Inhalt

FG München, Urteil v. 13.06.2022 – 7 K 2347/21
Titel:

Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27, 28 und § 38 KStG

Normenketten:
FGO § 44, § 56,§ 62 Abs. 6 S. 4, § 65 Abs. 1, § 79 b Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 2, § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1, § 155
KStG § 11 Abs. 1,§ 27, § 28, § 38
ZPO § 85 Abs. 2, § 236 Abs. 1, § 294 Abs. 1
Leitsätze:
1. Entscheidend für die Substantiierung des Klagebegehrens ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach deren Ansicht liegt (vgl. BFH, Beschlüsse vom 30. April 2001, VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227, BeckRS 2001, 25005981; vom 17. 2002, VI B 114/01, BStBl II 2002, 306, BeckRS 2002, 24001062).  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 20.09.2002, IV B 198/01, BFH/NV 2003, 190; BeckRS 2002, 25001247).    (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ablauf der Ausschlußfrist, Bescheid, Ausschlussfrist, Feststellung, Erkrankung, Einspruchsverfahren, Klage, keine Wiedereinsetzung, Gewerbesteuermessbetrag, Körperschaftsteuerbescheid, Steuerberatungsgesellschaft, Schätzungsbescheid, Wiedereinsetzung, Vorauszahlung, SARS-CoV-2
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44320

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

I.
1
Streitig ist die Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages 2018 für die in Abwicklung befindliche Klägerin sowie die hieran anknüpfenden Feststellungen auf den 31.12.2018 und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2021.
2
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in M. Durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts München vom … wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgelehnt. Die Auflösung der Gesellschaft wurde am … von Amts wegen in das Handelsregister eingetragen. Seither wird die Gesellschaft abgewickelt.
3
Mit Schreiben vom 23. Juli 2020 wies das Finanzamt die Klägerin daraufhin, dass infolge der Liquidation und aufgrund nicht eingereichter Steuererklärungen eine Schätzung in Zusammenhang mit einer Liquidationsschlussbesteuerung durchgeführt werde. Da der Besteuerungszeitraum bei der Abwicklung nach § 11 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) maximal drei Jahre betragen könne, müsse die Liquidationsschlussbesteuerung spätestens zum 12. Dezember 2019 durchgeführt werden. Für die Liquidationszwischenjahre 2017 und 2018 müssten weiterhin jährlich eine Handelsbilanz und eine Umsatzsteuererklärung eingereicht werden. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 führte das Finanzamt weiter aus, dass der Liquidationsbeginn auf den … fingiert werde. Es wurde erneut an die Abgabe der Erklärungen für das Jahr 2018 erinnert.
4
Da zum 23. November 2020 noch immer keine Unterlagen eingereicht worden waren, schätzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2018. Dem Schätzungsbogen zufolge ging sie von einem Jahresüberschuss i.H.v. 1.850.000 € aus. Zudem war auf dem Schätzungsbogen vermerkt, dass die Liquidationsschlussbesteuerung des Jahres 2017 am 8. November 2019 aufgehoben worden war, weswegen in 2018 zwingend eine Liquidationsschlussbesteuerung ohne Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) zu erfolgen habe. Bei der Vorgabe, die Veranlagung ohne VdN durchzuführen, wurde als Grund „Liquidationsschlussbesteuerung“ und „Dauerschätzer“ vermerkt.
5
Das Finanzamt erließ mit Verwaltungsakten vom 14. Dezember 2020 entsprechende Steuerbescheide über Körperschaftsteuer 2018, den Gewerbesteuermessbetrag 2018, den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2021, die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27, 28 und 38 KStG zum 31.12.2018 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2018 jeweils ohne VdN. In den Erläuterungen der Bescheide war ein Hinweis auf die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen enthalten; im Körperschaftsteuerbescheid zudem ein Hinweis darauf, dass der Bescheid den Liquidationszeitraum vom 1.1.2016 bis zum 31.12.2018 umfasst.
6
Die Klägerin legte am 18. Januar 2021 dagegen Einspruch ein. Gemäß dem Schriftsatz erfolgte die Einlegung des Einspruchs „höchst vorsorglich zur Fristwahrung“. Eine eingehende Begründung sollte „ggf. mit separatem Schreiben nachgereicht“ werden, was nicht geschah. Hinsichtlich des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2021 wurde mit Bescheid vom 11. Oktober 21 eine Abhilfe erlassen. Die weiteren Einsprüche wurden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und mit Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2021 als unbegründet zurückgewiesen.
