Titel:
Baugenehmigung für Errichtung einer Wetterschutzüberdachung
Normenketten:
BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, S. 3, Abs. 2 S. 1, S. 2, Abs. 3 S. 1
BayBauO Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 lit. g, Art. 59 S. 1 Nr. 1 lit. c, Nr. 3, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 222 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 42 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine bauliche Anlage iSd Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayBauO liegt vor, wenn die Anlage wegen ihres natürlichen Gewichts unverrückbar auf dem Boden haftet und kraft ihrer eigenen Schwere im unzerlegten Zustand ohne Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel nicht fortbewegt werden kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zum Wesen einer Markise gehört ihre weitgehende Beweglichkeit; sie muss „aufrollbar” sein oder wie ein „Vorhang” funktionieren. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Ensemble ist wie ein Einzeldenkmal, allerdings vorrangig hinsichtlich seines Erscheinungsbildes, vor – selbst geringfügigen – von außen sichtbaren Änderungen, die den bestehenden Zustand betreffen, geschützt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Beeinträchtigung iSd Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayDSchG liegt nicht nur dann vor, wenn ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird; vielmehr soll über Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayDSchG gewährleistet werden, dass die jeweilige besondere Wirkung des in der Nähe befindlichen Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeugnis der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, nicht geschmälert wird. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auslegung als Verpflichtungsklage, erfolglose Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für freistehende Markisenanlage/Wetterschutzüberdachung, historische Altstadt, entgegenstehende Belange des Denkmalschutzes – Ensemble, Einzelbaudenkmäler -, Versagungsermessen, kein Anspruch, da keine Ermessensreduktion auf Null, analoge Anwendung einer Vorschrift der Baugestaltungssatzung der Beklagten über Markisenanlagen, kein Anspruch auf Neuverbescheidung (Hilfsantrag), Baugenehmigung, bauliche Anlage, Markise, Wetterschutzüberdachung, Denkmalschutz, Ensemble, Einzeldenkmal, Beeinträchtigung, Ermesssensreduktion
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44728
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleiche Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Wetterschutzüberdachung auf der Freischankfläche ihres Betriebes.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens …, FlNr. …, Gemarkung … (Vorhabengrundstück) in der … Sie betreibt dort das Hotel und Restaurant „…“ mit Außenbewirtung. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich der Baugestaltungssatzung vom 5. April 2011 der Beklagten und des Bebauungsplanes …, …, der Beklagten, bekanntgemacht am 1. August 2007, der Regelungen zur Art der baulichen Nutzung enthält.
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Nach § 1 Abs. 3 der Baugestaltungssatzung gilt diese für alle baulichen Anlagen im Geltungsbereich, unabhängig vom Bestehen einer Genehmigungspflicht. Gemäß § 2 der Baugestaltungssatzung sind bauliche Anlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzubilden und unter Beachtung der Ortsüblichkeit so zu gestalten, dass sie nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sind, dass sie nicht verunstaltend wirken und sich insbesondere in das gewachsene Ortsbild harmonisch einfügen (Art. 8 Satz 1 und 2 BayBO). Die Festlegungen in den nachfolgenden Vorschriften seien zu beachten. § 5 Abs. 2 der Baugestaltungssatzung bestimmt, dass Dachflächen mit naturroten Ton-Biberschwanzziegeln einzudecken sind. § 7 der Baugestaltungssatzung bestimmt in Abs. 1 die Unzulässigkeit von Markisen jeglicher Art, die Absätze 2 bis 4 regeln die Möglichkeit der Abweichung sowie Einzelheiten zu Art und Anbringung von Markisen. § 14 der Baugestaltungssatzung regelt, unter welchen Voraussetzungen Abweichungen zulässig sind.
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Mit Antrag vom 14. Juni 2021 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Genehmigung für die Aufstellung einer Wetterschutzüberdachung sowie von zwei Schirmen (Maße 4 x 4 m) auf der Freischankfläche des Vorhabengrundstückes. Bei der Wetterschutzüberdachung handele es sich um eine mobile Markisenanlage der Firma … mit den Maßen 12 m x 7,50 m. Die Anlage sei mobil verbaut und lediglich mit Schrauben an den einzementierten Bodenhülsen befestigt. Es könne nicht von einem festen Bau vergleichbar etwa einem Wintergarten gesprochen werden. Vielmehr könne das komplette System kurzfristig jederzeit wieder abgebaut werden. Die vier Markisenmodule ließen sich einzeln ein- und ausfahren. Die Anlage bestehe aus drei Säulen, welche durch einen Träger miteinander verbunden seien. An diesem Träger seien die vier Kassetten befestigt, aus denen die Sonnenschutzbahnen an der Seite ausgefahren würden. Im aufgerollten Zustand sei die Anlage kaum wahrnehmbar. Die Farbauswahl (laut beiliegender Illustration ein Braunton) habe sich an den Umgebungsfarben der Altstadt orientiert.
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Das von der Beklagten beteiligte Bayerische Landesamt für Denkmalpflege teilte mit, dass mit Blick auf die …, die verdeckt werde, und den malerischen Wert der gesamten Situation eine freistehende Markisenanlage, von der Wirkungen wie von einem Gebäude ausgingen, auf jeden Fall abzulehnen sei. Auch würden die benötigten Fundamente einen erheblichen Eingriff in den Boden bedeuten.
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Mit Bescheid vom 17. September 2021 lehnte die Beklagte den Antrag auf Errichtung der begehrten Wetterschutzüberdachung auf der Freischankfläche des Vorhabengrundstückes ab. Der Bescheid wurde der Klägerin am selben Tag per Empfangsbekenntnis zugestellt. Wann den Bevollmächtigten der Bescheid zuging, ist unklar.
