstellplätzen. Mitglieder der Beklagten sind unter anderem auch die Eheleute … einerseits und deren Sohn … andererseits.
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Die Rechtsbeziehungen innerhalb der WEG sind im Wesentlichen geregelt durch die als Anlage K1 vorgelegte Teilungserklärung vom 28.05.2013.
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Die Wohnanlage wurde von der … als Bauträgerin errichtet. Geschäftsführer der … sind … und …, Gesellschafter sind … führer wiederum … und … sind und deren Gesellschafter neben … weitere Abkömmlinge der Familien … und … sind.
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Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Wohnanlage errichtet wurde, war die … die von der einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin … vertreten wird. Einzelprokura ist … erteilt. Gesellschafter der … sind …. Auf der Webseite der … wird die streitgegenständliche Wohnanlage als eigenes Projekt vorgestellt. … treten (meist) als Vertreter der Bauträgerin auf.
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Die Klägerin befindet sich vor dem Landgericht München I in Rechtsstreitigkeiten, in denen unter anderem darum gestritten wird, ob die errichtete Immobilie mangelbehaftet errichtet wurde.
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In diesem Zusammenhang kontaktierte die Klägerin mehrfach die Verwalterin. Herr Rechtsanwalt … richtete als Vertreter der Beklagten Schreiben an die Klägerin.
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In der Eigentümerversammlung vom 19.12.2019 wurde beschlossen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum an sich zieht und die Verwalterin das Ingenieurbüro … sowie das Sachverständigenbüro … mit der Aufnahme der bestehenden Mängel beauftragen soll. Beim Ortstermin vom 10.11.2020 nahmen … als Vertreter der Im. … teil. Das Gutachten vom 15.02.2021 verweist auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, die von der Verwalterin ohne entsprechenden Beschluss der Eigentümerversammlung trotz bevorstehender Verjährung nicht in Auftrag gegeben wurden.
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In der Eigentümerversammlung vom 29.07.2021 wurden unter TOP 3, jeweils unterteilt in die Mängelkategorien 3A (anerkannte Menge), 3B (abgelehnte Mängel) und 3C (weitere Mängel) folgende nicht streitgegenständliche Beschlüsse gefasst:
„1. Die WEG beauftragt den unter TOP 4 ausgewählten Rechtsanwalt mit der Geltendmachung aller Gewährleistungsansprüche der WEG, wie sie sich aus dem Gutachten der Sachverständigen … und … ergeben, gegen die … und ggf. weitere Beteiligte.
2. Sofern bis zum 16.08.2021 eine unbedingte und unwiderrufliche Verzichtserklärung der … auf die Einrede der Verjährung für sämtliche sich aus den Gutachten der Sachverständigen … und … ergebenen Mängel vorliegt, die mindestens bis zum 31.12.2021 wirkt, soll zunächst noch keine Klage eingereicht werden. Stattdessen soll der beauftragte Rechtsanwalt Verhandlungen über eine dauerhafte Verzichtserklärung/Vergleichsvereinbarung aufnehmen.
3. Die Sachverständigen … und … werden beauftragt, ergänzend zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Mängel unte wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach ihrer Auffassung nicht weitergehend untersucht werden sollen und warum.
4. Die Hausverwaltung wird beauftragt, unverzüglich und vor Ablauf der Verjährungsfrist zu prüfen, ob ergänzende Gewährleistungsansprüche im Interesse der WEG festgestellt werden sollten.
5. Die Hausverwaltung wird beauftragt, unverzüglich die nächste außerordentliche Wohnungseigentümerversammlung vorzubereiten. Diese ist am 20.09.2021 durchzuführen.“
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Unter TOP 4 wurde mehrheitlich folgender streitgegenständliche Beschluss gefasst:
„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, als anwaltliche Vertretung der unter TOP 3A, 3B und 3C beschlossenen Punkte die Anwaltskanzlei … zu beauftragen. Die Verwaltung wird angewiesen und ermächtigt, unverzüglich einen entsprechenden Anwaltsvertrag mit Stundenhonorarvereinbarung abzuschließen.“
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Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe, vertreten durch die Verwalterin, Rechtsanwalt … bereits vor Fassung des streitgegenständlichen Beschlusses mit der Wahrnehmung teressen der Beklagten gegen sie (die Klägerin) beauftragt, sodass der entsprechende Anwaltsvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gemäß § 134 BGB nichtig wäre.
