Titel:
Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle, Anfechtung einer glücksspielrechtlichen Befristung bzw. eines Widerrufsvorbehalts, Nebenbestimmung (verneint), Übergangsregelungen, vorweggenommene Ermessensbetätigung, glücksspielrechtliches Abstandsgebot, Ausnahme, atypischer Sachverhalt (verneint), Ermessensfehler (verneint)
Normenketten:
GlüStV 2021 § 9 Abs. 4 S. 2
AGGlüStV Art. 15 Abs. 2
AGGlüStV Art. 16
AGGlüStV Art. 7 Abs. 2 Nr. 4
Schlagworte:
Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle, Anfechtung einer glücksspielrechtlichen Befristung bzw. eines Widerrufsvorbehalts, Nebenbestimmung (verneint), Übergangsregelungen, vorweggenommene Ermessensbetätigung, glücksspielrechtliches Abstandsgebot, Ausnahme, atypischer Sachverhalt (verneint), Ermessensfehler (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43491
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Widerruflichkeit und die Befristung der ihr mit Bescheid des Beklagten vom 12.01.2022 erteilten Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten.
2
1. Die Klägerin betreibt am … in … eine Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten an die Wettveranstalterin … mit Sitz in … In ca. 115 Metern Entfernung zur Betriebsstätte befindet sich die …schule, die eine Förderschule für die Klassen 1 bis 9 ist und für Kinder von 3 bis 6 Jahren Schulvorbereitung anbietet.
3
Die Wettveranstalterin hat mit der Klägerin am 05.02.2018 einen unbefristeten Wettvermittlungsvertrag u.a. für die o.g. Betriebsstätte geschlossen (BA Teil 5 Bl. 45). Unter Ziff. 8.3 wurde vereinbart, dass der Wettvermittler am vertraglich vereinbarten Standort auf die Vermittlung von Wetten an den Wettveranstalter in gut sichtbarer Art und Weise hinzuweisen habe, nämlich mit „…“ „Inhaber NAME DES WETTVERMITTLERS“ (Wettvermittlungsvertrag S. 15).
4
Mit Bescheid vom 25.09.2018 (BA Teil 3 Bl. 5 ff.) hat die Regierung von … auf Antrag der Wettveranstalterin vom 29.10.2016 gegenüber der Wettveranstalterin von dem Erlass einer Untersagungsverfügung wegen der Vermittlung von Sportwetten für die Wettvermittlungsstelle der Klägerin am …, … abgesehen (sog. Duldung). Sie hat verfügt, dass die Duldung der Wettvermittlungsstelle zeitgleich mit der Beendigung der Duldung des Veranstalters durch aufsichtliche Maßnahmen der Glücksspielaufsichtsbehörde, mit Erteilung einer glückspielrechtlichen Vermittlungserlaubnis, spätestens jedoch mit Ablauf des 30.06.2021 ende, da gem. § 35 Abs. 2 GlüStV 2011 die Laufzeit des GlüStV seinerzeit bis zum 30.06.2021 begrenzt war. Die Duldung einer einzelnen Wettvermittlungsstelle ende ferner mit Beendigung des mit dem Veranstalter geschlossenen Wettvermittlungsvertrags.
5
Das Regierungspräsidium … hat der Wettveranstalterin am 09.10.2020 eine Konzession nach §§ 4a bis 4e i.V.m. § 10a GlüStV vom 15.12.2011 zur Veranstaltung von Sportwetten im Internet sowie zur terrestrischen Veranstaltung von Sportwetten befristet bis zum 30.06.2021 erteilt (vgl. BA Teil 5 Bl. 9 ff.).
6
Die Wettveranstalterin hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 15.03.2021 (vgl. PDF Export Teil 4 Bl. 12 ff.) für die Klägerin die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle an der benannten Betriebsstätte befristet bis zum 01.01.2035 gem. Art. 2 ff. AGGlüStV, § 4 GlüStV beantragt.
7
Die Regierung von … hat am 12.01.2022 einen Bescheid mit folgenden Anordnungen erlassen:
1. Der Firma … (kurz: Erlaubnisinhaberin) wird erlaubt, in der Wettvermittlungsstelle, … in … Sportwetten an den mit Konzession des Regierungspräsidiums … vom 09.10.2020 (Gz. …) erlaubten Veranstalter … im dort erlaubten Umfang zu vermitteln.
2. Diese Erlaubnis wird widerruflich erteilt.
3. Diese Erlaubnis gilt bis zum 31. Dezember 2022. Die Erlaubnis erlischt mit Beendigung des Wettvermittlungsvertrags oder mit dem Verlust der Konzession des Veranstalters.
