Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 05.05.2022 – B 9 K 21.266
Titel:

„Sonderausschuss Corona“ als beschließender Ausschuss mit weitgehender Zuständigkeit, Befristung des Bestehens eines Ausschusses

Normenkette:
GO Art. 32
Schlagworte:
„Sonderausschuss Corona“ als beschließender Ausschuss mit weitgehender Zuständigkeit, Befristung des Bestehens eines Ausschusses
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43495

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Sonderausschusses vom 2. November 2020 zu Tagesordnungspunkt 11.2 – BayKiBiG – kath. Kindergarten … Bedarfsanerkennung von Kindergartenplätzen und Plätzen für Kinder unter 3 Jahren … rechtswidrig ist.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Beschlüssen eines Ausschusses des Stadtrates der Beklagten.
2
§ 8 der Geschäftsordnung des Stadtrates der Beklagten (GeschO) regelt die beschließenden Ausschüsse des Stadtrates. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GeschO erledigen die beschließenden Ausschüsse die ihnen übertragenen Angelegenheiten selbstständig anstelle des Stadtrates. Die Zuständigkeit der einzelnen beschließenden Ausschüsse ergibt sich aus § 8 Abs. 3 GeschO, § 2 GeschO enthält einen – nicht abschließenden – Katalog von Angelegenheiten, für die der Stadtrat zuständig ist.
3
Der Kläger ist Mitglied des Stadtrates der Beklagten. Dieser hatte in seiner konstituierenden Sitzung am 11. Mai 2020 mit 14 zu elf Stimmen in öffentlicher Sitzung Folgendes beschlossen:
„Der Stadtrat der Stadt … beschließt die Einrichtung eines Sonderausschusses für den Zeitraum der Kontaktbeschränkungen aufgrund des derzeitigen Katastrophenfalles ‚Corona-Pandemie‘.
Der Ausschuss besteht aus acht Stadtratsmitgliedern sowie der Ersten Bürgermeisterin als Vorsitzende.
Dem Ausschuss werden gem. Art. 32 Abs. 1 und 2 GO alle Aufgaben des Stadtrates übertragen, mit Ausnahme
- von der Übertragung gem. Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO ausgeschlossene Entscheidungen
- von Aufgaben, die gemäß Geschäftsordnung des Stadtrates durch einen Ausschuss erledigt werden.“
4
Der Kläger war kein Mitglied dieses Sonderausschusses, sondern lediglich zweiter Stellvertreter.
5
In der Folge fanden Sitzungen des Stadtratsplenums, in zwei Fällen jedoch Sitzungen des Sonderausschusses statt, eine davon am 2. November 2020. Insoweit war zunächst mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 für den 2. November 2020 zu einer (regulären) Stadtratssitzung geladen worden. Im Hinblick auf die Entwicklung der 7-Tages-Inzidenz im Landkreis … entschied sich die Beklagte dazu, mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 zeitgleich für den 2. November 2020 auch zu einer Sitzung des Sonderausschusses mit gleicher Tagesordnung zu laden. Am Sonntag, den 1. November 2020 überschritt die 7-Tages-Inzidenz für den Landkreis … den Wert von 100. Die erste Bürgermeisterin der Beklagten entschied sich daher am Morgen des 2. November 2020, keine Sitzung des Stadtratsplenums abzuhalten. Die Mitglieder des Stadtrates wurden über die Absage der Stadtratssitzung und die ersatzweise Abhaltung der Sonderausschusssitzung mit gleicher Tagesordnung per E-Mail um 8.41 Uhr informiert. Stadtratsmitglieder, die den Erhalt der E-Mail nicht bestätigten, wurden telefonisch informiert.
6
Am 2. November 2020 fand sodann um 16.30 Uhr eine Sitzung des Sonderausschusses statt, in der sowohl im öffentlichen wie im nichtöffentlichen Teil Beschlüsse gefasst wurden; insoweit wird auf die von Beklagtenseite vorgelegte Niederschrift der Sitzung Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
7
Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 beantragte der Kläger für die Stadtratssitzung am 8. Februar 2021:
„Der Stadtrat möge durch Beschluss folgendes feststellen:
1. Der Beschluss des Stadtrates der Stadt … vom 11. Mai 2020 zur Bildung eines Sonderausschusses ‚Corona-Pandemie‘ ist unwirksam.
2. Daraus folgend sind die in den Sitzungen des Sonderausschusses ‚Corona-Pandemie‘ am 25. Mai 2020 und 2. November 2020 gefassten Beschlüsse ebenfalls unwirksam.“
8
In der Stadtratssitzung vom 8. Februar 2021 wurde dieser Antrag des Klägers in Ziffer 1. mit 23 zu zwei und in Ziffer 2. mit 22 zu drei Stimmen abgelehnt. In der gleichen Sitzung beschloss der Stadtrat der Beklagten mit 14 zu elf Stimmen, den Beschluss zur Einrichtung eines Sonderausschusses vom 11. Mai 2020 wie folgt zu konkretisieren:
„Der Stadtrat der Stadt … beschließt den Fortbestand eines Sonderausschusses für den Zeitraum der Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie in Deutschland.
