Titel:
straßenrechtliche Planfeststellung, Klage eines Verkehrsteilnehmers, Klagebefugnis, Straßenbaulast, Belang der Verkehrssicherheit
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
FStrG § 3, § 4, § 17 Abs. 1 S. 4
RAL 2012
Leitsätze:
1. § 4 Satz 1 FStrG hat keine drittschützende Wirkung.
2. Die Vorschriften der RAL 2012 dienen nicht dem Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers.
Schlagworte:
straßenrechtliche Planfeststellung, Klage eines Verkehrsteilnehmers, Klagebefugnis, Straßenbaulast, Belang der Verkehrssicherheit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43751
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Schwaben vom 12. Oktober 2020 für den dreistreifigen Ausbau der Bundesstraße B 25 Nördlingen – Möttingen, Bauabschnitt 3 (Baukm 3+175 bis Baukm 4+809, Abschnitt 540, Station 0,010 bis Abschnitt 540, Station 1,644).
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Das streitgegenständliche Straßenbauvorhaben knüpft an den 2. Bauabschnitt an. Es umfasst den Anbau einer dritten Fahrspur an die B 25 beginnend östlich des Kreuzungsbereichs B25/DON 7 und endend nach ca. 1,6 km westlich des Enkinger Wegs vor Möttingen.
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Der Kläger ist durch das planfestgestellte Vorhaben weder eigentums- noch lärmbetroffen. Er wohnt ca. 10 km entfernt von dem streitbefangenen Straßenabschnitt.
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Am 13. November 2020 hat der Kläger Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben. Der planfestgestellte Ausbau entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik, wie sie sich in den RAL 2012 (Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen, Richtlinien zur Anlage von Landstraßen, Ausgabe 2012 – im Folgenden RAL 2012) niedergeschlagen hätten und sei deshalb nicht verkehrssicher geplant. Der Regelquerschnitt der Straße sei mit RQ 11,5+ anstatt RQ 15,5 zu schmal geplant, sodass vor allem Unfälle mit Blaulichtfahrzeugen zu befürchten seien. Die Kreuzung mit der B 25 mit der DON 7 sei höhenfrei, zumindest aber mit einer Lichtsignalanlage zu planen. Die richtlinienwidrig geplante Straße provoziere geradezu schwere Verkehrsunfälle. Der Kläger macht daher geltend, in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein, zumal er unweit der B 25 wohne und daher gezwungen sei, sie für den Weg zur Arbeitsstätte, zu Besorgungen des täglichen Lebens, in der Freizeit und zu Verwandtenbesuchen zu benutzen. Der Staat habe insofern eine Schutzpflicht. Aus § 4 Satz 1 FStrG folge, dass die Träger der Straßenbaulast dafür einzustehen hätten, dass ihre Bauten allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügten. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfassten auch die körperliche Unversehrtheit und das Leben. Der Kläger habe insoweit auch ein Recht auf fehlerfreie Abwägung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG. Ohne die Möglichkeit einer Anfechtungsklage wäre der Kläger rechtlos gestellt, da er Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik nicht gerichtlich geltend machen könne.
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den Planfeststellungsbeschuss der Regierung von Schwaben vom 12. Oktober 2020 für den dreistreifen Ausbau der B 25 Nördlingen – Möttingen, Bauabschnitt 3 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Dem Kläger fehle bereits die Klagebefugnis, weil ihm kein subjektiv-öffentliches Recht zur Seite stehe. Er sei nur als zukünftiger Straßennutzer betroffen. Der Ausbau von Straßen werde von den Straßenbaulastträgern ausschließlich als öffentliche Aufgabe im öffentlichen Interesse wahrgenommen. Auch § 4 Satz 1 FStrG verleihe den Verkehrsteilnehmern kein subjektives Recht. Ausweislich seines Wortlauts treffe er nur Anforderungen an die „Bauten“, nicht an den Straßenverkehr. Zudem bezwecke die Vorschrift nur, den Straßenbaulastträger von der Überwachung anderer Hoheitsträger freizustellen. Auch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG könne keine Klagebefugnis abgeleitet werden. Eine solche käme nur in Betracht, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hätte oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären. Dies habe der Kläger nicht dargelegt. Der bloße Hinweis auf die RAL 2012 genüge nicht, da sie keine Bindungswirkung hätten, sondern nur eine Orientierungshilfe darstellten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgelegten Behördenakten, das Sitzungsprotokoll und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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A. Die Klage ist bereits unzulässig, weil der Kläger nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist.
