Inhalt

AG München, Endurteil v. 12.10.2022 – 1295 C 18362/21 WEG
Titel:

Anfechtung eines abgelehnten Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer - Sanierung einer Außenwand

Normenkette:
WEG § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 S. 1, § 44 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Die bestandskräftige Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer (Negativbeschluss) lässt - im Gegensatz zu einer positiven Beschlussfassung - das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschlussersetzungsklage iSv § 44 Abs. 1 S. 2 WEG nicht entfallen; auch eine Sperrwirkung besteht nicht (s. auch zu § 21 Abs. 8 WEG aF: BGH BeckRS 2010, 3461). (Rn. 17 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beschlussersetzungsklage kann jedoch in der Sache nur Erfolg haben, wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf den konkret begehrten Beschluss hat. Eine ganz bestimmte Art und Weise der Beschlussfassung kann der klagende Wohnungseigentümer hierbei nur dann verlangen, wenn sich der Ermessensspielraum der übrigen Wohnungseigentümer sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie" auf Null reduziert hat. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Ermessungsreduzierung auf Null ist zu verneinen, wenn - wie hier - für die erforderliche Sanierung einer Außenwand mehrere Möglichkeiten bestehen, die vom klagenden  Wohnungseigentümer verlangte Vorgehensweise mithin nicht zwingend ist. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Anfechtung eines Aufforderungsbeschlusses kann nur auf formelle Beschlussfehler gestützt werden oder darauf, dass der Anspruch offenkundig auszuschließen ist. Eine weitergehende inhaltliche Überprüfung des Aufforderungsbeschlusses findet nicht statt (Anschluss an LG München I Beschluss vom 17.3.2017 - 36 S 22212/15). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentum, Beschlussersetzung, Ermessensreduzierung auf Null, Negativbeschluss, Rechtsschutzbedürfnis, Sanierungsmöglichkeiten, Aufforderungsbeschluss
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Urteil vom 26.07.2023 – 1 S 13445/22 WEG
Fundstellen:
LSK 2022, 43686
BeckRS 2022, 43686
ZMR 2023, 156

Tatbestand

1
Der Kläger ist als Sondereigentümer der Wohneinheiten 55, 56 und 58 Mitglied der Beklagten. Den Sondereigentumseinheiten 55 und 58 sind jeweils 31,31/1000 Miteigentumsanteile zugeordnet, der Sondereigentumseinheit 56 21,33/1000 MEA. Zur Wohnung der Einheit Nr. 55 gehören auch die unter der Wohnung, d.h. im Kellerbereich, befindlichen Räume (Anlage K 3 – blau umrandet). Diese Kellerräume wurden bis zur Untersagung gem. Urteil vom AG München, Az. 485 C 14435/15 WEG zu Wohnzwecken genutzt. Die Räumlichkeiten sind mittels einer Innendämmung gedämmt.
2
Seit 2012 traten diverse Wasserschäden in den Kellerräumlichkeiten der Wohneinheit 55 an den Innen- und Außenwänden auf, an den Außenwänden stets in dem Raum, der sowohl an die Ost- als auch Südseite angrenzt. Bei einer Überprüfung 2018 (Anlage K 4) wurde eine undichte Heizleitung festgestellt. Am 07.08.2018 wurde die Fa. St. mit der weiteren Ursachenforschung der Innen- und Außenwände durch die WEG beauftragt. Laut Leckortungsbericht vom 08.08.2018 (K 5) kann an der Außenwand des Raumes, der sowohl an die Ost- als auch Südwand angrenzt, bei Niederschlägen Wasser in das Bauwerk eindringen.
3
Die WEG holte daher im Jahr 2018 ein Angebot zur Sanierung der Ost- und Südseite der Außenfassade des Hauses 4 ein. Das Angebot beinhaltete notwendige Abdichtungsarbeiten an der Fassade. Eine Beschlussfassung zur Beauftragung erfolgte nicht. Im Jahr 2019 kam es zu einem weiteren Wasserschaden in der Einheit 55, der sich vor allem durch einen starken Wasserverlust in der Heizung bemerkbar machte. Der Heizstrang zum Keller der Einheit 55 wurde daraufhin still- und trockengelegt. Trocknungsmaßnahmen wurden veranlasst.