7
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Laut der Klageschrift vom 7. November 2021 erfolgte auch die Klageerhebung „höchst vorsorglich zur Fristwahrung“. Die Klageanträge und eine eingehende Klagebegründung sollten einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben. Es wurde Akteneinsicht beantragt sowie die Klagebegründung nebst Anträgen sechs Wochen nach erfolgter Akteneinsicht nachreichen zu können. Der Klageschrift wurden Kopien der angefochtenen Bescheide und der Einspruchsentscheidung beigefügt.
8
Mit Schreiben vom 10. November 2021 wurde die Klägerin aufgefordert, bis 30. November 2021 eine auf sie lautende Prozessvollmacht nachzureichen. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2021 wurde der Vertreterin der Klägerin mitgeteilt, dass die Akten in der Geschäftsstelle des Senats eingesehen werden können. Da dies nicht wahrgenommen wurde und keine weiteren Unterlagen eingereicht worden waren, wurde die Klägervertreterin mit Schreiben vom 25. Januar 2022 erneut aufgefordert bis 8. Februar 2022 die Prozessvollmacht nachzureichen und die Klage zu begründen.
9
Weil die Klägerin auch diese Frist verstreichen ließ, erging am 2. März 2022 die richterliche Anordnung, dass eine nach § 62 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzureichende Vollmacht der Klägerin nunmehr bis 1. April 2022 einzureichen ist. Die Klägerin wurde belehrt, dass die Klage bei Nichtvorlage der Vollmacht u.U. als unzulässig abgewiesen werden kann (§ 62 Abs. 6 Satz 4 FGO). Sie wurde weiterhin gebeten, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen (§ 65 Abs. 1 FGO). Hierzu wurde gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO eine Frist mit ausschließender Wirkung bis 1. April 2022 gesetzt. Insoweit wurde die Klägerin belehrt, dass die Klage bei Versäumung dieser Frist – vorbehaltlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Frist (§ 56 FGO) – als unzulässig abgewiesen werden muss. Die Klägerin wurde ferner aufgefordert, die Tatsachen anzugeben, durch deren (Nicht-)Berücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich die Klägerin beschwert fühlt. Hierzu wurde gem. § 79 b Abs. 1 FGO eine ebenfalls bis 1. April 2022 laufende Frist gesetzt und die Klägerin darauf hingewiesen, dass Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, vom Gericht zurückgewiesen werden können und ohne weitere Ermittlungen entschieden werden kann, wenn die spätere Zulassung der Erklärungen und Beweismittel nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung durch die Klägerin nicht genügend entschuldigt wird. Die Anordnung wurde der Klägerin am 10. März 2022 zugestellt.
10
Mit Schreiben vom 5. April 2022 trug die Klägerin erstmals inhaltlich zur Begründung der Klage vor. Ihrer Ansicht nach seien die angefochtenen Bescheide schon allein deshalb aufzuheben, weil diese nichtig und weil sie nicht unter VdN gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erlassen worden seien, der geschätzte Gewinn – ohne nähere Begründung – mit 1.850.000 € unangemessen hoch geschätzt worden sei und die Liquidation der Klägerin bislang nicht abgeschlossen sei.
11
Ferner stellte die Klägerin Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die mit richterlicher Anordnung vom 2. März 2022 gesetzten Fristen. Die Prozessvollmacht wurde auf die Steuerberatungsgesellschaft … ausgestellt, die als Berufsträger neben dem das Verfahren führenden Steuerberater G den Steuerberater K umfasst. G gibt an, am 1. April 2022 gegen 15:00 Uhr unglücklich gestürzt zu sein und sich dabei eine Gehirnerschütterung zugezogen zu haben, die ihn – auch schockbedingt – aktions- und arbeitsunfähig gemacht habe. Er habe deshalb die am 1. April 2022 um 24 Uhr ablaufende Frist nicht wahren können. Auch eine Schriftsatzeinreichung durch den einzigen weiteren Partner der Prozessbevollmächtigten hätte am 1. April 2022 nicht erfolgen können, da dieser am 1. April 2022 nicht in der Kanzlei und wegen des Wochenendes nicht erreichbar gewesen sei. Die Richtigkeit der geschilderten Tatsachen versicherte Herr G an Eides statt. Die Prozessvollmacht wurde mit entsprechendem Schreiben in Kopie nachgereicht. Mit Schreiben vom 29. April 2022 wurde eine auf die Prozessbevollmächtigte ausgestellte Prozessvollmacht im Original vorgelegt und die Einlassungen zur Wiedereinsetzungen insoweit ergänzt, als dass Herr G in seiner allein bewohnten Privatwohnung beim Einschrauben einer Glühbirne auf einem Stuhl stehend schwer gestürzt und dabei auf den Hinterkopf gefallen sei. Eine Ohnmacht sei die Folge gewesen, ebenso starke Kopfschmerzen und Erbrechen. Er habe den Rest des Tages und die darauffolgenden Tage bettlägerig in seiner Privatwohnung verbracht. Aus diesen Gründen könne er weder ein ärztliches Attest noch Erklärungen weiterer Personen vorlegen. In der mündlichen Verhandlung weist Herr G ferner darauf hin, dass er auch die in der Kanzlei tätige Steuerfachgehilfin versucht habe zu kontaktieren, er sie am Freitagabend aber nicht mehr habe erreichen können. Zudem hätte sie den Schriftsatz ohnehin nicht verfassen können.