Der Ausschuss besteht aus acht Stadtratsmitgliedern sowie der Ersten Bürgermeisterin als Vorsitzende.
Dem Ausschuss werden gem. Art. 32 Abs. 1 und 2 GO alle Aufgaben des Stadtrates übertragen, mit Ausnahme
- von der Übertragung gem. Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO ausgeschlossene Entscheidungen
- von Aufgaben, die gemäß Geschäftsordnung des Stadtrates durch einen Ausschuss erledigt werden.
Der Ausschuss kann einberufen werden, wenn am Ladungstag
- die festgestellte 7-Tages-Inzidenz des Robert-Koch-Instituts einen Wert von 150 überschreitet oder
- mehr als die Hälfte der Mitglieder einer Stadtratsfraktion sich aufgrund der Pandemie in einer Quarantäne befindet.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist am 5. Tag vor der geplanten Sitzung zu überprüfen.
Sollten die Voraussetzungen dann nicht mehr vorliegen, ist die Sitzung des Sonderausschusses abzusagen und eine Stadtratssitzung mit gleicher Tagesordnung zur gleichen Sitzungszeit mit Eilfrist einzuberufen.
Sollten die Voraussetzungen dann erstmals vorliegen, kann die Stadtrat Sitzung abgesagt und eine Sonderausschusssitzung mit allen Tagesordnungspunkten, die der Ausschuss behandeln darf, zur gleichen Zeit mit Eilfrist einberufen werden.“
9
Mit Schriftsatz vom 11. März 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 12. März 2021, erhob der Kläger Klage und beantragte,
festzustellen, dass die in der Sitzung des Sonderausschusses „Corona-Pandemie“ des … Stadtrates am 2. November 2020 in öffentlicher und nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam sind.
10
In der Sitzung des Sonderausschusses am 2. November 2020 seien mehrere Beschlüsse gefasst worden, die nach der Geschäftsordnung des Stadtrates in dessen Zuständigkeit fielen. Beispielsweise seien die Haushaltssatzungen für das Jahr 2021 für insgesamt vier Stiftungen und die Billigung der Teilaufhebung eines Bebauungsplanes beschlossen worden.
11
Die Einberufung des Sonderausschusses am 2. November 2020 verletze den Kläger als Stadtrat in eigenen Rechten. Durch Beratung und Beschlussfassung in der Sitzung des Sonderausschusses sei er in seinem Mitgliedschaftsrecht verletzt. Diesen Rechtsverstoß könne er im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreites geltend machen. Er habe daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse.
12
Vor Klageerhebung habe er sich mehrfach, aber erfolglos an das Landratsamt … als Rechtsaufsichtsbehörde gewandt. Seine Obliegenheit, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rechtsaufsichtsbehörde anzurufen, sei er daher nachgekommen.
13
Mit Beschluss des Stadtrates vom 11. Mai 2020 sei der Sonderausschuss „Corona-Pandemie“ eingerichtet worden. In dem Beschlusstext sei zunächst zwar der „Zeitraum der Kontaktbeschränkungen“ genannt, danach werde aber in zeitlicher Hinsicht auf den „derzeitigen Katastrophenfall ‚Corona-Pandemie‘“ Bezug genommen. Der erste Satz des Beschlusses sei zwar etwas „holprig“ formuliert, bringe aber dennoch eindeutig eine finale Befristung auf den Zeitraum der Geltung des Katastrophenfalles zum Ausdruck. Dessen Ende sei am 16. Juni 2020 bekannt gegeben worden. Damit sei die für den Sonderausschuss gesetzte auflösende Bedingungen eingetreten und es habe für die Sitzung am 2. November 2020 keine Ermächtigung durch den Stadtrat gegeben. Folglich seien auch die in dieser Sitzung gefassten Beschlüsse unwirksam.
14
Mit Schriftsatz vom 9. April 2021 erwiderte die Beklagte und beantragte,
die Klage abzuweisen.
15
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration habe mit Schreiben vom 8. Mai 2020 Handlungsempfehlungen für die Städte und Gemeinden herausgegeben, wie mit den besonderen Umständen der Corona-Pandemie umzugehen sei. Darin sei empfohlen worden, Entscheidungsbefugnisse vorerst möglichst weitgehend auf einen oder mehrere beschließende Ausschüsse nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO) zu übertragen, um eine Befassung des Gemeinderates soweit möglich zu vermeiden. Der Gemeinderat könne diese Übertragung jederzeit wieder ändern bzw. einen für die Bewältigung der Coronakrise geschaffenen Sonderausschuss jederzeit wieder nach Art. 32 Abs. 5 GO auflösen. Zu einer Übertragung genüge grundsätzlich ein Beschluss; eine auflösende Bedingung oder Befristung bei der Übertragung sei nicht erforderlich.
