Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 28.11.2022 – B 7 K 22.245
Titel:

Inverkehrbringungsverbot, Cannabidiol (CBD), neuartige Lebensmittel, Aroma (verneint), Nachweispflicht des Klägers, Nachweis der Verwendungsgeschichte von Cannabidiol (CBD) als sicheres Lebensmittel in der Union (verneint), Bindungswirkung des Novel-Food-Katalogs (verneint), Irreführung, Verfahren zur Untersuchung einer Probe, Ausreißer (verneint)

Normenketten:
Artikel 138 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625
Artikel 6 VO (EU) Nr. 2015/2283
Artikel 7 Abs. 1a VO (EU) Nr. 1169/2011
Artikel 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2015/2283
Artikel 3 Abs. 2a VO (E6) Nr. 1334/2008
Leitsätze:
1. Die Anordnung bezieht sich auf Lebensmittel iSd Definition des Art. 3 I NFV iVm Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002. „Lebensmittel“ sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Unter diesen Begriff fallen auch die Produkte „…“ und „…“, die Cannabidiol enthalten, weil sie als Süßigkeiten dazu bestimmt sind, von Menschen aufgenommen zu werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das in den Produkten des Klägers enthaltene CBD wird aus Bestandteilen der Pflanze Cannabis sativa L. isoliert bzw. erzeugt. Lebensmittel, denen aus der Hanfpflanze oder synthetisch gewonnenes CBD zugesetzt worden ist, waren vor dem 15. 5. 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in den jetzigen Mitgliedstaaten der Union im Verkehr. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Lebensmitteln, denen CBD, das durch Extraktion aus der Hanfpflanze oder auch synthetisch gewonnen worden ist, zugegeben wurde, um neuartige Lebensmittel nach § 3 IIa). (redaktioneller Leitsatz)
3. Durch die Gutachten des LGL ist nachgewiesen, dass den Lebensmitteln „…“ und „…“ CBD zugegeben worden ist und es sich bei ihnen um neuartige Lebensmittel iSd NFV handelt. Dass in der Zutatenliste des Produkts „…“ lediglich „Hanf-Extrakt“ aufgeführt wird, ändert nichts an dieser Annahme, da im Zusammenhang mit dem Gutachten des LGL CBD in dem Produkt nachgewiesen werden konnte und das Produkt mit 8mg CBD beworben wird. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Inverkehrbringungsverbot, Cannabidiol (CBD), neuartige Lebensmittel, Aroma (verneint), Nachweispflicht des Klägers, Nachweis der Verwendungsgeschichte von Cannabidiol (CBD) als sicheres Lebensmittel in der Union (verneint), Bindungswirkung des Novel-Food-Katalogs (verneint), Irreführung, Verfahren zur Untersuchung einer Probe, Ausreißer (verneint), Novel-Food-VO
Fundstellen:
LSK 2022, 43488
LMuR 2023, 208
BeckRS 2022, 43488

Tenor

1. Nr. 3 des Bescheids der Beklagten vom 15.02.2022 wird aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6.
4. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung, über seinen Onlinehandel die Produkte „Goldhanf – Yummi Star“, „Goldhanf – Candy Bubbles“ und „Goldhanf – Marzipan in Honig“ sämtlicher Chargen und Geschmacksrichtungen in den Verkehr zu bringen sowie gegen die mit dieser Grundverfügung verbundenen Zwangsgeldandrohung.