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Die Beklagte führte im Bescheid vom 17. September 2021 aus, dass die beantragte Genehmigung für die genehmigungspflichtige Wetterschutzüberdachung, für die auch keine Verfahrensfreiheit, Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BayBO, vorliege, nicht erteilt werden könne. Das Vorhaben verstoße gegen Bauplanungsrecht, da es das Ortsbild beeinträchtige, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Was das Bauordnungsrecht angehe, gingen von der Wetterschutzüberdachung im ausgefahrenen Zustand Wirkungen wie von einem Gebäude aus. Bei einer Überdeckung von 90 m2 und dem sich ergebenden Zeltdach könne nicht mehr von einer geringfügigen bzw. untergeordneten baulichen Anlage ausgegangen werden. Dem Vorhaben stünden zudem denkmalschutzrechtliche Belange sowie die Baugestaltungssatzung entgegen. Das Anwesen der Klägerin, …, sei als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Die Freischankfläche liege auch in direktem Umgriff weiterer eingetragener Einzelbaudenkmäler wie dem Einzelbaudenkmal … mit Resten der sog. …kapelle. Es handele sich um eine Örtlichkeit mit herausragender ortsbildprägender Wirkung, welche durch den … und die diesen umgebenden bedeutenden Einzelbaudenkmäler geprägt würde. Zudem liege das Anwesen im Ensemble Altstadt … Bei Errichtung der Wetterschutzüberdachung komme es zu einer erheblichen Störung der Gesamtansicht. Zwar würden auch die vorhandenen Einzelschirme eine Störung der Gesamtansicht bewirken, dies könne aber hingenommen werden, da diese als Sonnenschirme und nicht als bauliche Anlagen wahrgenommen würden. Sowohl auf privaten als auch auf öffentlichem Grund, der gastronomisch genutzt werde, seien Sonnenschirme mit hellem Farbton ohne Werbeaufdrucke nach Absprache mit der Beklagten zulässig. Bei Genehmigung der Wetterschutzüberdachung wäre dies die erste ihrer Art. Folgeanträge könnten nur schwerlich abgelehnt werden. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass die Wetterschutzüberdachung ganzjährig ausgefahren bleibe. Gerade auch im Winter könne man die Überdachung als Schutzdach nutzen und für die Erwärmung Heizgeräte aufstellen. Auch das Bayerische Landesamt für Denkmalschutz lehne die Wetterschutzüberdachung mit Blick auf die …kapelle und den malerischen Wert der gesamten Situation ab. Insgesamt sprächen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 DSchG.
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Zudem könnten die nach § 2 und § 5 Abs. 5 der Baugestaltungssatzung erforderlichen Abweichungen nicht erteilt werden. In einer Abwägung der Belange der Beklagten an der Erhaltung des denkmal- und satzungsgeschützten Erscheinungsbildes der Altstadt und der Belange der Klägerin an einer Genehmigung, überwiegen die Belange der Beklagten, zumal die Klägerin den erstrebten Sonnenschutz auch durch das Aufstellen von Sonnenschirmen, die keine baulichen Anlagen seien, erreichen könne. Hilfsweise sei anzumerken, dass die Wetterschutzüberdachung auch als Markise eingestuft werden könne, auch wenn sie nicht an einem bestehenden Gebäude angebracht sei. Diese seien nach § 7 der Baugestaltungssatzung unzulässig. Zwar können im Wege der Abweichung gemäß § 14 Baugestaltungssatzung Markisen an Schaufenstern unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden. Bei Anwendung dieser Grundsätze seien keinerlei Gesichtspunkte erkennbar, welche eine Genehmigung von vier Einzelmarkisen, getragen durch ein eigenes Metallgestell, rechtfertigen.
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Die Klägerin erhob mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2021 „Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.09.2021“. Eine explizite Antragstellung erfolgte mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021. Die Klägerseite führte zur Klagebegründung im Wesentlichen aus, dass die Wetterschutzüberdachung keineswegs gegen Bauordnungsrecht verstoße. Von der Wetterschutzüberdachung gingen keine gebäudegleichen Wirkungen aus. Die Beklagte lasse außer Acht, dass die Freischankfläche höher liege als der umliegende öffentliche Raum. Auch die Einfassung durch eine Natursteinmauer trage dazu bei, dass von außen nicht wahrnehmbar sei, ob es sich um einen Sonnenschirm oder eine Wetterschutzüberdachung handele. Von Sonnenschirmen ginge keine gebäudegleiche Wirkung aus. Überdies fänden sich auf der Freischankfläche mehrere hohe Bäume, die in der relevanten Jahreszeit (Frühjahr, Sommer) belaubt seien und die Wetterschutzüberdachung teilweise verdecken würden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Vorhaben zu einer erheblichen Störung der Gesamtansicht führen könne und der Blick auf die …kapelle verdeckt werde. Zudem nehme der Bescheid eine gebäudegleiche Wirkung nur im ausgefahrenen Zustand an. Somit nehme selbst die Beklagte im eingefahrenen Zustand keine gebäudegleiche Wirkung an. Wenn die Beklagte weiter ausführe, dass zu befürchten sei, dass die Wetterschutzüberdachung dauerhaft ausgefahren bleibe, so hätte sie die Nutzung durch Auflagen einschränken können. Daher sei die Begründung der Beklagten ermessensfehlerhaft. Eine Genehmigung unter Auflagen wäre das mildere Mittel gewesen. § 2 der Baugestaltungssatzung finde mangels gebäudegleicher Wirkung keine Anwendung. Selbst bei Annahme einer gebäudegleichen Wirkung hätte die Beklagte bei der Prüfung einer Abweichung von § 2 der Gestaltungssatzung die Besonderheiten des Einzelfalles, namentlich die Lage der Freischankfläche (erhöht, von Natursteinmauer umgeben, Bäume) berücksichtigen