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Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO anzunehmen ist, wenn auf der Grundlage des Klagevorbringens eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten möglich erscheint. Dies ist nur dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (stRspr z.B. BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 – BVerwGE 101, 157 = juris Rn. 22; U.v. 12.12.2018 – 10 C 10.17 – BVerwGE 164, 53 = juris Rn. 17; B.v. 10.5.2021 – 8 B 59.20 – juris Rn. 5). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist in jedem Einzelfall anhand des Klagebegehrens und des hierauf bezogenen Vortrags des Klägers zu prüfen. Dabei dürfen die an den Sachvortrag des Klägers zu stellenden Anforderungen mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden (BVerwG, U.v. 18.12.2014 – 4 C 36.13 – BVerwGE 151, 138 = juris Rn. 14; B.v. 5.3.2019 – 7 B 3.18 – ZfB 2019, 181 = juris Rn. 8).
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Vorliegend fehlt es dem Kläger offensichtlich und eindeutig an einer subjektiv-rechtlichen Rechtsposition.
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I. Soweit der Kläger auf die mögliche Gefährdung von Insassen eines Rettungsfahrzeuges hinweist, macht er bereits keine Verletzung eigener Rechte geltend.
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II. In Bezug auf seine Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer ergibt sich ein subjektiv öffentliches Recht weder aus § 4 Satz 1 FStrG, den RAL 2012, dem in § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG verankertem Abwägungsgebot noch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
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1. Der Kläger, ein zukünftiger Straßennutzer, ist nicht als unmittelbarer Adressat des Planfeststellungsbeschlusses klagebefugt (sog. Adressatentheorie). Dies sind bei straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren insbesondere die Inhaber dinglicher Rechte (vgl. Sauthoff in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 17e Rn. 13), was sich aus der Grundstücksbezogenheit des Straßenplanungsrechts ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 9.91 – NJW 1994, 1233 = juris Rn. 8).
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2. Ist ein Kläger – wie hier – nicht (unmittelbarer) Adressat eines angegriffenen Verwaltungsakts, ist eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO nur gegeben, wenn er geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Erforderlich aber auch hinreichend ist, dass unter Zugrundelegung der Darlegungen des Klägers die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts möglich erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 26.7.1989 – 4 C 35.88 – BVerwGE 82, 246 = juris Rn. 18; B.v. 21.1.1993 – 4 B 206.92 – NVwZ 1993, 884 = juris Rn. 7 m.w.N.; U.v. 5.4.2016 – 1 C 3.15 – BVerwGE 154, 328 = juris Rn. 16). Hierbei ist auf die objektiv gegebene materielle Rechtslage zurückzugreifen, denn ohne diese lässt sich nicht beurteilen, ob eine Verletzung klägerischer Rechte immerhin möglich ist, wenn nicht die bloße Behauptung einer derartigen Rechtsverletzung genügend sein soll (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206.92 – BayVBl 1994, 90 = juris Rn. 7 m.w.N.).
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Eine Verletzung in subjektiven Rechten liegt vor, wenn der Verstoß gegen eine Schutznorm, d.h. eine Vorschrift geltend gemacht wird, die den von ihrem Regelungsgehalt Betroffenen nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm zu schützen bestimmt ist und ihm die Rechtsmacht verleiht, eine Verletzung der Norm insbesondere vor Gericht geltend zu machen (stRspr vgl. BVerwG, U.v. 27.9.2018 – 7 C 23.16 – NVwZ 2019, 163 = juris Rn. 14). Dies setzt zum einen voraus, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit hinreichend unterscheidet. Aus dem Schutzzweck der Norm muss sich zum anderen ergeben, dass sie unmittelbar (auch) dem rechtlichen Interesse dieses Personenkreises zu dienen bestimmt ist und nicht nur tatsächlich, also reflexartig, seine Rechte berührt (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 19; U.v. 27.9.2018 – 7 C 23.16 – NVwZ 2019, 163 = juris Rn. 14; BVerfG, B.v. 10.6.2009 – 1 BvR 198/08 – NVwZ 2009, 1426 = juris Rn. 12).