4
In der Eigentümerversammlung vom 31.07.2019 wurde unter dem TOP: „Nässeschaden im Keller der Eigentümer S...“ folgender Beschlussantrag Nr. 15 einstimmig beschlossen:
„Das Ingenieurbüro Kl. und H. ist mit der Überprüfung der Nässeschäden in den Kellerräumen der V. straße 3, Eigentümer S..., zu beauftragen. Die Arbeiten umfassen: 1. Vorort-Termin mit qualitativen Messungen und Öffnungen der Innendämmung ca. 4 Stellen, ca. 4 Stunden inkl. Anfahrt zzgl. ggf. Handwerkerleistung für Öffnungen. 2. Tauwasserberechnung (vereinfachte Glaser-Berechnung). 3. Berichterstellung.
Für diese Maßnahmen wird ein Budget in Höhe von 3.500,00 € zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung erfolgt aus der Instandhaltungsrücklage. Sollten bei der Überprüfung größere Schäden am Gemeinschaftseigentum festgestellt werden, ist unverzüglich zu einer außerordentlichen Versammlung zu laden, um über weitere Vorgehensweisen zu beschließen.“
5
Auf Grundlage des Beschlusses wurde das Sachverständigenbüro Kl.-H. Ingenieurspartnerschaft Os & R von der WEG beauftragt. Das Gutachten vom 26.09.2019 (Anlage K 6) kommt zu folgenden Ergebnissen:
„Vor Ort konnten erhebliche Feuchteschäden im unteren Bereich der Ost- und Südwand gegen Erdreich sowie in den Teilbereichen an den Innenwänden festgestellt werden. Auch an den Innenwänden konnte aufsteigende Feuchte festgestellt werden. Das Schadensbild deutet auf aufsteigende Fechte als Ursache hin. Die Tatsache, dass die Schäden auch an den Innenwänden und nicht an der Nordseite auftreten, weist darauf hin, dass es nicht um ein Tauwasserproblem handelt. […].
Gemäß vorliegender Untersuchung (Leckagebericht Keller S...) wurde festgestellt, dass die Außenwand zumindest stellenweise nicht dicht ist.
Unabhängig vom sichtbaren Schaden ist ein rechnerischer schädlicher Tauwasserausfall hinter der vorhandenen Innendämmung gegeben (s. Bauteilberichte).
Folgende Vorgehensweise wird empfohlen:
1. Für den Fall, dass die Heizung wieder in Betrieb genommen werden soll, ist das Leck zu orten […]
2. Vor Sanierung der Schadstellen sollte ein Feuchteeintritt von außen ausgeschlossen werden. Dazu sollte mittels einer Schürfgrube die Bestandsabdichtung und der Beton begutachtet werden. Vor Ort war eine Bitumenabdichtung zu erkennen. Es hatte jedoch den Anschein, dass diese nicht vollständig umlaufend vorhanden ist (s. Bild). Die Schürfe sollte bevorzugt im Bereich erfolgen, wo der Wassereintritt gem. Anhang (Leckageortungsbericht Keller S...) geortet wurde sowie im Bereich wo die Abdichtung endet (s. Bild).
3. Erst nachdem ein Wassereintritt von außen sowie aus der Heizleitung ausgeschlossen werden kann, kann die Sanierung der Schadstellen erfolgen. Es wird empfohlen mindestens den gesamten Innenaufbau (Dämmung und Bekleidung) im Schadstellenbereich großzügig zu entfernen. Dabei ist auch zu prüfen, ob ein Tauwasserausfall hinter der Dämmung stattgefunden hat. Ein Neuaufbau einer Innenverkleidung ggf. auch mit Dämmung ist im Vorfeld bauphysikalisch zu prüfen.“
6
Der Kläger forderte nach Vorlage dieses Gutachtens die Hausverwaltung und die WEG mehrfach auf, eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen. Dies erfolgte nicht.
