Titel:
Anwaltsbeauftragung durch die WEG
Normenketten:
BRAO § 43 a
WEG § 15 Abs. 4, § 18, § 19
Leitsätze:
1. Ein Interessenkonflikt eines von der GdWE beauftragten Rechtsanwalts liegt nicht bereits deshalb vor, weil dieser in einem anderen Verfahren die Gemeinschaft gegen den Anfechtungskläger dieses Verfahrens vertrat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anknüpfungspunkte für einen Stimmrechtsausschluss sind abstrakt-formal zu bestimmen, es ist keine konkrete Interessenabwägung vorzunehmen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stimmrechtsausschluss, Anwaltsbeauftragung, Rechtsanwalt, Wohnungseigentümergemeinschaft
Vorinstanz:
AG München, Endurteil vom 04.04.2022 – 1291 C 14115/21 WEG
Fundstellen:
ZMR 2023, 144
LSK 2022, 43681
BeckRS 2022, 43681
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 04.04.2022, Aktenzeichen 1291 C 14115/21 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.313,54 € festgesetzt.
Gründe
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Die Klägerin hat den in der Eigentümerversammlung vom 29.7.2021 unter TOP 4 gefassten Beschluss angefochten. Dieser lautet wie folgt:
„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, als anwaltliche Vertretung der unter TOP 3A, 3B und 3C beschlossenen Punkte die Anwaltskanzlei M. Pf., L1.str. 38, 8... K1. zu beauftragen. Die Verwaltung wird angewiesen und ermächtigt, unverzüglich einen entsprechenden Anwaltsvertrag mit Stundenhonorarvereinbarung abzuschließen.“
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Wegen des wechselseitigen Vorbringens sowie der tatbestandlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts vom 4.4.2022 (Bl. 77/85 d.A.) Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Beschluss nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig sei. Der Vertrag mit Rechtsanwalt P. über die anwaltliche Vertretung der WEG mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Bauträgerin sei nicht aufgrund von Interessenkollision unwirksam. Eine Vertretung von widerstreitenden Interessen sei nicht feststellbar, da Rechtsanwalt P. stets nur für die Gemeinschaft, nicht aber für die Bauträgerin tätig geworden sei. Soweit die Klägerin Mängel gerügt habe, galt es im Interesse der Gemeinschaft, die Einwendungen des Bauträgers zu überprüfen und den dafür Verantwortlichen zu ermitteln. Wenn man in den Schreiben des Rechtsanwalts P. die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Klägerin sehe, stelle die nunmehrige Vertretung gegenüber dem Bauträger keine Vertretung widerstreitender Interessen dar. Insoweit sei immer nur das Interesse der Beklagten wahrgenommen worden, wenn auch gegenüber unterschiedlichen Gegnern. Der streitgegenständliche Beschluss widerspreche auch nicht wegen Verstoßes gegen das Stimmrechtsverbot gemäß § 25 Abs. 4 WEG analog ordnungsgemäßer Verwaltung. Es sei anerkannt, dass ein Wohnungseigentümer entsprechend § 25 Abs. 4 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen Gesellschaft oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen eine rechtsfähige Gesellschaft nicht stimmberechtigt sei, wenn er an dieser mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter sei. Bei der entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 4 WEG sei allerdings Zurückhaltung geboten. Das Stimmrecht der Wohnungseigentümer gehöre zum Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte und dürfe daher nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Insoweit sei zum Einen hier zu sehen, dass die angegriffene Beschlussfassung lediglich eine Anwaltsbeauftragung zum Gegenstand gehabt habe und damit allenfalls mittelbaren Bezug zur Einleitung eines Rechtsstreits gegen die Bauträgerin, mit der die Miteigentümer Junginger verflochten sein sollen, bestehe. Die Miteigentümer Junginger seien weder (Mehrheits-)Gesellschafter noch Geschäftsführer der Bauträgerin. Im übrigen sei selbst bei Annahme einer faktischen Geschäftsführertätigkeit durch die Miteigentümer Junginger ein Stimmrechtsausschluss vorliegend nicht gerechtfertigt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Miteigentümer Junginger mit der Bauträgerin wirtschaftlich so eng verbunden seien, dass ihr persönliches Interesse mit dem der Bauträgerin „völlig gleichgesetzt“ werden könnte. Außerdem sei die Verwaltung darauf angewiesen, anhand möglichst klarer und einfach feststellbarer Kriterien einen Stimmrechtsausschluss feststellen zu können. Dies sei hier mangels objektiver Anknüpfungspunkte wie Eintragungen im Handelsregister nicht der Fall.