[4. bis 7.: weitere Entscheidungen]
8
Die Widerruflichkeit ergebe sich aus § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Der Erlaubniserteilung stehe ein Versagungsgrund i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Zwischen der Wettvermittlungsstelle und der …schule – eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernbehinderung – betrage der Abstand 115 Meter. Eine Ausnahme könne bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht erteilt werden. Die …schule werde von Kindern der Klasse 1 bis 9 besucht. Es handle sich um eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernbehinderung. Damit handle es sich um eine besonders vulnerable Gruppe von Personen, die in besonderem Maße geschützt werden müssten. Da eine direkte Sichtverbindung zwischen Schule und Wettvermittlungsstelle bestehe, seien sie permanent mit dem glücksspielrechtlichen Angebot konfrontiert.
9
Ein atypischer Einzelfall im Sinne besonderer örtlicher Verhältnisse, der ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen könnte, liege damit nicht vor. Aus diesem Grund müsse auch hier das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen. Durch ihren starken Bezug zum Sport und dessen Akteuren würden Sportwetten die Gefahr bieten, dass sportbegeisterte Kinder und Jugendliche schon früh an Sportwetten und die Markennamen verschiedener Wettveranstalter herangeführt würden und darüber die Sportwette als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen werde. Daher sollten Kinder und Jugendliche im Umkreis von häufig aufgesuchten Einrichtungen (hier: …schule) nicht mit diesem Glücksspielangebot konfrontiert werden. Deshalb seien Abstände zu Schulen und Kinder- bzw. Jugendeinrichtungen notwendig und erforderlich, um den Werbe- und Gewöhnungseffekt auf vulnerable Bevölkerungsteile zu verhindern (vgl. Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland; LT-Drucksache 18/5861, S. 9).
10
Aufgrund der Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV habe die Erlaubnis befristet bis zum 31.12.2022 erteilt werden können. Die Wettvermittlungsstelle am … in …, sei mit Bescheid der Regierung von … vom 25.09.2018, Az.: … geduldet worden (Duldungsantrag vom 29.10.2016). Die Übergangsregelung finde somit Anwendung. Die Befristung sei erforderlich, um der Übergangsregelung Rechnung zu tragen. Die Länge der Befristung sei zudem verhältnismäßig, da sie den nach der gesetzlichen Regelung möglichen Zeitraum vollständig ausschöpfe. Eine darüberhinausgehende Befristung bei gleicher Sachlage sei nicht möglich.
11
Eine Erlaubnis dürfe nicht für das Vermitteln nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht erlaubter Glücksspiele erteilt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021, Art. 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AGGlüStV). Aus diesem Grund sei es verhältnismäßig, dass die Erlaubnis auch beim Verlust der Konzession des Wettveranstalters ende, zumal eine Erlaubnis zur Vermittlung von Glücksspielen eine Erlaubnis zur Veranstaltung dieser Glücksspiele voraussetze (vgl. Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AGGlüStV und § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021). Die Konzession des Wettveranstalters sei auf den 30. Juni 2021 befristet. Nach der Übergangsregelung des § 29 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2021 würden die bis zum Inkrafttreten des GlüStV 2021 erteilten und am 30. Juni 2021 wirksamen Erlaubnisse für die Veranstaltung von Sportwetten, auch wenn im Bescheid eine kürzere Frist festgelegt sei, bis zum 31. Dezember 2022 als Erlaubnis mit der Maßgabe fortgelten, dass abgesehen vom Erlaubniserfordernis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 die Regelungen des GlüStV 2021 Anwendung fänden. Ebenso sei die Hinfälligkeit der Erlaubnis bei Beendigung des Wettvermittlungsvertrags ermessensgerecht. So finde sich insbesondere kein milderes Mittel, um in einem solchen Fall den Anschein der Legalität, die durch diese Erlaubnis erweckt werde, zu verhindern.
12
2. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 09.02.2022 Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid vom 12. Januar 2022 mit dem Aktenzeichen … aufzuheben,
1. soweit dieser unter Ziffer 2 die Erlaubnis widerruflich erteilt ist,
2. soweit dieser unter Ziffer 3 eine Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 vorsieht.