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a. Gemessen daran handelt es sich bei § 4 Satz 1 FStrG um keine Schutznorm, die dem Kläger als (häufigen) Straßennutzer eine subjektiv-öffentliche Rechtsposition auf verkehrssicheren Ausbau verleiht. Denn sie wendet sich nicht an einen abgrenzbaren Kreis geschützter Personen und dient allein dem Interesse der Allgemeinheit.
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aa. § 4 Satz 1 FStrG richtet sich nicht an einen abgrenzbaren Kreis von Personen. Ein solcher ist weder aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm noch aus ihrer Auslegung zu entnehmen.
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Fehlt es – wie hier – an einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung, kommt eine drittschützende Wirkung einer Norm gleichwohl in Betracht. Denn es kommt nicht darauf an, dass die Norm ausdrücklich einen fest abgrenzbaren Kreis von Betroffenen benennt oder ihn räumlich abgrenzt (BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – BayVBl 1987, 151 = juris Rn. 11 f.). Entscheidend ist vielmehr, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 16; U.v. 27.9.2018 – 7 C 23.16 – NVwZ 2019, 163 = juris Rn. 14).
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Solche individualisierenden Tatbestandsmerkmale lassen sich § 4 Satz 1 FStrG auf Grund des unpersönlich und abstrakt formulierten Wortlauts nicht entnehmen. Sein Wortlaut lässt jeden Hinweis auf einen individuell geschützten Personenkreis vermissen, der sich hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidet. Die Norm nennt lediglich die Anforderungen der Sicherheit und Ordnung ohne Bezugnahme auf einen subjektiv-öffentlich geschützten Personenkreis. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass dem (motorisierten) Verkehrsteilnehmer eine klagbare Rechtsposition eingeräumt werden sollte. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Begriff der „öffentlichen Sicherheit“, der unter anderem den Schutz von Leben und Gesundheit enthält, insgesamt jedoch umfassender zu verstehen ist (vgl. Bender in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 4 Rn. 30).
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Es ergeben sich auch – anders als der Kläger meint – keine Anhaltspunkte dafür, dass die Norm gerade die in der Umgebung einer Straße wohnenden Verkehrsteilnehmer besonders begünstigen bzw. schützen wollte, die wegen der „örtlichen Nähe (ihres) Lebensmittelpunktes, insbesondere (ihres) Wohnorts und (ihrer) Arbeitsstätte“ gezwungen wären, „mehrfach täglich die Straße zu nutzen und die Nutzung der Straße unausweichlich“ sei. Die Schutzpflicht greift letztlich gegenüber jedermann – unabhängig von seiner Motivationslage und seinem Wohnort –, der die jeweilige Straße nutzt. § 4 Satz 1 FStrG zielt deshalb auf die Bereitstellung verkehrssicherer Straßenbauten für die Allgemeinheit und nicht auf den Schutz der einzelnen Verkehrsteilnehmer.
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Gegen die Adressierung des § 4 Satz 1 FStrG an einen abgrenzbaren Personenkreis spricht auch das Institut des Gemeingebrauchs. Gemäß § 7 Satz 1 FStrG ist der Gebrauch der Bundesfernstraßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften zum Verkehr gestattet. Ist der Gebrauch einer Bundesstraße jedermann – also der Allgemeinheit – gestattet, so kann die Pflicht zur Verkehrssicherung als Korrelat auch nur im Interesse der Allgemeinheit liegen. Die Pflicht zur Verkehrssicherung kommt damit dem einzelnen Verkehrsteilnehmer nur in Form eines Rechtsreflexes zugute, der keine subjektiven Rechte begründet (vgl. BayVGH, U.v. 14.9.2009 – 8 B 08.2829 – BayVBl 2010, 176 = juris Rn. 18; OVG NW, U.v. 10.11.1994 – 23 A 2097/93 – NVwZ-RR 1995, 482 = juris Rn. 22 zu § 9a NWStrWG).
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bb. § 4 Satz 1 FStrG dient zudem nicht zumindest auch dem Schutz eines einzelnen Verkehrsteilnehmers.
