Inhalt

SG Landshut, Urteil v. 01.06.2022 – S 15 U 5042/20
Titel:

Bestimmung der Beitragshöhe zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung

Normenkette:
GG Art. 3
Leitsätze:
1. Eine Satzungsregelung als von der Selbstverwaltung autonom gesetztes Recht ist von den Sozialgerichten allein darauf zu prüfen, ob es mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung des Satzungsgebers beruht und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Die Sozialgerichte haben nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine nicht allein an der Größe der bewirtschafteten Fläche orientierte Beitragsbemessung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, da damit auch der Verwaltugnsaufwand finanziert wird, welcher nicht von der Größe der bewirtschafteten Fläche abhängt. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unfallversicherung, Beitrag, Höhe, Gleichbehandlungsgrundsatz, Satzungsregelung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 27.01.2023 – L 1 U 236/22
BSG Kassel, Beschluss vom 09.07.2024 – B 2 U 28/23 B
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44532

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 08.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2020 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Zahlung geringerer Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Er ist Eigentümer einer Waldfläche von 0,58 ha und bewirtschaftet diese.
2
Mit streitigen Bescheid vom 07.08.2020 wurde dieses forstwirtschaftliche Unternehmen in S. (Unternehmens-ID ...) zur gesetzlichen Unfallversicherung veranlagt und es wurde ein Beitrag für das Jahr 2019 in Höhe von 96,05 € festgesetzt (davon Grundbeitrag 80,80 Euro, Risikobeitrag 15, 25 Euro). Im Rahmen der Berechnung des Grundbeitrags wurden in seinem Fall sogenannte Berechnungseinheiten (BER) in Höhe von 87,5 zugrunde gelegt.
3
Am 07.09.2020 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Er begründete den Widerspruch im Schreiben vom 27.09.2020 damit, dass sich die Höhe des Beitrags aus seiner Sicht maßgeblich an der Größe der bewirtschafteten Forstfläche zu orientieren habe. Durch die Deckelung des Beitrags der Höhe nach auf maximal 350 BER würden Eigentümer von kleineren Forstparzellen benachteiligt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung sei hierdurch nicht mehr gewährleistet.
4
Im Widerspruchsbescheid vom 26.11.2020 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
5
Hiergegen ließ der Kläger mit Schreiben vom 23.12.2020 Klage zum Sozialgericht Landshut erheben.
6
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen unter Aufhebung des Beitragsbescheides vom 07.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2020 dem Kläger mit einer niedrigeren BER als 87,5 zu veranlagen.
7
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die beigezogene Akte der Beklagten, sowie auf die vorliegende Streitakte.

Entscheidungsgründe

9
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beitrag unter Zugrundelegung einer BER von unter 87,50 neu festgesetzt wird.
10
Der Bescheid vom 07.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2020 ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
11
Das Gericht folgt der Begründung der vorgenannten Bescheide in vollem Umfang, insoweit kann von einer entsprechenden Wiederholung der dort angegebenen Gründe abgesehen werden (gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
12
Insbesondere ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich bei der hier angegriffenen Satzungsregelung des § 46 um von der Selbstverwaltung autonom gesetztes Recht handelt und dieses von den Sozialgerichten allein darauf zu prüfen ist, ob es mit dem Gesetz, auf dem die Ermächtigung des Satzungsgebers beruht und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Die Sozialgerichte haben nicht zu prüfen, ob der Satzungsgeber die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung getroffen hat.
13
Der Kläger macht eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz) durch die Satzungsregelung des § 46 geltend. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des Eufach0000000001s allgemein eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung (BVerfGE 35, 335), d. h. gleich gelagerte Sachverhalte dürfen nicht ohne sachlichen und objektiv nachvollziehbaren Differenzierungsgrund ungleich behandelt werden (Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 85. Lieferung 2.2022, Art. 3 GG).
14
Nun werden vom Grundbeitrag, wie dies die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden erläutert hat, Verwaltungskosten, Rücklagen und Altersrückstellungen finanziert. Nachvollziehbar ist, dass unabhängig von der Größe eines Betriebes für die Beklagte immer ein gewisses Mindestmaß an Verwaltungsaufwand mit einem Unternehmen verbunden ist. Auch ist es einleuchtend, dass dieser Verwaltungsaufwand nicht proportional zur Größe eines Betriebes steigt, sondern degressiv. Es liegt somit ein sachlicher Differenzierungsgrund dafür vor, dass der Satzungsgeber in § 46 als Mindest-BER 87,5 und als Höchst-BER 350 festgesetzt hat. Die mit der Steigerung der Betriebsgröße einhergehende Steigerung der Unfallzahlen findet ohnehin nicht im Grundbeitrag, sondern im Risikobeitrag seinen Niederschlag.
15
Aus den genannten Gründen verstößt der Bescheid vom 07.08.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2020 nicht gegen geltendes Recht. Die Klage dagegen war somit abzuweisen.
16
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 197 a Abs. 1 Satz 1 2. Hs. SGG. Über die Tragung der Gerichtskosten und die Streitwertfestsetzung ergeht ein gesonderter Beschluss.
17
Die Berufung braucht hier trotz des unter 750 Euro liegenden Streitwerts nicht gesondert zugelassen zu werden, weil hier die Berufung wiederkehrende Beiträge betreffen würde (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Damit ist die Berufung vorliegend generell zulässig.