2
1. Der Kläger betreibt einen Onlinehandel mit der Bezeichnung „…“ in … und vertreibt dort diverse Produkte. Die Beklagte hat am 12.10.2021 beim Kläger eine Verdachtsprobe der Produkte „…“, „…“ und „…“, letzteres Produkt hat eine Nennfüllmenge von 125 g, entnommen und anschließend an das Bayerische Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zur Untersuchung weitergeleitet (BA Bl. 60). Hinsichtlich des Produkts „…“ (Losnummer …) war eine Gegen- bzw. Zweitprobe nicht verfügbar (BA Bl. 145 und 147). Das LGL hat in seinen Gutachten vom 04.02.2022 (BA Bl. 130 ff. und 139 ff.) und vom 07.02.2022 (BA Bl. 151 ff.) folgende Ausführungen zu den begutachteten Produkten gemacht:
3
Bei dem Produkt „…“ wurde bei durchgeführten Untersuchungen ein Gehalt an Cannabidiol (CBD) von 264,9mg/100g nachgewiesen. Bei dem Produkt „…“ sei bei den durchgeführten Untersuchungen ein Gehalt an Cannabidiol von 291,7mg/100g nachgewiesen worden. Weitere Cannabinoide konnten jeweils nicht nachgewiesen werden. Es wurde festgehalten, dass es sich bei CBDhaltigen Hanfextrakten als auch bei synthetisch hergestelltem Cannabidiol um ein neuartiges Lebensmittel handle. Hinsichtlich des Produkts „…“ konnten weder Cannabidiol noch andere Cannabinoide nachgewiesen werden.
4
Mit Bescheid vom 15.02.2022 hat die Beklagte folgendes verfügt:
5
1. Dem Kläger wird bis auf Weiteres untersagt, über seinen Onlinehandel „…“ (…), die Produkte „…“, „…“ und „…“, sämtliche Chargen und Geschmacksrichtungen, in den Verkehr zu bringen.
2. (Sofortvollzugsanordnung)
6
3. Für den Fall, dass der Ziffer 1 nicht oder nicht vollständig nachgekommen wird, wird ein Zwangsgeld von je 500,00 EUR zur Zahlung fällig.
4. (Kostenentscheidung)
7
Den Bescheid hat die Beklagte damit begründet, dass es sich bei den Lebensmitteln „…“ und „…“ mit den laut Deklaration enthaltenen Zutaten „Cannabidiol (Canabis sativa L.)“ und „Hanfextrakt“ laut LGL um neuartige Lebensmittel handle, die nicht Art. 6 Abs. 2 der VO 2015/2283/EU entsprächen. Die beiden Produkte seien ohne erforderliche Zulassung in den Verkehr gebracht worden. Das Produkt „…“ werde auf dem Etikett mit der hervorgehobenen Angabe „100mg CBD“ beworben. Im Zutatenverzeichnis sei die Zutat „Cannabidiol“ angegeben. Bei den durchgeführten chemischen Untersuchungen hätten in dem vorgelegten Erzeugnis weder CBD noch andere Cannabinoide nachgewiesen werden können. Damit werde der Verbraucher bezüglich der Menge an CBD, einer wertbestimmenden Zutat, grob getäuscht. Die Angabe „100mg CBD“ in Verbindung mit der Angabe von „Cannabidiol“ im Zutatenverzeichnis sei daher als irreführend zu bewerten.
8
Bei dem Produkt „…“ („35g Fruchtgummi mit 10mg CBD …“) habe bei den durchgeführten Untersuchungen ein Gehalt von Cannabidiol von 291,7mg/100g nachgewiesen werden können. Es sei davon auszugehen, dass das Produkt als Zutat einen Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt aus der Pflanze Cannabis sativa L. enthalte oder Cannabidiol als Einzelsubstanz zugesetzt worden sei. Nach derzeitigem Kenntnisstand (Novel Food Recherche) seien CBD bzw. CBDhaltige Hanfextrakte nicht vor dem 15.05.1997 in der EU in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat verwendet worden. Dort sei derzeit ein Eintrag zu „Cannabinoids“ zu finden, auf den der separate Eintrag zu Cannabidiol ebenfalls verweise. Der Novel Food Status sei mit „X“ angegeben. Dieser bedeute, dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand der verantwortlichen Behörden in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten dieses Lebensmittel bzw. diese Lebensmittelzutat nicht vor dem 15.05.1997 in der EU in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden sei. Im Begleittext werde zudem erläutert, dass sich diese Einstufung sowohl auf Extrakte der Hanfpflanze Cannabis sativa L. als auch auf das synthetisch hergestellte CBD beziehe. Bei CBDhaltigen Hanfextrakten als auch bei synthetisch hergestelltem Cannabidiol handle es sich um ein neuartiges Lebensmittel. Für die Verwendung als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat werde eine Zulassung benötigt. Für CBD bzw. CBDhaltige Hanfextrakte ließen sich in der Unionsliste für zugelassene neuartige Lebensmittel keine entsprechenden Einträge finden.
