Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 10.11.2022 – W 5 K 20.1113
Titel:

Grundstückseinfriedungen und Hundehaltung im Außenbereich

Normenketten:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 57, Art. 76
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Eine Aufspaltung von Einfriedungsmaßnahmen in einen genehmigungspflichtigen und einen genehmigungsfreien Teil ist nicht möglich; die Regelung des Art. 57 BayBO gilt nur für selbständige Einzelvorhaben. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Am Merkmal des Sollens iSv § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fehlt es immer dann, wenn gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Natur, dem der Außenbereich dient, individuelle Freizeitwünsche bevorzugt werden sollen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch Einfriedungen, soweit sie nicht, wie zB Weidezäune oder Zäune für Forstkulturen, einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen, sind der freien Natur wesensfremd. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine sicherheitsrechtliche Anordnung - hier einer Verwaltungsgemeinschaft - ersetzt keine baurechtliche Erlaubnis der Bauaufsichtsbehörde und entbindet auch nicht auf andere Weise von der Einhaltung baurechtlicher Vorgaben. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, Beseitigungsanordnung, Nutzungsuntersagung, Einfriedungen und Hundehaltung im Außenbereich, Verfahrensfreiheit, individuelle Freizeitwünsche, Treu und Glauben, sicherheitsrechtliche Anordnung, Bestimmtheit, intendiertes Ermessen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.02.2024 – 9 ZB 23.502
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44360

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 12. September 2018, mit dem ihm die Beseitigung von Grundstückseinfriedungen aufgegeben und die Nutzung einer Hundehaltung untersagt wurde.
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1. Der Kläger ist Eigentümer einer größeren Anzahl von Grundstücken innerhalb und außerhalb des Ortsteils D … (… … …). Auf dem Areal hat der Kläger Einfriedungen errichten lassen und hält verschiedene Tiere (u.a. Hunde). Bereits mit Bescheid vom 4. August 2009 hatte das Landratsamt M.-S. den Kläger zum Rückbau von Grundstückseinfriedungen verpflichtet (Ziffer 1), den Kläger die Nutzung der genannten Grundstücke als Freigehege bzw. Zwinger zur Hundehaltung (Nr. 2.1.) und des Wohn- und Nebengebäudes zu Zwecken der Hundehaltung von mehr als zwei Hunden (Nr. 2.2.) untersagt und Zwangsgelder angedroht (Nr. 3.1. bis 3.4.). Mit Urteil vom 20. Mai 2010 hob das Verwaltungsgericht Würzburg die Nr. 2.2 und die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung in Nr. 3.4 des Bescheids des Landratsamts Main-Spessart vom 4. August 2009 auf und wies die Klage im Übrigen ab (W 5 K 09.869). Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. April 2012 wurde die Berufung zugelassen.
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2. Mit streitgegenständlichem Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 12. September 2018 wurde der Kläger unter Ziffer 1 zum Rückbau der Grundstückseinfriedungen auf den Grundstücken Fl.Nrn. …2, …7, …7/1, …9, …0, …3, …4, …5 und …5/1 der Gemarkung … … … verpflichtet. Umfasst waren unter a. die Einfriedung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans D …, die aus Pfosten und den daran befestigten Stahlgittermatten und Maschendrahtzaun sowie den zu Wällen aufgeschichteten Baustämmen, Astkronen, Ästen und Baumwurzeln (blaue Kennzeichnung im beigefügten Lageplan) und unter b. die Einfriedung innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans D …, die aus Pfosten und den daran befestigten Stahlgittermatten und Maschendrahtzaun besteht (grüne Kennzeichnung im beigefügten Lageplan). Unter Ziffer 2 wurde dem Kläger die Nutzung der in Ziffer 1 genannten Grundstücke als Freigehege bzw. dauerhafter Zwinger zu Zwecken der Hundehaltung untersagt. Unter Ziffer 3 des Bescheids wurden Zwangsgeldandrohungen ausgesprochen für den Fall, dass der Kläger die Anordnungen unter Ziffer 1 und 2 des Bescheids nicht binnen drei Monaten nach Unanfechtbarkeit des Bescheids erfüllt.
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In den Gründen des Bescheids vom 12. September 2018 wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Beseitigung der Einfriedungen (Ziffer 1 des Bescheids) stütze sich auf Art. 76 Satz 1 BayBO. Da die erforderliche Baugenehmigung nicht vorliege, seien die Einfriedungen formell illegal. Die Anlagen seien auch nicht nachträglich genehmigungsfähig und daher auch materiell rechtswidrig. Hinsichtlich der von der Ziffer 1. a) des Bescheids umfassten im Außenbereich gelegenen Einfriedungen richte sich die Genehmigungsfähigkeit nach § 35 BauGB. Insbesondere die Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BauGB lägen nicht vor. Als sonstiges Vorhaben beeinträchtige es öffentliche Belange, da es den Darstellungen des Flächennutzungsplans (Flächen für Landwirtschaft) widerspreche (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) und Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtige (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB). Hinsichtlich der von der Ziffer 1. b) des Bescheids umfassten Anlagen sei mit Blick auf eine vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 2018 angenommene, voraussichtliche Unwirksamkeit des Bebauungsplans „D …“ ebenfalls von einer Außenbereichslage auszugehen. Entsprechend werde auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Beseitigungsanordnung stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Eine Duldung könne Signalwirkung für weitere, ähnliche Anlagen in diesem Bereich haben, die dann ohne Genehmigung errichtet würden und dem Sinn und Zweck des Baurechts, hier insbesondere der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs, zuwiderlaufen würden. Die Anordnung sei auch verhältnismäßig, insbesondere angemessen. Das öffentliche Interesse an der Durchsetzung rechtmäßiger Zustände bzw. der Schutz der Rechtsordnung wiege schwerer als das Interesse des Adressaten an der Beibehaltung bzw. dem Erhalt nicht genehmigter und nicht genehmigungsfähiger Anlagen. Die Nutzungsuntersagung des Freigeheges bzw. Zwingers zum Zwecke der Hundehaltung (Ziffer 2 des Bescheids) stütze sich auf Art. 76 Satz 2 BayBO. Die ehemalige Gaststätte „B …“ und der angrenzende Freigehegekomplex seien seinerzeit zur Unterbringung von ca. 50 Hunden oder mehr durch den Kläger genutzt worden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 30. Juli 2018 habe diese Haltung nach der Aussage des Klägers aus 29 Hunden und höchstens 80 Wildschweinen bestanden. Die Nutzung sei formell illegal; ein eingereichter Bauantrag gelte als zurückgenommen. Die Nutzung sei auch materiell illegal. Die Tierhaltung von vormals 50 und derzeit 29 Hunden auf den eingefriedeten Grundstücken im bauplanungsrechtlichen Außenbereich sei nicht genehmigungsfähig. Die Tierhaltung erfülle keinen Privilegierungstatbestand, widerspreche dem Flächennutzungsplan und verursache schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Das Handeln des Landratsamts entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Die angeordnete Maßnahme sei verhältnismäßig. Die Androhung der Zwangsgelder in Ziffer 3 des Bescheids stütze sich auf Art. 18, 19, 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Der Bescheid enthielt zudem unter Ziffer V. der Gründe folgende Textpassage: „Dieser Bescheid ergeht ohne Rechtsmittelbelehrung. Die vorgenommenen Klarstellungen und Ergänzungen beziehen sich auf das laufende Berufungsverfahren. Der Bescheid in seiner aktuellen Form ist Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens.“
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3. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies – nachdem die Klägerseite den Bescheid vom 12. September 2018 nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens machte – die Berufung mit Urteil vom 20. Dezember 2018 zurück, weil die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 4. August 2009 infolge Erledigung unzulässig (geworden) sei (9 B 12.940). Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Beschluss erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 1. September 2020 zurück (4 B 12.20).