12
Mit Schreiben vom 12. Juni 2022 teilte die Klägervertreterin ferner mit, dass die bis zum 1. April 2022 gesetzte Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagegegenstandes unangemessen kurz gewesen sei. G habe sich in der Zeit vom 4. bis 16. März 2022 aufgrund einer Covid-19-Infektion in Quarantäne befunden. Es handle sich nicht um einen typischen Schätzungsfall. Eine Veranlagung auf den 31.12.2018 käme im Streitfall nicht in Betracht, sodass keine Verpflichtung für die Klägerin zur Abgabe von Steuererklärungen auf den 31.12.2018 bestünde. Zudem seien Steuerkanzleien aufgrund der ihnen übertragenen zusätzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit den pandemiebedingten Überbrückungshilfen arbeitsüberlastet. Nach alledem sei eine dreiwöchige Ausschlussfrist zu kurz bemessen.
13
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Körperschaftsteuer 2018, Gewerbesteuermessbetrag 2018, Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2021, gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27, 28 und 38 KStG zum 31.12.2018 und gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2018 jeweils vom 14. Dezember 2020 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2021 aufzuheben;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
14
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
15
Er trägt vor, dass die angefochtenen Bescheide entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nichtig seien. Die Klägerin habe seit 2012 trotz mehrfacher Aufforderungen keine Steuererklärungen mehr abgegeben. Daher habe er die Besteuerungsgrundlagen aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Daten geschätzt. Die Schätzung sei dem Grunde als auch der Höhe nach berechtigt. Der fehlende Vorbehalt der Nachprüfung führe nicht zur Nichtigkeit.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamtsakten, auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2022 Bezug genommen.
II.
17
1. Hinsichtlich des Bescheides über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2021 ist die Klage bereits gemäß § 44 Abs. 1 FGO unzulässig, weil insoweit das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht erfolglos geblieben ist. Insoweit hat der Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2021 eine Abhilfe erlassen.
18
2. Die Klage ist darüber hinaus in Gänze unzulässig, weil das Klagebegehren nicht innerhalb der Frist des § 65 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO bezeichnet wurde und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
19
a) Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss eine Klage u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Genügt die Klage diesen Erfordernissen nicht, so kann der Senatsvorsitzende oder der Berichterstatter des Finanzgerichts dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Wird diese Frist versäumt, so ist die Klage – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – endgültig unzulässig.