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Bei der Abstimmung hätten 2 Mitglieder der Beklagten, … sowie …ger, auch als Vertretung anderer Mitglieder der Beklagten mitgewirkt, obwohl diese wegen eines Interessenkonflikts einem Stimmrechtsverbot unterlegen hätten. Ohne die Stimmen von … und … sowie den von diesen vertretenen weiteren Mitgliedern wäre der Beschluss zu TOP 4 nicht zustande gekommen.
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… hätten faktisch die Geschäfte der … geführt und alle Entscheidungen getroffen.
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Mit am 30.08.2021 beim Amtsgericht München eingegangenen und der Verwalterin am 23.09.2021 zugestellten Schriftsatz hat die Klägerin Anfechtungsklage eingereicht und zugleich begründet.
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Die Klägerin beantragt:
Der in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … vom 29.07.2021 unter „TOP 4 Ablauf der Gewährleistung des Gemeinschaftseigentums – Beauftragung einer Anwaltskanzlei für die Vertretung der WEG zu den TOP 3A, 3B und 3C“ gefasste Beschluss „…“ wird für nichtig bzw. ungültig erklärt.
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Die Beklagte beantragt
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Sie ist der Auffassung, aufgrund der Bestandskraft der zu TOP 3A, 3B und 3C gefassten Beschlüsse fehle der Klage das Rechtsschutzbedürfnis.
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Ein Interessenskonflikt für Rechtsanwalt … bestehe nicht, da dieser stets mit der Gewährleistungsverfolgung gegenüber der Bauträgerin beauftragt gewesen sei. Zum Teil sei zu diesem Zweck ein Einwirken auf die Klägerin erforderlich gewesen, da diese wiederholt keinen Zutritt zu ihren Sondereigentumseinheiten gewährt habe, um eine Überprüfung von Mängelbehauptungen und eine Beseitigung etwaiger Mängel zu ermöglichen.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 14.03.2022 (Bl. 73/75 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I. Das Amtsgericht München ist als Wohnungseigentumsgericht gemäß §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
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II. Der Klägerin kann das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage nicht abgesprochen werden. Sie wendet sich mit ihrer Klage nicht gegen die Beschlussfassungen zu TOP 3a bis 3c vom 29.07.2021. Der streitgegenständliche Beschluss hat zu diesen Beschlussfassungen einen anderen Regelungsgegenstand. Die Klägerin erhebt insofern den Einwand, es habe ein anderer Rechtsanwalt als Rechtsanwalt … beauftragt werden müssen.
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Die Klage ist jedoch unbegründet.
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I. Die materiellen Ausschlussfristen des § 45 Satz 1 WEG wurden eingehalten.
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II. Der angegriffene Beschluss ist weder nichtig, noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 S. 1 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung.
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1. Der zu TOP 4 gefasste Beschluss vom 29.07.2021 ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB nichtig.
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Der Vertrag mit Rechtsanwalt … über die anwaltliche Vertretung der WEG mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüche der WEG gegen die Bauträgerin ist nicht aufgrund von Interessenkollision unwirksam. Zwar darf ein Rechtsanwalt gem. § 43 a Abs. 4 BRAO keine widerstreitenden Interessen vertreten. Dabei ist nicht auf die Person der Partei abzustellen. Vielmehr hat das Verbot der Tätigkeit in widerstreitenden Interessen als Ausgangspunkt „dieselbe Rechtssache“. Der Begriff stammt aus § 356 StGB. Maßgeblich ist die (Teil)Identität zumindest zweier Rechtssachen. Sie bestimmt sich nach dem sachlich-rechtlichen Inhalt des Anwaltsmandats. Das setzt Nicht-Identität der geltend gemachten Ansprüche voraus; maßgebend ist das der Rechtssache zugrunde liegende einheitliche Lebensverhältnis. Auf die beteiligten Personen kommt es ebenso wenig an, wenn nur das Lebensverhältnis einheitlich bleibt (Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 3 BORA Rn. 5).
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Rechtsanwalt … hat zwar im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Bauträgerin auch Schreiben an die Klägerin gerichtet. Ein einheitliches Lebensverhältnis kann damit angenommen werden. Gleichwohl ist eine Vertretung widerstreitender Interessen nicht feststellbar, da Rechtsanwalt … stets nur für die Gemeinschaft, nicht aber für die Bauträgerin, tätig wurde. Er hat somit stets nur die Interessen der Gemeinschaft wahrgenommen, wenn auch gegenüber verschiedenen in Betracht kommenden Gegnern.