16
Der Stadtrat der Beklagten habe hiervon mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 Gebrauch gemacht und dabei darauf geachtet, nicht alle Entscheidungen auf den Ausschuss zu delegieren, sondern nur die Sitzungen des Gesamtgremiums zu beschränken und ansonsten die Arbeit in allen Ausschüssen aufzunehmen. Die Möglichkeit der Einberufung des Sonderausschusses sei in der Folge nur dann genutzt worden, wenn dies aus Infektionsschutzgründen zwingend erforderlich gewesen sei. Seit dem 1. Mai 2020 hätten nur zwei Sitzungen des Sonderausschusses, aber sieben Sitzungen des Stadtratsplenums stattgefunden. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration habe auf eine Anfrage der Beklagten am 21. Oktober 2020 bestätigt, dass die Übertragung von Aufgaben auf beschließende Ausschüsse weiterhin empfohlen werde.
17
Der Beschluss vom 11. Mai 2020 könne zwar als „holprig“ bezeichnet werden, stelle aber gleichwohl eindeutig als Anwendungszeitraum für den Sonderausschuss „den Zeitraum der Kontaktbeschränkungen“ heraus. Das Wort „Katastrophenfall“ beschreibe nur den „derzeitigen“ Stand des auslösenden Ereignisses, nämlich der Corona-Pandemie. Die Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie würden nach wie vor weiter gelten. Dementsprechend habe das Bayerische Staatsministerium des Innern für Sport und Integration auch mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 nochmals ausdrücklich die weitgehende Übertragung von Zuständigkeiten auf beschließende Ausschüsse empfohlen.
18
Innerhalb der Nachprüfungsfrist des Art. 32 Abs. 3 GO seien keine Nachprüfungsanträge eingegangen. In der Stadtratssitzung vom 8. Februar 2021 habe der Stadtrat mehrheitlich die Einrichtung des Sonderausschusses nochmals bestätigt und konkretisiert. Dies zeige, dass nahezu der gesamte Stadtrat weder die Beschlussfassung über den Sonderausschuss noch die Wirksamkeit der Beschlüsse vom 2. November 2020 anzweifle.
19
Anders als von Klägerseite kritisiert, habe die Beklagte nicht alle Geschäftszweige bzw. die Erledigung aller Angelegenheiten des Stadtrates auf einen einzigen Ausschuss übertragen. Vielmehr hätten alle Ausschüsse des Stadtrates der Beklagten ihre Arbeit aufgenommen; seit dem 1. Mai 2020 hätten daher insgesamt 39 Ausschusssitzungen der jeweiligen Fachausschüsse stattgefunden. Ebenso seien Sitzungen des Gesamtstadtrates abgehalten worden.
20
Mit Schriftsatz vom 26. April 2021 trug der Kläger ergänzend vor, es sei zwar richtig, dass lediglich zwei Sitzungen des Sonderausschusses stattgefunden hätten. Bemerkenswert sei aber, dass Stadtratssitzungen auch bei weit höheren Inzidenzzahlen als zu den Terminen der Sonderausschusssitzungen durchgeführt worden seien (wird näher ausgeführt).
21
Die von Beklagtenseite angeführte Vorschrift des Art. 32 Abs. 3 Satz 1 GO greife hier nicht, da sie voraussetze, dass der betreffende Ausschuss von vornherein durch einen Stadtratsbeschluss oder durch die beschlossene Geschäftsordnung ermächtigt gewesen sei, zusammenzutreten und Beschlüsse anstelle des Stadtrates zu fassen. Eine solche Ermächtigung habe aber im Zeitpunkt der Sitzung am 2. November 2020 nicht vorgelegen.
22
Es sei unbestritten, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration wiederholt die weitgehende Übertragung von Zuständigkeiten auf beschließende Ausschüsse empfohlen habe. Dies ändere aber nichts daran, dass im konkreten Fall eine Ermächtigung des Stadtrates für einen Sonderausschuss jedenfalls für die Sitzung am 2. November 2020 nicht vorgelegen habe. Es sei unzutreffend, dass der Stadtratsbeschluss vom 11. Mai 2020 „eindeutig als Anwendungszeitraum für den Sonderausschuss ‚den Zeitraum der Kontaktbeschränkungen‘ herausstelle“. Aus dem Wortlaut ergebe sich vielmehr, dass das Bestehen des Katastrophenfalles eine Bedingung bzw. die Aufhebung des Katastrophenfalles eine auflösende Bedingung für den Sonderausschuss sei. Der „Zeitraum der Kontaktbeschränkungen“ könne nicht ohne das Bestehen des Katastrophenfalles gedacht werden.