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Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Endurteil vom 4.4.2022 (Bl. 78/85 d.A.) Bezug genommen.
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Gegen dieses am 5.4.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 5.5.2022, eingegangen beim Berufungsgericht am gleichen Tag, Berufung eingelegt. Diese wurde innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 7.7.2022 begründet.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Amtsgericht ohne Beweisaufnahme Tatsachen als unstreitig behandelt habe, die tatsächlich zwischen den Parteien streitig gewesen seien. Der Sachverhalt sei insgesamt weder richtig noch vollständig für das Urteil erfasst. Dies bedeute einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Konkret wird gerügt, dass das Amtsgericht fehlerhaft seinem Urteil zugrunde gelegt habe, dass Rechtsanwalt P. nur im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Gewährleistungsmängeln gegen den Bauträger und damit gleichsam nur nebenbei gegen die Klägerin tätig geworden sei. Tatsächlich sei der Rechtsanwalt durch die Beklagte im Zeitraum ab etwa März 2018 in einer Vielzahl von Fällen mit der Geltendmachung von Ansprüchen und Durchsetzung von Rechten der Beklagten gegenüber der Klägerin betraut worden und keineswegs nur im Zusammenhang mit der Verfolgung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum tätig geworden. Es sei also in tatsächlicher Hinsicht so, dass Rechtsanwalt P. zunächst Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin vertreten habe und durch die angegriffene Beschlussfassung aus ein- und demselben Lebenssachverhalt nunmehr Ansprüche der Beklagten gegen die Bauträgerin vertreten solle. Dabei finde die Tatsache, dass die Klägerin ursprüngliche Anspruchsgegnerin der anwaltlichen Beauftragung gewesen und nunmehr als Mitglied der Beklagten Mitauftraggeberin von Rechtsanwalt P. mit der Verfolgung von Ansprüchen sein solle, die sich zunächst gegen sie selbst gerichtet hätten, keinerlei Anklang.
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Soweit es die weitere Rüge des Stimmrechtsauschlusses gemäß § 25 Abs. 4 WEG analog betreffe, habe das Amtsgericht seine Annahme, dass eine rein faktische Geschäftsführertätigkeit keine Rolle spielen könne, weil eine solche nicht mit der erforderlichen Sicherheit durch den Verwalter festzustellen sei, dem Urteil nicht ohne Beweisaufnahme, jedenfalls aber nicht ohne vorhergehenden richterlichen Hinweis zugrunde legen dürfen. Die im Gesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze zu Stimmverboten seien aufgrund der Vergleichbarkeit der Rechtsgebilde auf das Wohnungseigentumsrecht übertragbar. Das Amtsgericht habe die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers verkannt. Die Situation eines faktischen Geschäftsführers rechtfertige eine andere Bewertung der Interessenlage bei einer typisierenden Betrachtung als der Bundesgerichtshof für den regulären Geschäftsführer entschieden habe. Für die Annahme einer faktischen Geschäftsführung bedürfe es neben der Einwirkung auf die Geschäftsleitung (mit einer bestimmten Nachhaltigkeit) eines Auftreten des Dritten durch eigenes Handeln im Außenverhältnis. All dies sei hier gegeben, wobei die eingenommene Rolle der Herren Junginger bei sämtlichen Abstimmungsthemen betreffend den Innenausbau aber auch das Auftreten im Zusammenhang mit Gewährleistungsfragen besonders hervorzuheben sei. Entsprechend sei die Außenwahrnehmung, die zwischen den verschiedenen Gesellschaften nicht unterscheide. Die Herren Junginger hätten inhaltlich und nach außen wahrnehmbar die Unternehmenspolitik, die Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartner sowie die Verhandlung mit relevanten Behörden und Stellen für die Immoinvest L2. straße GmbH übernommen und seien nach außen wirtschaftlich und unternehmerisch als Einheit aufgetreten. Die Argumentation des Amtsgerichts, wonach der Verwalter in der Lage sein müsse, erkennen zu können, ob ein Interessenkonflikt vorliege oder nicht, könne zumindest im vorlliegenden Fall nicht verfangen, denn der Geschäftsführer der Verwaltung habe in der mündichen Verhandlung angegeben, dass er sich stets an die Herren Junginger gewendet habe, wenn es Themen mit dem Bauträger zu klären gab.
