Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 05.07.2022 – B 1 K 21.160
Titel:

Örtliche Zuständigkeit der Behörde, Tierschutzverein, Verbringen bzw. Vermittlung von Tieren aus dem Ausland, kein Vorhalten einer ortsfesten Einrichtung, Benennung der für die Tätigkeit verantwortlichen Person

Normenketten:
BayVwVfG Art. 3
TierSchG § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
TierSchG § 16 Abs. 1 Nr. 4
Schlagworte:
Örtliche Zuständigkeit der Behörde, Tierschutzverein, Verbringen bzw. Vermittlung von Tieren aus dem Ausland, kein Vorhalten einer ortsfesten Einrichtung, Benennung der für die Tätigkeit verantwortlichen Person
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.02.2023 – 23 ZB 22.1952
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43772

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG.
2
Unter der Register-Nr. … des Amtsgerichts … – Registergericht – wurde der Verein … e.V. am 29. April 2020 im Vereinsregister eingetragen. Als 1. Vorsitzende ist Frau …R. … mit Wohnort in 9. …P. … benannt, als 2. Vorsitzende Frau …B. … mit Wohnort in 6. …F. … Jedes Vorstandsmitglied vertritt einzeln. Weiter ist der Eintragung zu entnehmen, dass der Vereinssitz durch Beschluss der Mitgliederversammlung vom 15. März 2020 von 5. …S. … nach 9. …P. … verlegt worden ist.
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Mit E-Mails vom 10. Februar 2020 und 15. April 2020 beantragte Frau R. … für den Verein die Erteilung einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG. Wegen ihres Umzugs sei der Vereinssitz nach P. … verlegt worden. Sie legte eine Erlaubnis des Kreises E. … vom 1. Februar 2017 nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG, befristet bis 31. Dezember 2019, für den Verein … e.V. vor (als verantwortliche Person ist Frau R. … genannt) sowie eine Frau B. … erteilte Erlaubnis der Kreisverwaltung B. … vom 14. November 2018 nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG (befristet bis 30. November 2023).
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Formblattmäßiger Eingang des Antrags war der 5. Juni 2020, wobei Frau B. … als verantwortliche Person angegeben wird. Zur beabsichtigten Tätigkeit wurde ausgeführt, dass der im Jahr 2010 gegründete Verein Hunde in Not innerhalb Deutschlands aufnehme, sie auf Pflegestellen verbringe und von dort aus in Endstellen vermittle. Man arbeite mit einigen ausländischen … bzw. Tierschutzorganisationen zusammen und übernehme von dort auch Hunde. Die Hunde würden gegen Schutzgebühr an Endstellen vermittelt. Transportfahrten würden vom Verein selber nicht durchgeführt. In P. … befänden sich der Vereinssitz und die gesamten Unterlagen, Hunde würden dort nicht untergebracht. Für die Tätigkeit des Vereins würden keine Räumlichkeiten und Einrichtungen benötigt, die amtsärztlich überprüft werden müssten. Vorgelegt wurde eine Liste mit Pflegestellen in …, …, …, …, …, …, … Das Landratsamt … holte eine Auskunft des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ein. Es informierte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 6. November 2020 unter Darlegung seiner Gründe darüber, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag abzulehnen. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 nahm die Klägerseite insbesondere Stellung zur örtlichen Zuständigkeit des Beklagten.
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Mit Bescheid vom 27. Januar 2021 lehnte das Landratsamt den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG ab.