müssen. Die Erteilung einer Genehmigung hätte damit auch nicht dazu geführt, dass Folgeanträgen anderer Grundstückseigentümer auch hätte stattgegeben werden müssen. Fehlerhaft sei auch die Annahme, dass das Ziel der Klägerin auch durch Einzelschirme zu erreichen gewesen wäre. Ziel sei nicht nur Sonnenschutz, sondern auch Schutz vor Regen, was aufgrund der erforderlichen Tischabstände und des Materials durch Sonnenschirme nicht erreicht werden könne. Eine Abweichung von § 5 Abs. 2 der Baugestaltungssatzung sei nicht erforderlich, da es sich bei den Flächen der Wetterschutzüberdachung nicht um Dachflächen i.S.d. § 5 der Baugestaltungssatzung handele. Vielmehr läge eine entsprechende Anwendung der Verwaltungsrichtlinie für Sonnenschirme nahe. Ebenso sei ein Verstoß gegen Denkmalschutzrecht nicht gegeben. Auch bei der Prüfung des Art. 6 BayDSchG seien die besonderen Gegebenheiten des Grundstückes nicht berücksichtigt worden. Zudem sei nicht dezidiert ausgeführt worden, von welchem Standpunkt aus das Vorhaben wie wahrnehmbar sei. Überdies sei zu bezweifeln, dass der Unterschied einer durchgehenden Wetterschutzüberdachung zu mehreren Einzelschirmen ins Gewicht falle, zumal am Rand der Terrasse weiterhin mit Punktschirmen gearbeitet werde. Im Bereich der Freischankfläche würden die Bäume und die relativ hohe Umgebungsbebauung dominieren. Weder die bereits vorhandenen Sonnenschirme noch das beantragte Vorhaben trete in den Vordergrund. Bei dem Vorhaben handele es sich nicht um Markisen i.S.d. Baugestaltungssatzung, da hier eine freistehende Konstruktion vorliege, die Schutz gegen unterschiedliche Witterungsverhältnisse biete. § 7 der Baugestaltungssatzung weise dagegen einen Bezug zu Gebäuden bzw. Gebäudefassaden auf.
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Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 17. September 2021 der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung einer Wetterschutzüberdachung am klagegegenständlichen Grundstück zu erteilen, hilfsweise, den Bauantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, und führte zur Begründung ergänzend zu den Bescheidsausführungen im Wesentlichen aus, dass sich die Wetterschutzüberdachung gerade in herausgehobener, exponierter Lage erhöht zum stark frequentierten … befinde. Die Freischankfläche befinde sich geradezu auf dem „Präsentierteller“ und sei ungeachtet der Bäume aus dem gesamten Umfeld des … und der Top-Sehenswürdigkeit …Kirche für alle Besucher weithin wahrnehmbar. Festzuhalten sei zudem, dass es sich hier um ein besonders hochwertiges, mit einer Vielzahl sehr hochrangiger Einzelbaudenkmäler versehenes Umfeld handele, das insbesondere auch nachhaltig die Ensemblestruktur der Altstadt mitpräge. Überdies sei, wie auch in der Vergangenheit, Witterungsschutz durch die Verwendung von Einzelschirmen gegeben. Dass dies ggf. personell aufwändiger sei, sei angesichts des deutlich intensiveren Eingriffs durch das beantragte Vorhaben hinzunehmen. Des Weiteren füge sich die bauliche Anlage nach ihrer Art nicht in die nähere Umgebung ein. Im gesamten Altstadtbereich bestehe auf öffentlich einsehbarer Fläche keine einzige vergleichbare Anlage. Das Vorhaben sei zur Vermeidung von Bezugsfällen abzulehnen. Zu der vorgetragenen Möglichkeit der Erteilung einer Abweichung unter Auflagen sei anzumerken, dass eine Nutzungsbeschränkung mittels Auflagen dem Schutzziel nicht Rechnung tragen könne. Entgegen dem Vorbringen der Klägerseite seien Ermessensfehler bei der Entscheidung der Beklagten nicht gegeben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Unterlagen zur Baugestaltungssatzung, die beigezogenen Bebauungsplanunterlagen sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung mit Augenscheinnahme vom 27. Oktober 2022 samt Lichtbildern verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde fristgerecht innerhalb der einmonatigen Klagefrist Klage erhoben. Ob der Bescheid zwingend an die Klägerbevollmächtigten zuzustellen war, Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, oder aber der Behörde ein Wahlrecht zugestanden hat, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, da ihr die Vollmacht nur per Email vom 12. August 2021 übersandt worden ist, kann offenbleiben. Selbst wenn man auf den frühesten Zeitpunkt der Zustellung bereits am 17. September 2021 an die Klägerin abstellt, wurde die Klage, die am 18. Oktober 2021 hier einging, fristgerecht innerhalb der Monatsfrist, § 74 Abs. 1, 2 VwGO, erhoben. Da es sich bei dem 17. Oktober 2021 um einen Sonntag handelte, verschob sich das Fristende auf den 18. Oktober 2021, so dass noch am 18. Oktober 2021 fristgerecht Klage erhoben werden konnte, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB.
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Auch wurde fristgerecht eine Verpflichtungsklage erhoben. Innerhalb der Klagefrist wurde mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2021 nach dem Wortlaut der Klageschrift nur „Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.09.2021“ erhoben, eine ausdrückliche Antragstellung fehlte. Dennoch ist dies unter sachgerechter Auslegung des Gemeinten, § 88 VwGO, dahingehend auszulegen, dass die Klägerin fristgerecht nicht nur die Anfechtung begehrt hat, sondern eine Verpflichtungsklage erhoben hat. Die gewählte Formulierung führt nicht zwingend zur Auslegung einer reinen Anfechtungsklage, auch wenn bei anwaltlicher Vertretung strengere Maßstäbe anzusetzen sind. Allein statthaft ist in der vorliegenden Situation die Verpflichtungsklage; diese ist als gewollt anzusehen.
