Titel:
Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses Zug um Zug gegen Leistungserbringung
Normenkette:
BGB § 322, § 371, § 389
Leitsatz:
Da es sich bei dem Anspruch auf Herausgabe eines Schuldscheins, zum dem im weiteren Sinn die vollstreckbare Ausfertigung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gehört, um einen sog. „verhaltenen Anspruch“ handelt, muss der Anspruch auf Herausgabe grundsätzlich nur Zug-um-Zug gegen Erbringung der geschuldeten Leistung erfüllt werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schuldschein, Herausgabe, Kostenfestsetzungsbeschluss, vollstreckbare Ausfertigung, Zug-um-Zug, Leistungserbringung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Anerkenntnisurteil vom 16.02.2023 – 35 U 3149/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43730
Tenor
1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 12.01.2018, Az. 11 O 15/16, wird in Höhe von 2.157,12 € für unzulässig erklärt.
2. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, die ihm erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts München II vom 12.01.2018 (Az. 11 O 15/16) Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.468,08 € an die Klägerin herauszugeben.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/4 und die Beklagten als Gesamtschuldner 3/4.
5. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 € und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 600,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 12.01.2018, Az. 11 O 15/16, die Löschung einer Zwangssicherungshypothek und die Freigabe von hinterlegtem Geld.
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Mit vorbenanntem Kostenfestsetzungsbeschluss wurde die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) zur Zahlung eines Kostenbetrages in Höhe von 2.834,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 15.12.2017 verpflichtet (vgl. Kostenfestsetzungsbeschluss, Anl. K 1). Mit Schreiben vom 09.01.2019 hat die Beklagte zu 2) bestätigt, dass sie die Forderungen mit Vertrag vom 30.12.2016 an den Beklagten zu 1) abgetreten hat, ohne dies nach außen anzuzeigen (vgl. Anl. K 2). Es wurde zugunsten des Beklagten zu 1) eine Rechtsnachfolgerklausel auf Gläubigerseite erteilt (vgl. Schreiben des Landgerichts München II vom 18.02.2020, Anl. K 3). In der Folge leiteten die Beklagten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Klägerin ein, insbesondere ließen sie verschiedenen Banken Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zustellen (vgl. Anl. K 4) und auf dem Grundstück der Klägerin in Kienberg zugunsten der Beklagten zu 2) eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 2.834,00 € eintragen (vgl. Anl. K 5, K 6).
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Die Klägerin stellte am 22.11.2018 beim Amtsgericht München zum Az. 38 HL 1275/18 einen Antrag auf Hinterlegung eines Betrages von 2.945,90 €, der sich aus dem festgesetzten Betrag des Kostenfestsetzungsbeschlusses (siehe oben) und die bis zu diesem Tag angelaufenen Zinsen zusammensetzt (vgl. Anl. K 7). Der Betrag in Höhe von 2.945,90 € wurde am 26.11.2018 an die Landesjustizkasse überwiesen. Das Amtsgericht München hat den Betrag entgegengenommen und als mögliche Empfänger die Beklagten sowie Ioannis Gross benannt (vgl. Bescheid vom 22.11.2018 mit Änderung bzw. Ergänzung vom 26.11.2018, 07.12.2018, 14.12.2018 und 18.12.2018, Anl. K 9). Die Hinterlegung erfolgte unter Verzicht auf einen Rückzahlungsanspruch.
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Zugunsten der Klägerin sind Forderungen gegen den Beklagten zu 1) tituliert in Höhe von
- 1.784,80 € (Endurteil des Landgerichts München II, Az. 10 O 2312/19) (Anl. K 11)
- 70,72 € (Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 04.08.2020, Az. 10 O 2312/19) (Anl. K 12)
- 301,60 € (Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 12.02.2021, Az. 10 O 2312/19) (Anl. K 13).
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Mit Schreiben vom 25.01.2021 (Anl. K 10) rechnete der Beklagte zu 1) gegen diese Forderungen der Klägerin auf.
