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AG München, Endurteil v. 07.11.2022 – 1291 C 10041/22 WEG
Titel:

Kein Ansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter mehr

Normenkette:
WEG § 18, § 19, § 28
Leitsätze:
Da die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 18 I WEG der GdWE obliegt und gem. § 18 II WEG jeder Wohnungseigentümer von der GdWE die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, sind Klagen, die Ansprüche gegen den Verwalter in Bezug auf den Wirtschaftsplan zum Gegenstand haben, ebenfalls gegen die GdWE, nicht hingegen gegen den Verwalter, zu richten. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für Klagen auf Überprüfung und Abänderung des beschlossenen Wirtschaftsplans, ist grundsätzlich die Beschlussersetzungsklage die statthafte Klageart. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wirtschaftsplan, Überprüfung, Verwalter, Passivlegitimation
Fundstellen:
LSK 2022, 43688
ZMR 2023, 159
BeckRS 2022, 43688

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 30.870,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Überprüfung und Berichtigung des beschlossenen Wirtschaftsplans für das Jahr 2022.
2
Sie ist Eigentümerin einer Wohnung in der … die von der Beklagten verwaltet wird.
3
In der Eigentümerversammlung vom 20.06.2022 genehmigten die Eigentümer unter TOP 5 einstimmig den Wirtschaftsplan 2022. Der die Klägerin betreffende Einzelwirtschaftsplan sieht eine monatliche Wohnlast von 343,00 €. Der vorangegangene Wirtschaftsplan sah eine monatliche Wohnlast von 250,00 € vor.
4
Die Klägerin macht geltend, die massive Erhöhung des Wohngeldes um 40 % im Vergleich zum Vorjahr sei nicht gerechtfertigt. Außerdem seien die Wohngeldeinnahmen (Vorschüsse) in dem Wirtschaftsplan nicht aufgeführt.
5
Nachdem die Klägerin zunächst eine Beschlussanfechtungsklage erhoben hatte, beantragt sie zuletzt,
Berichtigung des Wohngeldes.
6
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
7
Sie macht geltend, nicht passivlegitimiert zu sein.
8
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 17.10.2022 (Bl. 21 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
10
I. Das Amtsgericht München ist als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 4, 3 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
11
Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageänderung ist gem. § 264 Nr. 2 ZPO, jedenfalls gem. § 263 ZPO wegen Sachdienlichkeit zulässig.
12
Für die Auslegung von Klageanträgen ist nicht der Wortlaut, sondern der erklärte Wille entscheidend, wie er aus der Klagebegründung, den sonstigen Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgeht (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 44 Rn. 154 m.w.N.).
13
Die ursprünglich erhobene Beschlussanfechtungsklage hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht erhalten. Ihr geht es erklärtermaßen um die Überprüfung und Abänderung des in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2022 beschlossenen Wirtschaftsplans, wofür grundsätzlich die Beschlussersetzungsklage die statthafte Klageart ist.
14
Für eine Leistungsklage wäre der gestellte Klageantrag zu unbestimmt, was zur Unzulässigkeit der Klage führen würde. Im Zweifel gilt aber das, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Dies steht in aller Regel einer Auslegung des Klageantrags entgegen, die zu einer Unwirksamkeit der Prozesshandlung, z.B. wegen Unbestimmtheit des Klageantrags, führt (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 44 Rn. 155 m.w.N.).
15
II. Die erhobene Beschlussersetzungsklage gem. § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ist nicht begründet, da sie sich gegen die falsche Person richtet.
16
Die Beklagte ist nicht passivlegitmiert. Gem. § 44 Abs. 2 S. 1 WEG sind die Klagen gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Darauf hat das Gericht in Bezug auf die ursprünglich erhobene Beschlussanfechtungsklage gem. § 44 Abs. 1 S. 1 WEG wiederholt hingewiesen.
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Da die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 18 Abs. 1 WEG der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt und gem. § 18 Abs. 2 WEG jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen kann, sind Klagen, die Ansprüche gegen den Verwalter in Bezug auf den Wirtschaftsplan zum Gegenstand haben, ebenfalls gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nicht hingegen gegen den Verwalter, zu richten (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 43 Rn. 66).
18
Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen in Bezug auf einen Berichtigungsanspruch sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Die Entscheidungen des AG Freising vom 14.01.2005, 2 UR II 9/04, sowie AG Kassel vom 28.04.2004, 800 II 114/03, haben jeweils einen Protokollberichtigungsantrag zum Gegenstand. Vorliegend geht es der Klägerin aber um eine Berichtigung/Abänderung des beschlossenen Wirtschaftsplans.
19
Ein solcher Anspruch kann aber nicht gegen den Verwalter geltend gemacht werden, so dass die Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen ist.
20
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.
21
Der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2, 44, 49 GKG festgesetzt.
22
Gem. § 49 GKG wird der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festgesetzt. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht überschreiten.
23
Bei Beschlüssen, die Beiträge der Wohnungseigentümer oder sonstige bezifferte oder bezifferbaren Ansprüche betreffen, entspricht das Interesse in der Regel dem Nennbetrag der im Streit befindlichen Positionen (vgl. BeckOK WEG/Elzer, 49. Ed. 1.7.2022, WEG § 44 Rn. 139 mit Verweis auf BGH NJW-RR 2021, 527 Rn. 8).
24
Das Gesamtinteresse bemisst sich damit nach dem Gesamtvolumen des Wirtschaftsplans von 993.415,00 €. Das klägerische Interesse bemisst sich nach dem klägerischen Anteil in Höhe von 12 × 343,00 €, d.h. 4.116,00 €. Da der siebeneinhalbfache Wert dieses Betrages mit 30.870,00 € niedriger ist als das Gesamtinteresse begrenzt dieser Wert den Streitwert nach oben.
25
Auf den von der Klägerin beanstandeten Unterschiedsbetrag zum vorangegangenen Wirtschaftsplan für das Jahr 2021 kommt es hingegen nicht an.
26
Da die Gegenstände der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage und der nunmehr erhobenen Beschlussersetzungsklage wirtschaftlich identisch sind, ergibt sich keine Streitwerterhöhung durch die vorgenommene Klageänderung.