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Denn die Verletzung der in § 4 Satz 1 FStrG normierten Einstandspflicht des Trägers der Straßenbaulast dafür, dass seine Bauten alle Anforderungen an die Sicherheit und Ordnung erfüllen, kann allein zur Haftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG führen (vgl. BGH, U.v. 18.12.1972 – III ZR 121/70 – VersR 1973, 252 = juris Rn. 10 ff.; U.v. 5.4.1990 – III ZR 4/89 – NJW-RR 1990, 1500 = juris Rn. 12). Die Norm begründet kein subjektives Abwehrrecht eines Verkehrsteilnehmers gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss. Denn die Vorschrift drückt lediglich den allgemeinen Grundsatz aus, dass Behörden, die selbst Fachkenntnisse über die von ihnen zu errichtenden und zu unterhaltenden Bauten haben, insoweit nicht der Aufsicht anderer Behörden unterworfen sein sollen und deshalb auch keiner Genehmigung hierfür bedürfen. Vielmehr soll der Träger der Straßenbaulast eigenverantwortlich bestimmen, welcher Sicherheitsstandard angemessen ist (BVerwG, U.v. 9.11.2000 – 4 A 51.98, 4 VR 21.98 – NVwZ 2001, 682 = juris Rn. 24; U.v. 28.4.2016 – 9 A 9.15 – BVerwGE 155, 91 = juris Rn. 63).
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Die Regelung gehört zudem systematisch zu den Regelungen über die Straßenbaulast. In Bezug auf diese ist allgemein anerkannt, dass sie Dritten keine subjektiven Rechte einräumt, sondern eine im Interesse der Allgemeinheit wahrzunehmende Aufgabe darstellt (vgl. BGH, U.v. 5.7.1990 – III ZR 217/89 – BGHZ 112, 74 = juris Rn. 9; OVG NW, U.v. 10.11.1994 – 23 A 2097/93 – NVwZ-RR 1995, 482 = juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 5.8.1996 – 8 S 380/96 – NVwZ 1997, 1021 = juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 8 ZB 15.1084 – BayVBl. 2018, 247= juris Rn. 7; Witting in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 25 ff.; Herber in Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Aufl. 2021, S. 1759).
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Dieses Verständnis entspricht auch der Entstehungsgeschichte der Norm und dem ihr zugrundeliegenden parlamentarischen Willen. § 4 FStrG gleicht der Regelung in § 12 der Verordnung zur Durchführung des Reichsautobahngesetzes vom 29. Mai 1941 (Reichsgesetzbl. I S. 315 – (RABDV)) und § 38 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 (BGBl. I S. 955; vgl. BT-Drs. 1/4248, S. 17). Ähnliche Regelungen finden sich heute in § 48 WaStrG und § 4 Abs. 1 und Abs. 3 AEG. Diese Regelungen stellen „spezialpolizeiliche Vorschriften“ zur Gefahrenabwehr dar (BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 A 4.07 – NVwZ 2009, 588 = juris Rn. 40 zu § 48 WaStrG; U.v. 23.9.2014 – 7 C 14.13 – NVwZ 2015, 445 = juris Rn. 18 zu § 4 AEG; Hönig, DVBl 2019, 12). Sie basieren auf dem allgemeinen Grundsatz, dass die jeweils tätig werdende Hoheitsverwaltung, die selbst besondere Fachkenntnisse für die von ihr zu errichtenden und zu unterhaltenden Bauten hat, für die Beachtung der von ihrem Tätigkeitsbereich berührten gesetzlichen Bestimmungen selbst zuständig und verantwortlich ist. Sie unterliegt keiner sonstigen Bauaufsicht (vgl. BayVGH, U.v. 28.10.2022 – 8 BV 20.1918 – juris Rn. 81; Kodal/Gudat, Handbuch des Straßenbaurechts, 1954, § 4; Bender in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 4 Rn. 25, 37, 61; Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 4 Rn. 1). Als reine Organisationsvorschriften werden damit Dritten gegenüber keine subjektiven Rechte eingeräumt (so auch für § 4 Abs. 1 AEG VGH BW, U.v. 30.9.2020 – 5 S 969/18 – juris Rn. 32). Vielmehr sollte es bei einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bei den Haftungsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und Art. 34 GG verbleiben (BT-Dr. 1/4248 S. 16).