20
aa) Inwieweit das Klagebegehren im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab, insbesondere vom Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes, der Steuerart und der Klageart. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach deren Ansicht liegt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 30. April 2001 VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227; vom 17. 2002 VI B 114/01, BStBl II 2002, 306). Der Gegenstand des Klagebegehrens kann auch im Wege der Auslegung und unter Rückgriff auf die Steuerakten festgestellt werden (BFH-Beschluss vom 20. September 2002 IV B 198/01, BFH/NV 2003, 190, m.w.N.). Grundsätzlich nicht ausreichend sind die Ankündigung eines Sachvortrags, die Ankündigung einer nachzureichenden Steuererklärung, der allgemeine Hinweis, die Besteuerungsgrundlagen seien zu hoch geschätzt worden, oder der Antrag auf „Aufhebung“ eines Schätzungsbescheides, wenn der Sache nach erkennbar und typischerweise eine Herabsetzung der Steuer nach Maßgabe von noch abzugebenden Steuererklärungen begehrt wird (BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BStBl II 1998, 628). Eine Klage gegen einen Schätzungsbescheid, mit der dessen „Aufhebung“ begehrt wird, kann zwar im Einzelfall – etwa weil die Steuerpflicht dem Grunde nach bestritten wird – genau dieses Ziel haben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine atypische Konstellation, deren Vorliegen nur dann angenommen werden kann, wenn das „Aufhebungs-„Begehren durch entsprechende inhaltliche Ausführungen näher konkretisiert wird. Anderenfalls wird eine solche Klage in der Regel dahin zu verstehen sein, dass der Kläger – abweichend vom Wortlaut der Klageschrift – nicht eine (vollständige) Aufhebung, sondern (nur) eine inhaltliche Änderung des angefochtenen Bescheids begehrt. Zumindest bleibt dies offen, solange der Antrag auf „Aufhebung“ des Bescheids nicht näher erläutert wird. Und andererseits ist auch der Umfang der ggf. begehrten Änderung unklar, solange der Kläger weder die ausstehende Steuererklärung abgibt noch auf andere Weise die von ihm angestrebte Steuerfestsetzung präzisiert. Damit ist das Finanzgericht nicht in der Lage, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu bestimmen oder überhaupt zu erkennen, über welche Streitpunkte es nach dem Willen des Klägers entscheiden soll. Eine Klage, die hierüber keinen Aufschluss gibt, ist indessen unzulässig (BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BStBl II 1998, 628 m.w.N.).
21
bb) Der Klageschriftsatz vom 07. November 2021 lässt nicht erkennen, in welchem Umfang die angefochtenen Bescheide korrigiert werden sollen. Die Klägerin hat das Klagebegehren nicht bis zum Ablauf der ihr bis 1. April 2022 gesetzten Ausschlussfrist bezeichnet.
22
(1) Nach der richterlichen Verfügung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO erfolgte keine Konkretisierung des Klagebegehrens innerhalb der gesetzten Frist gegenüber dem Finanzgericht. Das Klagebegehren ergibt sich nicht aus der Klageschrift. Weitere Schreiben gingen bis zum Ablauf des 1. April 2022 nicht ein. Laut der Klageschrift vom 7. November 2021 erfolgte die Klageerhebung „höchst vorsorglich zur Fristwahrung“. Klageanträge und eine eingehende Klagebegründung sollten dem eigenem Vortrag der Klägerin zufolge einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben. Es wurde in Aussicht gestellt, dass die Klagebegründung nebst Anträgen sechs Wochen nach erfolgter Akteneinsicht nachgereicht werde. Dies unterblieb jedoch. Es fehlt somit an einer substantiierten Darlegung der Klägerin, inwiefern die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig und sie in ihren Rechten verletzt sein sollen.
23
(2) Eine zeitnahe Sachprüfung und Entscheidung durch das Gericht wird nur durch eine Stellungnahme gegenüber dem Gericht ermöglicht. Bei Gericht ging kein solches Schreiben der Klägerin ein. Eine Konkretisierung gegenüber dem Finanzamt, die im Übrigen hierfür nicht ausreichend wäre (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 11. Juni 1999 V B 168/98, BFH/NV 1999, 1501), befindet sich ebenfalls nicht in den Akten.
24
(3) Das Klagebegehren kann auch nicht aus anderen Unterlagen entnommen werden. Zwar wurden der Klageschrift Kopien der angefochtenen Bescheide und der Einspruchsentscheidung beigefügt. Bei den angegriffenen Verwaltungsakten handelt es sich jedoch um Schätzungsbescheide basierend auf einer Vollschätzung. Auch im dagegen geführten Einspruchsverfahren fehlt ein konkretes Vorbringen der Klägerin, dass und in welchem Umfang die Ermittlung der Einkünfte fehlerhaft sei. Vielmehr erfolgte auch die Einlegung des Einspruchs nur „höchst vorsorglich zur Fristwahrung“. Die Nachreichung einer eingehenden Begründung wurde zwar angekündigt, blieb aber ebenso aus. Außerdem wurden bislang keine Steuererklärungen und/oder Gewinnermittlungen für das Jahr 2018 eingereicht.
25
b) Die Ausschlussfrist wurde wirksam gesetzt. Entgegen dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten ist sie nicht unangemessen kurz bemessen.