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2. Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Diese hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung. Auch der Hilfsantrag auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat keinen Erfolg.
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a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
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Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nachdem es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, sind vom Prüfungsumfang grundsätzlich nur die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasst.
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Die beantragte Wetterschutzüberdachung ist genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig.
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aa) Die Wetterschutzüberdachung, eine bauliche Anlage, ist genehmigungspflichtig. Die beantragte Wetterschutzüberdachung ist eine bauliche Anlage. Sie ist eine mit dem Boden verbundene und aus Bauprodukten herstellte Anlage, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Verbindung mit dem Erdboden braucht nicht durch besondere Verbindungsstoffe herbeigeführt werden. Es genügt, wenn die Anlage wegen ihres natürlichen Gewichts unverrückbar auf dem Boden haftet und kraft ihrer eigenen Schwere im unzerlegten Zustand ohne Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel nicht fortbewegt werden kann (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL September 2022, Art. 2 Rn. 38), was vorliegt. Bei der beantragten Wetterschutzanlage, die aus drei Stützen, den einbetonierten Bodenhülsen, in die diese eingeschraubt werden, den auf den drei Stützen liegenden Querträger, an welchem vier Kassetten (zwei an jeder Seite) befestigt werden, aus denen die Stoffbahnen ein- und ausgefahren werden, besteht, liegt mit den einbetonierten Bodenhülsen zudem schon eine Verbindung mit dem Boden durch feste Fundamente vor (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, a.a.O, Art. 2 Rn. 38). Unerheblich ist auch, wenn die Anlage zerlegbar, zusammenklappbar oder transportabel ist. Auch die Dauer der Verbindung ist nicht entscheidend (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, a.a.O, Art. 2 Rn. 41), wie sich bereits aus Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BayBO ergibt, wonach es genügt, dass die Anlage überwiegend ortsfest benutzt wird, was hier unproblematisch vorliegt.
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Bei der Wetterschutzüberdachung handelt es sich zudem nicht um ein verfahrensfreies Vorhaben i.S.d. Art. 57 BayBO. Der Tatbestand des Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 a BayBO liegt, unabhängig davon, ob es sich bei der Wetterschutzüberdachung mit den Maßen 12 m x 7,50 m, eine Höhe wurde in den Antragsunterlagen nicht angegeben, um ein Gebäude handelt, bereits deshalb nicht vor, da die beantragte Wetterschutzüberdachung im ausgefahrenen Zustand einen Bruttorauminhalt von mehr als 75 m3 einnimmt. Auch Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 g BayBO, wonach Terrassenüberdachungen mit einer Fläche bis zu 30 m2 und einer Tiefe bis zu 3 m verfahrensfrei sind, ist angesichts einer Fläche von 90 m2 nicht einschlägig. Auch Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 g BayBO greift nicht. Nr. 16 g ist ein Auffangtatbestand für unbedeutende Anlagen und unbedeutende Teile von Anlagen. Hinsichtlich der Frage, was unbedeutend ist, kommt es auf die Maße des Baukörpers (z. B. Breite, Höhe, Fläche) und seine Masse i. S. einer Mindestgrenze nicht an (vgl. Lechner/Busse in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 57 Rn. 373 f.). Es handelt sich bei der Wetterschutzüberdachung insbesondere nicht um eine verfahrensfreie Markise im Sinne des Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 g BayBO. Die beantragte Wetterschutzanlage unterliegt baurechtlich einer einheitlichen Betrachtungsweise. Die einzelnen Bestandteile bilden baulich und funktional eine Einheit. Eine Aufteilung in einen beweglichen Teil (mobiles Wetterschutzdach) und einen stationären Teil (Stützen, Träger, Bodenhülsen) kommt nicht in Betracht. Bereits nach dem allgemeinen und rechtlichen Sprachverständnis gehört zum Wesen einer Markise ihre weitgehende Beweglichkeit. Sie muss „aufrollbar” sein oder wie ein „Vorhang” funktionieren (vgl. OVG Hamburg, U.v. 20.1.2005 – 2 Bf 283/03 – juris mit Verweis auf: Brockhaus, Enzyklopädie, 1971; Brockhaus-Wahrig, Dt. Wörtb., 1982; Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 1970; Wahrig, Dt. Wörtb., 1988). Dem entspricht auch der rechtliche Sprachgebrauch. So definiert z.B. die Niedersächsische Bauordnung Markisen als „bewegliche Sonnendächer” (Nr. 14.6 der Anlage zu § 69 NdsBauO). Es ist nichts dafür erkennbar, dass der bayerische Verordnungsgeber von einem anderen Sprachverständnis ausgegangen ist. Eine Metallkonstruktion wie im vorliegenden Fall, bei der die drei tragenden Stützen samt Querträger fest mit dem Boden verankert sind und diese Konstruktion auch bei aufgerollten Stoffbahnen unverändert auf der Terrassenfläche stehen bleibt und sichtbar ist, entspricht diesem Begriffsverständnis nicht (vgl. auch: OVG Hamburg, U.v. 20.1.2005 – 2 Bf 283/03 – juris; VG Hamburg, U.v. 29.3.2018 – 9 K 5717/17 – juris Rn. 29). Dass die Anlage laut klägerischen Vortrag „mobil“ verbaut ist, weil die drei Stützen mit Schrauben an den einzementierten Bodenhülsen befestigt werden und entfernt werden können, ändert nichts, denn ersichtlich wird die Metallkonstruktion nicht jedes Mal entfernt, wenn die Überdachung eingefahren wird. Allenfalls in der kalten Jahreszeit erscheint es realistisch, dass die Metallkonstruktion entfernt wird, was aber an der obigen Einschätzung nichts ändert.