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b. Auch der vorgetragene Verstoß gegen verschiedene Regelungen der RAL 2012 begründet keine Verletzung subjektiver Rechte.
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Die RAL 2012 konkretisieren unter anderem die in § 4 Satz 1 FStrG normierten Pflichten auf untergesetzlicher Ebene (Bender in Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 4 Rn. 28; vgl. auch VGH BW, U.v. 30.9.2020 – 5 S 969/18 – juris Rn. 37 zu Richtlinien zu § 4 Abs. 1 und 3 AEG). Sie enthalten – ebenso wie § 4 Satz 1 FStrG – lediglich objektive Regelungen im Interesse der Allgemeinheit und dienen nicht auch dem Schutz des einzelnen Verkehrsteilnehmers. Ihr Schutz reicht nicht weiter als ihre gesetzliche Grundlage, die sie konkretisieren.
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Bei den RAL 2012 handelt es sich zudem um verwaltungsinterne Verwaltungsvorschriften ohne Außenwirkung. Allgemeine Verwaltungsvorschriften – wie die RAL 2012 –, die nicht auf besonderer gesetzlicher Grundlage beruhen und die lediglich verwaltungsintern das Verfahren oder die Ermessensausübung der nachgeordneten Verwaltung steuern sollen, schaffen kein die Gerichte bindendes materielles Recht (vgl. BVerfG, B.v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83 – BVerfGE 78, 214 = juris Rn. 37; BVerwG, U.v. 19.3.2003 – 9 A 33.02 – DVBl 2003, 1069 = juris Rn. 37 zur Vorgängerregelung der RAS-Q 96; OVG NW, U.v. 5.2.2021 – 11 D 13/18. AK – juris Rn. 364; HessVGH, U.v. 9.7.2019 – 2 C 720/14.T – juris Rn. 187).
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c. Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG.
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Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen.
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Zwar räumt das Abwägungsgebot dem Betroffenen mit dem Gebot einer gerechten Abwägung ein subjektives öffentliches Recht ein (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 = juris Rn. 19; U.v. 14.3.2018 – 4 A 7.17 – juris Rn. 12; U.v. 7.10.2021 – 4 A 9.19 – NuR 2022, 479 = juris Rn. 17). Voraussetzung ist jedoch ein rechtlich geschützter eigener Belang des Planbetroffenen. Dabei beschränken sich die in die Abwägung einzustellenden privaten Belange nicht auf subjektive Rechte. Einzustellen sind vielmehr alle mehr als nur geringfügigen schutzwürdigen, eigenen Interessen, die von der Planung betroffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.1996 – 11 A 100.95 – UPR 1997, 149 = juris Rn. 36; U.v. 5.11.1999 – 4 CN 3.99 – BVerwGE 110, 36 = juris Rn. 17; B.v. 31.1.2011 – 7 B 55.10 – NVwZ 2011, 567 = beckonline Rn. 6).
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Vorliegend macht der Kläger keinen eigenen privaten Belang geltend, sondern beruft sich im Kern auf die Verkehrssicherheit. Er macht damit einen öffentlichen Belang geltend (vgl. auch BVerwG, U.v. 12.6.2019 – 9 A 2.18 – BVerwGE 166, 1 = juris Rn. 126; U.v. 11.7.2019 – 9 A 14.18 – BVerwGE 166, 171 = juris Rn. 57; U.v. 2.7.2020 – 9 A 19.19 – BVerwGE 169, 94 = juris Rn. 90; BayVGH, U.v. 14.9.2009 – 8 B 08.2829 – BayVBl 2010, 176 = juris Rn. 18; OVG NW, U.v. 5.2.2021 – 11 D 13/18.AK – juris Rn. 370). Der Belang der Verkehrssicherheit umfasst das Interesse aller zukünftiger Straßennutzer an einer sicheren Straßennutzung, unabhängig davon, wann und wie oft sie die Straße benutzen werden. Der Kreis der Nutzer ist folglich unüberschaubar, nicht bestimmbar und nicht konkretisierbar (vgl. dazu VGH BW, U.v. 30.9.2020 – 5 S 969/18 – juris Rn. 45 zu § 4 AEG; Manssen, NZV 2001, 149 f.). Teil dieses Nutzerkreises ist auch der Kläger.