7
In der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 wurde unter TOP 17.1 folgender Beschlussantrag (Antrag Nr. 116) gestellt:
„Die WEG beschließt, das Sachverständigenbüro Kl.-H. mit der Ausschreibung von notwendigen Maßnahmen und Einholung von Angeboten zur Erforschung und Beseitigung der Gründe der Undichtigkeiten im Bereich des Gemeinschaftseigentums auf Grundlage des Berichts zum Ortstermin vom 09.09.2019 zu beauftragen. Die Hausverwaltung wird hierzu ermächtigt. Das Budget in Höhe von 5.000,00 € wird von der WEG zur Verfügung gestellt aus der Instandhaltungsrücklage. Über die Beauftragung der Angebote und Maßnahmen wird sodann die WEG im Rahmen einer weiteren Beschlussfassung, entscheiden.“
8
Der Antrag wurde abgelehnt.
9
Unter TOP 17.2 wurde folgender Beschlussantrag Nr. 117 gefasst:
„Aufgrund der Tauwasserbildung, im Sondereigentum des Kellerbereiches in der V.str. 3 des Miteigentümers Herr D. S2., ist der Eigentümer Herr D. S2., aus hygienischen und bautechnischen Gründen, sowie aufgrund der von Herrn A. Dipl.-Ing. H. P. genannten Tauwasserproblem, aufgefordert die Innendämmung entfernen zu lassen. Danach ist die Gemeinschaft bereit, wenn nötig, weitere Maßnahmen und Schritte zu unternehmen bzw.im Rahmen einer Eigentümerversammlung zu diskutieren und zu beschließen.“
10
Der Kläger gibt an, am 03.11.2021 seien im Rahmen eines Ortstermins der Klägervertreterin mit dem Kläger festgestellt worden, dass an der Außenwand im Bereich der Ost- und Südseite, d.h. in dem Bereich, in dem von innen Wasserschäden zu vernehmen seien, Feuchteschäden auch von außen erkennbar seien. Es zeigten sich deutliche Putzaufplatzungen im Bereich von ca. 20 cm oberhalb der Geländeoberkante. Zudem sei in diesem Bereich das Gefälle zum Haus verlaufend und es zeigten sich deutliche Verschiebungen der Rasenkantensteine.
11
Der Kläger führt aus, dass der unter Top 17.2 gefasste Beschluss in Ermangelung einer Beschlusskompetenz nichtig sei. Die WEG könne von keinem Sondereigentümer eine derartige Handlung innerhalb seines Sondereigentums verlangen. Im Übrigen entspreche der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da auf Grund der vorgelegten Berichte und Gutachten feststehe, dass das Feuchtigkeitsproblem nicht mit der Innendämmung in Zusammenhang stehe. Aus der Handlungsempfehlung des Sachverständigengutachtens K 6 ergebe sich eindeutig die Handlungsempfehlung, zunächst den Feuchtigkeitseintritt von außen auszuschließen. Der Negativbeschluss sei durch den begehrten Beschluss zu ersetzen. Das Ermessen der WEG sei aufgrund der eindeutigen Ergebnisse aus den Leckortungsberichten und dem Bericht von H. und Kl. auf Null reduziert. Nachdem die Feuchtigkeitseintritte auch bereits über mehrere Jahre bekannt seien, bestehe aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse die Pflicht, nun aktiv zu handeln. Zudem habe der Kläger einen Anspruch auf Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes des Gemeinschaftseigentums. Lediglich die weitergehende Erforschung des Grundes der Undichtigkeiten und der notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Ursache stelle eine ordnungsgemäße Verwaltung dar.