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4. Mit seiner am 20. August 2020 erhobenen Klage beantragte der Klägerbevollmächtigte, den Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 12. September 2018 aufzuheben.
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Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei die Klagefrist gewahrt. Es finde nicht etwa die einjährige Frist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO Anwendung, sondern § 58 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO, weil seitens des Landratsamts Main-Spessart eine Rechtsbehelfsbelehrungnicht nur schlicht unterblieben sei, sondern vielmehr eine unrichtige schriftliche Belehrung dahingehend erfolgt sei, dass angeblich kein Rechtsbehelf gegeben sei. Hieraus folge, dass die Jahresfrist nicht in Gang gesetzt worden und gegen den Bescheid vom 12. September 2018 ein Rechtsmittel nach wie vor möglich sei. Die Klage sei auch begründet. Auf die Argumente in den Rechtsstreitigkeiten vor dem Verwaltungsgericht (W 5 K 09.869) und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (9 B 12.940) betreffend den Bescheid vom 4. August 2009 – insbesondere die Klageschrift vom 11. November 2009 – werde auch im vorliegenden Verfahren vollinhaltlich Bezug genommen. Ergänzend sei zu beachten, dass der Bescheid vom 12. September 2018 wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unwirksam sei. Die Verwaltungsgemeinschaft B … habe mit Bescheid vom 18. August 2004 angeordnet, dass der Kläger sein Gelände einzäunen solle. Hierzu setze sich das Landratsamt mit der angegriffenen Beseitigungsanordnung in diametralen Widerspruch. An keiner Stelle könnten Metallteile entfernt werden, ohne die Naturhecke zu beschädigen. Dem Kläger sei es gelungen, zahlreiche Tiere und Pflanzen auf seinen Grundstücken anzusiedeln, die es in der näheren Umgebung überhaupt nicht mehr gebe. Die Formulierungen der Beklagtenseite hinsichtlich der zu beseitigenden Gegenstände sei zu unbestimmt. Eine Zwingerhaltung werde beklagtenseits irrtümlich angenommen. Der Beklagtenseite lägen seit längerer Zeit drei Bauanträge hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke vor, die in Kollision zum Inhalt der Beseitigungsanordnung stünden. Hinsichtlich der Beweisangebote der Klägerseite wird im Einzelnen auf die Schriftsätze Bezug genommen.
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5. Das Landratsamt M.-S. beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung des Klageabweisungsantrags wurde auf die Begründung im Bescheid vom 12. September 2018 verwiesen und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei verfristet und deshalb bereits unzulässig. Selbst wenn man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans ausginge, lägen die Voraussetzungen einer Beseitigungsanordnung vor. Die Einfriedungen wären Teil eines einheitlichen Gesamtvorhabens, das insgesamt der Genehmigungspflicht unterliege. Zudem verstießen die Einfriedungen gegen die Festsetzung Ziffer 2.4 des Bebauungsplans („Zulässig sind Holz- und Maschendrahtzäune sowie Hecken aus vorwiegend heimischen Gehölzen lt. Pflanzliste Ziff. 1 – Geschnittene Hecken sind auf außenliegenden Grundstücken zur freien Landschaft hin unzulässig“). Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB lägen nicht vor. Auch die Nutzungsuntersagung wäre nicht anders zu beurteilen. Die Tierhaltung von ca. 50 oder mehr Hunden auf den eingefriedeten Grundstücken entspreche weder der in einem Dorfgebiet allgemein zulässigen Hobbytierhaltung noch einer Haltung von Nutztieren in Verbindung mit einem landwirtschaftlichen Betrieb. Die Nutzungsänderung führe auch zu unzumutbaren Belastungen und Störungen. Zur Vorlage gebracht wurde ein Schreiben der unteren Naturschutzbehörde vom 20. September 2022 betreffend die Einfriedungen des Klägers. Darin wird u.a. ausgeführt, dass die Totholzwälle neben dem Zaun zusammengesackt seien, sich verfestigt hätten und noch eine Höhe von ca. 1 m erreichten. Im unteren Bereich berührten sie teilweise noch die Zäune, teilweise stünden die Zäune vollständig frei. Es sei möglich, die nahezu freistehenden Zäune zu entfernen, ohne den Lebensraum Totholzwall zu zerstören. Alle widerrechtlich errichteten Zäune könnten entfernt werden. Dadurch werde das Betretungsrecht nach Art. 27 BayNatSchG wieder gewährleistet. Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes sei – nachdem die Totholzwälle zusammengesackt seien und sich im offenen Bereich mit Hochstauden und Gehölzen begrünt hätten – nicht mehr gegeben. Verunstaltend wirkten allein die zu entfernenden Zäune aus Baustahlmatten und metallenen Zaunelementen.
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6. In der mündlichen Verhandlung am 22. September 2022 räumte das Gericht den Beteiligten eine Schriftsatzfrist bis zum 24. Oktober 2022 ein. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne weitere mündliche Verhandlung. Zum weiteren Ablauf wird auf das Protokoll Bezug genommen.
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7. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 erklärte das Landratsamt M.-S., es hebe den Bescheid vom 12. September 2018 in Ziffer 1 insoweit auf, als sich diese auf die zu Wällen aufgeschichteten Baumstämme, Astkronen, Äste und Baumwurzeln beziehe. Damit entfalle die Passage „sowie aus den zu Wällen aufgeschichteten Baumstämmen, Astkronen, Ästen und Baumwurzeln“. Zudem werde Ziffer 3 des Bescheids vom 12. September 2018 aufgehoben. Die Klägerseite gab auf die daraufhin gestellte Anfrage des Gerichts vom 26. Oktober 2022 keine prozessbeendende Erklärung ab. Sie stellte sich auf den Standpunkt, es seien Beweiserhebungen vorzunehmen und erklärte, der Verzicht auf eine erneute mündliche Verhandlung werde widerrufen; das Ermessen des Gerichts sei dahingehend auszuüben, dass eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen sei.
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8. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Die Akten zu den Verfahren W 5 K 09.870, W S 09.871, W 5 K 11.898, W 5 S 11.899, W 5 K 11.906, W 5 S 11.907, W 5 K 21.1118 und W 5 S 21.1119 wurden beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage, über die ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (1.), ist teilweise bereits unzulässig (2.). Soweit die Klage zulässig ist, erweist sie sich als unbegründet (3.).