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Eine qualifizierte und individualisierte Betroffenheit des Klägers, die ihn aus dem Kreis der Allgemeinheit der Straßennutzer hervorheben würde, liegt nicht vor (anders zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 5 AtG für Anwohner von Castor-Transporten vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 7 C 34.11 – NVwZ 2013, 1407 = juris Rn. 40f.). Dass der Kläger nicht weit entfernt von der Straße wohnt und diese deshalb häufig benutzen will, genügt hierfür nicht, da dies auch auf viele andere Nutzer der Straße wie z.B. Pendler zutrifft (so auch für Nutzer eines Hauptbahnhofs vgl. VGH BW, U.v. 30.9.2020 – 5 S 969/18 – juris Rn. 47, 50; für Nutzer [Flugschulen] eines Verkehrsflughafens vgl. BayVGH, U.v. 26.4.1988 – 20 AS 88.40002 u.a. – BayVBl. 1988, 594/596).
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Auf eine fehlerhafte Behandlung der RAL 2012 in der Abwägung kann sich der Kläger ebenso wenig berufen, da sie seine Belange nicht schützen (s.o. Rn. 29 ff).
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d. Schließlich lässt sich auch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG keine Klagebefugnis ableiten.
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aa. Es ist anerkannt, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe insbesondere in Form von Ge- und Verboten (vgl. dazu BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279 = juris Rn. 68) oder gegen staatliches Handeln mit mittelbar faktischen Wirkungen (z.B. staatliche Warnhinweise; BVerfG, B.v. 26.6.2002, a.a.O., juris Rn. 70) vermittelt. Vorliegend liegt aber weder ein staatlicher Eingriff noch ein sonstiges staatliches Handeln mit mittelbar faktischen Wirkungen vor. Der Kläger ist nicht Adressat des Planfeststellungsbeschlusses (s.o. Rn. 16). Dieser hat auch keine mittelbar faktische Wirkung auf den Kläger, da für eine Gesundheitsgefährdung zwingend noch ein Tun des Klägers bzw. anderer Verkehrsteilnehmer hinzukommen muss. Dem Argument des Klägers, das Straßenbauvorhaben provoziere wegen unzureichender Straßenbreite geradezu Fehlverhalten der Verkehrsteilnehmer und führe zu Unfällen, vermag der Senat insbesondere mit Blick auf die Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht zu folgen. Ausgehend davon kann nicht angenommen werden, dass Verkehrsunfälle allein aufgrund der baulichen Beschaffenheit der Straße, insbesondere mit Blick auf die Straßenbreite, bei ordnungsgemäßer und angepasster Verkehrsteilnahme (vgl. § 1 StVO) eintreten müssten.
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bb. Die Möglichkeit einer Betroffenheit in eigenen Rechten kann der Kläger auch nicht aus einer grundrechtlichen Schutzpflicht ableiten. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner Organe abzuleiten. Sie gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren (vgl. BVerfG, U.v. 25.2.1975 – 1 BvF 1/74 u.a. – BVerfGE 39, 1 = juris Rn. 153; B.v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 – BVerfGE 53, 30 = juris Rn. 53; B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 – BVerfGE 157, 30 = juris Rn. 145). Eine Verletzung dieser Pflicht liegt aber nur dann vor, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 26.7.2016 – 1 BvL 8/15 – BVerfGE 142, 313 = beckonline Rn. 70; B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 – BVerfGE 157, 30 = juris Rn. 152).