6
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die örtliche Zuständigkeit des Landratsamts … nicht gegeben sei. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG sei die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt werde oder werden soll, örtlich zuständig. Die vom Antragsteller geplante und auf Dauer angelegte Tätigkeit solle von F. …, Rheinland-Pfalz, aus organisiert werden. Dabei handle es sich um den Wohn- und gewöhnlichen Aufenthaltsort der 2. Vorsitzenden des Klägers, die auch als für die geplante Tätigkeit verantwortliche sachkundige Person i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG a.F. benannt worden sei. Ein auch nur zeitweiser Aufenthalt der verantwortlichen sachkundigen Person an dem im Landkreis … liegenden Vereinssitz sei ausdrücklich nicht geplant. Daraus folge, dass das Veterinäramt, in dessen Bezirk F. … liege, örtlich zuständig sei. Gleiches folge aus der Tätigkeitsbeschreibung des Klägers. Beim Vereinssitz handele es sich nicht um den Ort der Tätigkeitsausübung. Auf den Vereinssitz im Landkreis … komme es auch wegen der Nachrangigkeit von Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nicht an. Eine Tätigkeit i.S.v. Ziff. 12.1.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des TierSchG (AVV) liege nicht vor. Diese Vorschrift beziehe sich nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf die in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b – e TierSchG in der zum Zeitpunkt des Erlasses der AVV (9. Februar 2000) geltenden Fassung abschließend aufgezählten Tatbestände. Die vom Kläger geplante Tätigkeit werde ausdrücklich nicht genannt. Auch ein Austausch der verantwortlichen sachkundigen Person ändere nichts, da die vorgesehene „Austauschperson“ ihre Tätigkeit ebenfalls nicht am Vereinssitz ausüben würde. Für die Zuständigkeit des Veterinäramts, in dessen Zuständigkeitsbereich F. … liege, spreche außerdem, dass das Landratsamt … einen von ihm unzuständigerweise erlassenen Bescheid nicht vollziehen könne (wird näher ausgeführt). Mögliche tierschutzwidrige Zustände im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit oder gegebenenfalls nachträglich eintretende Umstände, die regelmäßig auf eine Unzuverlässigkeit der verantwortlichen sachkundigen Person schließen ließen, würden nicht erkannt und somit könnten auch keine Maßnahmen zur Behebung eingeleitet werden.
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Bei angenommener örtlicher Zuständigkeit des Landratsamts … fehle es an den vollständigen materiellen Erlaubnisvoraussetzungen. Nach § 21 Abs. 5 TierSchG i.V.m. § 11 Abs. 2 TierSchG a.F. müsse u.a. eine für die geplante Tätigkeit sachkundige verantwortliche Person benannt werden, die die Verantwortung für die Tätigkeit nicht nur vorübergehend trage. Hieran fehle es, denn der Kläger habe im bisherigen Verfahren keine Person benannt, die diese Funktion am Vereinssitz in P. … übernehmen könne. Für die 1. Vorsitzende liege kein Sachkundenachweis vor. Nach Ziff. 12.1.6 AVV müsse eine regelmäßige Anwesenheit der sachkundigen verantwortlichen Person von angemessener Dauer in der Betriebsstätte gewährleistet sein. Der Begriff der Betriebsstätte sei im Lichte der Erlaubnisnorm und der im Raum stehenden Tätigkeit auszulegen, sodass im vorliegenden Fall nur der Ort gemeint sein könne, an dem der Verein, der die Tiertransporte durchführe, seine Büroräume habe.
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Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2021 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage erheben und beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2021 zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Erteilung der Erlaubnis gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG positiv zu bescheiden.
9
Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten richte sich nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3b BayVwVfG und nicht nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG, da eine Betriebsstätte beim Kläger nicht vorhanden sei. Der Kläger verfüge weder im steuerrechtlichen Sinn nach § 12 AO noch i.S.d. TierschG über eine Betriebsstätte für die erlaubnispflichtige Tätigkeit. Er betreibe kein Tierheim oder eine ähnliche Einrichtung, sondern arbeite ausschließlich mit Pflegestellen. Demzufolge könne sich die örtliche Zuständigkeit nur nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3b BayVwVfG richten, hilfsweise nach § 24 BGB, § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Nichts anderes ergebe sich aus § 11 Abs. 1 TierSchG i.V.m. Ziff. 12.1.5 AVV. Im Hinblick auf die Neuregelung des § 11 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG liege ein vergleichbarer Tatbestand vor. Wenn die Tätigkeit an wechselnden Orten ausgeübt werde, sei für die Erteilung der Erlaubnis die Behörde des Ortes zuständig, an dem das Unternehmen üblicherweise seinen Sitz habe. Da die Tätigkeit deutschlandweit ausgeübt werde, komme es auf den Sitz des Vereins an und nicht auf den Ort der Tätigkeitsausübung.
