Inhalt

LG München I, Beschluss v. 17.02.2022 – 31 S 15109/21
Titel:

Berufung, Frist, Verschulden, Erledigung, Notfrist, Form, Ablauf, Erinnerung, Schriftsatz, Fristenkontrolle, Fristenkalender, Kontrolle, Mitarbeiter, Anforderungen

Schlagworte:
Berufung, Frist, Verschulden, Erledigung, Notfrist, Form, Ablauf, Erinnerung, Schriftsatz, Fristenkontrolle, Fristenkalender, Kontrolle, Mitarbeiter, Anforderungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44092

Tenor

Der Antrag des Beklagten vom 14.02.2022 (Bl. 87 d.A.) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Gründe

A.
1
Das Gericht hat mit Beschluss vom 13.01.2022 (Blatt 77 d.A.) die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.10.2021 verworfen. Die Berufung wurde nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO, vorliegend bis 27.12.2021, begründet.
2
Der o.g. Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter elektronisch am 14.01.2022 zugestellt. Vorab hat das Gericht mit Verfügung vom 04.01.2022 (Bl. 76 d.A.), welche am 05.01.2022 von Seiten des Gerichts elektronisch an die Parteivertreter gesandt wurde, darauf hingewiesen, dass bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eine Berufung nicht eingegangen ist.
3
Mit Schriftsatz vom 19.01.2022 (Bl. 87 d.A.), am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat der Beklagtenvertreter die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der zum 27.12.2021 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist beantragt.
4
Der Beklagtenvertreter hat ausgeführt, dass die Frist in dem physikalischen Terminkalender seiner Kanzlei ordnungsgemäß eingetragen wurde. Eingetragen habe die Frist seine einzige, äußerst zuverlässige Kanzleimitarbeiterin, welche in der Kanzlei seit dem 02.01.2006 angestellt sei und seitdem anstands- und fehlerlos den Fristenkalender führe. Zu einer Fristversäumnis sei es in all den Jahren nicht gekommen. Die Kanzlei sei vom 22.12.2021 bis 03.01.2022 geschlossen gewesen. Der erste Arbeitstag des Beklagtenvertreter nach dem Urlaub sie der 4.01.2022 gewesen. Aufmerksam geworden, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz nicht fristgerecht versandt worden sei, wurden der Beklagtenvertreter wie auch besagte Mitarbeiterin erstmals durch die in der Kanzlei am 10.01.2022 eingegangene Verfügung des Landgerichts München I.
5
Der Beklagtenvertreter erklärt die Fristversäumnis wie folgt: Am Nachmittag des 22.12.2021 sei er mit seiner Mitarbeiter die besagten Kalendereinträge bezüglich der dort eingetragenen Fristen bis zum Ende der Kanzleischließung durchgegangen. Auf seine Frage, ob die jeweiligen Fristen, so auch explizit die Berufungsbegründung in dieser Sache erledigt worden wäre, habe ihm besagte Mitarbeiterin bestätigt, sodass die Frist als erledigt gestrichen wurde. Der Beklagtenvertreter selbst erinnerte sich auch, dass er die Berufungsbegründung bereits bearbeitet hatte. Regelmäßige Kontrollen, was die Fristenbearbeitung seiner Mitarbeiterin anbelangt, erfolgten durch ihn unter anderem in Form stichpunktartiger Rückfragen gegenüber der Mitarbeiterin, teilweise nehme er hierzu auch ein Blick in die jeweilige Akte, in der sich dann der entsprechende Schriftsatz befindet, der regelmäßig mit dem Absendervermerk versehen ist.
B.
6
Ein Wiedereinsetzen in den vorigen Stand konnte dem Beklagten nicht gewährt werden, denn die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, welches sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
7
Der Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er fristgerecht im Sinne von § 234 ZPO gestellt. Der Antrag ist am 19.01.2022 bei Gericht eingegangen, die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO wäre damit selbst dann eingehalten, wenn der gerichtliche Hinweis am Tag der elektronischen Versendung durch das Gericht bei Beklagtenvertreter zugegangen wäre.
8
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
9
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Berufungsgericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren (vgl. nur BGH Beschluss v. 4. 11. 2003 NJW 2004, 688).
10
Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass die fristgebundene Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden. Erst wenn dies geschehen ist, darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH Beschluss vom 23.01.2013, XII Zb559/12). Es muss sichergestellt sein, dass in dem Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen oder in anderer Weise als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristgebundene Maßnahme durchgeführt, der fristwahrende Schriftsatz also rechtzeitig vor Ablauf der Notfrist postfertig gemacht oder vorab per Telefon übermittelt worden ist (OLG Frankfurt Beschluss vom 21.10.2013 Aktenzeichen 12 U 116/13). Dabei muss der Prozessbevollmächtigte auch Vorkehrungen treffen, die geeignet sind, versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender zu verhindern (vgl. u.a. BGH Beschluss vom 10.07.1997, NJW 1997, 3177).
11
Letzteres hat der Beklagtenvertreter im Fall nicht. Vorliegend war bei Durchgang der Fristen am 22.12.2021 die Frist für die Berufungsbegründung scheinbar noch als offen im Kalender eingetragen und nicht als erledigt gestrichen worden. Der Beklagtenvertreter hat ausgeführt, dass die Frist als erledigt gestrichen wurde, nachdem er nachgefragt habe, ob die jeweiligen Fristen in der Sache erledigt worden wäre. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung sind im Fristenkalender vermerkte Fristen erst zu streichen oder in anderer Weise als erledigt zu kennzeichnen, wenn die fristgebundene Maßnahme durchgeführt wird (OLG Frankfurt a.a.O. m.w.N.). Eine Frist, die nicht als erledigt gestrichen ist, kann nicht ohne weitere Kontrolle, insbesondere ohne Blick in die Akte bzw. in das elektronische Postfach, gestrichen werden. Die Kanzleimitarbeiterin des Beklagtenvertreters hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung ausgeführt, dass sie sich beim Durchgehen des Fristenkalenders nicht durch einen Blick in die Akte vergewissert hat, ob der entsprechende Schriftsatz dort als herausgegeben gekennzeichnet ist.
12
Die konkrete Kontrolle des Beklagtenvertreters am 22.12.2021 erfüllt damit nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle. Es handelt sich um ein Verschulden des Anwaltes selbst, der eine offene Frist allein aufgrund der mündlichen Aussage der Mitarbeiterin bezüglich der Erledigung, welche nicht durch Blick in die Akte oder Computer gestützt wurde, streichen lässt. Der Umstand, dass eine angeblich erledigte Frist noch nicht gestrichen ist, hätte den Beklagtenvertreter stutzig machen müssen und eine eigene Kontrolle durchführen oder aber zumindest eine Kontrolle durch seine Mitarbeiterin veranlassen müssen. Auch genügt es dafür nicht, dass der Beklagtenvertreter sich erinnert, die Berufungsbegründung bereits bearbeitet zu haben. Eine Erinnerung daran, dass er die Berufungsbegründung auch geschrieben oder gar unterzeichnet habe, trägt der Beklagtenvertreter selbst nicht vor. Erforderlich wäre auch nicht allein die Bearbeitung, sondern die Versendung der Begründung, letztere ist Gegenstand der Fristenkontrolle und erforderliche Maßnahme.