Inhalt

LG München I, Endurteil v. 13.10.2022 – 12 O 18809/21
Titel:

Reiseversicherung: Wirksamkeit eines Risikoausschlusses für Schäden durch Pandemien

Normenketten:
UKlaG § 1, § 3
BGB § 307 Abs. 1
AVB Reiseversicherung
Leitsatz:
Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Reiseversicherung, nach der kein Versicherungsschutz bei Schäden durch Pandemien besteht, ist wirksam; sie verstößt weder gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer iSv § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben. (Rn. 18 – 25 und 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reiseversicherung, Unterlassungsklagengesetz, Pandemie, Epidemie, Corona-Erkrankung, Kumulrisiko, Risikoausschluss
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43642

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten enthaltene Bestimmung.
2
Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 Absatz 1 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist ein in sitzendes Unternehmen, das Reiseversicherungen für Verbraucher anbietet. Die Beklagte verwendet in ihren als Anlage K1 bzw. 1 vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen folgende Bestimmungen:
„Allgemeine Bestimmungen …
§ 10 In welchen Fällen besteht kein Versicherungsschutz?
1. Kein Versicherungsschutz besteht bei Schäden durch:
1.1. Krieg, Bürgerkrieg, kriegsähnliche Ereignisse, innere Unruhen
1.2. Streik oder sonstige Arbeitskampfmaßnahmen
1.3. Pandemien
1.4. Kernenergie
1.5. Beschlagnahme und andere Eingriffe von hoher Hand
2. Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Versicherungsfälle, die bei Abschluss des Versicherungsvertrags und/oder Buchung der Reise bereits eingetreten waren.
3. Führen Sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbei und entsteht hierdurch ein Schaden, so besteht kein Versicherungsschutz.
4. Der Versicherungsschutz entfällt, wenn Sie aufgrund des Versicherungsfalls versuchen, uns in arglistiger Absicht zu täuschen.
5. Diese Ausschlüsse gelten zusätzlich zu den in den Besonderen Bestimmungen genannten Ausschlüssen.
… Besondere Bestimmungen
A. Reise-Rücktrittskosten-Versicherung
§ 7 Welche Ereignisse sind versichert?
1. Versichert ist die unerwartet schwere Erkrankung, wenn hierdurch die planmäßige Durchführung der Reise nicht zumutbar ist. […]“
3
Ebenfalls enthalten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein den „Allgemeinen Bestimmungen“ vorangestelltes „Glossar“, indem unter dem Begriff „Pandemie“ Folgendes bestimmt ist:
„Eine Pandemie liegt vor, wenn auf weiten Teilen eines Kontinents oder mehrerer Kontinente eine infektiöse Erkrankung ausbricht (z.B. Pest). Die Weltgesundheitsorganisation muss dies feststellen.“
4
Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, dass § 10 AVB gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße: Der Begriff „Schäden (durch Pandemien)“ könne auch im (streng) juristischen Sinne der §§ 249 ff. BGB zu verstehen sein; da die Beklagte aber nicht allein Schäden i.S.d. §§ 249 ff. BGB, sondern (auch) vergebliche freiwillige Vermögensaufwendungen insbesondere im Rahmen der Reiserücktrittkostenversicherung, Notfallserviceversicherung und Reisekrankenversicherung versichere bzw. erstatte, sei nicht ersichtlich, ob die Klausel nur Schäden im juristischen Sinne oder sämtliche Versicherungsfälle, mithin auch freiwillige Vermögensaufwendungen erfasse.