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Es sei auch fragwürdig, ob das vom Beklagten für zuständig erachtete Veterinäramt B. … diesem Auftrag besser gerecht werden könnte. Die Ausführungen des Beklagten seien widersprüchlich, als er auf die Anwesenheit der verantwortlichen Person an der Betriebsstätte abstelle, andererseits aber seine Zuständigkeit ablehne. Eine regelmäßige Anwesenheit der verantwortlichen Person am Vereinssitz sei nicht notwendig und ergebe sich auch nicht aus Ziff. 12.2.2.1 AVV. Das Bestandsbuch des Vereins mit allen Daten zu den vermittelten Hunden werde in einer Dropbox geführt, die sowohl von Frau B. … als auch Frau R. … jederzeit und überall abrufbar sei. Die Vorkontrollberichte sowie Reisedokumente (Impfpass und Transportpapiere) befänden sich in Kopie bei Frau B. …, die Originaldokumente am Vereinssitz. Die digitale Abwicklung der reinen Verwaltungsvorgänge sei möglich und zielführend. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb die erforderlichen Kontrollen nicht wie bisher im Wege der Amtshilfe durchgeführt werden könnten.
11
Mit Schriftsatz vom 19. April 2021 beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
12
Entgegen der Ansicht der Klägerseite werde die Tätigkeit nicht an wechselnden Orten im gesamten Bundesgebiet – wie dies etwa bei einem Wanderzirkus der Fall wäre – sondern an einem immer gleichbleibenden Standort ausgeübt. Dieser befinde sich entweder in F. … oder in P. … Die vom Kläger geplante Tätigkeit bestehe nicht nur in der physischen Übergabe der Hunde, sondern stelle sich umfassender dar und beinhalte vor allem die Organisation des Verbringens und der Vermittlung der Hunde sowie sonstige administrative Aufgaben, die entweder von der als „verantwortliche Person“ benannten sachkundigen 2. Vorsitzenden in F. … oder von einer sonstigen (nicht sachkundigen) Person am Sitz des Klägers in P. … ausgeführt würden. § 11 TierSchG stelle auch nicht auf die bloße Aushändigung der Hunde an die Pflegebzw. Endabnahmestellen ab, sondern den Vorgang des Verbringens der Hunde zum Zweck der Abgabe unter Erlaubnisvorbehalt.
13
Die örtliche Zuständigkeit richte sich nach dem Ort der Tätigkeitsausübung, damit nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG (wird näher ausgeführt). Das Vorbringen der Klägerbevollmächtigten zur Amtshilfe laufe ins Leere. Die von der Klägerbevollmächtigten vorgeschlagene Vorgehensweise stelle keinen Fall der Amtshilfe dar, da die Hilfeleistung in einer Handlung bestehen würde, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliege. Die vom Kläger geplante Tätigkeit umfasse zahlreiche tierschutzrechtliche Aspekte, wofür die regelmäßige Anwesenheit einer sachkundigen Person von angemessener Dauer am Ort der Tätigkeitsausübung erforderlich sei. Dies sei auch durch das LGL bestätigt worden. Es sei dabei nicht möglich, einzelne Tätigkeitsschritte isoliert zu betrachten und ohne die regelmäßige Anwesenheit einer sachkundigen Person durchführen zu lassen (wird näher ausgeführt). Häufig seien dabei ad-hoc-Entscheidungen gefragt und es verbleibe keine Zeit für entsprechende schriftliche, elektronische oder fernmündliche Rücksprachen.
14
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behörden- und Gerichtsakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts … vom 27. Januar 2021 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass ihm der Beklagte die beantragte Erlaubnis aufgrund der von ihm gemachten Angaben zur konkreten Tätigkeit erteilt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
16
Das Landratsamt … ist zwar zur Erteilung einer Erlaubnis an den Kläger nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG an den Kläger örtlich zuständig (hierzu die Ausführungen unter 1.), jedoch liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor (hierzu die Ausführungen unter 2.).