12
Der Kläger beantragt,
I. Der in der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 unter TOP 17.1 (Antrag 116) beantragte, aber abgelehnte Beschluss wird im Wege der Beschlussersetzung wie folgt ersetzt: „Die WEG beschließt, das Ingenieurbüro Kl.-H., Os & R, G2.str. 14, 8... M., mit der Ausschreibung von notwendigen Maßnahmen und Einholung von Angeboten zur Erforschung und Beseitigung der Gründe der Undichtigkeiten im Bereich des Gemeinschaftseigentums auf Grundlage des Berichts zum Ortstermin vom 09.09.2019 zu beauftragen. Die Hausverwaltung wird hierzu ermächtigt. Das Budget in Höhe von 5.000,00 € wird von der WEG zur Verfügung gestellt aus der Instandhaltungsrücklage. Über die Beauftragung der Angebote und Maßnahmen wird sodann die WEG im Rahmen einer weiteren Beschlussfassung im Rahmen eines Umlaufverfahrens mit einer Mehrheit, entscheiden.“
II. Der in der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 unter TOP 17.2 (Antrag 117) gefasste Beschluss: „Aufgrund der Tauwasserbildung, im Sondereigentum des Kellerbereiches in der V.str. 3 des Miteigentümers Herr D. S2., ist der Eigentümer Herr D. S2., aus hygienischen und bautechnischen Gründen, sowie aufgrund der von Herrn A. Dipl.-Ing. H. P. genannten Tauwasserproblem, aufgefordert die Innendämmung entfernen zu lassen. Danach ist die Gemeinschaft bereit, wenn nötig, weitere Maßnahmen und Schritte zu unternehmen bzw.im Rahmen einer Eigentümerversammlung zu diskutieren und zu beschließen.“ wird aufgehoben/ für nichtig erklärt.
13
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte führt aus, dass sich aus dem Bericht Anlage K 6 gerade nicht ergebe, dass Feuchtigkeit von außen eindringe. Im Übrigen sei die Sanierung des Gemeinschaftseigentums nur einer der als Vorgehensweise genannten Punkte. Die übrigen genannten Ursachen lägen im Bereich des Sondereigentums des Klägers. Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des beantragten Beschlusses liege jedenfalls nicht vor. Dies betreffe insbesondere auch die Beauftragung eines bestimmten Ingenieurbüros und die Frage der Finanzierung und die weitere Vorgehensweise. Bei dem gefassten Beschluss Antrag 117 handle es sich um einen bloßen Aufforderungsbeschluss, der schon aus rechtlichen Gründen nicht anfechtbar sei.
15
Ergänzend wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien mit Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
17
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig. Die Fristen des § 45 S. 1 WEG – soweit einschlägig für Klageantrag II. – sind eingehalten. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt ebenfalls vor. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG kann das Gericht anstelle der Wohnungseigentümer in einem Rechtsstreit gemäß § 43 WEG auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss fassen, sofern eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Die gerichtliche Ersetzung von Entscheidungen der zunächst zur Regelung berufenen Gemeinschaft ist subsidiär. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG besteht nur dann, wenn zuvor versucht wurde, eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung als dem primär zuständigen Beschlussorgan zu erreichen (entsprechend zu § 21 Abs. 8 WEG a.F. BGH ZWE 2010, 174, 176; LG Dortmund ZWE 2016, 32 ff.; KG ZWE 2000, 40 ff.).
18
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. In der Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 wurde der dem klägerischen Antrag im vorliegenden Verfahren entsprechende Antrag abgelehnt. Im Gegensatz zu einer positiven Beschlussfassung lässt die Bestandskraft eines Negativbeschlusses das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Auch eine Sperrwirkung besteht nicht. Den Wohnungseigentümern ist es unbenommen, über eine Angelegenheit mehrfach zu entscheiden.
19
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Hinsichtlich Klageantrag I. hat der Kläger keinen Anspruch auf Beschlussersetzung, der mit Klageantrag II. angefochtene Beschluss ist weder nichtig noch anfechtbar.
20
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit Klageantrag I. verfolgte Beschlussersetzung.
21
a) Eine Ermessensentscheidung gemäß § 44 WEG darf das Selbstbestimmungsrecht der Wohnungseigentümer nur insoweit beschränken, wie dies aufgrund der zu regelnden Angelegenheit und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unbedingt nötig ist. Das Gericht hat deshalb immer vorrangig zu prüfen, ob und auf welche Weise es den Wohnungseigentümern – unter Beachtung des Rechtsschutzinteresses des Klägers – ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Verantwortung eine Entscheidung zu treffen. (zu § 21 Abs. 8 WEG a.F. LG Hamburg ZWE 2016, 36).