13
Der Bevollmächtigte hat die Anträge damit begründet, dass eine kurze Befristung alleine wegen der Nähe zu einer Schule ist im vorliegenden Fall nicht sachgerecht sei. Die zuständige Erlaubnisbehörde könne unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls im Wege einer Ermessensentscheidung Ausnahmen von diesem Mindestabstand zulassen. Von diesem Ermessen habe die Erlaubnisbehörde keinen Gebrauch gemacht. Die Ablehnung von Ausnahmen werde damit begründet, dass sich von der Wettvermittlungsstelle der Klägerin in 115 m Luftlinie die …schule befinde. Weiter werde sich seitens der Behörde in der Begründung darauf berufen, dass eine direkte Sichtverbindung zwischen der Schule und der Wettvermittlungsstelle bestehen solle. Dies werde bestritten. Nach Begutachtung von Satellitenaufnahmen der Örtlichkeit sowie der Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit sei klar zu erkennen, dass es keine Sichtachse zwischen der …schule und der Wettvermittlungsstelle ( …, …) der Klägerin gebe. Das Ladenlokal der Klägerin dürfte sich auch nicht auf dem direkten Schulweg der meisten Schüler zu der Schule befinden. Mithin dürfte eine permanente Konfrontation der Schüler der …schule mit dem Glücksspielbetrieb der Klägerin nicht vorliegen. Dadurch, dass das Ladenlokal der Klägerin in einem Marktplatz eingebettet sei, dürfte auch ein atypischer Einzelfall im Sinne der Ausnahme für besondere örtliche Verhältnisse vorliegen. Das Ladenlokal dürfte den Kindern nicht auffällig erscheinen und sollte diesen aufgrund der Lage und der Außengestaltung nicht ins Auge springen. Auch bestünde die Möglichkeit, den Außenauftritt des Ladenlokals der Klägerin noch weiter so zu gestalten, dass dieser nicht unmittelbar mit Sport assoziiert werde. Weiter berufe sich die Behörde darauf, dass es sich bei der …schule um eine Förderschule mit Kindern der Klasse 1-9 handele; es werde behauptet, dass es sich hierbei um eine besonders vulnerable Gruppe von Personen handele. Diese Ansicht sei so nicht richtig und entspreche keiner wissenschaftlichen Grundlage. Gerade Kinder aus diesem Bereich und Altersgruppen hätten noch keinen Bezug zum Glücksspiel. Mithin könne ihr Interesse durch ein Werbeschild am Eingang des Ladenlokals der Klägerin nicht geweckt werden. Sollte dem doch so sein, dürfte auch die Teilnahme an Lottoglückspiel, welche ebenso unter staatlicher Aufsicht stehe wie das Angebot der Klägerin, in Kiosken und Zeitschriftenläden nicht erfolgen. Gerade in diesen Läden würden Kinder sogar in das Ladenlokal eingeladen beziehungsweise gelockt, dadurch, dass Comics und Süßigkeiten angeboten und im Schaufenster ausgestellt würden. Gerade dieser Zusammenhang dürfte Kinder viel mehr an das Glücksspiel heranführen, für welches auch außen an Kiosks geworben werde, im Gegensatz zu der Klägerin, deren Ladenlokal für Kinder vollkommen uninteressant sei, da in den Räumen nichts verkauft werde, was deren Interesse wecken könnte. In diesen Fällen von Lottoannahmestellen scheine die Erlaubnisbehörde auch kein Problem zu haben, dass Kinder in Läden verkehrten, wo Glücksspiel angeboten werde. Es könne sogar behauptet werden, dass sie überhaupt kein Zusammenhang zwischen dem Ladenlokal der Klägerin und dem Glücksspiel herstellen könnten. Die Reputation der Klägerin sei tadellos. Weder die Geschäftsführer noch andere Mitarbeiter seien der Behörde negativ aufgefallen. Es gebe keinen einzigen Fall der bezeugen könne, dass sich Minderjährige in dem Ladenlokal der Klägerin aufgehalten haben sollen. Auch habe die zuständige Behörde keine Interessenabwägung zwischen dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin und dem Schutz der Kinder vorgenommen. Sicherlich sei es richtig, dass das Schutzgut Kind immer den höchsten Stellenwert haben müsse. Im vorliegenden Fall sei aber auch zu berücksichtigen, dass eine derart kurze Laufzeit, wie sie hier durch die Befristung vorgegeben sei, wirtschaftlich für die Klägerin nicht darstellbar sei. Vorliegend gebe es nur eine behauptete hypothetische Gefährdungslage für Kinder, die durch die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nicht vorliegen dürfte, gegen jedoch erheblich eingeschränkte wirtschaftliche Interessen der Klägerin. Mithin sei festzustellen, dass die Behörde nicht alle möglichen Rechtsfolgen berücksichtigt und demzufolge das Ermessen enger gezogen habe, als es tatsächlich sei. Der Behörde sei demnach ein Ermessensfehler in Form einer Ermessensunterschreitung unterlaufen. Mithin dürfte klar feststehen, dass die Erlaubnisbehörde hier ermessensfehlerhaft entschieden habe. Eine Befristung über den 31.12.2022 sei auch gemäß GlüStV 2021 möglich. Auch sei die Erteilung bzw. eine Ausnahme von der Abstandsregelung im Sinne des AGGlüStV nach eigenem Vortrag der Behörde möglich.