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1. Die Zuständigkeit des Landratsamts … ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG. Die in Art. 3 BayVwVfG genannten unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für eine örtliche Zuständigkeit stehen in einer Reihen- bzw. Rangfolge, wobei die zuerst genannten die nachfolgenden ausschließen (Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 3 Rn. 17). Die Zuständigkeitsregeln sind von der Absicht geprägt, im Interesse schneller, wirtschaftlicher und sachkundiger Entscheidungen die jeweils sachnächste Behörde handeln zu lassen, wobei zur Erreichung dieses Zwecks in der Reihenfolge der Prüfung eine weite Auslegung angezeigt erscheint (Schuler-Harms in Schoch/Schneider, Veraltungsrecht, 2. EL April 2022, VwVfG § 3 Rn. 19 m.w.N.).
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Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG ist die Behörde örtlich zuständig in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, wo das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben wird oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll.
19
Bei der Tätigkeit des Klägers handelt es sich nicht um den Betrieb eines Unternehmens. Unternehmen ist eine auf Dauer angelegte, rechtliche und organisatorische Einheit mit der Absicht der Gewinnerzielung, unabhängig von der Rechtsform (Huck/Müller/Müller, 3. Aufl. 2020, VwVfG § 3 Rn. 13). Eine weitere Definition beschreibt Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift dahingehend, dass diese zum Zwecke der Versorgung Dritter oder der Allgemeinheit mit Gütern oder Dienstleistungen betrieben werden. Es kommt nicht darauf an, ob das Unternehmen wirtschaftlichen Zwecken dient (z. B. Fabrikation, Handel, Service-Betrieb) oder solche Zwecke nicht verfolgt, wie z. B. Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, kulturelle Einrichtungen (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 3 Rn. 19).
20
Aufgrund der Tätigkeit des Klägers und seiner Vereinsstrukturen und Organisation handelt es sich bei diesem nicht um ein Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG. Demgemäß kann auch keine Betriebsstätte vorliegen, an die sich eine örtliche Zuständigkeit knüpfen könnte.
21
Der Kläger ist als Verein registriert. Er erhebt zur Deckung seiner Unkosten zwar Vermittlungsgebühren, jedoch kann auch aufgrund der in den vergangenen Jahren insgesamt vermittelten Hunde (laut Homepage des Vereins in den letzten 11 Jahren insgesamt 650 Hunde) nicht davon ausgegangen werden, dass damit eine über diese Unkostendeckung hinausgehende Gewinnerzielungsabsicht in dem Sinn verbunden ist, dass damit der Lebensunterhalt einzelner Vereinsmitglieder erwirtschaftet werden soll. Dass das Verbringen von Hunden aus dem Ausland gegen Erhebung einer Schutzgebühr im Sinne des § 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Satz 1 BmTierSSchV abhängig von der Höhe der Schutzgebühr als gewerbsmäßig angesehen werden kann, reicht im vorliegenden Kontext nicht aus, zumal die Binnenmarkttierseuchenschutzverordnung eine andere Zielrichtung, nämlich tierschutzrechtliche und seuchenschutzrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Verbringen von Tieren, verfolgt. Außerdem dürfte mit dieser konkreten Tätigkeit allein kein wesentlicher Ertrag oder Gewinn zu erwarten sein, da sich die Anzahl der vermittelten und noch zu vermittelnden Hunde (aus dem Ausland) jährlich im zweistelligen Bereich bewegt.
22
Unabhängig davon, ob man dem Unternehmensbegriff eine Gewinnerzielungsabsicht zuschreibt (s.O.), ist jedenfalls vorliegend von einer anderen dauernden Tätigkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG auszugehen. Hierunter sind Tätigkeiten zu verstehen, die mit einer gewissen Intensität und nicht nur ganz vorübergehend ausgeübt werden, denen aber im Einzelfall die Merkmale des Berufs, vor allem im Hinblick auf die Schaffung der Lebensgrundlage, fehlen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit an sich als Beruf geeignet wäre, nur nach den genannten Kriterien im Einzelfall nicht als Beruf anzusehen ist (z. B. Geschäftsführung für eine gemeinnützige Organisation) oder nicht Beruf sein kann, z.B. Aktivitäten in einem Verein (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 3 Rn. 22). Damit ferner für die Anknüpfungspunkte des Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG noch Raum bleibt, muss das Verwaltungsverfahren einen spezifischen Bezug zu dieser Tätigkeit aufweisen. Zu den anderen dauernden Tätigkeiten zählen bspw. die Tätigkeit für gemeinnützige Vereine, Einrichtungen oder Organisationen, Forschungstätigkeit oder Vereinsaktivität ohne Erwerbsabsicht.