26
aa) Während das Gericht nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO zur Ergänzung der Klage bei den Muss- und Soll-Erfordernissen des § 65 Abs. 1 FGO gleichermaßen eine einfache Frist zu setzen hat, „kann“ es gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO hinsichtlich der Muss-Erfordernisse des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO auch eine Ausschlussfrist setzen. Anders als die einfache Frist steht die Ausschlussfrist damit im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2000, IV B 87/99, BFH/NV 2000, 1354; vom 17. November 2003, XI B 213/01, BFH/NV 2004, 514; vom 9. Februar 2006, VIII B 47/05, BFH/NV 2006, 1119). Die Ausschlussfrist darf auf Grund der mit ihrer Versäumung verbundenen Präklusionswirkung nicht unangemessen kurz sein, da sie ansonsten unwirksam ist (BFH-Beschlüsse vom 17. November 2003, XI B 213/01, BFH/NV 2004, 514; vom 29. Oktober 2004, XI B 99/02). Ihre Angemessenheit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Frist von vier Wochen ist regelmäßig ausreichend und nicht ermessensfehlerhaft (BFH-Beschluss vom 22. November 1995, IV B 50/95, BFH/NV 1996, 348; FG Mecklenburg-Vorpommern vom 18.6.2012, 2 K 54/12, rkr.). In Schätzungsfällen kann zur Verfahrensbeschleunigung auch eine Ausschlussfrist von drei Wochen ab Zustellung der betreffenden richterlichen Verfügung noch ermessensgerecht sein, wenn die Fristen zur Abgabe der Steuererklärungen um drei bzw. vier Jahre überschritten worden sind (BFH-Beschluss vom 10. September 2002, X B 48/02; vom 10. September 2002, X B 46/02, BFH/NV 2003, 71). Wird einem Steuerberater zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens eine Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO von (nur) zwei Wochen gesetzt, so ist diese zwar äußerst und unnötig knapp, im Einzelfall aber dennoch ausreichend bemessen (BFH-Beschluss vom 14. Juni 1999 I B 174/98, BFH/NV 1999, 1502).
27
bb) Die Ausschlussfrist wurde vorliegend mit richterlicher Anordnung vom 2. März 2022, zugestellt am 10. März 2022, gesetzt. Fristende war Freitag der 1. April 2022. die Frist belief sich demnach ab Zustellung auf drei Wochen und einen Tag.
28
Bei der Fristsetzung wurde berücksichtigt, dass die Klägerin über Jahre hinweg ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen ist; es sich also um einen sogenannten Dauerschätzer und bei den angegriffenen Verwaltungsakten um Schätzungsbescheide handelte. Überdies hatte die Vertreterin der Klägerin die Klage – wie zuvor schon den Einspruch – nur „höchst vorsorglich zur Fristwahrung“ erhoben und eine spätere Begründung in Aussicht gestellt, die ausblieb. Die mit Schreiben vom 10. November 2021 auf den 30. November 2021 gesetzte Frist zur Nachreichung einer auf sie lautenden Prozessvollmacht lies die Vertreterin der Klägerin ebenso unbeantwortet verstreichen, wie die mit Schreiben vom 15. Dezember 2021 angekündigte Möglichkeit der Akteneinsichtnahme, um welche die Vertreterin der Klägerin vor Begründung der Klage ersucht hatte. Daher wurde die Vertreterin der Klägerin mit Schreiben vom 25. Januar 2022 gebeten, bis spätestens 8. Februar 2022, die Prozessvollmacht nachzureichen und die Klage zu begründen. Auch auf diese Frist hin wurden weder Unterlagen von der Vertreterin der Klägerin eingereicht, noch anderweitig Kontakt zum Finanzgericht aufgenommen. Das Gericht wartete weitere drei Wochen, bis es sich am 2. März 2022 schlussendlich dazu entschloss, auf das Mittel der Ausschlussfrist zurückzugreifen, um den Prozess voranzutreiben. Die in der Klageschrift vom 7. November 2021 angekündigte Klagebegründung stand zu diesem Zeitpunkt bereits seit knapp vier Monaten aus. Alle zuvor gesetzten einfachen Fristen blieben unbeantwortet. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigten die streitgegenständlichen Bescheide bereits Ende 2020 zugestellt wurden und die Klägerin über einen langen Zeitraum hinweg bis zum Zeitpunkt der Fristsetzung ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen war. Unter diesen Umständen ist die Dauer der auf den 1. April 2022 gesetzten Ausschlussfrist angemessen bemessen.