23
Gegenstand der Klage sei nicht die Frage der Rechtmäßigkeit des Stadtratsbeschlusses vom 11. Mai 2020. Insoweit bleibe aber schon unklar, ob sich der dort verwendete Begriff der „Kontaktbeschränkungen“ auf die jeweiligen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen und Allgemeinverfügungen beziehe. Dass auch die Beklagtenseite insoweit keine klare Vorstellung gehabt habe, zeige sich am unterschiedlichen „Einladungsverhalten“ hinsichtlich der Sitzungen des Stadtrates bzw. des Sonderausschusses. Der Beschluss vom 11. Mai 2020 sei daher nicht hinreichend bestimmt.
24
Die Beschlussfassung in der Stadtratssitzung vom 8. Februar 2021 führe nicht zu einer Heilung der unwirksamen Beschlüsse vom 2. November 2020.
25
Die Beklagte führte hierzu mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 aus, das von Klägerseite angesprochene „Einladungsverhalten“ spiegele die Schwierigkeiten wieder, die alle Verantwortlichen in den letzten 14 Monaten mit der Bewältigung der Corona-Pandemie gehabt hätten. Inzidenzwerte seien im Laufe der Zeit unterschiedlich bewertet worden und man habe versucht, nach bestem Wissen und Gewissen unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter eine sachgerechte und ermessensfehlerfreie Entscheidung zu treffen. Bestimmte Stadtratssitzungen hätten jedoch abgehalten werden müssen, da sie Beratungspunkte enthalten hätten, die nicht auf den Sonderausschuss hätten übertragen werden können. Zudem sei im Verlauf der Pandemie das Schutzkonzept etwa im Hinblick auf FFP2-Masken und Schnelltest weiter verbessert worden.
26
Maßgeblich sei die Auslegung des Stadtratsbeschlusses vom 11. Mai 2020. Insoweit sei auf dessen objektiven Erklärungswert abzustellen; entscheidend sei aber letztlich immer der Wille des Gemeinderats. Ihm obliege es auch, gegebenenfalls seine eigenen Beschlüsse authentisch auszulegen. In der Sitzung vom 8. Februar 2021 habe sich der Stadtrat anlässlich der Antragstellung des Klägers mit der Frage beschäftigt, ob der Beschluss über die Bildung eines Sonderausschusses vom 11. Mai 2020 unwirksam sei. Dies habe der Stadtrat bei nur zwei Gegenstimmen abgelehnt und somit die Wirksamkeit bestätigt. In gleicher Weise habe sich der Stadtrat mit der Frage befasst, ob die durch den Sonderausschuss gefassten Beschlüsse unwirksam seien. Auch insoweit habe der Stadtrat mit der mehrheitlichen Ablehnung des Antrages des Klägers eine eindeutige Auslegung des strittigen Beschlusses getroffen.
27
Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe Einverständnis.
28
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2021 führte der Kläger hierzu aus, es gehe ihm ausschließlich darum, ob die Einberufung des Sonderausschusses zu einer Sitzung am 2. November 2020 vom Stadtratsbeschluss vom 11. Mai 2020 gedeckt gewesen sei. Dies sei aus seiner Sicht, wie bereits ausgeführt, zu verneinen. Der Regelungsinhalt des Beschlusses vom 11. Mai 2020 sei eindeutig, sodass er sich einer nachträglichen Auslegung durch den Gemeinderat entziehe. Ebenso könne aus dem Abstimmungsergebnis bei der Beschlussfassung am 8. Februar 2021 nichts zur Wirksamkeit der in der Sonderausschusssitzung am 2. November 2020 gefassten Beschlüsse abgeleitet werden.
29
Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2021 erklärte der Kläger sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
30
Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

31
1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
32
2. Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
33
a) Die Klage ist in der Form der Feststellungsklage zulässig.
34
aa) Die Feststellungsklage ist statthaft, das klägerische Begehren kann Gegenstand einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO sein. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des kommunalverfassungsrechtlichen Organstreits können Streitigkeiten aus dem kommunalen Organisationsrecht Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein und grundsätzlich sowohl mit einer Gestaltungs- wie auch mit einer Feststellungsklage verfolgt werden (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.1995 – 4 B 94.2561 – BayVBl 1995, 661 m.w.N.).
35
bb) Die Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO hindert hier nicht deren Statthaftigkeit. Anstelle einer Leistungsklage ist bei einer gegen eine Gemeinde gerichteten Innenrechtsstreitigkeit eine Feststellungsklage jedenfalls dann möglich, wenn – wie hier – eine Klagebefugnis besteht (siehe unter dd)). Da die Zulässigkeitsvoraussetzungen dann nicht hinter denen der allgemeinen Leistungsklage zurückbleiben, ist im Wege der teleologischen Reduktion des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Feststellungsklage statthaft. Denn zum einen kann damit gerechnet werden, dass sich Behörden rechtstreu verhalten und sich auch ohne vollstreckbaren Leistungstitel an das Feststellungsurteil halten. Zum anderen besteht insoweit nicht die Gefahr, dass weitere besondere Sachurteilsvoraussetzungen unterlaufen werden, wenn eine Feststellungsklage an die Stelle einer allgemeinen Leistungsklage tritt, weil bei letzterer – anders als etwa bei der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage – weitere besondere Sachurteilsvoraussetzungen nicht bestehen (vgl. Möstl in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2022, § 43 Rn. 15 m.w.N.; VG Bayreuth, U.v. 13.12.2016 – B 5 K 16.349).