14
Die Regierung von … hat für den Beklagten
beantragt. Zur Begründung hat sie auf die Begründung des Bescheids vom 12.01.2022 verwiesen.
15
Gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV sei – wie die Klägerseite selbst erkenne – die Erlaubnis zwingend widerruflich zu erteilen und zu befristen. Eine Erlaubniserteilung ohne Befristung und Widerrufsvorbehalt wäre rechtswidrig und könne daher nicht beansprucht werden. Demnach komme auch eine isolierte Aufhebung der entsprechenden Nebenbestimmungen im Bescheid vom 12.01.2022 im hypothetischen Erfolgsfall der Klage nicht in Betracht, da dieser Bescheid nicht ohne die Nebenbestimmungen erlassen worden wäre und auch nicht erlassen werden dürfte. Vor diesem Hintergrund erschließe sich dem Beklagten das Begehren der Klägerseite noch nicht ganz. Sollte sie mit ihrer Klage eine Änderung (Verlängerung) der Befristungsentscheidung zu ihren Gunsten erstreben, so möge dies auch hinreichend deutlich klargestellt werden. Mit den derzeit angekündigten Anträgen sei ihr jedenfalls nicht gedient. Soweit die Klägerseite vorliegend die Bestimmung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ins Feld führe, so gehe dies an der Sache vorbei. Nach dieser Bestimmung sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür zu versagen, wenn Sportwetten in Einrichtungen vermittelt werden, ohne einen Mindestabstand von 250 Metern Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche einzuhalten, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen könne. Die Klägerseite verkenne dabei jedoch, dass – wie in den Gründen des Bescheides unter 2.2 bereits ausführlich dargelegt – Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV vorliegend gar keine Anwendung finde. Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV finde für Wettvermittlungsstellen, für die am 16.06.2020 ein Duldungsbescheid bestanden habe, der bis zum 10.12.2019 beantragt worden sei, Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nämlich gerade keine Anwendung. Gemäß Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV trete die Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31.12.2022 außer Kraft. Da die Wettvermittlungsstelle mit Bescheid vom 25.09.2018 auf den Duldungsantrag vom 29.10.2016 hin geduldet worden sei, sei die Übergangsregelung vorliegend anzuwenden. Von daher sei die Dauer der – wie bereits ausgeführt – zwingend zu verfügenden Befristung ebenfalls auf den Ablauf des 31.12.2022 zu bestimmen gewesen, um der ab dem 01.01.2023 in Kraft tretenden Rechtslage Geltung zu verschaffen und eine entsprechende Neubewertung der Sachlage zu gegebener Zeit zu eröffnen. Dass hierin ein Ermessensfehler liegen könnte, sei weder klägerseits vorgebracht noch sonst wie ersichtlich.
16
Ob demnach der Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV vorliegend tatsächlich erfüllt sei, sei daher bei näherer Betrachtung nicht entscheidungserheblich.
17
Soweit die Klägerseite dazu in Abrede stelle, dass eine Sichtverbindung zwischen Wettbüro und der im Umgriff von 115 m Luftlinie befindlichen …schule bestehe, so werde auf das beigefügte Bilderkonvolut verwiesen, welches im Rahmen einer Ortsbegehung durch die Große Kreisstadt … am 22.04.2022 angefertigt worden sei. Aus diesem sei eindeutig ersichtlich, dass keine Sichthindernisse zwischen beiden Punkten bestünden, die Wettvermittlungsstelle also als solche auch von der Schule aus erkennbar sei.
18
Der Marktplatz sei als verkehrsberuhigte Zone ein Begegnungszentrum von Personen. Durch die Aufenthaltsqualität dieses Raumes würden alle sich dort befindlichen Personen auch mit dem Angebot der Wettvermittlungsstelle konfrontiert. Da dieser Raum zudem von den Schülern der …schule in den Pausen bzw. vor und nach der Schule genutzt werde bzw. genutzt werden könne, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Gruppe auch die Wettvermittlungsstelle wahrnehme. Selbst wenn ein Zutritt für minderjährige Personen ausgeschlossen werde, so würden diese dennoch durch die angebrachte Werbung an dieses Gewerbe gewöhnt und somit als potenzielle künftige Kunden angesprochen. Dies sei insbesondere auch deshalb der Fall, weil Kinder in den fortgeschrittenen Jahrgangsstufen wegen des meist vorhandenen sportlichen Interesses verbunden mit der kindlichen bzw. jugendlichen Neugier diesbezüglichen Angeboten besonders aufgeschlossen entgegenstünden.