29
cc) Hieran ändert auch der von der Klägervertreterin vorgebrachte Umstand, dass Herr G sich vom 4. bis 16. März 2022 aufgrund einer Covid-19-Infektion in Quarantäne befunden habe, nichts. Unabhängig davon, dass vom Ablauf der Quarantäne bis zum Ablauf der Ausschlussfrist noch über zwei Wochen Zeit zur Beantwortung der gerichtlichen Schreiben verblieben, hätte es der Klägerinvertreterin auch freigestanden eine Fristverlängerung zu beantragen, was sie unterließ.
30
(1) Die Ausschlussfrist des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO ist eine richterliche Frist, die gemäß § 224 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO – i.V.m. § 54 Abs. 2 FGO verlängert werden kann (BFH-Beschluss vom 11. März 1996, V B 106/95, BFH/NV 1996, 756). Die Fristverlängerung setzt voraus, dass erhebliche Gründe dafür vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, dass der Kläger zur Einhaltung der Frist nicht in der Lage ist (BFH-Beschluss vom 24. März 1999, V B 136/98, BFH/NV 1999, 1237). Der Antrag auf Fristverlängerung muss zumindest andeutungsweise den Zeitraum erkennen lassen, um den die Frist zu verlängern ist (BFH-Beschluss vom 30. Juli 2003, IV B 38/02, BFH/NV 2003, 1602). Die Verlängerung muss vor Fristablauf beantragt und ein entsprechender Grund substantiiert dargelegt werden (BFH-Beschlüsse vom 1. August 1996, XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131; vom 24. März 1999, V B 136/98, BFH/NV 1999, 1237). Die Glaubhaftmachung der erheblichen Gründe muss ebenfalls innerhalb der Ausschlussfrist erfolgen (BFH-Beschluss vom 1. August 1996, XI B 149/95, XI B 150/95, BFH/NV 1997, 131). Allein der Antrag auf Fristverlängerung macht die Ausschlussfrist gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht hinfällig (BFH-Beschlüsse vom 9. Juni 1995, VII B 20/95, BFH/NV 1996, 50; vom 1. August 1996, XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131; vom 17. Oktober 2003, IV B 51/02, BFH/NV 2004, 348; vom 16. Juni 2009, X B 11/09).
31
(2) Vor Ablauf des 1. April 2022 ging dem Gericht kein Fristverlängerungsantrag zu. Einwendungen gegen die Dauer der Frist bzw. der Umstand, dass sich Herr G Anfang bis Mitte März 2022 in Quarantäne befunden habe, wurden dem Gericht erst mit Schreiben vom 12. Juni 2022 – mithin über zehn Wochen nach Ablauf der Ausschlussfrist – mitgeteilt. Ein wirksamer – wenn auch nur konkludent gestellter – Fristverlängerungsantrag kann daher allein schon deshalb hierin nicht erblickt werden.
32
c) Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO i.V.m. § 56 Abs. 1 und 2 FGO zu gewähren. Sie hat keine Tatsachen schlüssig vorgetragen bzw. vortragen lassen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten.
33
aa) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Dabei ist dem Beteiligten ein etwaiges Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten und dessen gesetzlicher Vertreter zuzurechnen. Die Gewährung der Wiedereinsetzung ist demnach grundsätzlich antragsgebunden. Die Form des Antrags richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Handlung gelten (§ 155 FGO i.V.m. § 236 Abs. 1 ZPO). Damit ist für die Versäumung der Frist zur Bezeichnung des Klagebegehrens Schriftform erforderlich. Nach § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 FGO).
34
bb) Die Antragsfrist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d.h. mit dem Zeitpunkt, in dem die Ursache der Verhinderung behoben oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr unverschuldet ist (z.B. BFH VII B 64/99, BFH/NV 1999, 1633). Das ist regelmäßig der Zeitpunkt, in dem der Kläger von der Fristversäumung Kenntnis erlangt und in dem er somit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls frühestens den Antrag bei Gericht stellen kann. Dies ist nach Aktenlage spätestens der 5. April 2022, also der Montag und damit nächste Werktag nachdem Herr RA G vorträgt, verunglückt zu sein und er oder sein gleichsam von der Klägerin beauftragter Kollege nach dem Wochenende wieder im Büro zugegen waren. Die Antragsfrist wäre damit grds. mit dem Schreiben vom 5. April 2022 gewahrt worden.