36
cc) Der Kläger hat ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Ein Interesse an der baldigen Feststellung ist berechtigt, wenn es rechtlicher oder schutzwürdiger tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2017 – 6 B 14.17 – juris Rn. 13; U.v. 25.10.2017 – 6 C 46.16 – juris Rn. 20; U.v. 6.2.1986 – 5 C 40.84 – juris Rn. 28; jeweils m.w.N.). Ein entsprechendes Feststellungsinteresse hat der Kläger hier im Hinblick auf sein Teilhaberecht an Entscheidungen des Stadtrats, das sich spiegelbildlich aus der in Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO normierten Teilnahmepflicht ergibt (vgl. VG Augsburg, U.v. 12.8.2019 – Au 7 K 18.1674 – juris Rn. 28). Der Kläger ist zwar Mitglied des Stadtrats, nicht aber des Sonderausschusses, der ohne Beteiligung des Klägers die hier streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst hat.
37
dd) Die für eine kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis (BVerwG, B.v. 30.7.1990 – 7 B 71.90 – NVwZ 1991, 470) liegt ebenfalls vor, da eine Verletzung des oben genannten Teilhaberechts des Klägers zumindest möglich erscheint.
38
b) Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet.
39
aa) Die Einrichtung eines Sonderausschusses wie des hier gebildeten war grundsätzlich rechtmäßig.
40
Nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO kann der Stadtrat die Verwaltung bestimmter Geschäftszweige oder die Erledigung einzelner Angelegenheiten beschließenden Ausschüssen übertragen. Ausgeschlossen sind dabei die in Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO genannten Gegenstände. Ebenso können einem beschließenden Ausschuss nicht Angelegenheiten übertragen werden, die in die gesetzliche Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters nach Art. 37 GO fallen (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand November 2021, Art. 32 GO Rn. 9). Im Übrigen ist der Stadtrat jedoch im Rahmen des durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts grundsätzlich frei, darüber zu entscheiden, in welchem Umfang Entscheidungskompetenzen auf einen beschließenden Ausschuss übertragen werden; die Auflösung eines entsprechenden Ausschusses ist jederzeit möglich, Art. 32 Abs. 5 GO. Nach überwiegender Auffassung hindert die Übertragung einer Angelegenheit auf einen beschließenden Ausschuss nicht die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses des Stadtratsplenums anstelle des eigentlich zuständigen Ausschusses (vgl. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand November 2021, Art. 32 GO Rn. 8; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung, Stand November 2021, Art. 32 GO Anm. I. 3.5.3; einschränkend Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Februar 2021, Art. 32 Rn. 20: Beschluss mangels Gesetzesverstoß zumindest rechtswirksam, aber gegebenenfalls Verstoß gegen Geschäftsordnung). Ein Ausschuss des Stadtrates kann grundsätzlich auch nur für einen bestimmten Zeitraum gebildet werden (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand 31. EL Februar 2021, Art. 32 Rn. 18). Von der Zuständigkeit des hier gebildeten Sonderausschusses waren ausdrücklich die in Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO genannten grundlegenden Angelegenheiten sowie die bereits anderen beratenden Ausschüssen übertragenen Aufgaben ausgeschlossen. Ebenso wurden dem Sonderausschuss nur die Aufgaben des Stadtrates und damit nicht die Aufgaben der ersten Bürgermeisterin nach Art. 37 GO übertragen.
41
Dem stand auch nicht der Grundsatz der Wahlgleichheit und das daraus folgende Gebot der Gleichbehandlung im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte der Stadtratsmitglieder entgegen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat zu der in Art. 120b Abs. 3 GO in der Fassung des Gesetzes vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74) vorgesehenen Möglichkeit, den Einsatzzeitraum des Ferienausschusses nach Art. 32 Abs. 4 GO und zur Einsetzung eines beschließenden Ausschusses mit den gleichen Befugnissen wie der Ferienausschuss entschieden, dass eine solche Regelung gegen Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Verfassung verstößt (E.v. 10.6.2021 – Vf. 25-VII-21 – BayVBl 2021, 548). Mit dieser Regelung ist der hier streitgegenständliche Sonderausschuss jedoch nicht vergleichbar. Es handelt sich vielmehr um einen regulären beschließenden Ausschuss i.S.d. Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO, dem nicht mehr Kompetenzen zukommen als anderen beschließenden Ausschüssen. Die Privilegierung des Ferienausschusses in Art. 32 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 GO, wonach die Einschränkungen in Art. 32 Abs. 2 und 3 GO keine Anwendung finden, gilt für den hier streitgegenständlichen Sonderausschuss gerade nicht. Ihm kann damit nicht entgegengehalten werden, dass die Stadtratsmitglieder, die nicht im Sonderausschuss vertreten sind, für die Dauer des Bestehens des Sonderausschusses von jeglicher Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen wären. Denn zum einen bleiben die in Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO genannten Gegenstände dem Stadtratsplenum vorbehalten. Zum anderen besteht für Beschlüsse des Sonderausschusses die Nachprüfungsmöglichkeit nach Art. 32 Abs. 3 Satz 1 GO.