5
Weiter vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass die Klausel nach dem maßgeblichen Verständnis eines Versicherungsnehmers auf den Fall der „Pandemie“ als Kumulrisiko beschränkt sei, dabei aber nicht Schäden durch eine Corona-Erkrankung des Versicherungsnehmers selbst umfasse und daher den Versicherungsschutz für einen solchen Fall nicht einschränke. Dies ergebe sich erstens aus der Verwendung des Plurals („Schäden“) in § 10 AVB einerseits und des Singulars („Erkrankung“) in § 7 Abs. 1 der Besonderen Bestimmungen für die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung („AVB-BT“) andererseits und zweitens aus einem Vergleich der angegriffenen Klausel (§ 10 AVB) mit dem den Versicherungsschutz bei einer „unerwartet schwere[n] Erkrankung“ bejahenden § 7 Abs. 1 AVB-BT. Diesem Verständnis widerspreche aber dann die Darstellung in den „FAQs“ (Frequently Asked Questions) auf der Internetseite der Beklagten. Korrekt sei allein die Verwendung des Begriffs „Versicherungsfälle“ statt „Schäden“ in § 10 AVB.
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Ferner vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass ein weiterer Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB darin liege, dass der Begriff „(Schäden durch) Pandemien“ im „Glossar“ der Beklagten durch geringere örtliche Anforderungen weiter definiert werde als durch das Robert-Koch-Institut und die Weltgesundheitsorganisation; für den Versicherungsnehmer sei dann aber nicht ersichtlich, dass zwar dieselbe Bezeichnung wie durch das Robert-Koch-Institut verwendet, damit aber ein anderes Verständnis der Beklagten verbunden sei. Mangels grammatikalischer Reichweite des zweiten Satzes der Definition werde diese Unklarheit auch nicht durch ebenjenen zweiten Satz behoben; korrekt sei allein die Formulierung: „Die WHO stellt das Vorliegen einer Pandemie fest.“
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Weiterhin vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass § 10 AVB den Versicherungsnehmer gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteilige, weil sie eine zeitliche Regelung hinsichtlich der „Grenzfälle“ zwischen Epidemie und Pandemie bzw. vor Ausrufen der Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation fehle.
8
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, über Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, es zu unterlassen, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf Reiseversicherungsverträge zu verwenden oder sich auf sie zu berufen, sofern nicht der Vertrag mit einer Person geschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer): „Kein Versicherungsschutz besteht bei Schäden durch Pandemien.“
2.
Die Beklagte wird verurteilt, im Rahmen der Folgebeseitigung binnen 14 Tagen nach Rechtskraft des Urteils alle Versicherungsnehmer, die mit ihr Reiseversicherungsverträge auf Basis der allgemeinen Versicherungsbedingungen mit dem Stand 23.02.2018 abgeschlossen haben und die den Vertrag nicht in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen haben, in geeigneter Form darüber zu informieren, dass die nachfolgend benannte Klausel in Verträgen mit Verbrauchern unwirksam ist: „Kein Versicherungsschutz besteht bei Schäden durch Pandemien.“
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260,00 € zzgl. Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung
10
Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass nach den Wertungen des Versicherungsvertragsrechts und Versicherungsaufsichtsrechts sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Reiserücktrittkostenversicherung eine „Schadensversicherung“ sei und daher nutzlose Aufwendungen wie Stornokosten als „Schaden“ des Versicherungsnehmers bezeichnet werden dürften und ein verständiger Versicherungsnehmer dies auch allein dahingehend verstehe.
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Die Beklagte vertritt weiter die Rechtsauffassung, dass § 10 AVB das Kumulrisiko der Pandemie betreffe und gerade deshalb auch den Fall, dass der Versicherungsnehmer selbst eine Corona-Erkrankung erleidet, umfasse und somit vom Versicherungsschutz ausnehme. Daher ergebe sich schon gar kein Widerspruch, sondern ein Gleichlauf zu den Darstellungen in den „FAQs“ der Beklagten. Das Abstellen von § 10 AVB auf „Schäden“ meine „Versicherungsfälle“ und betreffe daher gerade nicht dasselbe wie § 7 AVB-BT, der seinerseits nicht den Versicherungsfall, sondern nur das versicherte Ereignis regele. Die unterschiedliche Verwendung von Singular und Plural sei der – in § 10 Absatz 5 AVB nochmals ausdrücklich hervorgehobenen – Aufteilung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten in einen vorangestellten Allgemeinen Teil und einen anschließenden Besonderen Teil geschuldet. Auch gebiete der Kumulrisiko-Charakter, gerade auch den Fall einer Corona-Erkrankung des Versicherungsnehmers vom Versicherungsschutz auszunehmen: Denn es komme unabhängig davon, ob die Pandemie (nur) den Zielort oder den Ausgangsort des Versicherungsnehmers oder einen dritten (Umsteige-)Ort betreffe, in allen Fällen zu einer Kumulation einer unkalkulierbar hohen Anzahl an Einzelrisiken und damit zu dem den Ausschluss vom Versicherungsschutz veranlassenden Kumulrisiko-Charakter.