9
Bei dem Produkt „…“ („8mg CBD …“) mit der Angabe „Hanfextrakt“ im Zutatenverzeichnis, habe bei den durchgeführten Untersuchungen ein Gehalt an Cannabidiol von 264,9mg/100g nachgewiesen werden können. Es sei davon auszugehen, dass das Produkt als Zutat einen Cannabidiolhaltigen Hanfextrakt aus der Pflanze Cannabis sativa L. enthalte. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei der Zutat „Hanfextrakt“ um ein neuartiges Lebensmittel handle.
10
Das Produkt „…“ werde auf dem Etikett mit der hervorgehobenen Angabe „100mg CBD“ beworben. Im Zutatenverzeichnis sei die Zutat „Cannabidiol“ angegeben. Außerdem befinde sich auf dem Etikett die Abbildung eines Hanfblattes. Insgesamt erwarte der Verbraucher somit den Inhaltsstoff Cannabidiol in dem vorliegenden Erzeugnis. Bei den Untersuchungen hätten in dem Erzeugnis weder CBD noch andere Cannabinoide nachgewiesen werden können. Die Nachweisgrenze für CBD liege bei 1,2mg/kg. Wenn dem Erzeugnis, wie angegeben, 100mg CBD zugegeben würden, würde der Gehalt bei einer Nennfüllmenge von 125g somit 800mg/kg betragen. Dieser Gehalt würde um den Faktor 667 über der Nachweisgrenze liegen und könne somit sicher nachgewiesen werden. Damit werde der Verbraucher bezüglich der Menge an CBD, einer wertbestimmenden Zutat des in Rede stehenden Erzeugnisses, grob getäuscht. Die Angabe „100mg CBD“ in Verbindung mit der Angabe von „Cannabidiol“ im Zutatenverzeichnis sei daher als irreführend zu bewerten.
11
Ein Verbot des Inverkehrbringens sei erforderlich gewesen. Die Grenzen des Auswahlermessens seien nicht überschritten, diese Einschätzung sei vor allem unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt, wobei einzelne Aspekte des Grundsatzes in Art. 138 Abs. 1 Satz 2 KontrollVO aufgegriffen worden seien. Die Maßnahme sei geeignet, um zu verhindern, dass der Lebensmittelunternehmer weiterhin Lebensmittel unter Missachtung lebensmittelrechtlicher Vorschriften und insbesondere ohne erforderliche Zulassung in Verkehr bringe. Das Verbot diene dazu, ein hohes Schutzniveau für den Endverbraucher sicherzustellen. Mildere, ebenso effektive Mittel seien auf Grund fehlender Zulassung nicht ersichtlich. Ein Vertrieb genannter Produkte ohne besagte Zulassung sei ausdrücklich zu versagen. Die Maßnahme sei angemessen. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung von lebensmittelrechtlichen Vorschriften überwiege – insbesondere im Hinblick eines hohen Schutzniveaus für den Verbraucher – das private Interesse am ununterbrochenen, uneingeschränkten Betrieb des Onlinehandels.
12
Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 ff. VwZVG. Zwangsmittel könnten nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Ein Zwangsgeld werde bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Zahlung fällig, ohne dass es hierzu eines weiteren Bescheides bedürfe. Es könne im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden. Das Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR sei im Hinblick eines hohen Gesundheitsschutzniveaus angemessen. Darüber hinaus entspreche die Höhe des Zwangsgeldes dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens (vgl. Art. 31 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 VwZVG).