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bb) Die genehmigungspflichtige Anlage ist nicht genehmigungsfähig und dies bereits deshalb, weil der Erteilung der Baugenehmigung denkmalschutzrechtliche Belange entgegenstehen (1). Darüber hinaus scheitert der Anspruch auch an Vorgaben der Baugestaltungssatzung der Beklagten (2).
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(1) Der Erteilung der Baugenehmigung stehen denkmalschutzrechtliche Belange entgegen. Soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird, sind im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auch diese öffentlich-rechtlichen Anforderungen zu prüfen, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO. Zu diesen Anforderungen gehört vorliegend auch das Denkmalschutzrecht, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG. Aufgrund der Einschlägigkeit denkmalschutzrechtlicher Genehmigungstatbestände gemäß Art. 6 BayDSchG ist der Baugenehmigungsbehörde ein Versagensermessen eröffnet, das vorliegend nicht zugunsten der Klägerin auf Null reduziert ist, so dass ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung nicht besteht.
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(a) Die beantragte Wetterschutzüberdachung ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 BayDSchG erlaubnispflichtig, die behördliche Versagungsmöglichkeit nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ist vorliegend eröffnet.
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Die beantragte Wetterschutzüberdachung soll in der historischen Altstadt von … am … auf der höhergelegenen Freischankfläche vor dem Anwesen der Klägerin, …, errichtet werden. Das Anwesen der Klägerin ist als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Nördlich der Freischankfläche befindet sich das ebenfalls eingetragene Einzelbaudenkmal … mit Resten der sog. …kapelle. Der Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege gab bei der Inaugenscheinnahme an, dass die Kapelle ehemals auf der jetzigen Freischankfläche der Klägerin gestanden habe und die noch vorhandenen Überreste wohl die ehemalige Sakristei darstellen würden. Auch das hiervon nördlich gelegene Anwesen … ist als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Die Freischankfläche liegt gegenüber der …Kirche (* …*), die ebenfalls ein Baudenkmal nach der Denkmalliste ist. Nordwestlich der Freischankfläche liegt das ehemalige Gymnasium (* …*), ebenfalls als Baudenkmal eingetragen in die Denkmalliste. Auch südlich des Standortes der beantragten Wetterschutzüberdachung liegen weitere in der Denkmalliste verzeichnete Baudenkmäler. Zudem ist die gesamte Altstadt … in ihrer Gesamtheit als Ensemble in die Denkmalliste eingetragen (Eintragungen abrufbar unter http://geoportal.bayern.de).
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Es besteht kein Zweifel daran, dass es sich vorliegend um ein denkmalschutzwürdiges Ensemble, Art. 1 Abs. 3 BayDSchG, handelt. Die im Bereich der Außenbewirtschaftung vorgefundenen Sonnenschirme können die Schutzwürdigkeit dabei nicht in Zweifel ziehen. Diese werden als ortsüblich wahrgenommen. Ohnehin erfordert ein denkmalgeschütztes Ensemble nicht, dass nur alte Bausubstanz vorhanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.1.2021 – 9 ZB 19.282 – juris Rn. 7 m.w.N.).
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Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG bedarf derjenige, der ein Ensemble verändern will, einer Erlaubnis, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Letzteres trifft für die beantragte Wetterschutzüberdachung zu. Ein Ensemble ist wie ein Einzeldenkmal, allerdings vorrangig hinsichtlich seines Erscheinungsbildes, vor – selbst geringfügigen – von außen sichtbaren Änderungen, die den bestehenden Zustand betreffen, geschützt. Das überlieferte Erscheinungsbild eines Ensembles wird durch das erhaltungswürdige Orts-, Platz- oder Straßenbild (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG), das nicht nur aus einzelnen Teilen baulicher Anlagen, sondern aus einem Gesamteindruck besteht, geprägt. Es genießt vor dem Hintergrund, dass ein denkmalrechtlich geschütztes Ensemble selbst Baudenkmal ist, insoweit keinen geringeren Schutz vor Veränderungen als ein Einzeldenkmal (vgl. BayVGH, B.v. 2.1.2021 – 9 ZB 19.282 – juris Rn. 9 m.w.N.). Ausgehend hiervon liegt eine relevante Änderung vor. Im ausgefahrenen Zustand überspannt die Markise, die die Form eines Satteldaches einnimmt, eine Fläche von 90 m2, ist damit deutlich sichtbar, doch selbst im eingefahrenen Zustand ist die Wetterschutzüberdachung mit ihren drei Stützen, dem Querträger und den vier Rollokästen, die nach Klägerangaben zu beiden Seiten des Querträgers jeweils eine Ausdehnung von ca. 70 cm haben, unübersehbar. Daran ändert auch die erhöhte Lage der Freischankfläche und die sie umgebende Mauer nichts. Die beantragte Wetterschutzüberdachung wäre aufgrund ihrer Einzigartigkeit in der Umgebung deutlich auffälliger als die Sonnenschirme, zumal die Höhe der Überdachung nach Angaben der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung etwas höher als die derzeitigen Schirme sei, wobei die Mittelschiene etwa auf Höhe der Regenrinne des Daches des Restaurantgebäudes verlaufen würde.