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Der Marktplatz sei so gestaltet, dass ein Verweilen auf diesem naheliege. Die derzeitige Sanierung solle die Aufenthaltsqualität weiter verbessern und alle Nutzungen im Umfeld zu einem einheitlichen Ganzen zusammenführen. Dieses einheitliche Ganze sei jedoch bei Nutzungen von Gebäuden als Schule bzw. Wettbüro in einem so engen Abstand nicht ohne Weiteres möglich. Es sei auch keineswegs ausgeschlossen, dass Kinder und Jugendliche den Marktplatz zum Erreichen ihrer Schule benutzen. Bei einem Abstand von nur 115 Metern zwischen beiden hier in Rede stehenden Nutzungen müssten, um eine Ausnahme vom Mindestabstand rechtfertigen zu können, Hindernisse vorhanden sein, die es faktisch unmöglich machten, auf kurzem Wege zwischen beiden Gebäuden zu pendeln. Dies sei beispielsweise bei Flüssen oder Straßen der Fall, die eine teilende Wirkung entfalten würden (siehe hierzu auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – AZ 5 L 23/22). Derartiges sei hier aber nicht gegeben.
20
Die Klägerin betreibe eine Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft. Diese seien in der Regel so konzipiert, dass ein Verweilen zur Abgabe von Wetten möglich und auch erwünscht sei. In Zeitschriftenläden und Kiosken sei dies in der Regel nicht der Fall, weswegen die Wettvermittlung im dortigen Zusammenhang nur einen untergeordneten Bereich der gewerblichen Tätigkeit darstelle und somit im Nebengeschäft erfolge. Damit sei es auch gerechtfertigt, für beide Tätigkeitsbereiche differenzierte Regelungen zu treffen, die dem unterschiedlichen Gefährdungspotenzial Rechnung tragen würden. Der Verkauf von Waren in den genannten Gewerbebetrieben stelle die Haupttätigkeit dar und werde im Allgemeinen auch von Personen unter 18 Jahren auch so wahrgenommen.
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Es bestehe offenkundig ein erhebliches öffentliches Interesse daran, Kinder und Jugendliche vor schädlichen Einflüssen durch ihre Umwelt zu schützen. Dies gelte umso mehr, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um förderungsbedürftige Schülerinnen und Schüler handle, deren Urteilsvermögen (noch) eingeschränkt sein könne. Demgegenüber müsse das wirtschaftliche Interesse des Betreibers einer Wettvermittlungsstelle in diesem Umfeld zurücktreten. Die Regierung von … habe demnach bei ihrer Entscheidung über die Bemessung der Befristung des Bescheids vom 12.01.2022 die Interessen des Wettvermittlers an einem längerfristigen Betrieb mit dem Interesse der Kinder und Jugendlichen, möglichst unbehelligt von glücksspielrechtlichen Anreizen zu bleiben, mit- und gegeneinander abgewogen und Letzterem den Vorrang eingeräumt. Ein Ermessensfehler sei somit nicht ersichtlich.
22
Soweit der Klägerbevollmächtigte im Klagebegründungsschriftsatz des Weiteren eine Beeinflussbarkeit bzw. Anfälligkeit der hier in Rede stehenden Gruppen von Schülern durch die Konfrontation mit Angeboten der Wettvermittlung in Abrede stellen wolle, so würden die Ausführungen nicht nur jeglicher Grundlage entbehren, sie stünden auch mit den gesetzlichen Wertungen zugunsten des Kinder- und Jugendschutzes, auch und insbesondere wie sie im GlüStV und den hierzu erlassenen Ausführungsgesetzen ihren Niederschlag gefunden hätten, in offenkundigem Widerspruch. Es werde keine Veranlassung gesehen, sich zu diesen Mutmaßungen der Klägerseite tiefergehend zu äußern.
23
Soweit die Klägerseite schließlich ihre „Reputation“ ins Feld führe, erschließe sich dem Beklagten nicht, inwieweit dies vorliegend von Entscheidungserheblichkeit sein solle.