23
Aus den Angaben der 1. Vorsitzenden, Frau R. …, und der 2. Vorsitzenden, Frau B. …, in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2022 zieht das Gericht den Schluss, dass die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit betrachtet, in wesentlichen Belangen und Bereichen überwiegend von P. … aus organisiert und gesteuert wird. Die von Frau B. … oder sonstigen Vereinsmitgliedern vorgenommenen Handlungen erscheinen in der Zusammenschau nicht derart gewichtig im Verhältnis zu der Tätigkeit, die Frau R. … von P. … aus erbringt, dass die Tätigkeit an einem anderen Ort als P. … anzusiedeln wäre. Denn dass in P. … – wie die Klägerseite vorträgt – „lediglich“ sämtliche Verwaltungsvorgänge zusammenlaufen und verwaltet werden und die Originalunterlagen aufbewahrt werden, stellt im Rahmen des Verbringens einen nicht unerheblichen Teil der Tätigkeit dar, da es nicht allein auf den Transport an sich ankommt. Dass weder in P. … noch am Wohnort der Frau B. … Hunde ankommen, sondern gleich auf die Pflegestellen verbracht werden sollen, spricht nicht für eine Zuständigkeit des Veterinäramts am Wohnsitz von Frau B. … und gegen eine Zuständigkeit des Beklagten.
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In der mündlichen Verhandlung hat die 1. Vorsitzende ihren Tätigkeitsbereich (auch) im Zusammenhang mit dem Verbringen von Hunden aus dem Ausland ins Inland wie folgt beschrieben: Bei ihr würden sämtliche Akten des Vereins geführt, d. h. u.a. die Abnahmeverträge, die Pässe der Tiere, die Pflegestellenverträge. Sie hat angegeben, dass alles, was in Papierform mit der Tätigkeit des Vereins zusammenhängt, in P. … aufbewahrt werde. Für die Vermittlung von Hunden aus dem Ausland sei sie für die erste Kontaktaufnahme zuständig. Sie entscheide zusammen mit Frau B. …, ob ein Hund übernommen werde, und organisiere dann die Transporte aus dem Ausland. Der Kontakt mit der ausländischen Organisation werde über sie abgewickelt, die Abgabeverträge mit diesen ausländischen Organisationen mache sie; sie halte auch den Kontakt mit den eigenständigen Transportunternehmen und teile den ausländischen Tierschutzorganisationen mit, wann der Transport stattfinden werde. Die Dropbox sei von ihr eingerichtet worden. Darin seien derzeit die Vermittlungs- und Abgabenliste hochgeladen, die von ihr und Frau B. … gemeinsam geführt werde. Dort trage derjenige die notwendigen Angaben für den Vertrag ein, für den er tätig bzw. zuständig sei.
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Den Angaben von Frau B. … zufolge werde von ihr und Frau R. …, wenn die Entscheidung getroffen sei, einen Hund ins Inland zu holen, nach einer geeigneten Pflegestelle gesucht. Die konkrete Vorortkontrolle werde nicht von ihr, sondern von dritten Personen durchgeführt, auch eine Inaugenscheinnahme des transportierten Hundes erfolge durch sie nicht. Vielmehr solle das Tier von Seiten der Pflegestelle einer Untersuchung durch den Tierarzt zugeführt werden, die Rechnung des Tierarztes gehe dann an den Verein. Hieraus ist ersichtlich, dass beide Personen einen Beitrag leisten bei der Verbringung der Tiere ins Inland. Frau R. … ist dabei offenkundig für die rechtliche Abwicklung der Verbringung ins Inland zuständig, alle Fäden laufen diesbezüglich bei ihr zusammen, die notwendigen Unterlagen gehen bei ihr ein, werden am Vereinssitz gesammelt und dokumentiert. Durch sie erfolgt im Wesentlichen auch die Information von Frau B. … Dass die Tiere nicht in P. … eintreffen, sondern direkt an die Pflegestellen gehen, spricht nicht gegen eine Tätigkeit in diesem Zusammenhang in P. … und für eine Zuständigkeit von B. …, da die Tiere auch dort nicht ankommen. Außer dem tatsächlichen Verbringen der Tiere zu den Pflegestellen durch eigenständige Transportunternehmen erfolgen die Vertragsanbahnung, Dokumentation und Überwachung des Transports von P. … aus. Auch alle im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers geführten Unterlagen werden hier verwahrt. Nach den Angaben der Klägerseite erhält Frau B. … zwar die für ihre Tätigkeit notwendigen Unterlagen, jedoch über den Zwischenschritt der Versendung per E-Mail oder einer Speicherung in einer Dropbox, die wiederum von Frau R. … geführt wird. Die von Frau B. … zur Abwicklung einer Vermittlung vorgenommenen Handlungen liegen eher in der Überprüfung der notwendigen Unterlagen im Rahmen der Unterbringung in einer Pflegestelle.