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1. Über die Klage konnte im Einverständnis mit den Beteiligten, welches in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2022 klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt wurde, ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerseite meint, das Gericht müsse das ihm zustehende Ermessen dahingehend ausüben, wieder in eine mündliche Verhandlung einzutreten (Schriftsatz des Bevollmächtigten … vom 23. Oktober 2022), bzw. dass die Klägerseite ihren erklärten Verzicht auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung (Schriftsatz des Bevollmächtigten … vom 24.10.2022) widerrufen hat.
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Der von Klägerseite erklärte Verzicht auf mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 VwGO ist eine auf die nächste Entscheidung des Gerichts bezogene, grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 57.13 – juris Rn. 20; B.v. 8.7.2008 – 8 B 29.08 – juris Rn. 6). Ob ein Widerruf ausnahmsweise bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulässig ist, hat das Bundesverwaltungsgericht offengelassen (BVerwG, B.v. 19.5.2015 – 3 B 7.15 – juris Rn. 4; vgl. auch BayVGH, U.v. 13.10.2015 – 22 A 14.40037 – juris Rn. 15). Dieser Frage braucht hier jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Seit der mündlichen Verhandlung am 22. September 2022, in der das Einverständnis gem. § 101 Abs. 2 VwGO von der Klägerseite erklärt worden ist, ist keine wesentliche Änderung der Prozesslage, die von der Verzichtserklärung nicht erfasst wird, eingetreten. Das Gericht hat den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eine Schriftsatzfrist bis zum 24. Oktober 2022 allein deshalb eingeräumt, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich noch zur Stellungnahme der Fachkraft für Naturschutz vom 20. September 2022 zu äußern. Durch die Einreichung insoweit nachgelassener Schriftsätze konnte die Klägerseite keine wesentliche Änderung der Prozesslage herbeiführen, die sie gegebenenfalls zu einem Widerruf ihres Einverständnisses berechtigen könnte, da das Einverständnis des Klägers in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewährung einer Schriftsatzfrist erklärt wurde (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 3). Eine wesentliche Änderung der Prozesslage folgt auch nicht aus der Bezugnahme des Klägerbevollmächtigten … im Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 auf drei Bauantragsverfahren des Klägers („Errichtung eines Tierheimes mit Verwaltung (Allgemeinräume) und Wohnung für Verwalter“; „Teilw. Abriss eines Wohnhauses mit Stallung und Wiederaufbau auf massivem Untergeschoss“; „Teilweiser Abriss einer Holzscheune und Wiederaufbau des massiven Teiles als Stallung“) sowie aus den diesbezüglich auszugsweise eingereichten Bauantragsunterlagen. Ein relevanter Zusammenhang zwischen den von der Beseitigungsanordnung umfassten Einfriedungsanlagen bzw. der vom Kläger ausgeübten, privaten Hundehaltung und den bezeichneten Bauvorhaben ist klägerseits nämlich nicht in hinreichender Weise aufgezeigt worden. Insbesondere sind in den von Klägerseite vorgelegten Unterlagen (vgl. Schreiben des Architekten M … vom 28.9.2022 nebst Anlagen) die von der Beseitigungsanordnung umfassten Einfriedungsanlagen überhaupt nicht dargestellt und es ist ebenso wenig ersichtlich, was sich an der innerhalb der Einfriedungen ausgeübten Tierhaltung ändern soll. Eine wesentlich geänderte Prozesslage ergibt sich ferner nicht aus dem Umstand, dass das Landratsamt M.-S. mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 den Bescheid vom 12. September 2018 teilweise aufgehoben hat. Die Teilaufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vermag für den Kläger keine grundlegend neue Situation hervorzurufen, die abweichend vom erklärten Verzicht zur Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung berechtigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerseite vom Gericht durch Schreiben vom 26. Oktober 2022 ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, auf die behördliche Teilaufhebungsentscheidung prozessual zu reagieren; es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die geänderte Prozesslage zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Klägers eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnte. Es ist schließlich nicht zu ersehen, dass der von den Beteiligten erklärte Verzicht auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verbraucht sein könnte (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 101 Rn. 9). Insbesondere war der Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung in eindeutiger Weise für die anstehende, abschließende Entscheidung über die Verwaltungsstreitsache erklärt worden.
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Soweit die Klägerseite einwendet, das Gericht dürfe nicht ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, ohne über die in den Schriftsätzen der Klägerseite vom 23. und 24. Oktober 2022 und vom 8. November 2022 enthaltenen Anträge, eine Beweisaufnahme in Form eines gerichtlichen Augenscheintermins oder in Form von Zeugenvernehmungen durchzuführen, zu entscheiden, ist dem nicht zu folgen. Zwar gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gem. § 86 Abs. 2 VwGO gestellten Beweisantrag zu behandeln und ihn vor der Sachentscheidung zu bescheiden. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, sowie bei einem Beweisantrag in einem – wie hier – nachgelassenen Schriftsatz, der nur Anlass geben kann, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, wenn sich aus ihm die Notwendigkeit weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergibt (BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 1 B 15.13 – juris Rn. 6 ff.). Die Kammer erkennt hier jedoch auch unter Berücksichtigung der in den Schriftsätzen der Klägerseite vom 23. und 24. Oktober 2022 und vom 8. November 2022 enthaltenen Ausführungen und Anträge keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, da es keine Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung sieht (vgl. hierzu auch die nachfolgenden Darstellungen unter Ziffer 3.1.5. der Entscheidungsgründe) und sich die Streitsache aus Sicht der Kammer vielmehr als entscheidungsreif darstellt. Insbesondere ist der von Klägerseite wiederholt angeregte gerichtliche Augenschein aus Sicht der Kammer nicht (zwingend) veranlasst, da durch genügend Karten- und Bildmaterial sowie durch in den Akten enthaltene Beschreibungen ein ausreichender Eindruck von der Örtlichkeit vermittelt wird (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 83).
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Entsprechend konnte das Gericht ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden.
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2. Die Klage ist teilweise bereits unzulässig.
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2.1. Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen die von der Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 aufgehobenen Teile des angegriffenen Bescheids vom 12. September 2018 wendet.