22
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat bei der Beschlussfassung über Verwaltungsmaßnahmen als Ausfluss der Privatautonomie einen Ermessensspielraum, der einer Überprüfung durch das Gericht weitgehend entzogen ist. Hinzunehmen sind vom Gericht dabei alle vertretbaren Mehrheitsentscheidungen, da es nicht darauf ankommt, ob eine Regelung in jeder Hinsicht notwendig und zweckmäßig ist. Kommen im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung mehrere Möglichkeiten in Betracht, besteht ein Auswahlermessen (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 21 RN 23 m.w.N.).
23
Eine Beschlussersetzungsklage kann damit nur Erfolg haben, wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf den konkreten begehrten Beschluss hat (vgl. BeckOK, Stand 01.09.2022, WEG § 44 RN 50 ff. m.w.N.). Eine ganz bestimmte Art und Weise der Beschlussfassung kann der klagende Wohnungseigentümer nur dann verlangen, wenn sich der Ermessensspielraum der übrigen Wohnungseigentümer sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ auf null reduziert hat (vgl. BeckOK, Stand 01.03.2020, WEG § 21 RN 136).
24
b) Eine solche Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des begehrten Beschlusses liegt hier nicht vor:
25
Zwar ist nach dem Leckortungsbericht der Fa. St. vom 08.08.2018 (K 5) davon auszugehen, dass unter bestimmten Umständen Wasser durch die Außenwand eindringen kann. Es widerspricht jedoch aus Sicht des Gerichts nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, die Ursachenermittlung und damit die Feststellung der erforderlichen Maßnahmen schrittweise anzugehen und dabei die Entfernung der Innendämmung vorzuziehen, um zunächst eine Tauwasserbildung auszuschließen (vgl. hierzu Beschluss Antrag Nr. 117). Dies entspricht den Darstellungen im Gutachten K 6: Dort wird unter Bezugnahme auf die angeführten Berechnungen ausdrücklich ausgeführt, dass ein „rechnerischer schädlicher Tauwasserausfall hinter der vorhandenen Innendämmung gegeben“ ist.
26
Eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass mit einer Sanierung laut Beschlussentwurf „im Bereich des Gemeinschaftseigentums“ begonnen werden muss, liegt aus Sicht des Gerichts daher nicht vor. Eine solche zwingende – im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null einzig sachgerechte – Vorgehensweise ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten K 6. Hierbei ist insbesondere zu beachten, dass die Feststellung des „rechnerischen schädlichen Tauwasserausfalls“ hier neben dem empfohlenen Vorgehen (Sanierung der Außenwand) getroffen ist. Dass für eine Sanierung der Wände die Innendämmung entfernt werden sollte, ist denklogisch. Dass jedoch die Sanierung der Außenwand zwingend vor Entfernung der Innendämmung durchzuführen sei, ergibt sich aus dem Gutachten nicht. Es ist gerade Gegenstand des angefochtenen Beschlusses TOP 17 Antrag 117, nach Entfernung der Innendämmung ggf. weitere Maßnahmen und Schritte zu unternehmen. Im Übrigen geht das Gutachten auch von einer notwendigen Leckortung und Sanierung der (nur das Sondereigentum des Klägers versorgenden) Heizungsleitung aus. Auch diese steht unter Zugrundelegung von BGH NJW 2013, 1154 nicht im Gemeinschaftseigentum.
27
Unabhängig davon besteht auch kein Anspruch auf Beauftragung eines bestimmten Sachverständigenbüros. Im Rahmen der Eigentümerversammlung war ein weiteres Ingenieurbüro mit der Angelegenheit befasst, so dass sich auch nicht aus einer Vorbefassung eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass nicht auf Grund der vorliegenden Berichte und Messungen jedes andere Ingenieurbüro bzw. jede entsprechende Fachfirma tätig werden könnte.