13
2. Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 07.03.2022 Klage gegen den Bescheid erhoben und einen Eilantrag (Az. B 7 S 22.244) gestellt. Er hat hinsichtlich der Klage beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2022 wird aufgehoben.
14
Seine Klage hat er wie folgt begründet (vgl. Gerichtsakte (im Folgenden: GA) zum Verfahren B 7 S 22.244, Bl. 37 ff.): Aus den in der Akte befindlichen Gutachten des LGL sei nicht ersichtlich, dass es sich bei allen Präparaten überhaupt um Lebensmittel handeln solle. Um überhaupt ein Verbot für ein neuartiges Lebensmittel zu begründen, sei zwingende Voraussetzung, dass es sich überhaupt um ein Lebensmittel handle. In dem Gutachten des Bayerischen Landesamtes vom 11.11.2021 (Bl. 70 ff. d. A.) werde auf Seite 3 und 4 des Gutachtens behauptet, dass es sich bei dem Produkt „…“ des Klägers um ein Funktionsarzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG handeln solle. Nach Art. 2 der Basis-VO 178/2002/EG würden sich jedoch Lebensmittel und Arzneimittel zwingend gegenseitig ausschließen. Ein Produkt könne nicht gleichzeitig Arzneimittel und Lebensmittel sein. Da die Beklagte für das Arzneimittelrecht nicht zuständig sei, fehle es somit bereits an der sachlichen Zuständigkeit der Behörde.
15
Des Weiteren werde auf eine Stellungnahme der KPI … vom 15.12.2021 (Bl. 120 d. A.) verwiesen, in welcher diese ausführe, das untersuchte CBD-Öl falle mit seinem THC-Gehalt von 0,085% unter das Betäubungsmittelrecht. Ein Lebensmittel könne jedoch nicht gleichzeitig ein Betäubungsmittel sein.
16
Zudem sei davon auszugehen, dass die verbotenen Produkte Hanf als Zutaten verwenden. Hanf als solcher sei jedoch unstreitig sicher kein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung. lm Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission werde Cannabis sativa L. ausdrücklich als nicht neuartig qualifiziert. So die Beklagte jedoch schon nicht nachweisen könne, dass mit dem Produkt ein neuartiges Lebensmittel eingesetzt worden sei, fehle es auch einer notwendigen Rechtsgrundlage für das Vertriebsverbot.
17
Die Verwaltungsbehörde gehe in ihrem Bescheid davon aus, dass die verbotenen Lebensmittel sog. „neuartige Lebensmittel“ gem. Art. 3 Abs. 2 der VO 2015/2283/EG seien. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen im konkreten Fall in mehrfacher Hinsicht nicht vor.
18
Extrakte aus Cannabis sativa L. seien bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet worden. Es sei davon auszugehen, dass auch Produkte mit einem cannabidiolhaltigen Extrakt aus Cannabis sativa L. von mehr als 10 Prozent bereits vor dem 15. Mai 1997 in der Europäischen Union als Nahrungsergänzungsmittel verwendet worden seien. Allein diese Tatsache schließe den Anwendungsbereich der Novel-Food-Verordnung gem. Abs. 1 von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung 2005/2283/EG aus.