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Die Beklagte konnte den Antrag auch ablehnen, weil gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG räumt der Behörde ein Versagungsermessen ein (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 32). Die gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes sind nicht dahin zu verstehen, dass dem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgebenden Bewertung eine gesteigerte Bedeutung zukommen muss. Sie ergeben sich vielmehr grundsätzlich bereits aus der Bedeutung, auf der die Denkmaleigenschaft beruht. Es ist daher schon für den Regelfall davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern ein Erhaltungsinteresse besteht und damit „gewichtige Gründe“ für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands indiziert sind. Gewichtige Gründe sind allenfalls bei völlig unbedeutenden Baudenkmälern oder völlig geringfügigen Beeinträchtigungen zu verneinen. Im Hinblick auf die Gleichstellung von Ensembles und Einzelbaudenkmälern über Art. 1 Abs. 3 BayDSchG kann für eine Veränderung des Ensembles durch die Hinzufügung einer neuen baulichen Anlage, die im Ensemble liegen wird, nichts anderes gelten. Bei einer jeweils gebotenen Einzelfallbetrachtung und -bewertung sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes bei einer Ensembleveränderung jedenfalls dann für die Beibehaltung des bisherigen Zustands i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG, wenn sich das strittige Vorhaben auf die Eigenart des Ensembles in seiner originalen Struktur und mit seinen typischen Merkmalen auswirkt (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 33 m.w.N.).
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Eine Auswirkung auf die Eigenart des Ensembles in seiner originalen Struktur und mit seinen typischen Merkmalen ergibt sich vorliegend schon durch die Nähebeziehung der Wetterschutzüberdachung zu dem Einzelbaudenkmal …, dem Anwesen der Klägerin, als auch zu den Überresten der …kapelle und dem Anwesen … Wie bereits ausgeführt ist die streitgegenständliche Anlage nach Überzeugung der Kammer im ausgefahrenen Zustand optisch deutlich sichtbar, doch selbst im eingefahrenen Zustand ist die Wetterschutzüberdachung mit ihren drei massiven Stützen, dem Querträger und den vier Rollokästen, die zu beiden Seiten des Querträgers jeweils eine Ausdehnung von ca. 70 cm haben, im historischen Stadtkern auffällig, da ungewöhnlich, und unübersehbar. Daran ändert auch die erhöhte Lage der Freischankfläche und die sie umgebende Mauer nichts, wie der Ortsaugenschein ergeben hat. Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist aufgrund der Größe und des geplanten Standortes der Anlage sehr wohl von außen wahrnehmbar, ob es sich hier um Sonnenschirme oder die beantragte Wetterschutzbedachung handelt, zumal – nach den eingereichten Plänen – an den Randbereichen keineswegs (nur) mit Sonnenschirmen gearbeitet werden soll. Auch ist nicht nachvollziehbar, wie die sich auf der Freischankfläche ebenfalls befindlichen Laubbäume die Wetterschutzüberdachung (teilweise) verdecken sollen. Abgesehen davon, dass die Bäume nur einen Teil des Jahres belaubt sind, die Wetterschutzanlage, die nach den Angaben der Klägerseite keineswegs nur als Sonnenschutz, sondern allgemein als Wetterschutz dienen soll, und damit einen weitaus größeren Teil des Jahres, jedenfalls während der Öffnungszeiten der Gaststätte der Klägerin im ausgefahrenen Zustand in Betrieb ist, befinden sich die Äste der Bäume weitgehend oberhalb der Wetterschutzüberdachung und Schirme, da diese andernfalls gar nicht ausgefahren/aufgeklappt werden könnten. Zudem erfolgt der Blick von unten nach oben. Aus dieser Perspektive kann von einem „Verdecken“ erst recht keine Rede sein. Nachvollziehbar sind dagegen insbesondere angesichts der unmittelbar gegenüber befindlichen …kirche die Ausführungen der Beklagten, dass es sich beim … um einen stark frequentierten Bereich der Altstadt handelt. Die beantragte Wetterschutzüberdachung wäre aufgrund ihrer Einzigartigkeit in der Umgebung deutlich auffälliger als die in der Gastronomie üblichen Sonnenschirme. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, dessen Stellungnahme bei der Beurteilung ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris 34; U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – juris Rn. 45; U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 – juris Rn. 27), hat insoweit auch nachvollziehbar und überzeugend erläutert, dass die Lösung mit Sonnenschirmen ein in der Stadt vertrautes Bild darstellen würde, während die Wetterschutzanlage, die massive Stützen und einen Querträger aufweist, wesentlich ungewohnter und für das historische Stadtbild schädlicher sei. Zudem werde auch die ehemalige …kapelle verdeckt. Mit Blick auf die …kapelle, den malerischen Wert der Gesamtsituation und zur Verhinderung einer Vorbildwirkung sei nach Einschätzung der Denkmalpfleger die streitgegenständliche Anlage abzulehnen.
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(b) Darüber hinaus bedarf die Wetterschutzüberdachung auch deshalb einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis, weil sie in der Nähe von Baudenkmälern, insbesondere dem Anwesen der Klägerin und den Überresten der …kapelle errichtet werden soll und sich dies auf das Erscheinungsbild dieser beiden Baudenkmäler auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG. Die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals kann ganz wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen, so dass die Ziele des Denkmalschutzes im Einzelfall häufig nur erreicht werden können, wenn auch die Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes entsprechend beschränkt wird (so VG München, U.v. 24.3.2010 – M 9 K 09.3305 – juris). So liegt es auch hier.
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Die Beklagte konnte den Antrag ablehnen, weil die geplante Überdachung zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes bzw. der künstlerischen Wirkung jedenfalls der beiden genannten Baudenkmäler führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG. Eine Beeinträchtigung i.S.d. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG liegt nicht nur dann vor, wenn ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird. Vielmehr soll über Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG gewährleistet werden, dass die jeweilige besondere Wirkung des in der Nähe befindlichen Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeugnis der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, nicht geschmälert wird (vgl. BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 39). Neue Bauten müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Sie müssen sich aber am vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen; sie dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741; U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631). Ausgehend hiervon liegen auch die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDschG vor. Auf die obigen Ausführungen unter (a) wird entsprechend verwiesen.