24
Mit Beschluss vom 13.04.2022 hat das Gericht den Antrag auf Beiladung der beiladungsinteressierten Wettveranstalterin … abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde durch die Klägerin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 19.05.2022 (Az. 23 C 22.1156) zurückgewiesen.
25
Mit Schreiben vom 10.08.2022 hat das Gericht die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
26
Wegen der Einzelheiten verweist das Gericht gem. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichts- und Behördenakten.
Entscheidungsgründe
27
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Das Gericht hat die Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
28
Die Klage hat keinen Erfolg. Es spricht Vieles dafür, dass sie bereits unzulässig ist (unter I.), darüber hinaus hat sie jedenfalls in der Sache keinen Erfolg (unter II.), weil der Bescheid vom 12.01.2022 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).
29
I. Die Klage dürfte bereits unzulässig sein, denn vorliegend ist nicht die Anfechtungs-, sondern die Verpflichtungsklage in der Form der Versagungsgegenklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft.
30
Gegen – einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügte – belastende Nebenbestimmungen ist zwar grundsätzlich eine isolierte Anfechtungsklage statthaft. Dies gilt insbesondere auch für Auflagen. Ob eine solche Anfechtungsklage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung in sinnvoller- und rechtmäßiger Weise bestehen bleiben kann. Eine isolierte Anfechtung ist jedoch dann nicht möglich, wenn entweder schon keine Neben-, sondern eine Inhaltsbestimmung vorliegt, oder eine isolierte Aufhebbarkeit von vornherein ausscheidet (BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2/00 – juris Rn. 25). Eine Inhaltsbestimmung regelt – im Gegensatz zu einer Nebenbestimmung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG – nicht lediglich ein zusätzliches, selbstständiges Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsgebot, das zwar der Erfüllung der Erlaubnisvoraussetzungen dient, aber zur Erlaubnis hinzutritt und keine unmittelbare Wirkung für Bestand und Geltung der Erlaubnis hat, sondern konkretisiert das Genehmigte unmittelbar und legt das erlaubte Tun fest (vgl. ThürOVG, B.v. 10.2.2015 – 1 EO 356/14 – juris Rn. 41; OVG NW, U.v. 10.12.1999 -21 A 3481/96 – juris Rn. 13 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 14.3.2013 – 12 LC 153/11 – juris Rn. 52). Anders als im Falle der Nichtbefolgung einer Auflage, die im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzen ist, führt die Nichtbefolgung einer Inhaltsbestimmung dazu, dass der Erlaubnisinhaber formell rechtswidrig handelt, da sein Verhalten nicht mehr vom Gegenstand der Erlaubnis umfasst wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 36 Rn. 12). Eine isolierte Aufhebbarkeit scheidet zudem von vornherein aus, wenn offenkundig ist, dass eine Ermessensentscheidung (vgl. Postel in: Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, GlüStV § 4 Rn. 51) nur eine Genehmigung unter Einhaltung der Nebenbestimmungen umfasst, so dass eine isolierte Aufhebung von vornherein nicht zu der Herstellung rechtmäßiger Zustände führen kann (vgl. SächsOVG, U.v. 10.10.2012 – 1 A 389/12 – juris Rn. 26; OVG Hamburg, U.v. 22.6.2017 – 4 Bf 160/14 – juris Rn. 66).
31
Gemessen daran scheidet eine isolierte Aufhebbarkeit der Befristung und der Widerruflichkeit der Erlaubnis – wie die bevollmächtigte Klägerin ausdrücklich beantragt hat – wohl aus, weil diese Bestimmungen konstitutive Bestandteile der glücksspielrechtlichen Erlaubnis sind (vgl. Peters in: Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, GlüStV § 9 Rn. 62). Da die Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nur befristet und widerruflich erteilt werden kann – es sich insoweit also gerade um keine Nebenbestimmung im Rechtssinne handelt –, könnte eine unbefristete und unwiderrufliche Erteilung nur mit Hilfe der Verpflichtungsklage durchgesetzt werden (vgl. OVG Hamburg, U.v. 22.6.2017 – 4 Bf 160/14 – juris Rn. 68).