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Mit Schreiben vom 02.08.2021 (Anl. K 15) hat Ioannis Gross gegenüber dem Amtsgericht München die Freigabe des zum Az. 38 HL 1275/18 hinterlegten Betrages bewilligt.
7
Die Klägerin behauptete in der Klage, ihr stünde unter Berücksichtung des hinterlegten Betrages noch ein Guthaben in Höhe von 1.740,61 € zu (vgl. auch die Forderungsaufstellung, Anl. K 14)
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Die Klägerin beantragte zuletzt,
- 1.
-
Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II vom 12.01.2018, Az. 11 O 15/16, wird für unzulässig erklärt.
- 2.
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Der Beklagte zu 1) wird verurteilt den unter Ziffer I. genannten Titel an die Klägerin entwertet herauszugeben Zug um Zug gegen Zahlung von 1.468,08 €.
- 3.
-
Die Beklagten zu 2) wird verurteilt, der Löschung der im Grundbuch von Kienberg, Blatt 1019 beim Amtsgericht Traunstein in Abteilung III unter lfd. Nr. 2 zu ihren Gunsten eingetragene Zwangssicherungshypothek über € 2.834,00 zu bewilligen.
- 4.
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Die Beklagten werden verurteilt, die Auszahlung in Höhe von € 2.945,90 aus dem beim Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 38 HL 1275/18 hinterlegten Betrag an die Klägerin zu bewilligen.
- 5.
-
[entfällt]
- 6.
-
Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von € 215,80 zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von € 20,00 zzgl. 19% Umsatzsteuer in Höhe von € 44,80 nebst 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Zustellung der Klage zu bezahlen.
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Die Beklagten beantragten
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 28.04.2022 (Bl. 38/41 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Hinsichtlich des Klageantrags zu 1) liegt, da die Klägerin materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2018 geltend macht, eine statthafte (BGH NJW 2013, 2976) Vollstreckungsabwehrklage vor, für die nach § 767 Abs. 1, 802 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs und damit das Landgericht München II (sachlich) zuständig ist. Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, wenn – wie hier – die Zwangsvollstreckung begonnen hat, aber noch nicht beendet ist.
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Der Klageantrag zu 2), mit dem die Klägerin die Herausgabe des Vollstreckungstitels nach § 371 BGB begehrt, ist ebenfalls statthaft. Bei der im Termin am 28.04.2022 erfolgten Umstellung des Klageantrags handelt es sich um eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Erweiterung.
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Soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 3) die Bewilligung der Löschung einer Zwangshypothek und mit ihrem Klageantrag zu 4) die Erstattung von außergerichtlichen Kosten begehrt, ergibt sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus dem inneren Sachzusammenhang mit der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Vollstreckungsgegenklage. Bei der Konkretisierung des Klageantrags zu 3) und zu 4) im Termin am 28.04.2022 handelt es sich um gemäß § 264 Nr. 1 ZPO zulässige Anpassungen der Klageanträge.
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Im Übrigen liegt eine rügelose Einlassung gem. § 39 ZPO vor.
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II. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
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1. Die Beklagten sind als die im Titel genannte Gläubigerin mit Einziehungsermächtigung (Beklagte zu 2) bzw. dessen Rechtsnachfolger (Beklagte zu 1) passivlegitimiert.
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Eine Titelumschreibung wird nicht behauptet (vgl. S. 2 des Protokolls).
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2. Der Klägerin steht als prozessführungsbefugten Schuldnerin eine durch § 767 Abs. 3 ZPO nicht ausgeschlossene materiell-rechtliche Einwendung zu, welche die Wirkung hat, dass der titulierte Anspruch nicht mehr im titulierten Umfang geltend gemacht werden darf. a)
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Wie das OLG München mit Beschluss vom 07.05.2020 (Az. 17 U 1129/20), vorgelegt als Anl. B 4, festgestellt hat, führt allein die Abtretung der Forderung durch die Beklagte zu 2) an den Beklagten zu 1) wegen deren Einziehungsermächtigung aus dem Abtretungsvertrag vom 30.12.20216, der mit Anl. K 2 vorgelegt wurde, nicht zur Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage. Auch durch die Hinterlegung des Geldbetrages ist keine Erfüllungswirkung eingetreten (§ 378 BGB).