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Hinsichtlich der Definition der „Pandemie“ vertritt die Beklagte die Rechtsauffassung, dass ein verständiger Versicherungsnehmer gemäß dem zweiten Satz der Glossar-Definiton der Beklagten auf die Feststellung einer Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation abstellen würde; dem Robert-Koch-Institut dagegen komme keine Definitionshoheit zu.
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Hinsichtlich des Fehlens einer Regelung für „zeitliche Grenzfälle“ vertritt die Beklagte die Rechtsauffassung, dass eine solche nicht erforderlich sei, da sich die Behandlung derartiger Fälle bereits aus der Systematik der Versicherungsbedingungen ergebe, wonach stets maßgeblich sei, ob im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses (bereits oder noch) vorliegen oder eben nicht.
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Das Gericht hat am 22.09.2022 mündlich verhandelt; die Parteivertreter haben an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz gemäß § 128a Abs. 1 ZPO teilgenommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze insbesondere vom 30.12.2021, vom 31.05.2022, vom 21.07.2022 und vom 23.08.2022 sowie den Inhalt des Protokolls vom 22.09.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
16
Die Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 UKlaG. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung i.S.d. § 4 UKlaG gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG klagebefugt.
II.
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Die Klage ist jedoch unbegründet, da § 10 AVB nach § 307 BGB wirksam ist und der Folgenbeseitigungsantrag sowie der Abmahnkostenzahlungsantrag daher ins Leere gehen.
18
1. Es liegt kein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB vor.
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Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben es, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022, Az. IV ZR 144/21, NJW 2022, 872, 875). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ist hingegen nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können. Maßgeblich ist vielmehr, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Bei einer vereinbarten Risikoausschlussklausel geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2020, Az. IV ZR 235/19, NJW 2020, 1743, 1744; Urteil vom 10.06.2020, Az. VIII ZR 289/19, VersR 2020, 1540, 1542; Urteil vom 04.04.2018, Az. IV ZR 104/17, NJW 2018, 1544).
20
a) Demnach überzeugt die klägerische Ansicht, dass der Begriff „Schäden (durch Pandemien)“ im streng juristischen Sinne der §§ 249 ff. BGB und somit in Abgrenzung zu freiwilligen Vermögensaufwendungen zu verstehen sein könne und sich hieraus Unklarheiten ergeben würden, nicht. Denn insoweit stellt der Kläger auf eine Verständnismöglichkeit ab, die eine gewisse juristische Vorbildung voraussetzt. Derartige Verständnismöglichkeiten sind aber gerade nicht maßgeblich; es kommt auf das Verständnis eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden ohne (versicherungs-)rechtliche Spezialkenntnisse an.
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b) Auch die klägerische Ansicht, dass die Klausel nach dem maßgeblichen Verständnis eines Versicherungsnehmers auf den Fall der „Pandemie“ als Kumulrisiko beschränkt sei, dabei aber nicht Schäden durch eine eigene Corona-Erkrankung des Versicherungsnehmers selbst umfasse, und sich hieraus Unklarheiten ergeben würden, überzeugt nicht.
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Hinsichtlich der klägerischen Schlussfolgerungen aus der Verwendung des Plurals („Schäden“) in § 10 AVB einerseits und des Singulars („Erkrankung“) in § 7 Abs. 1 AVB-BT andererseits sowie hinsichtlich des Vergleichs zwischen § 10 AVB und § 7 AVB-BT kann auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten zu der – in § 10 Absatz 5 AVB nochmals ausdrücklich hervorgehobenen und einem um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer einleuchtenden – Aufteilung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in einen vorangestellten Allgemeinen Teil und einen anschließenden Besonderen Teil Bezug genommen werden.