42
Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist die Einrichtung des Sonderausschusses nicht deswegen zu beanstanden, weil mit der Möglichkeit der Sitzungsteilnahme durch Ton-Bild-Übertragung nach Art. 47a GO ein milderes, das Teilhaberecht der Stadtratsmitglieder weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung gestanden hätte. Art. 47a GO wurde mit dem Gesetz vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74) eingeführt und trat mit Wirkung zum 12. Februar 2021 in Kraft. Abgesehen davon, dass diese Option erst in der Geschäftsordnung des Stadtrates hätte geregelt werden müssen, bestand daher weder im Zeitpunkt der Einrichtung des Sonderausschusses durch den Stadtratsbeschluss vom 11. Mai 2020 noch im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Sitzung des Sonderausschusses am 2. November 2020 die Möglichkeit der Sitzungsteilnahme durch Ton-Bild-Übertragung. Im Ergebnis war die Bildung des Sonderausschusses mit den ihm übertragenen Entscheidungsbefugnissen grundsätzlich rechtmäßig.
43
bb) Die Formulierung des Beschlusses des Stadtrates der Beklagten vom 11. Mai 2020, mit dem der Sonderausschuss eingerichtet wurde, ist auch nicht so zu verstehen, dass damit eine Befristung des Ausschusses auf den Zeitraum des Bestehens des Katastrophenfalles i.S.d. Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes (BayKSG) verbunden gewesen wäre. Beschlüsse des Stadtrates sind im Wege von Abstimmungen zustande gekommene Äußerungen des gemeindlichen Organs, die in der Regel Willensbekundungen darstellen (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Februar 2021, Art. 51 Rn. 1). Als solche sind sie der Auslegung zugänglich. Auch bei öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen ist in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der objektive Erklärungswert unter Berücksichtigung der Begleitumstände maßgeblich; abzustellen ist auf den erklärten Willen, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2017 – 20 B 16.189 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Formulierung im Beschluss vom 11. Mai 2020 („die Einrichtung eines Sonderausschusses für den Zeitraum der Kontaktbeschränkungen aufgrund des derzeitigen Katastrophenfalles ‚Corona-Pandemie‘“) macht zum einen deutlich, dass eine (grundsätzlich zulässige, s.o.) befristete Einrichtung des Ausschusses beabsichtigt ist, sie knüpft insoweit aber unmittelbar nur am Begriff der „Kontaktbeschränkungen“ an. In der am 11. Mai 2020 in Kraft getretenen Fassung der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 5. Mai 2020 (BayMBl 2020 Nr. 240, S. 1) waren in den §§ 2 bis 4 unter der Überschrift „Allgemeine Kontaktbeschränkungen“ verschiedene Verbote zur Beschränkung von Kontakten im öffentlichen und privaten Raum sowie spezielle Besuchsverbote geregelt. Im Hinblick darauf, dass diese in der 4. BayIfSMV geregelten Kontaktbeschränkungen auch Gegenstand einer breiten öffentlichen Diskussion und Berichterstattung waren, kann die Formulierung im Beschluss des Stadtrates der Beklagten vom 11. Mai 2020 nur in so verstanden werden, dass mit dem Begriff der „Kontaktbeschränkungen“ auf die zunächst in der 4. BayIfSMV und später in entsprechenden Nachfolgeregelungen enthaltenen Kontaktbeschränkungen Bezug genommen wurde. Im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung am 2. November 2020 bestanden aber nach § 3 der Achten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (8. BayIfSMV) nach wie vor – an das Pandemiegeschehen angepasste – Kontaktbeschränkungen, so dass die Befristung des Bestehens des Sonderausschusses zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingriff.
44
Der Bestand des Sonderausschusses war jedoch über die Kontaktbeschränkungen im oben genannten Sinn an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere war das am 16. März 2020 festgestellte Vorliegen einer im gesamten Freistaat Bayern bestehenden Katastrophe i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayKSG (vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 16.3.2020, BayMBl 2020 Nr. 115, S. 1) keine Voraussetzung für das Bestehen des Sonderausschusses. Das Ende dieser Katastrophe wurde mit Ablauf des 16. Juni 2020 und damit noch vor der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung am 2. November 2020 festgestellt (vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 16.6.2020, BayMBl 2020 Nr. 337, S. 1).