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Denn die Anfechtungsklage ist nur gegen Verwaltungsakte statthaft, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Angriffsobjekt muss also ein – nicht erledigter – Verwaltungsakt sein. Hat sich der Verwaltungsakt bereits erledigt, so kann dessen Aufhebung nicht mehr begehrt werden; die Anfechtungsklage ist in diesem Fall nicht statthaft (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 24). Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Erledigung tritt ein durch den Wegfall der mit einer angefochtenen Regelung verbundenen Beschwer, also durch den Wegfall ihrer intendierten Regelungswirkung (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 247). Hier hat das Landratsamt M.-S. mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 erklärt, es hebe den Bescheid vom 12. September 2018 in Ziffer 1 insoweit auf, als sich diese auf die zu Wällen aufgeschichteten Baumstämme, Astkronen, Äste und Baumwurzeln beziehe. Das heiße, die Passage „sowie aus den zu Wällen aufgeschichteten Baumstämmen, Astkronen, Ästen und Baumwurzeln“ entfalle. Zudem hob das Landratsamt M.-S. die Ziffer 3 des Bescheids vom 12. September 2018 auf. In Bezug auf die genannten Bestandteile des Bescheids ist dessen Regelungswirkung entfallen, mit der Folge, dass die aufgehobenen Teile des Bescheids nicht mehr mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können. Die Klägerseite hat trotz der entsprechenden Anfrage des Gerichts davon abgesehen, eine prozessbeendende Erklärung abzugeben. Vielmehr hat der Kläger selbst mit Schreiben vom 8. November 2022 erklärt, dass keine prozesserledigende Erklärung abgegeben werden könne. Ebenso erklärte der Klägerbevollmächtigte …, dass die Abgabe einer prozessualen Erklärung derzeit noch nicht möglich sei. Soweit der Klägerbevollmächtigte … zu dieser Frage mit der Begründung, eine Rücksprache mit dem Kläger sei noch nicht möglich gewesen, um Fristverlängerung ersuchte, bestand hierfür seitens der eindeutigen Erklärung des Klägers keine Veranlassung.
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Die Anfechtungsklage ist damit nur hinsichtlich der nicht aufgehobenen Teile des angegriffenen Bescheids vom 12. September 2018 statthaft.
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2.2. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist die Anfechtungsklage – soweit statthaft – nicht verfristet.
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Das zwischen den Beteiligten unstreitige Verstreichenlassen der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO sowie der Jahresfrist aus § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 20. August 2020 ist aufgrund der im Bescheid vom 12. September 2018 enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrungunschädlich. Ist nämlich die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs – abweichend von § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO – nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das Landratsamt M.-S. hat vorliegend unter Ziffer V. der Gründe des Bescheids vom 12. September 2018 ausgeführt: „Dieser Bescheid ergeht ohne Rechtsmittelbelehrung. Die vorgenommenen Klarstellungen und Ergänzungen beziehen sich auf das laufende Berufungsverfahren. Der Bescheid in seiner aktuellen Form ist Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens.“ Damit ist nicht nur eine die Jahresfrist auslösende, unterbliebene oder unrichtige Rechtsbehelfsbelehrungerteilt worden. Vielmehr ist in der von der Behörde gewählten Wortwendung auch – wie in § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.E. geregelt – eine schriftliche Belehrung dahingehend zu erkennen, dass kein Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelegt werden konnte. Mit der in den Bescheid eingebrachten Textpassage wurde in unzutreffender Weise zum Ausdruck gebracht, dass der Bescheid automatisch zum Gegenstand des zum Erlasszeitpunkt anhängigen Berufungsverfahrens wird, was jedoch – wie das Bundesverwaltungsgericht und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ihren jeweiligen Entscheidungen zu den Verfahren 9 B 12.940 bzw. 4 B 12.20 ausgeführt haben – der sog. Dispositionsmaxime, also dem Verfügungsrecht der Klägerseite über den Klagegegenstand, widerspricht. Durch den mit der Rechtsbehelfsbelehrunggeschaffenen (unzutreffenden) Anschein, dass der beanstandete Bescheid nicht im Klagewege in der ersten Instanz angegriffen werden könne, ergibt sich, dass auch die Jahresfrist nicht in Gang gesetzt wurde.
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2.3. Im Ergebnis erweist sich die Anfechtungsklage als unzulässig, soweit sie sich nach wie vor gegen die von der Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 aufgehobenen Teile des angegriffenen Bescheids vom 12. September 2018 (Ziffer 1: „sowie aus den zu Wällen aufgeschichteten Baumstämmen, Astkronen, Ästen und Baumwurzeln“; Ziffer 3) wendet. Im Übrigen ist die Klage hingegen als zulässig zu bewerten.
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3. Der zulässige Teil der Klage ist unbegründet.
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Der angegriffene Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 12. September 2018 erweist sich, soweit er nach der behördlichen Teilaufhebung noch streitgegenständlich ist, als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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3.1. Die in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides verfügte Beseitigungsanordnung für im Außenbereich verlaufende Einfriedungen ist – soweit aufrechterhalten – nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO liegen vor. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
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3.1.1. Hinsichtlich der von der Klägerseite zunächst in Abrede gestellten Bestimmtheit der getroffenen Anordnung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) bestehen keine Bedenken.
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Nach dem Bestimmtheitsgebot muss der Inhalt der getroffenen Regelung, d.h. der Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für den Adressaten des Verwaltungsakts so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, dass er sein Verhalten danach richten kann. Dabei ist bei der Ermittlung des Inhalts der Regelung nicht auf die Vorstellungen der Personen abzustellen, die innerhalb der Behörde die Entscheidung getroffen oder dabei mitgewirkt, den Verwaltungsakt verfasst, ausgefertigt oder in anderer Weise erlassen haben, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des dem Betroffenen als Inhalt des Verwaltungsakts Mitgeteilten, so wie sich dieses dem Betroffenen darstellt und nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss. Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten gehen zu Lasten der Behörde. Der Entscheidungsinhalt muss in diesem Sinn für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und diesen in die Lage versetzen, zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird bzw. was in der ihn betreffenden Sache geregelt oder verbindlich durch den Verwaltungsakt festgestellt wird. Wenn der Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Inhalt haben soll, muss er darüber hinaus so bestimmt sein, dass er Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann. Dass die gebotene Bestimmtheit (erst) durch einen Rückgriff auf Unterlagen, die sich bei den Akten befinden, hergestellt werden kann, genügt grundsätzlich nicht (BVerwG, U.v. 2.7.2008 – 7 C 38/07; U.v. 26.1.1990 – 8 C 69/87; U.v. 15.2.1990 – 4 C 41/87 – alle juris).
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Ausgehend davon ist vorliegend von einer hinreichenden Bestimmtheit der angegriffenen Anordnung auszugehen. Nach der eindeutigen Tenorierung des Bescheids vom 12. September 2018 unter Ziffer 1 hat der Kläger die Grundstückseinfriedungen auf den im Einzelnen bezeichneten Grundstücken zu beseitigen. Hierzu gehören – wie sich unzweifelhaft aus dem nach der Teilaufhebung verbleibenden Teil der Ziffer 1.a. sowie aus der unverändert gebliebenen Ziffer 1.b. ergibt – alle Einfriedungen sowohl außerhalb als auch innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans D …, die aus Pfosten und den daran befestigten Stahlgittermatten sowie Maschendrahtzaun bestehen. Infolge der Teilaufhebung wurden von der Beseitigungsanordnung hingegen ausgenommen die Teile der Grundstückseinfriedungen, welche aus zu Wällen aufgeschichteten Baumstämmen, Astkronen, Ästen und Baumwurzeln bestanden (und sich zwischenzeitlich gegebenenfalls zu einer „lebenden Hecke“ weiterentwickelt) haben. Auch der Verlauf der zu beseitigenden Grundstückseinfriedungen ist unter Verweis auf die blauen und grünen Eintragungen in einem dem Bescheid beigefügten Lageplan ausreichend genau beschrieben worden.