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(c) Da sich vorliegend sowohl aus Art. 1 Abs. 3 i.V.m. mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3, Abs. 2 Satz 1 BayDSchG (Ensembleveränderung) als auch aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BayDSchG (Nähetatbestand) eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht mit behördlicher (Ermessens-) Versagensmöglichkeit ergibt, über die die Baugenehmigungsbehörde der Beklagten gem. Art. 6 Abs. 3 BayDSchG i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungserteilung zu entscheiden hat, scheidet ein strikter Anspruch der Klägerin nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO darauf, dass die Beklagte ihr die Baugenehmigung erteilen muss, aus. Ein Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf null in dem Sinn, dass die Erlaubnis trotz Vorliegens gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes erteilt werden muss‚ weil die für das Bauvorhaben sprechenden Gründe so viel Gewicht hätten‚ dass der Beklagten bei der Ermessensausübung keine andere Wahl bliebe, als dem Antrag zu entsprechen (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 40, B.v. 19.12.2013 – 1 B 12.2596 – juris Rn. 23), ist vorliegend nicht gegeben. Rechtlich ist die Ermessensreduktion auf null wie eine gebundene Entscheidung zu behandeln, d.h. es kommt u.a. auf Abwägungsfehler nicht mehr an (vgl. Wolff in Sodan/Ziekkow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 136), die aber hier ohnehin nicht gegeben sind (siehe die nachfolgenden Ausführungen unter b)). Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin an einer möglichst optimalen Außenbewirtschaftung hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der begehrte Witterungsschutz auch durch das Aufstellen von Sonnenschirmen zu erreichen ist. Dass deren Bedienung mit mehr Aufwand verbunden, zudem umständlicher ist und aufgrund der erforderlichen Tischabstände Wetterschutz nicht in dem Maße durchgängig erreicht werden kann wie mit der Wetterschutzüberdachung, ist dabei hinzunehmen und führt auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin nicht dazu, dass allein die Genehmigung der Wetterschutzüberdachung die einzig richtige Entscheidung ist. Wenn ausgeführt wird, dass das Material der Sonnenschirme weniger wetterfest ist, ist dies schon nicht substantiiert dargelegt, würde aber selbst bei seinem Vorliegen an der Einschätzung nichts ändern.
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(2) Die Wetterschutzüberdachung verstößt zudem gegen Regelungen der Baugestaltungssatzung der Beklagten vom 5. April 2011, einer örtlichen Bauvorschrift i.S.d. Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO. Solche sind auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren Prüfgegenstand, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 c BayBO.
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Die Vorschriften der Baugestaltungssatzung gelten für alle baulichen Anlagen im Geltungsbereich der Satzung, § 1 Abs. 3 Baugestaltungssatzung, und somit auch für die Wetterschutzüberdachung. Nach § 7 Abs. 1 Baugestaltungssatzung sind Markisen jeglicher Art (auch in Form von Bogenmarkisen) unzulässig. Eine direkte Anwendung der Vorschrift scheidet aus. Den einzelnen Absätzen des § 7 der Baugestaltungssatzung ist zu entnehmen, dass der dort verwendete Begriff der Markisen eine Anbringung an einem Gebäude oder jedenfalls baulichen Anlagen voraussetzt. So können nach § 7 Abs. 2 Baugestaltungssatzung unter bestimmten Bedingungen Markisen vor Schaufenstern im Wege einer Ausnahme zugelassen werden, wobei dabei die Leitsätze für Markisen (Anlage 3 der Baugestaltungssatzung) zu beachten sind, in denen wiederum erkennbar eine Anbringung am Gebäude zugrunde gelegt wird. Auch § 7 Abs. 3 der Satzung setzt eine Anbringung am Gebäude („Putzflucht“) voraus. Die Absätze 5 und 6 des § 7 der Satzung hinsichtlich Rollläden und Jalousien weisen ebenso einen Bezug zu Gebäuden bzw. Gebäudefassaden auf.
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Die beantragte Markise ist jedoch in analoger Anwendung des § 7 Abs. 1 Baugestaltungssatzung nicht zulässig. Voraussetzung einer analogen Anwendung ist eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Auch wenn die Baugestaltungssatzung in der derzeitigen Form aus 2011 stammt, also erst elf Jahre alt ist, hat der Normgeber bei Erlass der Baugestaltungssatzung an „Markisen“, die wie die beantragte, nicht an einer Gebäudewand angebracht, sondern freistehend sind, nicht gedacht. Es handelt sich hierbei nach Überzeugung der Kammer nicht um eine bewusste, somit um eine planwidrige Regelungslücke. Anlagen wie die streitgegenständliche waren damals und sind auch heute noch nicht sehr verbreitet. Auch aus dem Sinn und Zweck der Baugestaltungssatzung folgt, dass es sich nicht um eine bewusste Regelungslücke handelt. Mit der Baugestaltungssatzung soll das historische Stadtbild von Rothenburg o.d.T. erhalten werden. Neue Bauteile sowie Neubauten sollen sich in das Ensemble der Altstadt einfügen (Präambel und § 2 der Baugestaltungssatzung). Dieses Ziel kann nicht gelingen, wenn Markisenanlagen wie die streitgegenständliche die Vorgaben des § 7 Baugestaltungssatzung nicht einhalten müssten, nur weil sie nicht an einer baulichen Anlage angebracht, sondern freistehend sind.