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Im Bereich des Straßenverkehrs ist der Gesetzgeber seiner Schutzpflicht durch ein Bündel von Gesetzen in Bezug auf die Verkehrsteilnahme nachgekommen (z.B. StVG, StVO, FeV, StGB). Für den Bereich der Fernstraßenplanung hat der Gesetzgeber zudem in den §§ 3 bis 5 FStrG umfassend und abschließend alle mit dem Bau und der Unterhaltung von Bundesstraßen zusammenhängenden Aufgaben geregelt. Er hat im Hinblick auf die Straßenbaulast (vgl. § 3 FStrG) und die Eigenverantwortlichkeit des Straßenbaulastträgers (vgl. § 4 FStrG) sowohl organisatorische als auch inhaltliche Regelungen wie die Anforderungen an die Sicherheit und Ordnung (vgl. § 3 und § 4 FStrG) getroffen. Im Rahmen des in § 17 Abs. 1 Satz 4 FStrG normierten Abwägungsgebots hat auch der Belang der Verkehrssicherheit und damit der Schutz des Lebens und der Gesundheit des einzelnen Verkehrsteilnehmers einzufließen. Dem Schutz von Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer ist damit auf vielfältige Weise sowohl im Hinblick auf die Planung einer Straße als auch im Hinblick auf die Nutzung derselben Rechnung getragen worden. Die Planfeststellungsbehörde hat im Planfeststellungsbeschluss den Belang der Verkehrssicherheit zudem erkannt und abgewogen (PFB S. 25 f., 29). Mehr gebietet Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht, sodass hieraus kein subjektiv einklagbares Recht gegen eine Straßenplanung abgeleitet werden kann.
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III. Im Übrigen fehlt es dem Kläger auch an der in § 42 Abs. 2 VwGO vorausgesetzten adäquaten Kausalität der Rechtsverletzung „durch den Verwaltungsakt“.
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Eine solche würde voraussetzen, dass das betroffene Recht durch das planfestgestellte Vorhaben adäquat kausal, also typischerweise verletzt sein kann („adäquater Ursachenzusammenhang“, vgl. BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 11 B 65.96 – UPR 1997, 107 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 28.7.2000 – 20 A 00.40001 – juris Rn. 18). Abzugrenzen ist die Rechtsverletzung „durch den Verwaltungsakt“ vor allem von den bloß tatsächlichen, „faktischen“, reflexartigen Wirkungen eines Verwaltungsaktes (BVerwG, U.v. 11.11.1996 – 11 B 65.96 – UPR 1997, 107 = juris Rn. 6; U.v. 6.5.2015 – 6 C 11.14 - BVerwGE 152,122 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 28.2.2019 – 20 CS 18.2193 – BeckRS 2019, 3391 Rn. 15). Keine adäquate Kausalität ist zwischen dem Verwaltungsakt und solchen Wirkungen gegeben, die innerhalb dessen liegen, womit der Betroffene unabhängig von dem Verwaltungsakt rechnen musste (dass „so etwas geschieht“ vgl. BVerwG, B.v. 9.11.1979 – 4 N 1/78 u.a. – BVerwGE 59, 87 = juris Rn. 50), die also innerhalb des allgemeinen Lebensrisikos liegen. Die erforderliche Kausalität fehlt auch, wenn die in dem Verwaltungsakt getroffene Regelung für den vermeintlich Betroffenen keinerlei rechtliche Bindungswirkung auslöst (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2019 – 20 CS 18.2193 – BeckRS 2019, 3391 Rn. 15).
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So liegt der Fall hier. Der Planfeststellungsbeschluss zeitigt gegenüber dem Kläger keinerlei Bindungswirkung. Die Planung für den Ausbau einer Straße ist überdies nicht adäquat kausal für eine etwaige, nicht auszuschließende Verletzung des Rechtsguts Leben und körperliche Unversehrtheit des Straßennutzers durch einen Verkehrsunfall. Vielmehr hat der Straßennutzer die Straßenverhältnisse und den Ausbauzustand der Straße so hinzunehmen, wie sie sich erkennbar darbietet und sein Fahrverhalten daran anzupassen: Er hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen vermeidbar, behindert oder belästigt wird (vgl. § 1 Abs. 2 StVO). Auch bei Fahrfehlern anderer Verkehrsteilnehmer besteht die Verpflichtung des vorschriftsmäßig Fahrenden zur Unfallverhütung (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 1 StVO Rn. 23). Ein Verkehrsunfall ist daher insbesondere Folge eines Fahrfehlers eines Verkehrsteilnehmers und nicht der Straßenplanung.
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Damit fehlt der Klage die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO; sie ist unzulässig. Auf die Frage der Begründetheit der Klage kommt es daher nicht an (BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 6 B 133.18 – NVwZ 2019, 649 = juris Rn. 21).
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B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
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D. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.