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b) Im vorliegenden Fall ist eine Erfüllungswirkung jedoch durch Aufrechnung mit Gegenforderungen in Gesamthöhe von 2.157,12 € eingetreten. Die Aufrechnung führt zum Erlöschen des Anspruchs (§ 389 BGB) und damit zur (teilweisen) Erfüllung (rechtsvernichtende Einwendung).
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c) Die Klägerin ist mit ihren Einwendungen auch nicht gem. § 767 Abs. 3 ZPO präkludiert.
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3. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) als Rechtsnachfolger einen Anspruch auf Herausgabe des Vollstreckungstitels entsprechend 371 BGB Zug um Zug gegen Zahlung von 1.468,08 €.
25
Zwischen den Parteien war zuletzt unstreitig, dass dem Beklagten zu 1) gegen die Klägerin aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2018, Az. 11 O 15/16, unter Berücksichtigung der oben genannte Aufrechnungen, der Vollstreckungskosten und der angefallenen Zinsen nur noch eine Forderung in Gesamthöhe von 1.468,00 € zusteht und mit Bezahlung dieses Betrages die Forderung aus dem genannten Kostenfestsetzungsbeschluss endgültig erlischt. Da es sich bei dem Anspruch auf Herausgabe eines Schuldscheins, zum dem im weiteren Sinn die vollstreckbare Ausfertigung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gehört (vgl. BeckOGK/Looschelders BGB § 371 Rn. 16 m. w. Nachw.), um einen sog. „verhaltenen Anspruch“ handelt (Looschelders, Rn. 25; MüKoBGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, BGB § 371 Rn. 5), muss der Anspruch auf Herausgabe grundsätzlich nur Zug-um-Zug gegen Erbringung der geschuldeten Leistung erfüllt werden.
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4. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
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a) Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Löschung der Zwangssicherungshypothek gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.
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Danach kann der Schuldner vom Gläubiger, zu dessen Gunsten eine Zwangssicherungshypothek eingetragen ist, zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme die Löschung der Zwangssicherungshypothek verlangen, wenn die Forderung nicht zum Entstehen gelangt ist oder endgültig erlischt. Da die Forderung im vorliegenden Fall noch nicht endgültig erloschen ist (siehe oben), besteht – derzeit – kein Anspruch auf Löschung. b)
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Aus demselben Grund hat die Klägerin gegen die Beklagten keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB auf Bewilligung der Auszahlung des beim AG München hinterlegten Betrages.
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c) Die Klägerin weder unter vertraglichen, noch unter deliktischen Ansprüchen gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten, da ein haftungsbegründendes Ereignis nicht hinreichend substantiiert dargelegt ist. Weder bestand ein Anspruch auf Herausgabe des Titels, wie ihn die Klägerin vorgerichtlich verlangt hat, noch ein Anspruch auf Löschung der Zwangssicherungshypothek oder auf Bewilligung der Auszahlung. Die Klägerin ging vorgerichtlich rechtsirrig davon aus, dass ihr gegenüber den Beklagten eine Forderung i. H. v. 1.740,61 € zusteht; eine verzugsbegründendes Ereignis lag jedoch gerade nicht vor.
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III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.
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Die Sicherheiten waren nicht nur nach den vollstreckbaren Kosten, sondern insgesamt nach den für den Gläubiger nachteiligen Vollstreckungswirkungen zu bemessen, so dass auch der Betrag, in dessen Höhe die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wurde, bei der Bemessung zu berücksichtigen war.