35
cc) Die in diesem Schreiben vorgetragenen Umstände beinhalten jedoch keinen Sachverhalt, der eine Wiedereinsetzung begründen könnte. Es sind keine Gegebenheiten vorgetragen und glaubhaft gemacht worden oder – was nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO berücksichtigt werden könnte – sonst ersichtlich, der der von der Klägerin mit ihrer Vertretung betrauten Steuerberatungsgesellschaft erlaubt hätte, ohne Verschuldensvorwurf die Klagebegründungsfrist ungenutzt verstreichen zu lassen, d.h. innerhalb derselben weder für eine Begründung der Klage noch für einen Antrag auf Fristverlängerung zu sorgen.
36
(1) Die Klägerin muss sich nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres Bevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. März 2005 VIII B 207/02, BFH/NV 2005,1574; vom 24. April 2008 IX B 164/07, BFH/NV 2008,1349; BFH-Urteil vom 29. April 2008 I R 67/06, BFH/NV 2008,1621). Das gilt bei der Beauftragung einer Sozietät auch hinsichtlich eines ihr angehörenden Vertreters (BFH-Urteil vom 15. Februar 1984 II R 57/ 83, BStBl II 1984, 320; vom 11. August 1993 II R 6/91, BFH/NV 1994,440; vom 6. November 2014 VI R 39/14, BFH/NV 2015, 339). Sind mehrere Anwälte bevollmächtigt, darf keinem von ihnen ein Verschulden zur Last fallen (BFH-Urteil vom 17. Februar 1986 VI R 94/85, BFH/NV 1986, 743) und zwar auch dann nicht, wenn im Innenverhältnis die Sachbearbeitung nur einem Anwalt obliegt (Bundesgerichtshof – BGH –, Urteil vom 12. Oktober 1976 III ZB 12/76, VersR 1977, 81). Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberatungsgesellschaft geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt und sie daher grundsätzlich dafür Vorkehrungen treffen muss, dass auch bei einer nicht vorhergesehenen Erkrankung Fristen in den Verfahren gewahrt werden, deren Betreuung im Rahmen des betreffenden Geschäftsbetriebes übernommen worden ist (vgl. BGH-Beschluss vom 26. November 1998 IX ZB 84/98, Anwaltsblatt – AnwBl – 1999, 227, und BFH-Beschluss vom 7. Februar 2002 III R 12/01, BFH/NV 2002, 794). Fehlt es an solchen Vorkehrungen, fällt dies dem Beteiligten als ihm, zuzurechnendes Organisationsverschulden seines Bevollmächtigten zur Last.
37
Die Klägerin hat der K + Geimer Partnerschaftsgesellschaft mbB eine Prozessvollmacht ausgestellt. Diese war nicht auf G beschränkt. Damit war auch der weitere Partner Herr S. K mit der Prozessführung beauftragt. Es wurden keine Umstände vorgetragen, wonach es beiden Partnern unverschuldet nicht möglich war, fristgemäß eine Klagebegründung einzureichen. G gab vielmehr an, versucht zu haben, am 1. April 2022 seinen Partner telefonisch zu erreichen, was ihm nicht gelang. Als Grund hierfür wurde lediglich vorgetragen, dass es schon Freitagabend war. Dies entschuldigt das Nichttätigwerden des zweiten Steuerberaters nicht.
38
Dass die Steuerberatungsgesellschaft im vorliegenden Fall organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung von Fristen getroffen hätte, ist nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr hat sich Herr G dahingehend eingelassen, dass eine Schriftsatzeinreichung durch den einzigen weiteren Partner der Prozessbevollmächtigten am 1. April 2022 nicht hätte erfolgen können, weil dieser am Tag des Fristablaufes in der Kanzlei nicht zugegen und wegen des Wochenendes nicht erreichbar gewesen sei. Auch die für die Kanzlei tätige Steuerfachgehilfin habe er am 1. April 2022 nicht kontaktieren können. Dies spricht aus Sicht des erkennenden Senates eher dafür, dass die erforderlichen Vorkehrungen gerade nicht getroffen worden waren.