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Auch seien die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) iv nicht erfüllt. Denn es handle sich um Lebensmittel, das aus Pflanzen erzeugt worden sei, bei denen jedoch die entsprechende Pflanze über eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union verfüge, das Lebensmittel aus einer Pflanze erzeugt worden sei, die mithilfe herkömmlicher Vermehrungsverfahren gewonnen worden sei, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt worden seien. Die Pflanze Cannabis sativa L. sei als sicheres Lebensmittel beispielsweise in Positivlisten des Mitgliedstaates Italien aufgenommen, dies insbesondere für die Verwendung zulässiger Pflanzenbestandteile in Nahrungsergänzungsmitteln, also in konzentrierter Form in Extrakten ohne Höchstmengenbeschränkungen oder sonstigen Einschränkungen. Damit sei bereits deutlich gemacht, dass die in der Verordnung genannten Zutaten nicht als neuartige Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung gelten. Auch in einer Stoffliste des Deutschen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) finde sich für Cannabis sativa L., Hanfsamen der Eintrag „Lebensmittel“. Eine Einstufung als Novel Food erfolge nicht. Vor diesem Hintergrund handle es sich hier also nach wie vor um einen natürlichen Stoff, das bloße Extrahieren eines Stoffes im Sinne eines klassischen lebensmitteltypischen physikalischen Verfahrens ändere nichts an seiner Natürlichkeit.
20
Nichts Anderes ergebe sich auch aus dem Verweis auf den Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission. Die Europäische Kommission bezeichne diesen Katalog selbst als nicht rechtlich verbindlich und lediglich als „Orientierungshilfe“. Auch der EuGH führe in seinem Urteil vom 14.04.2011 (Az. C-327/09) aus, dass selbst eine negative Entscheidung der Kommission, mit der die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Lebensmittels in der Union verweigert werde, gegenüber Dritten nicht verbindlich sei. In der konkreten Entscheidung habe der EuGH entschieden, dass es trotz der Negativentscheidung der Kommission ein nationales Gericht eigens zu überprüfen habe, ob das jeweilige Produkt als neuartiges Lebensmittel einzustufen sei oder nicht. Verwiesen werde insbesondere auch hier auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes München vom 13.05.2004 – „Stevia“, in dem das Gericht zu Recht ausführe, dass an den Begriff in „nennenswertem Umfang“ nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden dürften. Das Verwaltungsgericht München habe seinerzeit entgegen der damaligen Rechtsauffassung der Überwachungsbehörde die Novel-Food-Eigenschaft verneint, in diesem Fall habe sich die Überwachungsbehörde sogar auf eine Entscheidung der EU-Kommission beziehen können, mit der ein Antrag auf Zulassung als neuartiges Lebensmittel verweigert worden sei. Wenn somit sogar entsprechende Entscheidungen der EU-Kommission ein Gericht nicht binden würden, gelte dies erst Recht für den selbst aus Sicht der EU-Kommission unverbindlichen Novel-Food-Katalog. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BGH gem. dessen Urteil vom 16.04.2005 (Az. I ZR 27/14).
21
Auch habe die Europäische Kommission bereits am 03.03.1998 bestätigt, dass „Übereinkunft erzielt wurde, dass Lebensmittel, die Teile der Hanfpflanze enthalten, nicht unter die Verordnung EG-Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten fallen.“ Daraus ergebe sich, dass das Produkt schon damals nicht neuartig gewesen sei.
22
Allein der Umstand, dass ein konkretes Produkt vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU vertrieben worden sei, reiche nach dem Wortlaut der Novel-Food-Verordnung gerade nicht aus. So heiße es entsprechend in Erwägungsgrund 17 der Novel-Food-Verordnung: „Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, sollten nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden“. Entscheidend sei vielmehr, ob das Ausgangslebensmittel in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibe oder verändert werde. Auch das OVG Nordrhein-Westfalen habe in seinem Beschluss vom 02.03.2021 (Az. 9 B 1469/20) ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei den verschiedenen CBDhaltigen Produkten differenziert werden müsse und nicht jedes Produkt und jeder Extrakt unabhängig von der Art und Weise des Herstellungsverfahrens und dem Gehalt an CBD der Novel Food-Verordnung unterliegen könne. In dieser Entscheidung werde sachgerecht zwischen verschiedenen Produkten nach der Art und Weise des Extrakts und dem Gehalt an Cannabidiol differenziert. Das OLG Frankfurt a. M. habe beispielsweise in seinem Beschluss vom 02.03.2021 (Az. 6 W 15/21) ausgeführt, dass, da es um ein Vertriebsverbot für ein Erzeugnis gehe, mit Rücksicht auf die weitreichenden Konsequenzen an die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast gesteigerte Anforderungen zu stellen seien. Diesen Anforderungen werde die Beklagte hier nicht gerecht. Das Gericht stelle in seiner Entscheidung auch klar, dass eine bloße Extraktion gerade nicht die Einstufung als neuartiges Lebensmittel rechtfertige.