23
Ferner ist der Beklagten zuzugeben, dass der Kumulrisiko-Charakter es gebietet, gerade auch den Fall einer eigenen Corona-Erkrankung des Versicherungsnehmers selbst vom Versicherungsschutz auszunehmen, da es unabhängig davon, ob die Pandemie (nur) den Zielort oder den Ausgangsort des Versicherungsnehmers oder einen dritten (Umsteige-)Ort betrifft, in allen Fällen zu einer Kumulation einer unkalkulierbar hohen Anzahl an Einzelrisiken und damit zu einer unkalkulierbar hohen wirtschaftlichen Inanspruchnahme der Beklagten kommt. Die Annahme einer örtlichen Einschränkung der Ausschlussklausel widerspräche somit dem für einen Durchschnittskunden bei verständiger Würdigung auch durch einen Vergleich mit den übrigen in § 10 AVB aufgeführten Kumulrisiken erkennbaren und zu beachtenden wirtschaftlichen Zweck der Ausschlussklausel.
24
c) Ferner überzeugt auch nicht die klägerische Ansicht, dass der Begriff „(Schäden durch) Pandemien“ im „Glossar“ der Beklagten durch geringere örtliche Anforderungen weiter definiert werde als durch das Robert-Koch-Institut und die Weltgesundheitsorganisation und sich hieraus sowie aus einer beschränkten grammatikalischen Reichweite des zweiten Satzes der Definition Unklarheiten ergeben würden.
25
Wie oben dargelegt kommt es nicht darauf an, ob die Definition der Pandemie grammatikalisch noch klarer hätte formuliert werden können. Maßgeblich ist vielmehr das Verständnis eines redlichen, bemühten Versicherungsnehmers. Nach dieser Maßgabe muss ein klägerseits befürwortetes Verständnis der Definitionsformulierung dahingehend, dass die Beklagte auf eine Äußerung der Weltgesundheitsorganisation zur Einschlägigkeit einer individuell durch die Beklagte aufgestellten Pandemie-Beschreibung abstellen würde, als fernliegend eingestuft werden. Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer versteht die Definition im Zusammenhang mit der Ausschlussklausel bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs dahingehend, dass die Beklagte für das (Nicht-)Vorliegen einer Pandemie und somit das (Nicht-)Eingreifen ihrer Ausschlussklausel auf das (Nicht-)Ausrufen einer Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation abstellt.
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2. Aus den gleichen Gründen liegt auch keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB vor, weil eine Regelung hinsichtlich der „Grenzfälle“ zwischen Epidemie und Pandemie bzw. vor Ausrufen der Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation fehle.
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Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2022, Az. IV ZR 144/21, NJW 2022, 872, 877).
28
Anhand des oben dargestellten Verständnisses der Definition ist die Behandlung jedweden „Grenzfalls“ durch die Beklagte klar vorgegeben und auch angemessen, da – worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat – stets maßgeblich ist, ob im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (z.B. einer die Stornokosten auslösenden Stornierung) die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses (mithin die Pandemie-Feststellung durch die Weltgesundheitsorganisation) bereits bzw. noch vorliegen oder eben nicht.
29
3. Da die angegriffenen Bestimmungen der Beklagten der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB genügen, gehen der Folgenbeseitigungs- und der Abmahnkostenzahlungsantrag ins Leere.
III.
30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
31
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
32
Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO auf 2.500,00 € für die angegriffene Klausel festzusetzen; dem unselbständigen, an die Klauselbeanstandung anknüpfenden Folgenbeseitigungsantrag dagegen war kein eigener Wert zuzumessen. Der Streitwert im Verfahren nach dem UKlaG war dabei allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen Bestimmung, nicht hingegen nach der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbotes zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.07.2015, Az. IV ZR 45/15).