45
Allerdings war das (Fort-)Bestehen des Katastrophenfalls schon nach dem Wortlaut des Beschlusses vom 11. Mai 2020 nicht zwingend als Voraussetzung für das Bestehen des Sonderausschusses zu verstehen. Die gewählte Formulierung „für den Zeitraum der Kontaktbeschränkungen aufgrund des derzeitigen Katastrophenfalles“ ist vielmehr bei verständiger Würdigung aus Adressatensicht so zu interpretieren, dass der Katastrophenfall lediglich als Anlass für die Einführung der Kontaktbeschränkungen benannt wird, nicht aber als Voraussetzung für den Sonderausschuss. Ziel der Einrichtung des Sonderausschusses war es, unter Gewährleistung der Handlungsfähigkeit des Stadtrates die Zahl der Kontakte unter den Stadtratsmitgliedern zu minimieren und damit die Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus zu hemmen (vgl. die Empfehlungen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration im IMS v. 8.4.2020 – B1-1414-11-17). Dieses Ziel ist jedoch, anders als es die Formulierung „Kontaktbeschränkungen aufgrund des derzeitigen Katastrophenfalles“ andeutet, unabhängig vom Bestehen des Katastrophenfalls. Wesentliche Auswirkung der Feststellung des Vorliegens einer Katastrophe sind die dann geltenden besonderen Befugnisse der Katastrophenschutzbehörden und die besonderen Pflichten Dritter im Rahmen der Katastrophenhilfe, vgl. Art. 5 ff. BayKSG. Diese Rechtsfolgen stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie, sie bieten lediglich einen organisatorischen Rahmen, der den zuständigen Katastrophenschutzbehörden erweiterte Befugnisse verleihen soll. Dementsprechend setzten auch die in den §§ 2 bis 4 4. BayIfSMV geregelten Kontaktbeschränkungen, die dasselbe Ziel der Hemmung der Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus haben, keinen Katastrophenfall voraus. Die Regelungen der 4. BayIfSMV wurden allein auf Grundlage des § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in der bis zum 22. April 2021 geltenden Fassung erlassen. Mit dieser Vorschrift wurden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen; das Vorliegen einer Katastrophe war insoweit keine Voraussetzung.
46
Umgekehrt erscheint es durchaus zielführend, das Bestehen des Sonderausschusses von der Einschätzung des Verordnungsgebers abhängig zu machen, ob im weiteren Verlauf des Pandemiegeschehens Kontaktbeschränkungen wie sie mit §§ 2 bis 4 4. BayIfSMV geregelt wurden, zur Hemmung der Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus gerechtfertigt sind. Diese Kontaktbeschränkungen fanden zwar auf Sitzungen des Stadtrates der Beklagten unmittelbar keine Anwendung (vgl. § 2 Abs. 3 4. BayIfSMV). Solange aber solche Beschränkungen im Übrigen galten, war es grundsätzlich sachgerecht, bei Sitzungen des Stadtrates der Beklagten ebenfalls gewisse Einschränkungen vorzusehen. Vor diesem Hintergrund kann die im Beschluss vom 11. Mai 2020 gewählte Formulierung nach Überzeugung der Kammer nur so verstanden werden, dass der Sonderausschuss für den Zeitraum der Geltung von Kontaktbeschränkungen bestehen sollte, die anlässlich des Katastrophenfalles der Corona-Pandemie eingeführt wurden; ein (Fort-)Bestehen der Katastrophe i.S.d. des Art. 1 Abs. 2 BayKSG war aber insoweit keine Voraussetzung. Damit bestand der Sonderausschuss auch am 2. November 2020 noch und konnte im Rahmen seiner Kompetenzen Beschlüsse fassen.
47
cc) Der streitgegenständliche Sonderausschuss war nach der Beschlussfassung des Stadtrates der Beklagten vom 11. Mai 2020 zuständig für alle Aufgaben des Stadtrates mit Ausnahme der in Art. 32 Abs. 2 Satz 2 GO genannten Angelegenheiten und derjenigen Aufgaben, die nach der Geschäftsordnung des Stadtrates durch einen anderen Ausschuss erledigt werden.
48
(1) Daher war die Beschlussfassung des Sonderausschusses vom 2. November 2020 zu Tagesordnungspunkt 11.2 im öffentlichen Teil der Sitzung – „BayKiBiG – … Bedarfsanerkennung von Kindergartenplätzen und Plätzen für Kinder unter 3 Jahren …“ rechtswidrig. Insoweit lag die Entscheidungskompetenz nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 lit. b) GeschO beim Umwelt- und Sozialausschuss, der danach über die Aufstellung, Umsetzung und Überwachung eines Bedarfsplanes für Kindertageseinrichtungen im Gebiet der Beklagten zu entscheiden hat. Dementsprechend war die Entscheidungskompetenz nicht mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 auf den Sonderausschuss übertragen worden.