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Unabhängig von den vorherigen Ausführungen verkenne die Beklagte, dass es sich bei den verbotenen Produkten um sog. Aromaprodukte handle. Nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 b) iii) gelte die Novel Food-Verordnung nicht für Lebensmittelaromen gem. der Verordnung 1334/2008/EG. Das heiße, die fraglichen Hanfprodukte seien aus dem Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung bereits zwingend ausgeschlossen. Es werde in das Allgemeinwissen und die eigene Sachkunde des Gerichtes gestellt, dass Hanfaromen heute für die Aromatisierung nichtalkoholischer oder für alkoholische Getränke verwendet würden, auch zum Aromatisieren von Backwaren sowie zum natürlichen Konservieren von Lebensmitteln. Für all dies sei ätherisches Öl nutzbar. Auch könnten Cannabinoide/Terpene konservierende (antibakterielle) Eigenschaften haben, die eine Hanf-Aromatisierung in Lebensmitteln begründen würden. Auch werde vorgetragen, dass es insbesondere für die Kombination von Hanf-Samenöl und Hanf-Aromaöl gute Gründe gebe, nämlich könne das native Samenöl leicht oxidieren und schmecke ranzig. Dem könne durch Hanfaroma entgegengewirkt werden. Ein Hanf-Armomaextrakt diene auch objektiv der Aromatisierung, so könne der Zusatz von Hanf-Aromaextrakt einen erheblichen Einfluss auf das Aroma und den Geschmack des Endproduktes Nahrungsergänzungsmittel haben. Auch werde die Kaufentscheidung für derartige Produkte von den meisten Konsumenten aufgrund der Aromatisierung getroffen und ein Hanf-Aromaextrakt weise mithin alle erforderlichen Merkmale auf, die einen Aromaextrakt-Status rechtfertigen und damit den Ausschluss von einer Novel-Food-Bewertung zur Folge hätten.
24
Die Beklagte hat den Antrag gestellt (vgl. GA zum Verfahren B 7 S 22.244, Bl. 54 ff.):
25
Die Klage wird abgewiesen.
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Sie begründet ihren Antrag u.a. mit einem Verweis auf den streitgegenständlichen Bescheid. Der Sachvortrag des Klägers werde vollumfänglich bestritten. Das LGL sei um fachliche Stellungnahme hinsichtlich der beanstandeten Produkte gebeten worden (Stellungnahme vom 30.03.2022). Die streitgegenständlichen Produkte würden explizit als Lebensmittel eingestuft. „…“ und „…“ seien zu keinem Zeitpunkt Inhalt des angegriffenen Bescheids gewesen. Ausführungen des Prozessbevollmächtigten seien für dieses Verfahren ohne Relevanz.
27
Der Eintrag zur Hanfpflanze (Eintrag „Cannabis sativa L.“) sei nicht einschlägig. Streitgegenständlich seien cannabinoidreiche Extrakte bzw. Isolate aus der Hanfpflanze oder synthetisch hergestelltes Cannabidiol (CBD), die im Novel-Food-Katalog unter dem Eintrag „Cannabinoids“ separat erfasst seien. Dort würden derartige Extrakte, Isolate und Reinstoffe explizit als neuartige Lebensmittel klassifiziert.