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3.1.2. Die zu beseitigenden Grundstückseinfriedungen stehen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften.
32
Davon ist im Fall einer Baubeseitigungsanordnung betreffend eine baugenehmigungsbedürftige Anlage auszugehen, wenn diese formell baurechtswidrig, d.h. ohne durch die erforderliche Baugenehmigung gedeckt zu sein, errichtet oder geändert wurde, und darüber hinaus auch materiell baurechtswidrig ist, d.h. sie auch nicht (nachträglich) genehmigt werden kann.
33
Die von der Beseitigungsanordnung vom 12. September 2018 unter Ziffer 1.a. und 1.b. umfassten Einfriedungen sind als Teil eines nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtigen Gesamtbauvorhabens auf den Grundstücken Fl.Nrn. …2, …7, …7/1, …9, …0, …3, …4, …5 und …5/1 der Gemarkung … … … zum Zwecke einer privaten Tierhaltung des Klägers formell rechtswidrig. Art und Umfang des größtenteils im Außenbereich gelegenen Vorhabens ergeben sich dabei aus den behördlichen Lichtbildaufnahmen vom 27. Juli 2018 (vgl. Bd. IV, Bl. 28 ff. der Behördenakte), aus den Luftbildaufnahmen vom 11. September 2018 (vgl. Bd. IV, Anlage P3 der Behördenakte) und aus dem der Beseitigungsanordnung beigefügten Lageplan (Bd. IV, S. 65 der Behördenakte). An der Genehmigungspflicht des Gesamtvorhabens bestehen – nachdem diesbezüglich auch keine Verfahrensfreiheitstatbestände des Art. 57 BayBO in Betracht zu ziehen sind – keine Zweifel. Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn man unabhängig von der geplanten Tierhaltung des Klägers lediglich von einer bloßen Einfriedungsmaßnahme des Klägers ausgehen würde. Eine Verfahrensfreiheit bezüglich der größtenteils im Außenbereich verlaufenden Einfriedungen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a und b BayBO ist nicht zu erkennen. Insbesondere dienen die Einfriedungen keinem landwirtschaftlichen oder weidewirtschaftlichen Betrieb. Eine Aufspaltung der Einfriedungsmaßnahme in einen genehmigungspflichtigen und einen genehmigungsfreien Teil ist nicht möglich; die Regelung des Art. 57 BayBO gilt nur für selbständige Einzelvorhaben (Lechner/Busse in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 148. EL, Stand: Nov. 2022, Art. 57 Rn. 12 ff.).
34
Das Vorhaben des Klägers ist bauplanungsrechtlich unzulässig und daher auch als materiell illegal einzustufen. Bauplanungsrechtlich ist ein Tierheim, ein Tierasyl, ein Tiergehege oder eine sonstige Tierhaltungsanlage im Außenbereich nach § 35 BauGB zu beurteilen. Gleiches gilt für eine den Innenwie den Außenbereich oder auch nur den Außenbereich erfassende Einfriedungsmaßnahme. Den für das Projekt des Klägers in Frage kommenden Ausgestaltungen steht kein Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 BauGB zur Seite; als sonstiges Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange. Im Einzelnen:
35
Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB scheidet aus, weil die Anlage in jeder vom Kläger beschriebenen Form und Zwecksetzung keinem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB scheidet aus, weil der Kläger vor Ort keinen gewerblichen Betrieb führt. Bei dem Vorhaben des Klägers handelt es sich auch nicht um die bauliche Erweiterung eines zulässiger Weise errichteten gewerblichen Betriebs im Sinne von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB.
36
In Betracht kommt auch keine Privilegierung als Vorhaben, das wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkungen auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um einen Auffangtatbestand für solche Vorhaben, die von den übrigen Regelungen des § 35 Abs. 1 BauGB nicht erfasst werden und nach den Grundsätzen städtebaulicher Ordnung, wenn überhaupt, sinnvoll nur im Außenbereich ausgeführt werden können, weil sie zur Erreichung des mit ihnen verfolgten Zweckes auf einen Standort außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile angewiesen sind (BayVGH, U.v. 8.12.2009 – 2 B 09.2257 – juris). Die tatbestandliche Weite der Norm ist durch erhöhte Anforderungen an die im Gesetz umschriebenen Privilegierungsvoraussetzungen auszugleichen, da sich nur so das gesetzgeberische Ziel erreichen lässt, den Außenbereich in der ihm vornehmlich zukommenden Funktion – der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stehen – vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen (BayVGH, U.v. 8.12.2009 – 2 B 09.2257 – juris). Denn mit der Privilegierung verbindet sich ein erheblich gesteigertes Durchsetzungsvermögen gegenüber hinderlichen öffentlichen Belangen. Die potentiell störende Belastung, die sich hieraus für die jeweils berührten öffentlichen Belange ergibt, muss sich aus der Art des Vorhabens rechtfertigen lassen. Das Tatbestandsmerkmal des „Sollens“ setzt demgemäß eine Wertung voraus, ob nach Lage der Dinge das Vorhaben wegen seiner Zweckbestimmung hier und so sachgerecht nur im Außenbereich untergebracht werden kann. Unabhängig davon, ob ein Bauherr auch auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden kann, ist zu prüfen, ob das Vorhaben überhaupt im Außenbereich zugelassen werden soll (BVerwG, B.v. 6.9.1999 – 4 B 74/99; U.v. 16.6.1994 – 4 C 20/93 – beide juris). Davon kann noch keine Rede sein, wenn der mit einem Vorhaben verfolgte Zweck zwar billigenswert, ja möglicherweise sogar allgemein erwünscht, die damit verbundene bauliche Verfestigung jedoch als außenbereichsinadäquat zu qualifizieren ist (BayVGH, U.v. 8.12.2009 – 2 B 09.2257 – juris). Aus der Tatsache, dass ein Vorhaben einem zulässigen und sinnvoll nur im Außenbereich zu verwirklichenden Zweck dient, folgt noch nicht, dass es nach Bauplanungsrecht bevorzugt im Außenbereich ausgeführt werden soll (BVerwG, U.v. 14.3.1979 – IV C 41.73 – juris). Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind nur solche Vorhaben privilegiert, die über eine individuelle und die Allgemeinheit ausschließende Nutzung des Außenbereichs hinausgehen. Am Merkmal des Sollens i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB fehlt es immer dann, wenn gegenüber dem allgemeinen Bedürfnis nach Erholung in der freien Natur, dem der Außenbereich dient, individuelle Freizeitwünsche bevorzugt werden sollen (BVerwG, B.v. 9.9.2004 – 4 B 58/04; B.v. 10.2.2009 – 7 B 46.08; BayVGH, U.v. 8.12.2009 – 2 B 09.2257 – alle juris). Die Privilegierung setzt daher voraus, dass die Durchführung des Vorhabens im Außenbereich gerade durch die besondere Eigenart des Unterfangens erfordert wird. Erforderlich in diesem Sinne ist das, was getan werden muss, damit die privilegierte Tätigkeit ausgeübt werden kann (BayVGH U.v. 8.12.2009 – 2 B 09.2257 – juris; BVerwG, B.v. 23.11.1995 – 4 B 209/95 – juris). Ein Tierheim kann möglicherweise im Außenbereich privilegiert sein (vgl. Leitsätze zu OVG Münster, B.v. 22.2.1968 – X A 987/66 – juris). Nicht erforderlich kann aber eine eingefriedete Anlage der Dimension sein, die dem klägerischen Vorhaben zugrunde liegt. Die Einfriedung eines derart großen Areals ist – selbst bei Annahme eines Tierheims – in diesem Sinne ersichtlich nicht erforderlich. Der Zwecksetzung des Außenbereichs ist der Vorrang einzuräumen. Das klägerische Vorhaben ist rechtlich nicht zu billigen, da es i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht „gesollt“ ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.1975 – IV C 41.73 – juris). Erst recht gilt dies, wenn man von einer unspezifischen, den Außenbereich mit umfassenden Einfriedungsmaßnahme ohne Tierheimcharakter ausgehen wollte (vgl. zum Ganzen auch schon VG Würzburg, U.v. 20.5.2010 – W 5 K 09.869 – juris).