49
(2) Die übrigen, in der Sitzung des Sonderausschusses vom 2. November 2020 gefassten Beschlüsse erweisen sich in formeller Hinsicht als rechtmäßig und von der Entscheidungskompetenz dieses Ausschusses gedeckt, sie sind nicht zu beanstanden:
50
(a) Für die unter den Tagesordnungspunkten 5, 6, 7 und 8 im öffentlichen Teil der Sitzung gefassten Beschlüsse über die Haushalte der von der Beklagten verwalteten Stiftungen war nach § 2 Nr. 26 GeschO der Stadtrat zuständig, da es sich bei den entsprechenden Haushaltssatzungen jedenfalls um grundsätzliche Angelegenheiten dieser Stiftungen handelte. Diese Angelegenheiten waren aber mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 auf den Sonderausschuss übertragen worden; da es sich nicht um den Haushalt der Beklagten selbst handelte, war insoweit auch Art. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 GO nicht einschlägig.
51
(b) Für den unter Tagesordnungspunkt 9 der öffentlichen Sitzung gefassten Grundsatzbeschluss zur Errichtung von Photovoltaikanlagen ist aus der Geschäftsordnung des Stadtrates der Beklagten keine besondere Zuständigkeit eines beschließenden Ausschusses erkennbar, so dass es grundsätzlich bei der allgemeinen Kompetenz des Stadtrates aus Art. 30 Abs. 2 GO verbleibt. Insoweit lag mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 ebenfalls eine Übertragung auf den Sonderausschuss vor.
52
(c) Der Beschluss zur Einleitung der Teilaufhebung des Bebauungsplans … unter Tagesordnungspunkt 11.1 der öffentlichen Sitzung wäre nach § 2 Nr. 22 GeschO Angelegenheit des Stadtrates gewesen. Insoweit konnte die Zuständigkeit mit Beschluss vom 11. Mai 2020 auf den Sonderausschuss übertragen werden, vgl. Art. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 GO.
53
(d) Für die im nichtöffentlichen Teil der Sitzung zu den Tagesordnungspunkten 11.1.1, 11.1.2, 11.1.3, 11.1.4 und 11.1.5 gefassten Beschlüssen gilt das oben zum Grundsatzbeschluss zur Errichtung von Photovoltaikanlagen bzw. zur Teilaufhebung des Bebauungsplans … Gesagte entsprechend. Auch insoweit lag mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 eine Übertragung auf den Sonderausschuss vor.
54
(e) Unter Tagesordnungspunkt 2 der nichtöffentlichen Sitzung wurde ein Beschluss zur Stundung von Gewerbesteuern von 83.103.59 € und Nachholungszinsen von 23.699,00 € sowie unter Tagesordnungspunkt 11.1 der nichtöffentlichen Sitzung ein Beschluss über die Beauftragung von Ingenieurleistungen für voraussichtlich 59.312,60 € gefasst. Damit waren die Wertgrenzen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 lit. b) und d) GeschO, bis zu denen der Verwaltungsausschuss zuständig wäre, überschritten, und die Angelegenheit war mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 ebenfalls wirksam auf den Sonderausschuss übertragen worden.
55
(f) Die unter Tagesordnungspunkt 3 der nichtöffentlichen Sitzung beschlossene Verlängerung eines Darlehensvertrages fiel mangels besonderer Regelung in der Geschäftsordnung in die allgemeine Kompetenz des Stadtrates nach Art. 30 Abs. 2 GO und konnte somit ebenso auf den Sonderausschuss übertragen werden. Gleiches gilt für die Beschlüsse unter den Tagesordnungspunkten 4.1, 9 und 10 der nichtöffentlichen Sitzung, die den Abschluss von Mietverträgen betrafen.
56
(g) Die Beschlussfassung unter Tagesordnungspunkt 4 der nichtöffentlichen Sitzung zu Grundstückangelegenheiten überschritt die Wertgrenzen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 lit. b) GeschO, unterhalb derer der Bau-, Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsausschuss zuständig gewesen wäre. Als Angelegenheit des Stadtrates konnten sie damit durch den Beschluss vom 11. Mai 2020 ebenfalls auf den Sonderausschuss übertragen werden.
57
(h) Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 der nichtöffentlichen Sitzung zur Vergabe des … und der Ehrenmedaillen der Beklagten 2020 betrafen Angelegenheiten, für die der Stadtrat nach § 2 Nr. 2 GeschO zuständig war und die somit mit dem Beschluss vom 11. Mai 2020 auf den Sonderausschuss übertragen werden konnten.
58
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Klage hatte nur hinsichtlich eines von 22 in der Sitzung des Sonderausschusses am 2. November 2020 gefassten Beschlüsse Erfolg. Insoweit liegt ein nur geringfügiges Unterliegen der Beklagten vor, das es rechtfertigt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO); Rechtsanwaltskosten sind dem Kläger nicht entstanden.