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Wegen der Berufungsbegründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 7.Juli 2022 (Bl. 101/121 d.A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München vom 4. April 2022, Az.: 1291 C 14115/21 WEG die Beklagte zu verurteilen:
1. Der in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümer „Park A. straße 6, 8... M.“ vom 29.7.2021 unter „TOP 4 Ablauf der Gewährleistung des Gemeinschaftseigentums – Beauftragung einer Anwaltskanzlei für die Vertretung der WEG zu den TOPs 3A, 3B und 3C gefasste Beschluss „Die Eigentümergemeinschaft beschließt, als anwaltliche Vertretung der unter TOP 3A, 3B und 3C beschlossenen Punkte die Anwaltskanzlei M. Pf., L1.str. 38, 8... K2., zu beauftragen. Die Verwaltung wird angewiesen und ermächtigt unverzüglich einen entsprechenden Anwaltsvertrag mit Stundenhonorarvereinbarung abzuschließen“ wird nichtig bzw. ungültig erklärt.
2. Hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagten haben dahingehend erwidert, dass der mit dem streitgegenständlichen Beschluss beauftragte Rechtsanwalt P. aufgrund der Querelen das Mandat niedergelegt habe. Wenn und soweit die umfangreiche Berufungsbegründung neuen Sachvortrag sowie neue Angriffsmittel enthalte, werde dies zum Einen bestritten, zum Anderen als verspätet gerügt. Die klägerische Behauptung, wonach das erstinstanzliche Gericht Sachvortrag fehlerhaft zugrunde gelegt habe, sei unzutreffend. Es sei durch Schreiben belegt, dass Herr Rechtsanwalt P. im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen die Bauträgerin, mit der er betraut gewesen sei, auch Schreiben an die Klägerin gerichtet habe. Auch wenn es in diesem Zusammenhang zu der ein oder anderen Aufforderung mit Fristsetzung gegenüber der Klägerin gekommen sei, ändere dies nichts daran, dass diese Handlungen und Erklärungen ausschließlich dazu dienen sollten, etwaige Gewährleistungsmängel im Rahmen der Gewährleistungsverfolgung gegenüber der Bauträgerin geltend machen zu können. Es sei darum gegangen, Gewährleistungsansprüche zu überprüfen, gemeinsame Ortstermine zu organisieren sowie Zutritt zur klägerischen Einheit zu erhalten. Eine Interessenkollision liege nicht vor. In Bezug auf etwaige Gewährleistungsmängel am Gemeinschaftseigentum habe Rechtsanwalt P. stets und ausschließlich die Wohnungseigentümergemeinschaft anwaltlich beraten und vertreten. Die Klägerin sei nie und zu keiner Zeit Mandantin von Rechtsanwalt P. gewesen. Durch das zwischen diesem und der Beklagten bestehende Mandatsverhältnis habe nicht zugleich auch ein Mandatsverhältnis zur Klägerin bestanden. Auftraggeberin sei stets die rechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft gewesen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin Mitglied innerhalb dieser Gemeinschaft sei. Für die Auswahl eines Rechtsanwalts bestehe ein weiter Ermessensspielraum. Ein Stimmrechtsverbot für die Miteigentümer Junginger habe ebenfalls nicht vorgelegen. Es liege keiner der drei Fälle des § 25 Abs. 4 WEG vor. Die Auswahl einer Rechtsanwaltskanzlei falle nicht darunter. Die Miteigentümer Junginger seien an der Immoinvest L3. straße GmbH nicht beteiligt und sie seien auch nicht deren Geschäftsführer oder geschäftsführende Gesellschafter. Die klägerischen Behauptungen zur faktischen Geschäftsführung seien ungeachtet der Frage, ob es dieses Rechtsinstitut überhaupt gebe, neu, würden zum einen bestritten und um anderen als verspätet gerügt. Zum maßgeblichen Innenverhältnis trage die Klägerin nichts vor und könne mangels Einblick in die internen Vertretungsverhältnisse der Bauträgerin auch nichts vortragen. Es stelle sich ferner die Frage, wie es für einen Versammlungsleiter während einer Eigentümerversammlung feststellbar sein könne, ob es sich bei einem Miteigentümer um einen angeblich faktischen Geschäftsführer der Bauträgerin handele. Selbst bei Annahme eines Stimmrechtsverbots wären im übrigen allenfalls 92,37/1000stel in Abzug zu bringen, so dass der streitgegenständliche Beschluss trotzdem mehrheitlich zustande gekommen wäre. Auch bei unterstelltem Stimmverbot wären die Miteigentümer Junginger berechtigt gewesen, von den Vollmachten Gebrauch zu machen. Die Klägerin habe nicht einmal dargelegt und unter Beweis gestellt, ob und inwieweit die Herren Junginger von anderen Miteigentümern überhaupt bevollmächtigt gewesen seien, ob und inwieweit diese mit den behaupteten Vollmachten mit „Ja“ gestimmt hätten und ob es sich um so viele Vollmachten gehandelt habe, dass deren Wegfall zu mehr Nein-Stimmen als Ja-Stimmen geführt hätten.