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In der Gesamtschau ist daraus zu schließen, dass es einen Schwerpunkt der Tätigkeit in P. … gibt. Da es vorliegend um die Genehmigung für den Kläger als juristische Person geht, muss die gesamte Vermittlungstätigkeit in den Blick genommen werden und es kann nicht isoliert die Tätigkeit nur einzelner Personen herausgegriffen werden, selbst wenn die notwendigen Informationen für alle involvierten Personen auf elektronischem Weg zugänglich sein sollte. Hiervon zu unterscheiden ist die nachfolgend unter 2. zu klärende Frage, ob gefordert werden kann, dass sich Frau B. … als die benannte verantwortliche Person im Rahmen einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG in P. … vor Ort aufhalten muss.
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Auf die weiteren, von den Beteiligten diskutierten Fragen zu Nr. 12.1. der AVV im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kommt es nicht mehr an.
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2. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG bedarf einer Erlaubnis, wer Wirbeltiere, die nicht Nutztiere sind, zum Zweck der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland verbringen oder einführen oder die Abgabe solcher Tiere, die in das Inland verbracht oder eingeführt werden sollen oder worden sind, gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung vermitteln will. Da eine Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 TierSchG noch nicht erlassen ist, ist nach § 21 Abs. 5 TierSchG § 11 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Abs. 2, 2a, 5 und 6 TierSchG in der bis 13. Juli 2013 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
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Die seit dem 1. August 2014 bestehende Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TierSchG soll insbesondere sicherstellen, dass die für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der handelnden Personen nachgewiesen werden. Laut Gesetzesbegründung werde ein Bedürfnis nach präventiver Kontrolle der Unternehmen, Vereine und sonstigen Einrichtungen in diesem Bereich gesehen (vgl. BT-Drs. 17/11811, 29). Mithin ist im Erlaubnisverfahren in entsprechender Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 TierSchG a.F. eine verantwortliche Person zu benennen und deren Sachkunde nachzuweisen. Nach § 11 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 TierSchG a.F. sind die Merkmale „Sachkunde“ und „Zuverlässigkeit“ der verantwortlichen Personen zu prüfen; dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeit von einem gemeinnützigen Verein ausgeübt wird (Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 8). Hirt/Maisack/Moritz führt in diesem Zusammenhang weiter aus: „Dementsprechend muss das Veterinäramt am Sitz des verbringenden Vereins zwar dessen Transporteinrichtungen und die Räume, in denen die Hunde vor ihrer Weitervermittlung untergebracht werden, prüfen, nicht aber auch die (möglicherweise weit entfernt liegenden) Pflegestellen, bei denen die Tiere untergebracht werden. Die nähere Ausgestaltung der Verträge mit den Pflegestellen bzw. den neuen Haltern dürfte nur insoweit interessieren, als sich daraus – wenn sie für die neuen Halter besonders ungünstig sind – negative Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit der verantwortlichen Person ergeben können, was man aber wohl nur in seltenen Ausnahmefällen annehmen kann.
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Die zu § 11 TierSchG a.F. ergangenen Verwaltungsvorschriften führen in Nr. 12.1.6. letzter Absatz zu § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG a.F. („die für die Tätigkeit verantwortliche Person“) aus, dass die verantwortliche Person aufgrund der Betriebsorganisation in der Lage sein muss, die Verantwortung auch tatsächlich zu übernehmen, insbesondere muss eine regelmäßige Anwesenheit von angemessener Dauer in den Betriebsteilen gewährleistet sein.