32
Die erhobene Anfechtungsklage kann auch nicht in eine Versagungsgegenklage umgedeutet werden. Voraussetzung einer Umdeutung ist immer, dass dies dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Klagebegehrens entspricht und die entsprechende Auslegung nicht vom Kläger bewusst ausgeschlossen wurde. Bei einem von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag ist in der Regel ein strengerer Maßstab anzuwenden; die Umdeutung von Anträgen ist hier nur ausnahmsweise möglich (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 88 Rn. 3). Im vorliegenden Fall ist die Klage lediglich auf Anfechtung (vgl. Betreff der Klageschrift) gerichtet, auch die Klageanträge sind als die einer Anfechtungsklage formuliert. Auf die Klageerwiderung vom 05.05.2022 sowie auf die rechtlichen Bedenken im gerichtlichen Schreiben bezüglich der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage vom 10.08.2022 hin hat die Klägerin ihre Klage nicht entsprechend umgestellt. Demnach will die Klägerin ersichtlich an einer Anfechtungsklage festhalten.
33
II. Die Klage hat überdies jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Denn die Regelungen zur Widerruflichkeit und Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis im Bescheid vom 12.01.2022 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine unwiderrufliche und auf eine – wie im Verwaltungsverfahren beantragt – bis zum Jahr 2035 befristete Erlaubnis, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO.
34
1. Der Widerrufsvorbehalt ist nicht zu beanstanden, da er gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 konstitutiv für die glücksspielrechtliche Erlaubnis ist. Er ist insbesondere keine Nebenbestimmung. Der Beklagte musste bereits kraft Gesetzes den Widerrufsvorbehalt anordnen.
35
2. Die Befristung zum 31.12.2022 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 ist eine glücksspielrechtliche Erlaubnis – ebenfalls kraft Gesetzes – zu befristen.
36
a. Eine Erlaubnis zur Vermittlung von Glücksspielen setzt eine Erlaubnis zur Veranstaltung dieser Glücksspiele voraus, vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AGGlüStV und § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2021. Da die Konzession der Wettveranstalterin behördlicherseits auf den 30.06.2021 befristet war, hätte der Beklagte die glücksspielrechtliche Vermittlungserlaubnis der Klägerin grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt versagen müssen. Allerdings gilt aufgrund der gesetzlichen Übergangsregelung des § 29 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2021 die Erlaubnis des Veranstalters bis zum 31.12.2022 fort.
37
b. Weiterhin hat die Behörde die Erlaubnis zu Recht nicht gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV versagt, da dieser Versagungsgrund aufgrund der Übergangsregelungen in Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 AGGlüStV bis zum 31.12.2022 nicht zum Zug kommt und daher im Zeitpunkt der behördlichen und gerichtlichen Entscheidung nicht einschlägig ist. Zum einen hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie eine unbefristete – oder jedenfalls bis 2035 befristete – Erlaubnis begehrt, zum anderen erscheint es auch im Hinblick auf die Planungssicherheit der Beteiligten sachgerecht, bereits aktuell eine Entscheidung für die Zeit nach 2022 zu treffen, da die Erlaubnisvoraussetzungen ab dem Jahr 2023 feststehen. Soweit sich die tatsächlichen (und ggf. auch rechtlichen) Verhältnisse zukünftig ändern, steht der Klägerin selbstverständlich die Möglichkeit offen, die veränderten Umstände gegenüber der Behörde geltend zu machen und beispielsweise die Zulassung einer Ausnahme nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV zu „beantragen“.
38
Die behördlichen Erwägungen zu Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV für die Zeit ab dem 01.01.2023 erweisen sich vorliegend insbesondere nicht als ermessensfehlerhaft, vgl. § 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG.
39
Der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft ist nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV auch zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt werden ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen kann.
40
aa. Bei der …schule handelt es sich um eine Einrichtung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV. Diese befindet sich in 115 Meter Entfernung zur Betriebsstätte, sodass der Versagungsgrund des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV vorliegt.
41
bb. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte keine Ausnahme im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV angenommen hat. Seine Ermessensentscheidung dahingehend ist rechtsfehlerfrei und im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Rechtsfolge erfolgt.
42
Mit dem streitgegenständlichen Versagungsgrund verfolgt der Gesetzgeber das folgende Ziel:
„Die Abstandsregelung in Abs. 2 Nr. 4 dient der Suchtbekämpfung, da das Glücksspielangebot vor Ort und Anreize zum Spiel verringert werden. In einem Umkreis von 250 m zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstätten, Schulen für Kinder und Jugendliche sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sind Wettvermittlungsstellen verboten. Abstände zu Kinder- bzw. Jugendeinrichtungen (insbesondere Schulen) sowie zu Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstätten verhindern den Werbe- und Gewöhnungseffekt auf vulnerable Bevölkerungsteile. Durch ihren starken Bezug zum Sport und deren Akteuren bergen Sportwetten die Gefahr, dass sportbegeisterte Kinder und Jugendliche schon früh an Sportwetten und die Markennamen verschiedener Wettveranstalter herangeführt werden und darüber die Sportwette als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Daher sollen Kinder und Jugendliche im Umkreis von häufig aufgesuchten Einrichtungen nicht mit diesem Glücksspielangebot konfrontiert werden. Gleiches gilt auch für Einrichtungen, die der Suchtberatung bzw. -behandlung dienen.
