Titel:
Nachweis des Zugangs der mittels Übersendung an das elektronische Anwaltspostfach BeA übersandten Ladung zur mündlichen Verhandlung
Normenketten:
AO § 164 Abs. 1
KStG § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 3
FGO § 65 Abs. 2
EStG § 10d Abs. 4 S. 4 u. 5
Leitsatz:
In einem Rechtsbehelfsverfahren, dessen Gegenstand der Verlustfeststellungsbescheid ist, kann nur geprüft werden, ob die nach dem (Quasi-)Grundlagenbescheid anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen zutreffend in den Verlustfeststellungsbescheid übernommen worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 2016 I R 30/15, BStBl II 2017, 921, BeckRS 2016, 122870). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anordnung, Bescheid, Gewerbesteuermessbetrag, gesonderte Feststellung, gerichtliche Anordnung, Finanzamt, Einspruchsentscheidung, Einspruch, Vereinbarung, Verkauf
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44318
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin ist eine zwischenzeitlich aufgelöste GmbH (Handelsregistereintragung vom …). Gegenstand des Unternehmens war der Groß- und Einzelhandel mit Waren aller Art, Dienstleistungen im Bereich … Da die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen nicht nachkam, wurden die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 2017 gemäß § 162 Abs. 1 AO geschätzt. Die Schätzungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO mit Datum vom 15.01.2019. Grundlage für die Schätzung waren unter anderen die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung.
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Die Klägerin legte gegen die Steuerbescheide für das Jahr 2017 Einspruch ein. Die entsprechenden Steuererklärungen gingen am 04.02.2019 beim Finanzamt ein. Mit Schreiben vom 04.09.2019 nahm die Klägerin gegenüber dem Finanzamt Stellung zu ihrer Geschäftstätigkeit und ihren Beziehungen zur X Ltd. und überreichte eine Vereinbarung zwischen ihr und der X Ltd. vom 1. März 2017, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird.
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Mit der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2021 änderte das Finanzamt die bisherigen Steuerfestsetzungen. Der Jahresüberschuss wurde mit 45.496 € angesetzt, das zu versteuernde Einkommen wurde auf nunmehr 66.692 € erhöht. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde i.H.v. 2.331 € festgesetzt.
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Die Klägerin erhob gegen die Steuerbescheide für 2017 vom 15.01.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2021 Klage, ohne sie zu begründen. Eine Begründung sollte nachgereicht werden.
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Nach erfolgloser Aufforderung durch die Senatsgeschäftsstelle (Schreiben vom 20.07.2021 und Erinnerung vom 08.09.2021) wurde mit Anordnung vom 27.09.2021 gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 16.11.2021 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt.
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Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 15.11.2021 mit, dass sie eine entsprechende gerichtliche Anordnung vom 27.09.2021 nicht erhalten habe und beantragte vorsorglich Fristverlängerung. Sie teilte mit, dass sie noch nicht in der Lage sei, den Klageantrag zu beziffern, sich jedoch aus der angegriffenen Einspruchsentscheidung vom 11.06.2021 wesentliche Sach- und vor allem Rechtsfragen zeigten. Sie verweist auf ihrer Auffassung nach vorliegende Rechenfehler bei der Beklagten im Zusammenhang mit der Erhöhung der Einnahmen aus dem angeblichen Verkauf des Pkw M um 49.159,66 € lt. Seite 6 oben der Einspruchsentscheidung. Auch sei die Vermutung des Beklagten unzutreffend, dass dieser Pkw im April 2017 an die X Ltd. veräußert worden sei. Vielmehr sei der Pkw weiterhin im Eigentum der Klägerin verblieben und erst in den Folgejahren an einen Herrn B verkauft worden. Die Rechnung an die X Ltd. habe vielmehr ein Darlehen betroffen, das sie – die Klägerin – der Ltd. in Rechnung gestellt habe. Sowohl die Einnahmen als auch die Umsatzsteuererhöhung laut Seite 6 oben der Einspruchsentscheidung seien damit unzutreffend und zu streichen. Unzutreffend sei weiter die Rechtsauffassung des Finanzamts auf Seite 7 der Einspruchsentscheidung bezüglich des Leistungsorts. Hierzu werde auf die Ausführungen im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung Bezug genommen. Insbesondere habe die X Ltd. in Deutschland keine Betriebsstätte, sondern allenfalls einen Briefkasten.
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Mit Anordnungen vom 27.09.2021, 19.11.2021 und 20.01.2022 setzte das Gericht gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) Fristen mit ausschließender Wirkung zuletzt bis zum 02.02.2022 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens und zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sich die Klägerin beschwert fühlt, gesetzt. Innerhalb der Fristen ging keine Stellungnahme der Klägerin ein.
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Mit Schreiben vom 31.05.2022 gab das Finanzamt eine ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen der Klägerin ab. Auf den Inhalt des Schreibens wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
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Das Verfahren wegen Umsatzsteuer wurde mit Beschluss vom 1. Juni 2022 abgetrennt und an den 3. Senat abgegeben.
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Mit Datum vom 25.07.2022 erließ das Finanzamt geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag 2017, in denen die im Schreiben vom 31.05.2022 genannten Änderungen umgesetzt wurden. Die Körperschaftsteuer 2017 wurde auf 501 € (ursprünglich 10.003 €), der Gewerbesteuermessbetrag 2017 auf 115 € (ursprünglich 2.331 €) herabgesetzt.