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Die von der Klägerin gegenüber der Hausverwaltung der Beklagten gerügten Mängel wurden außergerichtlich an die Bauträgerin herangetragen. Soweit diese etwaige Ansprüche zurückwies, hat Rechtsanwalt … diese Einwendungen an die Klägerin weitergegeben, teilweise unter dem Vorwurf gegenüber der Klägerin, diese sei selbst für etwaige Mängel verantwortlich. Im Interesse der Gemeinschaft galt es, die Einwendungen der Bauträgerin zu überprüfen und vor einer etwaigen Geltendmachung den dafür Verantwortlichen zu ermitteln. Wenn man in den Schreiben des Rechtsanwalts … die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Klägerin sieht, stellt die nunmehrige Beauftragung gegenüber der Bauträgerin aber keine Vertretung widerstreitender Interessen dar. Insoweit wurde immer nur das Interesse der Beklagten wahrgenommen, wenn auch gegenüber unterschiedlichen Gegnern.
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Aufgrund dessen ist die zu TOP 4 vom 29.07.2021 beschlossene Beauftragung des Rechtsanwalts … nicht wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 43 a Abs. 4 BRAO für ungültig zu erklären.
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Der beschlossene Vertragsabschluss ist nicht gem. § 134 BGB nichtig, so dass der gefasste Beschluss aus diesem Grund nicht für ungültig zu erklären ist.
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2. Der streitgegenständliche Beschluss widerspricht auch nicht wegen Verstoßes gegen das Stimmrechtsverbot gemäß § 25 Abs. 4 WEG analog ordnungsgemäßer Verwaltung.
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Ein vom Stimmrecht ausgeschlossener Miteigentümer darf nicht auf die Beschlussfassung Einfluss nehmen, sodass er auch nicht Stimmrechtsvollmachten anderer Eigentümer ausüben darf (vgl. BeckOK WEG/Bartholome, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 25 Rn. 122 m.w.N.).
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Dies ist vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich, denn die an der Abstimmung – auch als Vertreter anderer Eigentümer – teilnehmenden Miteigentümer … und … unterlagen keinem Stimmrechtsverbot gem. § 25 Abs. 4 WEG (analog). Da die streitgegenständliche Beschlussfassung nicht die Einleitung eines Rechtsstreits gegen die Miteigentümer … zum Gegenstand hat, ist § 25 Abs. 4 WEG nicht direkt anwendbar.
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Es ist jedoch anerkannt, dass ein Wohnungseigentümer entsprechend § 25 Abs. 4 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen (Personen-)Gesellschaft oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen eine rechtsfähige Gesellschaft nicht stimmberechtigt ist, wenn er an dieser mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist. Umstritten ist, ob die Vorschrift auch in anderen Fällen entsprechend anwendbar ist, etwa wenn der Wohnungseigentümer zwar Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft, an ihr aber nicht oder nicht mehrheitlich beteiligt ist oder wenn er an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt ist, ohne Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter zu sein.
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Bei der entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 4 WEG ist allerdings Zurückhaltung geboten. Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer gehört zu dem Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte. Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der Gemeinschaftsangelegenheiten bildet, darf es nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. § 25 Abs. 4 WEG sieht als Sondervorschrift zu § 181 BGB keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss im Fall von Interessenkonflikten vor, sondern beschränkt den Ausschluss des Stimmrechts auf bestimmte Fälle schwerwiegender Interessenkollisionen, in denen die – sonst legitime – Verfolgung privater Sonderinteressen bei der Willensbildung der Wohnungseigentümer nicht mehr hinnehmbar erscheint (vgl. BGH vom 13.01.2017, V ZR 138/16, ZWE 2017, 220 mit Verweis auf Senat, BGHZ 152, 46, 57 f. und ZflR 2014, 332 Rn. 10).
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Als entscheidend wird angesehen, ob sich der Wohnungseigentümer bei wirtschaftlicher Betrachtung in demselben Interessenkonflikt befindet, der bestünde, wenn er selbst Vertragspartner bzw. Prozessgegner der Wohnungseigentümergemeinschaft werden sollte. Dies wird angenommen, wenn der Wohnungseigentümer Alleingesellschafter der Gesellschaft ist oder wenn er diese beherrscht (vgl. BGH vom 13.01.2017, V ZR 138/16, ZWE 2017, 220 m.w.N.).
