Titel:
Berufung, Revision, Versicherungsleistung, Unfall-Rente, Rechtsmittel, Zulassung, Berufungsverfahren, Beurteilung, Kostenentscheidung, Feststellung, Zinsen, Klage, Vollstreckbarkeit, Wert, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Die Fortbildung des Rechts
Schlagworte:
Berufung, Revision, Versicherungsleistung, Unfall-Rente, Rechtsmittel, Zulassung, Berufungsverfahren, Beurteilung, Kostenentscheidung, Feststellung, Zinsen, Klage, Vollstreckbarkeit, Wert, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Die Fortbildung des Rechts
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 27.05.2021 – 10 O 3814/20
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44023
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 27.05.2021, Aktenzeichen 10 O 3814/20 Ver, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 168.500,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer privaten Unfallversicherung für Berufsmusiker. Der bei der Beklagten versicherte Kläger ist Berufsmusiker und erlitt am 29.06.2019 einen Unfall, bei dem er sich den linken Mittelfinger verletzte. Die Beklagte erbrachte Versicherungsleistungen auf Basis einer Beeinträchtigung von 5/20 bezogen auf eine Invalidität von 100%, mithin einer Invalidität von 25%. Der Kläger möchte mit seiner Klage die Auszahlung der vollen Versicherungsleistung für eine 100%ige Invalidität erreichen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 27.05.2021 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Fingers auf eine allgemein-medizinische Einschätzung und nicht auf die Funktionsfähigkeit des Fingers für den Beruf als Geigenspieler bzw. Geigenlehrer ankomme.
3
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel, eine Auszahlung der vollen Invaliditätsleistung zu erreichen, fort. Auf die von der Klageseite eingereichten Schriftsätze wird Bezug genommen.
4
Im Berufungsverfahren wird beantragt,
- 1.
-
Das Urteil des Landgerichts München II vom 27.05.2021, AZ: 10 O 3814/20 Ver wird aufgehoben.
- 2.
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Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an den Kläger die restliche Versicherungsleistung im Wert von 112.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 31.07.2020 zu bezahlen.
- 3.
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Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an den Kläger 14.000,00 € rückständige Unfall-Rente nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 31.07.2020 zu bezahlen.
- 4.
-
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an den Kläger eine monatliche Unfall-Rente von 1000,00 € ab dem 01.09.2020 zum jeweils Monatsersten zu bezahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
6
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Auf den Schriftsatz der Beklagten wird Bezug genommen.
7
Der Senat hat mit Beschluss vom 24.01.2022 (Bl. 173/177 d.A.) auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen.
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1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 27.05.2021, Aktenzeichen 10 O 3814/20 Ver, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
10
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1.1. Der Kläger macht mit der Gegenerklärung deutlich, dass er an seiner Auffassung zur Auslegung der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen festhalte, ohne insoweit neue Gesichtspunkte aufzuzeigen. Der Senat verbleibt auch nach nochmaliger Überprüfung bei seiner im vorangegangenen Hinweis dargestellten Rechtsauffassung. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird aufgrund des Wortlauts sowie des Zwecks und des Sinnzusammenhangs der vorliegenden Klauseln den Versicherungsbedingungen entnehmen, dass für Streicher die Invalidität nach der Gliedertaxe für Finger bei 100% liegt, dies jedoch nur bei vollständigem Verlust oder Funktionsunfähigkeit des Fingers, während bei einem Teilverlust oder einer Funktionsbeeinträchtigung nur ein entsprechender Teil des Prozentsatzes gewährt wird. Er kann den Versicherungsbedingungen jedoch keine speziell auf die Ausübung des Berufs bezogene Definition der Funktionsbeeinträchtigung entnehmen und wird daher insoweit von einer allgemeinmedizinischen Beurteilung der teilweisen Funktionsfähigkeit ausgehen. Auch dem als Anlage K 13 vorgelegten Schreiben kann nur entnommen werden, dass bei der Musiker-Unfallversicherung eine verbesserte Gliedertaxe je nach gespieltem Instrument gilt, nicht jedoch, dass die Invalidität individuell danach zu beurteilen ist, inwieweit dem Musiker seine Berufsausübung noch möglich ist.
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1.2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Sache dann zu, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind. Allerdings begründet nicht jede Gegenstimme Klärungsbedarf (BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 – Az. 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572; BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – Az. IV ZR 202/16, NJW-RR 2017, 994: Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie vom BGH bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden; vgl. auch BGH, Beschluss vom 04. 07. 2002 – Az. V ZB 16/02, NJW 2002, 3029; Kessal-Wulf in Beck Online Kommentar, ZPO, Stand 01.07.2016 § 543 Rn. 19). Die Frage der Auslegung der vorliegenden Bedingungen ist daran gemessen nicht höchstrichterlich klärungsbedürftig. Vorliegend existiert ober – oder höchstrichterliche Rechtsprechung, die der hier getroffenen Entscheidung entgegensteht, – soweit ersichtlich – nicht. Vielmehr hat bereits das Oberlandesgericht Hamm in Bezug auf eine Unfallversicherung für Musiker entschieden, dass bei der Bemessung des Invaliditätsgrades ein genereller Maßstab gilt, ohne dass es auf die jeweilige Berufssituation des Versicherten ankommt (OLG Hamm, VersR 1985,729). Das dortige Urteil beruhte auf einem von dem hier vorgelegten abweichenden Werbeschreiben, das der Versicherungsnehmer als Zusicherung einer individuellen Bemessung bei der Feststellung der Invalidität verstehen durfte. Abweichenden Rechtsauffassungen anderer Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs sind nicht bekannt oder vorgetragen. Aus denselben Gründen war die Revision auch nicht nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.