37
Das dementsprechend als sonstiges Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB zu qualifizierende Vorhaben ist unzulässig, weil es öffentliche Belange beeinträchtigt. Es widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der für die betroffenen Außenbereichsgrundstücke landwirtschaftliche Flächen ausweist (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Zudem beeinträchtigt es den Erholungswert der betroffenen Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Schließlich macht es den in der Bayerischen Verfassung garantierten Zugang zur freien Natur und die Erholung in der freien Natur im betroffenen Bereich unmöglich (Art. 141 Abs. 3 BV). Im konkreten Fall ist die umfassende Einfriedung großer Außenbereichsflächen mit der Verfassungsgarantie des Art. 141 Abs. 3 BV nicht vereinbar (vgl. auch Art. 26 BayNatSchG). Alle Teile der freien Natur können grundsätzlich von jedermann unentgeltlich – auch auf Privatwegen – betreten werden (vgl. Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG). Das Betretungsrecht der freien Natur kann vom Grundeigentümer nur unter den Voraussetzungen des Art. 33 BayNatSchG verweigert werden. Bei den Außenbereichseinfriedungen des Klägers handelt es sich jedoch nicht um zulässige Sperren im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Sieht man Art. 141 Abs. 3 BV und die Vorgaben des BayNatSchG nicht als eigenständigen öffentlichen Belang i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB an, wäre jedenfalls eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) anzunehmen. Zu dieser natürlichen Eigenart gehört es, dass die Außenbereichslandschaft von Anlagen, die nicht der Natur der freien Landschaft entsprechen, frei bleibt. Auch Einfriedungen, soweit sie nicht, wie z.B. Weidezäune oder Zäune für Forstkulturen, einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen, sind der freien Natur wesensfremd. Der Außenbereich soll für die naturgegebene Bodennutzung freigehalten werden, die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Dies erfordert die Abwehr aller Anlagen, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen. Es ist hier ohne weiteres – insbesondere auch ohne Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins – ersichtlich, dass die Einfriedung des großräumigen Grundstücksareals der Landschaft wesensfremd ist, darin als Fremdkörper erscheint und eine Parzellierung bewirkt, die einen Teil aus der freien Außenbereichslandschaft herausschneidet und ihn seiner natürlichen Funktion entzieht (vgl. zum Ganzen auch schon VG Würzburg, U.v. 20.5.2010 – W 5 K 09.869 – juris m.w.N.).
38
3.1.3. Es ist auch nicht erkennbar, dass auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
39
Es ist seitens des Klägers nicht aufgezeigt worden, dass er eine Planung verfolgt, die Teile der zu beseitigenden Einfriedungen oder gar das Gesamtvorhaben materiell legalisieren könnte. Dass – wie vorerwähnt – unter Umständen eine erheblich kleinere Einfriedung des im Außenbereich gelegenen Grundeigentums des Klägers für ein Tierasyl oder ein Tierheim planungsrechtlich zulässig sein könnte, ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur vollständigen Beseitigung der beanstandeten Einfriedungen. Es ist im hiesigen Verfahren auch nicht Sache der Bauaufsichtsbehörde, für einen Bauherrn materiell-rechtlich zulässige Alternativen zu suchen. Sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht ist es grundsätzlich Sache des Betroffenen, auf welche Art und Weise mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Einklang stehende Verhältnisse geschaffen werden können (VG Würzburg, U.v. 20.5.2010 – W 5 K 09.869 – juris). Eine entsprechende, hinreichend konkrete Gesamtplanung des Klägers, die die zu beseitigenden Einfriedungsanlagen oder zumindest Teile hiervon als bauplanungsrechtlich zulässig erscheinen lassen, ist nicht ansatzweise ersichtlich.
40
Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine Teilbeseitigung der aus Metallpfosten, Stahlgittermatten und Maschendrahtzaun bestehenden Einfriedungen zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ausgereicht hätte. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein lediglich die Beseitigung der Einfriedungen unter Ziffer 1.a (blaue Markierung im Lageplan P2) und nicht auch noch die Beseitigung der Einfriedungen unter Ziffer 1.b (grüne Markierung im Lageplan P2) erforderlich wäre, um rechtmäßige Zustände herzustellen. Das gilt unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Bebauungsplans „D …“. Geht man, wofür nach den Erkenntnissen im hiesigen Verfahren nichts spricht, von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „D …“ aus, sind die betroffenen Anlagen im Außenbereich gelegen, mit der Folge, dass ein Fortbestand dieser Anlagen entsprechend den vorstehenden Ausführungen mit § 35 BauGB nicht zu vereinbaren wäre. Geht man hingegen von der Wirksamkeit des Bebauungsplans „D …“ aus, ist ebenfalls von der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit auszugehen. In diesem Fall richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die Nr. 2.4 des Bebauungsplans „D …“ lässt Einfriedungen zwar grundsätzlich zu, setzt allerdings fest, dass diese aus Holz- oder Maschendrahtzäunen oder aus Hecken aus vorwiegend heimischen Gehölzen bestehen. Die zu beseitigenden Einfriedungen des Klägers bestehen jedoch nicht aus Holz- oder Maschendrahtzäunen oder aus Hecken, so dass sie der vorbezeichneten Festsetzung des Bebauungsplans widersprechen. Es ist auch nicht zu ersehen, dass eine Befreiung i.S.v. § 31 Abs. 2 BauGB beantragt worden wäre, geschweige denn, dass die materiellen Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen könnten.
41
Entsprechend ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise als durch die angeordnete Beseitigung rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten.