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Mehrere schriftliche Anfragen des Gerichts, ob die Klägerin den Rechtsstreit durch den Erlass der Änderungsbescheide für erledigt erklärt, blieben entweder unbeantwortet oder wurden mit Fristverlängerungsanträgen, die regelmäßig mit Arbeitsüberlastung begründet wurden, beantwortet.
12
Der Rechtsstreit wurde dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Beschluss vom 25.03.2022).
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Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2022 wird Bezug genommen.
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2017 richtet, ist sie unzulässig, weil sie das Klageziel nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck bringt.
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Nach § 65 Abs. 1 FGO muss die Klage unter anderem den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Das Ziel der Klage muss hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99; BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BFHE 186, 309, BStBl II 1998, 628).
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Dieser Voraussetzung genügt die Klage insoweit nicht. Es wird nicht dargelegt, inwieweit der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2017 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Das Gericht ist nicht in die Lage versetzt, das Klageziel und die Grenzen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis zu bestimmen.
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Spätestens nach Ablauf der gemäß § 65 Abs. 2 FGO gesetzten Frist mit ausschließender Wirkung zum 12. Januar 2022, der Klägerin zugestellt per PZU am 25.11.2021, kann die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens nicht mehr mit der Folge nachgeholt werden, dass die Klage zulässig wird. Hierauf wurde bereits in der Anordnung vom 19.11.2022 hingewiesen.
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2. Soweit sich die Klage gegen die Bescheide über die gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2017 und über die gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2017 richtet, ist sie unbegründet, weil das mutmaßlich verfolgte Klageziel der Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2017 und der Feststellung eines höheren vortragsfähigen Gewerbeverlustes nicht durch eine Klage gegen diese Bescheide erreicht werden kann. Seit der Neufassung des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.2010 kann entsprechende § 351 Abs. 2 AO Rechtsschutz gegen die aus Sicht der Klägerin unzutreffende Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zum 31.12.2017 nur durch Anfechtung der Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2017 und nicht durch Anfechtung der Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.2017 erreicht werden. In einem Rechtsbehelfsverfahren, dessen Gegenstand der Verlustfeststellungsbescheid ist, kann nur geprüft werden, ob die nach dem (Quasi-)Grundlagenbescheid anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen zutreffend in den Verlustfeststellungsbescheid übernommen worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 2016 I R 30/15, BStBl II 2017, 921). Die Besteuerungsgrundlagen der (Quasi-) Grundlagenbescheide wurden vorliegend unstreitig in die Verlustfeststellungsbescheide übernommen.
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3. Im Übrigen ist die Klage unbegründet, weil – nachdem das beklagte Finanzamt die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag 2017 mit Datum vom 25.07.2022 geändert und damit die im Schriftsatz vom 31.05.2022 angekündigte weitgehende Herabsetzung der Besteuerungsgrundlagen umgesetzt hat – nicht mehr erkennbar ist, mit welcher Begründung die Klägerin mit ihrer Klage eine noch niedrigere Steuerfestsetzung erreichen will. Obwohl die Klägerin in einer Vielzahl von gerichtlichen Schreiben aufgefordert worden war, Stellung zu nehmen, hat sie sich nicht mehr konkret geäußert. Die in ihrem Schreiben vom 13.12.2022 erwähnte angeblich unzutreffende Behandlung des Vorgangs „Pkw M“ auf Seite 3 unten des Schriftsatzes des Finanzamts vom 31.05.2022 betrifft ausschließlich die umsatzsteuerliche Behandlung dieses Vorgangs. Auswirkungen auf die Ertragsbesteuerung sind nicht erkennbar. Spätestens nach Ablauf der der Klägerin gesetzten Fristen mit ausschließender Wirkung, u.a. der mit Anordnung vom 19. November 2021 gesetzten Frist bis 12. Januar 2022 zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sie sich beschwert fühlt, ist das Gericht befugt, ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden und davon auszugehen, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind.
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4. Das Gericht konnte die mündliche Verhandlung am 16. Dezember 2022 durchführen und musste aufgrund des Schreibens des Klägervertreters vom13.12.2022 keine Terminsverlegung durchführen. Die Behauptung des Klägervertreters, eine Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten zu haben, trifft nicht zu. Der Klägervertreter ist mit Ladung vom 15.11.2022 ordnungsgemäß zum Termin am 16. Dezember 2022 geladen worden ist. Die Ladung ist an das Anwaltspostfach beA elektronisch übersandt worden. Aus der elektronischen Akte des Gerichts ist ersichtlich, dass die Ladung im Anwaltspostfach abgerufen worden ist. Eine Empfangsbestätigung hat der Klägervertreter dem Gericht nicht übersandt. Da er auf telefonische Anfrage der Geschäftsstelle behauptet hat, die Ladung nicht erhalten zu haben, wurde sie ihm per Fax übersandt. Aus des Sendebestätigung des schriftlichen Faxdokuments ist ersichtlich, dass die Ladung am 15.12.2022 14:02 Uhr an die Faxnummer des Klägervertreters übermittelt worden ist. Die Einlassungen des Klägervertreters sind damit widerlegt. Der Einzelrichter hat dies der Kanzleikraft des Klägervertreters am 15.12.2022 telefonisch mitgeteilt, da der Klägervertreter selbst am Telefon nicht zu sprechen war und hat auch darauf hingewiesen, dass die mündliche Verhandlung am 16.12.2022 stattfinden wird, da kein Grund für eine Terminsverlegung vorliegt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und, soweit es durch die Änderungsbescheide zu einer Reduzierung des Streitwerts gekommen ist, auf § 137 FGO, da die Änderungsbescheide auf Tatsachen beruhen, die die Klägerin schon früher hätte vorbringen können und müssen.