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Auch ist die Interessenlage vergleichbar mit den nicht zugelassenen, an Gebäuden angebrachten Markisen. Es geht bei dem Verbot nicht nur darum zu verhindern, dass die Fassade, an der die Markise angebracht wird, verunstaltet wird. Wie ausgeführt, geht es auch bei den Regelungen der Baugestaltungssatzung darum, das historische Stadtbild von … zu erhalten. Neue Bauteile sowie Neubauten sollen sich in das Ensemble der Altstadt einfügen. Ob sich eine freistehende Markise in das Ensemble der Altstadt einfügt ist vergleichbar mit der Frage, ob sich eine an der Gebäudewand angebrachte Markise einfügt, was der Satzungsgeber mit seinem § 7 Abs. 1 Baugestaltungssatzung verneint hat. Es ist nach Überzeugung der Kammer sogar davon auszugehen, dass eine freistehende Markisenanlage wie die beantragte mit ihren Stützen, dem Querträger und den Markisenkästen noch mehr als Fremdkörper in Erscheinung tritt und sich noch weniger in das Ensemble der Altstadt einfügt als die verbotenen, an Gebäuden angebrachten Markisen. In dieser Hinsicht besteht nach Sinn und Zweck der Vorschrift kein Unterschied. Von einer vergleichbaren Interessenlage ist daher auszugehen. Die Voraussetzungen für analoge Anwendung der Vorschrift sind damit gegeben. Die beantragte Wetterschutzüberdachung ist damit nicht zulässig.
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Der Umstand, dass die Kammer die streitgegenständliche Wetterschutzüberdachung nicht als verfahrensfreie Markise angesehen hat (siehe die Ausführungen unter aa)), steht einer analogen Anwendung des § 7 Baugestaltungssatzung im Übrigen nicht entgegen. Bei Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 g BayBO geht es darum, unbedeutende Anlagen oder unbedeutende Teile von Anlagen verfahrensfrei zu stellen, den Bauherrn also vom Baugenehmigungsverfahren zu entlasten, während der Schutzzweck des § 7 Baugestaltungssatzung nicht nur bei i.d.S. unbedeutenderen, an baulichen Anlagen angebrachten Markisen, sondern bei freistehenden Markisenanlagen umso mehr greifen muss.
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Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Abweichung, § 14 Baugestaltungssatzung, scheidet aus. § 14 Abs. 1 Baugestaltungssatzung bestimmt, dass von den Bestimmungen dieser Satzung unter den Voraussetzungen des Art. 63 BayBO Abweichungen zugelassen werden können. Die Zulassung von Abweichungen – bei der Baugestaltungssatzung handelt es sich um aufgrund dieses Gesetzes erlassene Vorschrift, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO (vgl. Weinmann in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Spannowsky/Manssen, 24. Ed. 01.12.2022, Art. 63 Rn.15) – ist nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO zwingend schriftlich zu beantragen. Ein solcher Antrag liegt nicht vor. Bei einem fehlenden Antrag darf die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung nicht erteilen (vgl. Weinmann in BeckOK, a.a.O., Rn. 50). Offen bleiben kann, ob die Beklagte auf den Antrag konkludent verzichtet hat, in dem sie im Bescheid auch zu der Abweichung von § 7 Abs. 1 Baugestaltungssatzung Ausführungen gemacht hat, und ob sie dies auch darf, denn jedenfalls liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nicht vor, denn nach § 14 Abs. 2 Baugestaltungssatzung dürfen Abweichungen nur zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen (insbesondere Denkmal- und Ensembleschutz) vereinbar sind, was vorliegend nicht gegeben ist. Denkmalschutzrechtliche Belange stehen hier der Erteilung einer Abweichung entgegen. Auf die obigen Ausführungen unter (1) wird verwiesen.
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b) Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den Bauantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Da die Klägerin mit ihrem Hauptantrag unterliegt, ist über den Hilfsantrag zu entscheiden. Was die Erteilung einer Abweichung von § 7 Abs. 1 Baugestaltungssatzung analog angeht, hat der Hilfsantrag bereits deshalb keinen Erfolg, weil schon – wie bereits ausgeführt – die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nicht vorliegen.
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Auch im Hinblick auf das gemäß Art. 6 Abs. 2 BayDSchG bestehende Versagungsermessen hat der Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Behörde hat das ihr zustehende Ermessen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1, 2 BayDschG in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, wobei die Ermessenserwägungen auch im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden durften, § 114 Satz 2 VwGO. Die Beklagte hat insbesondere nicht nur die Interessen des Denkmalschutzes, sondern auch die Interessen der Klägerin an einer möglichst optimalen Außenbewirtschaftung in die Betrachtung eingestellt und gegeneinander abgewogen und hierbei auch in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der begehrte Witterungsschutz ebenso durch Sonnenschirme erreicht werden kann, auch wenn deren Bedienung mit mehr Aufwand verbunden ist. Auch der Umstand, dass aufgrund der Vorbildwirkung einer solchen Anlage weitere solche Vorhaben in der Altstadt von … hinzutreten könnten, wurde in nicht zu beanstandender Weise in die Ermessenserwägungen eingestellt. Wenn die Klägerseite zur Erwägung der Beklagten, dass die Wetterschutzüberdachung womöglich ganzjährig, in der kühleren Jahreszeit als Schutzdach in Betrieb ist, ausführt, dies hätte durch Auflagen verhindert werden können, kann sie hiermit nicht durchdringen, denn die Beeinträchtigung der denkmalschutzrechtlichen Belange ist auch dann gegeben, wenn die Wetterschutzüberdachung nicht ganzjährig ausgefahren wird. Die Beklagte hat zutreffend ausgeführt, eine Nutzungsbeschränkung mittels Auflagen hätte dem Schutzziel nicht Rechnung getragen.
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3. Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.