42
3.1.4. Das Landratsamt M.-S. hat das ihm im Rahmen der Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
43
Gerichtlich kann nach § 114 Satz 1 VwGO nur überprüft werden, ob überhaupt Ermessen ausgeübt wurde, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die von der Behörde zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (so genannter Ermessensausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat (so genannte Ermessensüberschreitung) oder wenn sie die Bandbreite ihrer Handlungsmöglichkeiten unterschätzt, also irrtümlich bestimmte Anordnungen für unzulässig gehalten hat (Ermessensunterschreitung). Ein Ermessensfehler liegt zudem dann vor, wenn die Behörde nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich also von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (so genannter Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 114a ff.; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 16 ff.). Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung ermitteln.
44
Gemessen an diesem Maßstab sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Das Landratsamt M.-S. hat das ihm bei der Beseitigungsanordnung zustehende Ermessen – wie sich aus der Begründung des Bescheids ohne weiteres ergibt („steht im pflichtgemäßen Ermessen des Landratsamtes“) – erkannt und in einer die gesetzlichen Grenzen nicht überschreitenden Art und Weise ausgeübt. Die Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde überhaupt eingeschritten ist, um rechtmäßige Zustände herzustellen, bedurfte keiner besonderen Rechtfertigung (BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – juris Rn. 83). Im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung durfte das Landratsamt M.-S. dem hoch zu gewichtenden Interesse der Allgemeinheit an rechtmäßigen Bauzuständen und an einer geordneten baulichen Entwicklung unter Verweis auf die Signalwirkung und auf den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs auch den Vorzug vor den privaten Interessen des Klägers an einer Weiternutzung der aus Metallpfosten, Stahlgittermatten und Maschendrahtzaun bestehenden Einfriedungen einräumen.
45
Die Beseitigungsanordnung im Bescheid vom 12. September 2018 entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine bauaufsichtliche Maßnahme entspricht dem aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und die dem Betroffenen auferlegte Belastung in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Maßnahme verfolgten Interessen steht. Art. 76 Satz 1 BayBO regelt mit dem Erfordernis, dass es ausgeschlossen sein muss, auf andere Weise als durch eine Beseitigung rechtmäßige Zustände zu schaffen, und der Verdeutlichung, dass nicht zwingend die vollständige Beseitigung der Anlage angeordnet werden muss („ganz oder teilweise“), wichtige Teilaspekte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausdrücklich (BayVGH, U.v. 28.6.2010 – 1 B 09.1911 – juris m.w.N.).
46
Hier erweist sich die vom Landratsamt M.-S. erlassene Beseitigungsanordnung als geeignet, erforderlich und angemessen. Insbesondere bestehen keine milderen Mittel, da – wie bereits aufgezeigt – keine Ansprüche auf Erteilung einer Baugenehmigung oder einer Befreiung bestehen und eine freiwillige Beseitigung der baulichen Anlagen durch den Kläger nicht erfolgte. Die Beseitigungsanordnung ist in Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen auch angemessen, weil dem öffentlichen Interesse an ordnungsgemäßen Bauzuständen Vorrang gegenüber dem Eigentumsgrundrecht des Klägers (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) einzuräumen ist, welches gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalts- und Schrankenbestimmungen – hier in Form des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts – unterliegt. Das private und gegebenenfalls auch wirtschaftliche Interesse des Klägers am Erhalt der Anlagen ist nicht schutzwürdig. Denn die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schadens, der durch die Beseitigung der Anlagen entsteht, wie auch der durch den Rückbau entstehenden Kosten, kann nicht dazu führen, dass derjenige, der sich baurechtswidrig verhält, gegenüber dem rechtstreuen Bauherrn bevorzugt wird, der sich vor der Errichtung des Bauvorhabens bei der Bauaufsichtsbehörde vergewissert, ob das Bauvorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist.
47
3.1.5. Die weiteren Einwände der Klägerseite vermögen an der Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung nichts zu ändern.
48
Soweit der Kläger noch auf den Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft B … vom 18. August 2004 und auf einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verweist, geht der Einwand fehl. Mit dem Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft B … vom 18. August 2004 wurde der Kläger verpflichtet, sicherzustellen, dass die Hunde das Halteranwesen „B …“ nicht ohne sein Zutun verlassen können. Für den Fall der Hundehaltung außerhalb des Gebäudes – in dessen näherem Umgriff – wurde angeordnet, das entsprechende Areal durch eine mindestens 200 cm hohe, ausbruchsichere Umzäunung zu sichern. Diese sicherheitsrechtliche Anordnung der Verwaltungsgemeinschaft ersetzt keine baurechtliche Erlaubnis der Bauaufsichtsbehörde und entbindet auch nicht auf andere Weise von der Einhaltung baurechtlicher Vorgaben.
49
Auch den von der Klägerseite geäußerten natur- oder artenschutzrechtlichen Bedenken ist schon deshalb keine Bedeutung beizumessen, weil infolge der im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens vom Landratsamt M.-S. erklärten Teilrücknahme des Bescheids vom 12. September 2018 lediglich die aus Metallpfosten, Stahlgittermatten und Maschendrahtzaun bestehenden Teile der Einfriedungen und damit insbesondere keine Bestandteile einer „lebenden Hecke“ zu beseitigen sind. Entsprechend bedarf es auch keiner näheren Untersuchung hinsichtlich des aktuellen Zustands der vorhandenen Vegetation. Insoweit kann allenfalls von noch Relevanz sein, ob die vorhandene Vegetation und die Zaunelemente in solch einer Weise miteinander verbunden sind, dass eine Beseitigung der Zaunelemente mit natur- oder artenschutzrechtlich nicht mehr zu rechtfertigenden Eingriffen einhergeht. Diesbezüglich hat die Untere Naturschutzbehörde mit Stellungnahme vom 20. September 2022 ausgeführt, dass die Zäune nahezu freistünden und entfernt werden könnten, ohne den „Lebensraum Totholzwall“ zu zerstören. Alle widerrechtlich errichteten Zäune könnten entfernt werden. Die anderslautende Behauptung der Klägerseite ist demgegenüber nicht näher unterlegt worden und vermag in ihrer Pauschalität die fachkundige, naturschutzrechtliche Einschätzung nicht zu entkräften. Auch zu dieser Frage ist eine entsprechende Beweisaufnahme – insbesondere durch einen von Klägerseite wiederholt angeregten gerichtlichen Augenschein – aus Sicht der Kammer nicht veranlasst; ein entsprechender Beweisantrag stellt sich als unzulässige Ausforschung dar, denn es ist klägerseits nicht einmal ansatzweise dargelegt worden, dass sich die im Schreiben der Unteren Naturschutzbehörde vom 20. September 2022 enthaltene Darstellung, im Fall der Entfernung der Zäune komme es zu keiner Zerstörung des „Lebensraums Totholzwall“, als unzutreffend erweisen könnte. Insoweit fehlt es schon an einer substantiellen Darlegung der Klägerseite (z.B. anhand von aktuellen Lichtbildaufnahmen), ob und gegebenenfalls inwieweit die zu entfernenden Zaunelemente von der vorhandenen Vegetation überwachsen worden sind. Zudem ist nicht ansatzweise aufgezeigt worden, dass sich die tatsächliche Situation abweichend von den durch die Untere Naturschutzbehörde gewonnenen Erkenntnissen in einer Weise darstellen würde, dass eine Beseitigung der Zaunelemente den „Lebensraum Totholzwall“ solche naturschutzrechtlichen Auswirkungen zeitigen könnte, dass dies die Verhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung in Frage stellen könnte.