39
(2) Überdies entschuldigt es den mit dem vorliegenden Fall betrauten Prozessvertreter G nicht, dass er, wie offenbar geltend gemacht werden soll, kurz vor Ablauf jener Frist erkrankt sein mag. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH entschuldigt Krankheit zwar eine Fristversäumnis, wenn sie plötzlich auftritt und mit ihr nicht gerechnet werden musste und wenn sie so schwer war, dass weder die Wahrung der laufenden Fristen noch die Bestellung eines Dritten, der sich um sie kümmern konnte, möglich war (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 9. November 1999 XI R 17/99, BFH/NV 2000, 583, sowie Koch in: Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 56 Rn. 20 Stichwort „Krankheit“ mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bei Fristversäumnis infolge einer Erkrankung sind Art und Schwere der Erkrankung konkret zu bezeichnen (BFH-Beschluss BFH, Beschluss vom 30. Januar 2007 IX B 86/06, BFH/NV 2007, 1513 m.w.N.). Bei der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist darzulegen, warum dieser nicht einmal in der Lage war, minimale Arbeiten zu erledigen (BFH-Beschluss vom 7. Januar 2015 V B 70/14, BFH/NV 2015, 516) und welche organisatorische Maßnahmen für den Krankheitsfall getroffen wurden (stRspr. vgl. bspw. BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 2013 II R 5/13, BFH/NV 2013, 1428; vom 6. November 2014 VI R 39/14, BFH/NV 2015, 339).
40
Der Prozessbevollmächtigte, Herr G, hat vorgetragen, am 1. April 2022 vom Stuhl gestürzt und infolgedessen ohnmächtig und später bettlägerig gewesen zu sein. Er hat jedoch nicht vorgetragen, welche organisatorischen Maßnahmen (z.B. Vertreterregelung, Fristenkontrolle, usw.) für den Krankheitsfall getroffen wurden, sodass die Kausalität eines gleichsam vorliegenden Büroversehens nicht ausgeschlossen werden kann. Er gab vielmehr an, weder die für die Kanzlei tätige Steuerfachgehilfin noch seinen ebenfalls beauftragen Partner am 1. April 2022 erreicht zu haben, ohne darzutun, inwieweit dies entschuldigt sein sollte.
41
(3) Zudem hat Herr G die vorgetragenen Umstände auch nicht in ausreichender Weise glaubhaft gemacht.
42
Beteiligte können sich gemäß § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO zur Glaubhaftmachung aller Beweismittel bedienen. Da nach § 294 Abs. 2 ZPO eine Beweisaufnahme über die glaubhaft zu machende Tatsache ausgeschlossen ist, findet insoweit allerdings eine Beschränkung auf präsente Beweismittel statt. Das sind solche, aufgrund derer die Beweise unmittelbar erbracht werden können. Zu den präsenten Beweismitteln gehört auch die Versicherung an Eides statt, allerdings nur dann, wenn keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen (BFH-Beschluss vom 1. Oktober 2007 XI B 115/06, BFH/NV 2008, 89 m.w.N.). Die Fristversäumnis infolge einer Erkrankung ist daher grundsätzlich durch eine ärztliche Bescheinigung zu belegen (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2007 I R 31/06, BFH/NV 2008, 796; BFH-Beschluss vom 1. Oktober 2007 XI B 115/06, BFH/NV 2008, 89).
43
Vorliegend hat der G die von ihm vorgetragene Erkrankung lediglich an Eides statt versichert. Ein ärztliches Attest oder andere Belege, wie Versicherungen Dritter (z.B. Zeugenaussage der in der Kanzlei beschäftigten Steuerfachangestellten bzw. des weiteren Berufsträgers), wurden nicht vorgelegt. Zudem erscheint es dem Senat lebensfremd, dass eine Person, die derart stark stürzt, infolgedessen ohnmächtig wird und sich erbricht, gleichwohl nicht zum Arzt geht und allein mehrere Tage zu Hause im Bett verbringt. Allein der Umstand, dass eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt wurde, macht die in ihr enthaltene Erklärung nicht zwangsläufig glaubhaft (BFH-Beschluss vom 9. Juli 2008 XI S 1/08, BFH/NV 2008, 1693).
44
3. Auf die darüberhinausgehenden materiell-rechtlichen Fragen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Schätzungsbescheide, insbesondere die Frage, ob der Beklagte den nach § 11 Abs. 1 KStG zu bestimmenden Besteuerungszeitraum korrekt festgelegt hat, kommt es nach alledem nicht mehr an.
45
4. Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin aufzuerlegen, da sie unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).
46
5. Die Revision wurde nicht zugelassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO einschlägig ist.