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Unterhalb dieser Schwelle kann grundsätzlich auf die im Gesellschaftsrecht entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Allerdings ist bei der Übertragung dieser Grundsätze auf das Wohnungseigentumsrecht zum einen zu berücksichtigen, dass es hier nicht nur um die Wahrnehmung von Mitwirkungsrechten in einem Verband, sondern um die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geht und auch deshalb Zurückhaltung bei der Annahme eines Stimmverbots geboten ist. Zu bedenken ist zum anderen, dass der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft das Vorliegen von Stimmverboten bei der Verkündung der von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüsse beurteilen und darüber bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses entscheiden muss. Er wird aber nach Funktion und Möglichkeiten regelmäßig keine offene und umfassende Abwägung vornehmen können, sondern auf möglichst klare und einfach festzustellende Kriterien angewiesen sein (vgl. BGH a.a.O.).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe unterlagen … und … keinem Stimmrechtsverbot gem. § 25 Abs. 4 2. Alt. WEG. Zum einen hat die streitgegenständliche Beschlussfassung lediglich eine Anwaltsbeauftragung zum Gegenstand, und damit allenfalls mittelbar einen Bezug zur Einleitung eines Rechtsstreits gegen die Bauträgerin, mit der … und … verflochten sein sollen. Zum anderen sind die Miteigentümer … weder (Mehrheits-)Gesellschafter noch Geschäftsführer der Bauträgerin. Gesellschafter und Geschäftsführer der Bauträgerin sind ausschließlich Mitglieder der Familien … und … Eine unmittelbare wirtschaftliche Verflechtung mit dieser wurde von der Klägerin nicht dargelegt. Eine persönliche Nähe zwischen Miteigentümer und Gesellschaft wird dabei nicht als ausreichend angesehen (vgl. BGH a.a.O.).
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Selbst wenn … und … faktisch die Geschäfte der Bauträgerin führen, kann dies vorliege nicht zu einem Stimmrechtsausschluss führen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Miteigentümer … mit der Bauträgerin wirtschaftlich so eng verbunden sind, dass ihr persönliches Interesse mit dem der Bauträgerin „völlig gleichgesetzt“ werden kann. Als Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist der Wohnungseigentümer verpflichtet, in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren und nicht den eigenen Vorteil zu suchen (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Die Wahrnehmung des Gesellschaftsinteresses wird jedenfalls durch seine Mehrheitsbeteiligung auch zu seinem eigenen Interesse, was eine Gleichsetzung beider Interessen und damit die Anwendung des Stimmrechtsausschlusses rechtfertigt (vgl. BGH a.a.O.). Diese Kriterien sind vorliegend nicht erfüllt.
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Außerdem ist die Verwaltung – wie dargelegt – darauf angewiesen, anhand möglichst klarer und einfach festzustellender Kriterien einen Stimmrechtsausschluss feststellen zu können. Allein die Vertretung einer Gesellschaft durch Miteigentümer, ohne im Handelsregister eingetragener Gesellschafter oder Geschäftsführer zu sein, kann einen Stimmrechtsausschluss aber nicht rechtfertigen. Denn ohne objektive Anknüpfungspunkte wie Eintragungen im Handelsregister ist nicht feststellbar, ob die Gefahr besteht, dass sich ein Miteigentümer bei der Abstimmung über einen Vertrag oder die Einleitung/Erledigung eines Rechtsstreits von dem Interesse der Gesellschaft bestimmen lässt und das Gemeinschaftsinteresse aus dem Blick nimmt.
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Selbst bei Annahme der faktischen Geschäftsführertätigkeit durch die Miteigentümer … ist ein Stimmrechtsausschluss damit vorliegend nicht gerechtfertigt. Ihre sowie die Stimmen der durch sie vertretenen Miteigentümer durften damit bei der Bestimmung des Abstimmungsergebnisses mitgezählt werden.
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Der zu TOP 4 vom 29.07.2021 verkündete Beschluss entspricht damit ordnungsgemäßer Verwalterung, so dass die Klage abzuweisen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.
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Der Streitwert wird gem. §§ 63 Abs. 2, 49 GKG festgesetzt. Gem. § 49 GKG wird der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festgesetzt. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht überschreiten.
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Streitgegenständlich ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts, so dass sich der Streitwert an den geschuldeten Gebühren orientieren wird. Das Gesamthonorar ist aufgrund der Honorarvereinbarung vorab nicht feststellbar, so dass auf die gesetzlichen Gebühren zurückgegriffen werden kann. Unter Zugrundelegung eines geschätzten Gegenstandswerts von 500.000,00 € sowie der Beauftragung mit einem außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehen, stehen Kosten in Höhe von 13.313,54 € im Raum, die das Gesamtinteresse darstellen. Der siebeneinhalbfache Wert des Klägerinteresses übersteigt diesen Betrag und ist daher für die Streitwertfestsetzung nicht maßgeblich.