50
3.1.6. Im Ergebnis ist damit der aufrecht erhaltene Teil der unter Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts Main-Spessart vom 12. September 2018 getroffenen Beseitigungsanordnung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
51
3.2. Die unter Ziffer 2 des Bescheids des Landratsamts Main-Spessart vom 12. September 2018 auf der Grundlage von Art. 76 Satz 2 BayBO verfügte Nutzungsuntersagung, mit der dem Kläger die Nutzung der in der Ziffer 1 genannten Grundstücke als Freigehege bzw. dauerhafter Zwinger zu Zwecken der Hundehaltung untersagt wird, ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
52
3.2.1. Entgegen der Auffassung der Klägerseite verstößt die angefochtene Nutzungsuntersagung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 12. September 2018 nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. hierzu bereits die vorstehenden Ausführungen unter 3.1.1.). Aus der Anordnung in Verbindung mit den Gründen des Bescheids und den dem Kläger bekannten Umständen ist für diesen ausreichend klar und verständlich, dass die Nutzung der unter Ziffer 1 bezeichneten Grundstücke als Freigehege bzw. als dauerhafter Zwinger zu Zwecken der von ihm praktizierten Hundehaltung untersagt werden soll. Für den Kläger ist bei verständiger Würdigung unzweideutig erkennbar, dass ihm damit eine Nutzung der Grundstücke als Freigehege oder Hundezwinger im Rahmen des von ihm praktizierten Gesamtvorhabens untersagt wird; die Maßnahme kann auch Grundlage einer zwangsweisen Durchsetzung sein.
53
3.2.2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO, demzufolge die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagt werden kann, liegen vor.
54
Anerkanntermaßen genügt für die Nutzungsuntersagung grundsätzlich die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 2 ZB 15.61 – juris; OVG NW, B.v. 25.6.2015 – 7 B 583/15 – juris; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL September 2022, Art. 76 Rn. 282 m.w.N.). Eine Anlage ist formell rechtswidrig, wenn sie Verfahrensvorschriften widerspricht, insbesondere ohne die erforderliche Baugenehmigung oder Zustimmung oder abweichend von ihr oder ohne das sonst erforderliche bauaufsichtliche Verfahren errichtet oder geändert worden ist. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL September 2022, Art. 76 Rn. 282 m.w.N.). Anders als bei der Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO kommt es nicht darauf an, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Damit ist es grundsätzlich unerheblich, ob die untersagte Nutzung (auch) gegen materielles Recht verstößt.
55
Im vorliegenden Fall geht die Behörde zu Recht davon aus, dass die vom Kläger errichteten Einfriedungen einer genehmigungspflichtigen Hundehaltung auf den genannten Grundstücken dienen. Dass dort eine genehmigungspflichtige Hundehaltung seitens des Klägers ausgeübt wird, ist von der Klägerseite auch nicht in Abrede gestellt worden, wenngleich sich die behördlicherseits angenommene Anzahl von 50 Hunden zwischenzeitlich deutlich reduziert haben mag. Eine die vor Ort praktizierte Hundehaltung abdeckende Baugenehmigung ist dem Kläger nicht erteilt worden. Es bestehen deshalb keine Zweifel an der formellen Illegalität der vom Kläger durchgeführten Hundehaltung.
56
Die bloße formelle Rechtswidrigkeit kann eine Nutzungsuntersagung – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – nur dann nicht rechtfertigen, wenn die ausgeübte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 2 ZB 15.61 – juris; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL September 2022, Art. 76 Rn. 282). Denn es ist im Allgemeinen unverhältnismäßig, eine offensichtlich materiell legale Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher – vergeblich – aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen (Art. 76 Satz 3 BayBO) bzw. ohne über einen bereits gestellten Bauantrag entschieden zu haben (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2014 – 9 CS 14.451 – juris und U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.353 – BayVBl 2012, 86). Hier kann von einer evidenten materiellen Rechtmäßigkeit der untersagten Nutzung aber nicht die Rede sein. Die Nutzung der eingefriedeten Grundstücke zu der vom Kläger beabsichtigten Hundehaltung ist nicht offensichtlich genehmigungsfähig, weil sie – wie vorerwähnt – in bauplanungsrechtlicher Hinsicht an § 35 BauGB zu messen ist und einiges dafür spricht, dass das sonstige, nicht privilegierte Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 2 BauGB zumindest die öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 5 BauGB beeinträchtigt. Zudem ist jedenfalls nicht in evidenter Weise davon auszugehen, dass ausgehend von der Hundehaltung des Klägers keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu besorgen sind.
57
3.2.3. Ein Ermessensfehler ist nicht ersichtlich. Die Entscheidung über eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO stellt eine Ermessensentscheidung dar, welche vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. § 114 VwGO). Die Behörde hat das ihr zustehende Ermessen erkannt („steht im pflichtgemäßen Ermessen des Landratsamtes“). Für die Ermessensausübung ist im Weiteren zu beachten, dass das öffentliche Interesse grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände im Wege der Nutzungsuntersagung gebietet. Die Behörde macht daher im Regelfall – so auch hier – von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie bei rechtswidrig errichteten oder genutzten Anlagen die unzulässige Benutzung untersagt, weil nur so die Rechtsordnung wiederhergestellt werden kann. Dem Ermessen in Art. 76 Satz 2 BayBO ist deshalb die Tendenz eigen, die der Natur der Sache nach gebotene Pflicht zum Einschreiten zu verwirklichen (sog. intendiertes Ermessen, vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL September 2022, Art. 76 Rn. 301).
58
Die behördliche Maßnahme erweist sich auch als verhältnismäßig. Sie ist zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände geeignet. Die Maßnahme ist auch erforderlich. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat die Anzahl der Hunde bisher nicht freiwillig auf ein Maß zurückgeführt, welches sich losgelöst von seinem Gesamtvorhaben beurteilen und als – etwa im Rahmen einer Wohnnutzung – zulässig einstufen lässt. Eine nähere Bestimmung einer eventuell zulässigen Hundehaltung geringen Umfangs – insbesondere nach Anzahl und Art der Hunde – lässt sich behördlicherseits auch nicht ohne entsprechende Mitwirkung des Klägers bzw. Konkretisierungen der klägerischen Absichten festlegen, so dass sich die Nutzungsuntersagung auch auf den gesamten, vom Kläger praktizierten Umfang der Hundehaltung beziehen durfte.
59
3.2.4. Im Ergebnis ist die Nutzungsuntersagung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
60
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
61
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.