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Ob die vom Beklagten hierzu eingeholte Auskunft des LGL (siehe E-Mail vom 30. Oktober 2020) das von Klägerseite angedachte Procedere vollumfänglich im Blick hatte, kann weder den anfragenden E-Mails des Landratsamts an das LGL noch der Antwort eindeutig entnommen werden. Das LGL führt aus, dass die verantwortliche Person für ein Tierheim diejenige ist, die die Verantwortung für die Tiere, auf die sich die Tätigkeit erstreckt, während der Ausübung der Tätigkeit nicht nur vorübergehend trägt. Eine Genehmigung sei daher zu versagen, wenn es keine verantwortliche Person vor Ort gebe. Jedenfalls stellt das LGL darauf ab, wo die Tätigkeit ausgeübt wird und wo folglich eine Überwachung und Steuerung durch die verantwortliche Person gegeben sein muss.
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Der Inhalt der Verwaltungsvorschrift, die seit 23. Februar 2000 gilt, sowie § 11 TierSchG a.F. sind im Lichte der Änderungen des § 11 TierSchG zu sehen. Auch wenn in § 11 TierSchG a.F. und den Verwaltungsvorschriften die Erlaubnispflicht für das Verbringen von Tieren ins Inland noch nicht geregelt war, sind diese Vorschriften aufgrund § 21 Abs. 5 TierSchG nach deren Sinn und Zweck (Beachtung tierschutzrechtlicher und tierseuchenrechtlicher Belange) anzuwenden. Wie unter 1. dargestellt, geht das Gericht davon aus, dass die Tätigkeit, jedenfalls der wesentliche Teil, in P. … ausgeübt wird. Dass eine verantwortliche Person vorhanden sein muss, die die Gesamtverantwortung übernimmt und Ansprechpartner für die Behörden ist, steht außer Streit. Die Verwaltungsvorschrift geht – vom Sinn und Zweck der Regelung – auch nicht davon aus, dass dies bei Personenmehrheiten derjenige ist, der die Stellung eines Vorstands u.Ä. einnimmt, ohne dass es auf die konkreten Verfahrensabläufe ankäme. Es muss sich um diejenige Person handeln, die die Gesamtheit der Tätigkeit im Blick hat, überwacht, ggf. bei sich auftuenden Schwierigkeiten auch tatsächlich in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen sowie den zuständigen Behörden als Ansprechpartner zur Verfügung steht.
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Das von Klägerseite beabsichtigte Procedere – kein Vorhalten einer ortsfesten Einrichtung, in der Tiere zumindest zeitweilig untergebracht sind – entspricht nicht den Tätigkeitsabläufen, wie sie das Gesetz bzw. die AVV im Blick gehabt haben. Darüber, ob in Zeiten zunehmender Digitalisierung eine Änderung der bisherigen Anforderungen angezeigt ist, ist vorliegend nicht zu befinden.
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Den gesamten Vermittlungsprozess ins Auge gefasst, wie ihn der Kläger beabsichtigt, bedeutet dies, dass an keinem Ort, der dem Kläger zuzurechnen wäre, Tiere ankommen bzw. von Frau R. … oder Frau B. … in Augenschein genommen werden. Wie bereits oben dargestellt, wird die Vermittlungstätigkeit weit überwiegend von P. … aus ausgeführt. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelungen ist es daher allein sinnvoll, als Anknüpfungspunkt den Schwerpunkt der Tätigkeit in seiner Gesamtheit heranzuziehen. Auch wenn die Kommunikation zwischen 1. und 2. Vorsitzender auf elektronischem Wege durchgeführt wird und dies ohne Probleme von statten gehen kann, ändert dies nichts daran, dass eine effektive Kontrolle seitens der zuständigen Behörde möglich sein muss, diese einen Ansprechpartner vor Ort haben muss und auch die verantwortliche Person selbst jederzeit in der Lage sein muss, die Einhaltung der Bestimmungen zu überwachen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.