Das Verbot nach Abs. 2 Nr. 4 gilt nur für Wettvermittlungsstellen, in denen Sportwetten im Hauptgeschäft angeboten werden. Bei Annahmestellen rechtfertigen es das geringere Wettangebot (keine Live-Wetten), die zurückhaltende Außendarstellung sowie das Gesamtgepräge einer Sportwettvermittlung im Nebengeschäft (eingebunden in das jeweilige Hauptgewerbe wie z. B. Kiosk, Schreibwarengeschäft, Tankstelle usw.) auf Abstandsgebote zu verzichten. Der Anziehungs- und Werbeeffekt einer solchen Wettvermittlungsstelle ist geringer als bei Wettvermittlungsstellen, deren Hauptzweck die Vermittlung von Glücksspielen ist. Im Übrigen wird mit dieser Regelung ein Gleichlauf zum Jugendschutzgesetz erreicht. Nach § 6 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes ist Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nur in Räumen verboten, die vorwiegend dem Spielbetrieb dienen. Kinder und Jugendliche dürfen demnach Räume, die Sportwetten nur im Nebengeschäft vermitteln, betreten, so dass ein Abstandsgebot zu Annahmestellen auch nicht zielführend wäre.“ (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9).
43
Nach Berücksichtigung des Wortlauts der Norm sowie des gesetzgeberischen Willens – auch unter Beachtung der Reden zu dem Gesetzesvorhaben im Plenum (vgl. Plenarprotokoll Nr. 18/39 S. 4889 ff. sowie Plenarprotokoll Nr. 17/48 S. 5870 ff.) – ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV hinsichtlich der beinhalteten Ausnahme eng anhand des Normzwecks auszulegen. Die Rechtsprechung fordert hinsichtlich der Erteilung einer Abweichung einen atypischen Sachverhalt, etwa besondere topografische Verhältnisse, da nach der Gesetzessystematik der Mindestabstand von 250 Metern im Regelfall eingehalten werden soll (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 – 5 L 23/22 – juris Rn. 35; SächsOVG, B.v. 5.10.2017 – 3 B 175/17 – juris Rn. 22).
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Gemessen daran hat der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen rechtfehlerfrei ausgeübt. Ein atypischer Sachverhalt, der eine andere Ermessensentscheidung bzw. eine Ermessensreduzierung auf Null gebietet, sodass eine Ausnahme anzunehmen wäre, liegt nicht vor.
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Aufgrund der durch den Beklagten dem Gericht vorgelegten Bilder ist zu erkennen, dass das streitgegenständliche Sportwettbüro trotz der Gestaltung des Marktplatzes im Umgriff der dortigen Kirche im Blickfeld der …schule liegt (vgl. S. 4 des mit Schriftsatz des Beklagten vom 05.05.2022 vorgelegten Bilderkonvoluts).
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Der Vorschlag der Klägerin, den Außenauftritt der Wettvermittlungsstelle dahingehend zu anzupassen, Sportelemente zu entfernen, konnte im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn einerseits ist es bereits zweifelhaft, ob nach dem Wortlaut der Norm eine Anpassung der Außenfläche des Betriebsstandorts für eine Ausnahme ausreicht. Darüber hinaus obläge es der Klägerin, substantiiert vorzutragen, wie konkret eine Änderung des Außenauftritts aussehen soll. Sodann wäre es Aufgabe des Beklagten, in einem etwaigen neuen Erlaubnisverfahren, die Möglichkeit der Zulassung einer Ausnahme auf der Grundlage der dann in Rede stehenden tatsächlichen Änderungen zu überprüfen.
47
Auch ist keine Ungleichbehandlung – unter entsprechender Heranziehung des gesetzgeberischen Willens und seiner Erwägungen zu Wettannahmestellen (s.o.) – zum Lottoglücksspiel im Nebengeschäft in Kiosken zu erkennen, mit dem Kinder und Jugendliche konfrontiert würden.
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Die Ablehnung der Ausnahme stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 12 i. V.m. Art. 19 Abs. 3 GG dar. Bei der Versagung der Erlaubnis handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung, die aufgrund der o.g. Erwägungen des Gemeinwohls zweckmäßig erscheint und den Eingriff rechtfertigt.
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III. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.