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Wegen der Berufungserwiderung im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderung vom 28.8.2022 (Bl. 127/133 d.A.) Bezug genommen.
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Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückzuweisen, da die Kammer diese nach wie vor für offensichtlich aussichtslos hält (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO). Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung. Eine mündliche Verhandlung erscheint ebenfalls nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 4 ZPO). Das Amtsgericht hat sich sorgfältig und zutreffend mit der Sach- und Rechtslage befasst; das Berufungsgericht schließt sich sämtlichen Erwägungen vollumfänglich an.
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1. Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegt. Die erforderliche Berufungssumme gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist erreicht. Die Beschwer der Klägerin, die sich nach ihrem Anteil an dem im Rahmen der angegriffenen Beauftragung von Rechtsanwalt P. anfallenden Gesamthonorar bemisst, ergibt bei einer geschätzten Summe in Höhe von 13.313,54 € entsprechend ihren Angaben einen Betrag von 1.932,33 €.
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2. Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den mit Beschluss vom 15.9.2022 erteilten Hinweis (Bl. 134/143 d.A.) Bezug genommen. Die daraufhin eingegangene Stellungnahme des Klägervertreters vom 21.10.2022 (Bl. 147/152 d.A.) hat die Kammer geprüft. Sie gibt indes keine Veranlassung, die Rechtslage anders zu bewerten. Im Einzelnen:
2.1. Ziffer 1 der Stellungnahme
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Auf die Ausführungen der Klägerin zur begrenzten Beweiskraft des § 314 ZPO und der fehlenden Notwendigkeit der Stellung eines Tatbestandsberichtigungsantrags gemäß § 320 ZPO war nicht weiter einzugehen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss betrafen lediglich die allgemeine Eingangspassage in der Berufungsbegründung, wonach das Amtsgericht ohne Beweisaufnahme Tatsachen als unstreitig behandelt habe, die tatsächlich zwischen den Parteien streitig gewesen seien. Soweit dies dann später dahingehend konkretisiert wird, dass das Amtsgericht ohne Beweiserhebung den streitigen Vortrag der Beklagten, wonach Rechtsanwalt P. stets mit der Gewährleistungsverfolgung gegenüber der Bauträgerin beauftragt gewesen, seinen Urteilsgründen als unstreitig zugrunde gelegt habe, kommt es darauf nicht an. Dies ist für die Frage der Interessenkollision nicht entscheidungserheblich. Eine Beweisaufnahme war daher nicht veranlasst. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss unter Ziffer 2.1.2. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
2.2. Ziffer 2 der Stellungnahme
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Voraussetzung für eine Interessenkollision ist, wie bereits ausgeführt, dass der Rechtsanwalt eine andere Partei in derselben Rechtssache schon einmal in entgegengesetztem Interesse beraten oder vertreten hat bzw. sie weiterhin berät oder vertritt (Weyland/Träger, BRAO, § 43 a BRAO, Rdnr. 64). Entsprechend stellt auch die Neufassung des § 43 a Abs. 4 BRAO explizit auf diesen Gesichtspunkt ab. Daran fehlt es hier. Es ist unstreitig, dass Rechtsanwalt P. zunächst den Verband als hiesigen Beklagten gegen die Klägerin vertreten hat und nunmehr Ansprüche des Verbands gegen die Bauträgerin geltend machen sollte. Mandant war also immer die WEG und damit ein- und dieselbe Partei, so dass eine Interessenkollision schon begrifflich ausscheidet. Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu möglichen Interessenkonflikten aufgrund von „Innenverhältnissen“ wie z.B. bei gemeinsamer Vertretung von Eheleuten im Scheidungsverfahren bzw. der gemeinsamen Vertretung von Eltern und Kind in Unterhaltssachen (BGH, AnwBl 2012, 769 ff.; BGH, AnwBl 2013, 933, 934; vgl. dazu auch Weyland/Träger, a.a.0., Rdnr. 67) ausführt, ist darauf hinzuweisen, dass in diesen Fällen gerade – formalverschiedene Personen vertreten werden. Hierin liegt der entscheidende Unterschied. Im übrigen wurde selbst in diesen Fällen eine gemeinsame Beratung bzw. Vertretung im Einzelfall für zulässig gehalten und darauf abgestellt, ob der in den anzuwendenden Rechtsvorschriften typisierte Interessenkonflikt im konkreten Fall auch tatsächlich auftritt. Auch in der klägerseits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2019, 1147 ff.), welche die gleichzeitige Vertretung mehrerer Planungsgemeinschaften betraf, die in einem zwischen Bauherrn und Bauunternehmer geführten selbständigen Beweisverfahren als Streithelfer beigetreten waren, ging es um verschiedene Gesellschaften mit unterschiedlichen Interessen dergestalt, dass es galt, möglichen Feststellungen zu eigenen Verursachungsbeiträgen in einem bestimmten Stadium entgegenzuwirken. Auf die Entscheidung war daher, da sie eine gänzlich andere Fallgestaltung erfasst, nicht weiter einzugehen. Insbesondere ergibt sich aus dieser nicht, dass es – entgegen den gängigen Grundsätzen – auf das Erfordernis des Tätigwerdens für eine andere Partei nicht ankommen würde. Wie die Beklagten zu Recht ausführen, wäre eine Interessenkollision bei (zumindest Teil-)Identität der Rechtssache nur dann anzunehmen, wenn Rechtsanwalt P. sowohl die Interessen der Klägerin als auch die Interessen der Beklagten vertreten hätte. Die Klägerin war indes nie Mandantin von Rechtsanwalt P.. Entscheidend ist, wie es auch in der Neufassung des Gesetzes explizit formuliert wurde, das Tätigwerden für eine andere Partei und damit durchaus ein formaler Gesichtspunkt. Auftraggeber war und ist der – vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängige – Verband als eigenständiges Rechtssubjekt. Dass in einer WEG die Interessenlagen häufig – wenn nicht gar typisch – unterschiedlich gelagert sein mögen und es vorliegend bereits zu Auseinandersetzungen zwischen dem Verband und der Klägerin gekommen ist, führt nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu einer Interessenkollision, zumal nicht bei dem beschlossenen Vorgehen gegen den Bauträger wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum.
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Es verbleibt damit bei der Bewertung im Hinweisbeschluss; auf Ziffer 2.1.2. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Auf die Ausführungen zur zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, (BGH, AnwBl 2003, 521 ff.) welche sich mit der hier jedenfalls nicht einschlägigen Frage der Interessenkollision bei Sozietätswechsel beschäftigt, war ebenfalls nicht weiter einzugehen.
2.3. Ziffer 3 der Stellungnahme
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Zu den Ausführungen der Klägerin zur faktischen Geschäftsführung ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.1.2017, Az.: V ZR 138/16 seine restriktive Grundlinie zur analogen Anwendung des § 25 Abs. 4 WEG fortgeführt hat (vgl. auch Anmerkung Armbrüster, ZWE 2017, 220 ff.). Dabei hat er der Auffassung, wonach es für die Frage des Eingreifens eines Stimmverbots in derartigen Fällen auf einen Vergleich des wirtschaftlichen Nutzens einer Abstimmung des Wohnungseigentümers im Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft einerseits oder im Interesse der Drittgesellschaft andererseits ankommen soll, eine klare Absage erteilt, wie auch im Hinweisbeschluss ausgeführt. Stattdessen hat der BGH eine formale Anknüpfung als geeignetes Kriterium angesehen und betont, dass der zur Beurteilung berufene Versammlungsleiter nach Funktion und Möglichkeiten regelmäßig keine offene und umfassende Abwägung vornehmen kann, sondern auf möglichst klare und einfach festzustellende Kriterien angewiesen sein wird.