28
2. Der mit Klageantrag II. gefasste Beschluss ist weder nichtig noch anfechtbar.
29
a) Nach Inhalt und Wortlaut handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluss TOP 17.2 (Antrag 117) um einen sogenannten Aufforderungsbeschluss.
30
Bei dem angefochtenen Beschluss zu TOP 17.2 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 18.10.2021 handelt es sich um einen sogenannten Aufforderungsbeschluss. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Beschluss einen durchsetzbaren Anspruch begründen und damit eine Rechtsgrundlage für ein weiteres Vorgehen schaffen wollte, oder ob der Beschluss lediglich Ausfluss der Willensbildung der Gemeinschaft ist, dass die Herstellung des entsprechenden Zustands grundsätzlich gewünscht wird. Die Auferlegung einer tätigen Mithilfe ist damit nicht verbunden, eine unmittelbare Leistungspflicht wird mit einem solchen Beschluss nicht begründet.
31
Vorliegend liegt schon nach dem Wortlaut (lediglich) ein Aufforderungsbeschluss vor. Die Eigentümergemeinschaft hat sich eine Meinung zu dem von ihr gewünschten Zustand gebildet und den Kläger aufgefordert, diesen Zustand herzustellen. Der Beschluss ist lediglich eine Vorbereitungshandlung vor einer (ggf. erneut zu beschließenden) gerichtlichen Durchsetzung.
32
b) Die Anfechtung von Aufforderungsbeschlüssen kann grundsätzlich nur auf formelle Beschlussfehler gestützt werden oder darauf, dass der Anspruch offenkundig auszuschließen ist. Eine weitergehende inhaltliche Überprüfung der Beschlüsse findet nicht statt (vgl. LG München I, Beschluss vom 17. März 2017 – 36 S 22212/15 WEG –, Rn. 37, juris). Ob der materielle Anspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft tatsächlich besteht, ist erst Gegenstand eines eventuellen Folgeprozesses nach weiterer Beschlussfassung.
33
Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Klärung, ob tatsächlich eine Tauwasserbildung hinter der Innendämmung vorliegt. Es ist ausreichend, dass ein solcher Anspruch jedenfalls nicht ganz offensichtlich außerhalb des Bereichs des Möglichen liegt. Dies ergibt sich hier wie dargestellt ausdrücklich aus dem Gutachten K 6. Die Bildung von Tauwasser und damit der zumindest mitursächliche Eintritt einer Beschädigung der Außenwand ist jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen.
34
c) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG hat die WEG im Übrigen auch bei der Ursache eines Wasserschadens im bzw. durch Sondereigentum (Innendämmung) einen Anspruch gegen den Sondereigentümer auf Instandsetzung bzw. Instandhaltung (vgl. BeckOK, § 14 RN 10 ff. m.w.N.).
35
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
36
Die Berechnung des Streitwerts erfolgt in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG nach der in § 49 GKG getroffenen Regelung. Danach wird der Streitwert auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festgesetzt. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers sowie den Verkehrswert seines Wohnungseigentums nicht überschreiten.
37
Das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung bestimmt sich hinsichtlich des Beschlussersetzungsantrags (TOP 17.1) anhand dem im Beschlusstext veranschlagten Budget von 5.000,00 €. Der Streitwert darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers an der Entscheidung nicht überschreiten. Das einfache klägerische Interesse an der Entscheidung beträgt unter Berücksichtigung des klägerischen Miteigentumsanteils von insgesamt 83,95/1.000 hier 419,75 €. Der Streitwert von 5.000,00 € ist damit durch den siebeneinhalbfachen Wert des klägerischen Interesses nach oben begrenzt und wird auf 3.148,13 € festgesetzt (419,75 x 7,5).
38
Da der vorgetragene Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des Interesses aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung hinsichtlich des Beschlussanfechtungsantrags (TOP 17.2) bietet, hat das Gericht den Streitwert frei zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um einen Aufforderungsbeschluss handelt. Das Gericht folgt dabei der Einschätzung des Klägers und setzt den Streitwert auf 1.000,00 € fest.
39
Der Streitwert wird somit insgesamt auf 4.148,13 € festgesetzt.