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2.3.1. Danach können die klägerseits geschilderten Umstände – auch hier konkretnicht genügen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss wird Bezug genommen. Die Kammer bleibt vor dem Hintergrund der aktuellen BGH-Rechtsprechung bei ihrer Auffassung, wonach die maßgeblichen Anknüpfungskriterien formal zu bestimmen sind. Es wird erneut auf die Entscheidung des Landgerichts Hamburg (LG Hamburg, ZMR 2022, 400 ff.) hingewiesen, wonach sogar die wirtschaftliche Verbundenheit zwischen einer Mehrheitseigentümerin und der Verwaltung über den gemeinsamen Mutterkonzern für das Eingreifen eines Stimmverbots nicht ausreicht. Dabei hat auch das Landgericht Hamburg den Gesichtspunkt betont, dass es sich – wie hier – um zwei juristisch eigenständige Gesellschaften handelt. Auf eine etwaige Außenwahrnehmung, die typischerweise eher subjektiv gefärbt ist, kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen. Soweit sich die Klägerin auf Vielzahl von Funktionswahrnehmungen durch die Herren Junginger beruft, ist erneut darauf hinzuweisen, dass diese rein das Außenverhältnis betrifft. Zu dem gleichermaßen relevanten Innenverhältnis wurde nichts Substantielles vorgetragen. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss unter Ziffer 2.2.4. und 2.2.5. wird Bezug genommen.
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2.3.2. Im übrigen fehlt es, wie im Hinweis unter 2.2.6. ausgeführt, an der Kausalität, so dass selbst wenn man – wie nicht – mit der Klägerin ein Stimmverbot für die Miteigentümer Junginger annehmen würde, der diesbezügliche Anfechtungsgrund nicht durchgreift. Darlegungs- und beweisbelastet für die behaupteten Anfechtungsgründe ist die Klagepartei (BGH, ZMR 2016, 84 ff.; BGH, NJW 2009, 2132 ff.). Diese hat nicht vorgetragen, welche Vollmachten die Miteigentümer Junginger konkret ausgeübt und wie diese abgestimmt haben. Dabei überspannt die Kammer nicht wie die Klägerin meint, die Anforderungen an die Darlegungslast. Der pauschale Vortrag, die Herren Junginger hätten „in Stimmrechtsvollmacht für weitere Mitglieder der Beklagten“ (welche konkret?) abgestimmt, genügt ersichtlich nicht. Soweit sie sich darauf beruft, dass dem Protokoll keine Teilnehmerliste – und erst recht keine Vollmachten – beigefügt gewesen wären, führt dies nicht etwa zu einer Umkehr der Beweislast. Vielmehr hätte die Klägerin, um ihren Vortrag zu präzisieren, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen nehmen können (und müssen). Eine weitere Substantiierung wäre rechtlich auch außerhalb der Frist zulässig gewesen. Diese ist auch auf den erteilten Hinweis nicht erfolgt. Der diesbezügliche Vortrag war auch keineswegs, wie in der klägerischen Stellungnahme ausgeführt, unstreitig, sondern wurde bereits unter Ziffer III 4 der Klageerwiderung ausdrücklich bestritten.
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2.4. Dem Hilfsantrag war ebenfalls nicht stattzugeben. Ein Zurückverweisungsgrund gemäß § 538 Abs. 2 ZPO ist nicht gegeben. Ein solcher wird klägerseits auch nicht – substantiiert – geltend gemacht. Es handelt sich um reine Rechtsfragen.
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1. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 544 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO
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3. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß §§ 47, 49 GKG. Die Kammer hat den vom Amtsgericht zutreffend angesetzten und auch unbeanstandet gebliebenen Wert übernommen.