28
Hinsichtlich der Ausführung des Prozessbevollmächtigten, dass Extrakte aus der Hanfpflanze und insbesondere Nahrungsergänzungsmittel mit einem CBD-Gehalt von 10% bereits vor dem Stichtag der Novel-Food-Verordnung in der EU in nennenswertem Umfang von Menschen verzehrt worden seien, handle es sich um eine reine Tatsachenbehauptung, die ohne Belege vorgetragen worden sei. So werde beispielsweise in einer aktuellen Übersichtsarbeit von Lachenemeyer et al. explizit festgehalten, dass Produkte wie CBD-Öle 1998 noch nicht als Lebensmittel vertrieben worden seien.
29
Die Darstellung, dass Cannabis sativa L. in der italienischen Positivliste für die Verwendung zulässiger Pflanzenbestandteile in Nahrungsergänzungsmitteln ohne Höchstmengenbeschränkung oder sonstige Einschränkungen aufgenommen sei, sei sachlich falsch. Die Verwendung werde auf den Samen der Pflanze und das daraus gewonnene Öl beschränkt. In der Stoffliste des BLV finde sich die Beschränkung auf den Pflanzenteil „Samen“. Samen der Cannabispflanze enthielten praktisch keine Cannabinoide. Diese finde man vor allem in den Blättern und Blüten der Pflanze. Für die Herstellung CBDreicher Extrakte oder Isolate würden andere Pflanzenteile als die Samen extrahiert. Weder die italienische Positivliste, noch die deutsche BLV-Stoffliste seien geeignet, um daraus eine Verkehrsfähigkeit, geschweige denn die Sicherheit der infrage stehenden Produkte abzuleiten. Die Ausführungen des Klägers seien hierzu somit unrichtig. Auch das BLV halte CBDhaltige Hanfextrakte und jedes mit solchen Extrakten versetzte Lebensmittel für neuartig.
30
Nach aktueller Rechtsprechung komme es auf das aus dem Ausgangsstoff erzeugte, zu beurteilende Produkt an, ob es ein neuartiges Lebensmittel sei. Auch der Europäische Gerichtshof habe entschieden, dass der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 der VO 258/97 erfüllten oder unbedenklich seien, nicht dafür ausreiche, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob dieses als neuartiges Lebensmittel einzustufen sei, sei für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen, da nicht auszuschließen sei, dass der Herstellungsvorgang in der Struktur eines Lebensmittels zu physikalischen, chemischen oder biologischen Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen könne. Zur Frage, ob das Urteil des EuGH auf die derzeit gültige Novel-Food-Verordnung übertragen werden könne, verweist die Beklagte auf diverse Rechtsprechung.
31
Die Tatsache, dass der Novel-Food-Katalog nicht rechtsverbindlich sei, stehe seiner Heranziehung nicht entgegen. Der Novel-Food-Katalog gehe von der Neuartigkeit derartiger Extrakte oder synthetisch gewonnenem CBD aus, auch nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handle es sich bei Lebensmitteln, denen CBD zugegeben worden sei, das durch Extraktion aus der Hanfpflanze oder auch synthetisch gewonnen worden sei, um neuartige Lebensmittel.
32
Hinsichtlich der angeführten Bestätigung der Europäischen Kommission sei diese nicht geeignet, eine Verkehrsfähigkeit von CBDhaltigen Lebensmitteln zu begründen. Hierzu werde auf eine Antwort der Bundesregierung vom 25.07.2019 verwiesen, in der es auszugsweise heiße, dass sich die betreffende Aussage nur auf solche Erzeugnisse, die aufgrund der betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Bestimmungen nicht vom Lebensmittelbegriff ausgenommen seien, beziehe. Andernfalls sei es, wie im Fall der Cannabinoide, als neuartiges Lebensmittel anzusehen. Produkte wie CBD-Öle seien 1998 noch nicht als Lebensmittel vertrieben worden, die Europäische Kommission habe sich zu deren Einstufung nicht äußern können, so bei Lachenmeyer et al.
33
Der Verweis auf Erwägungsgrund 17 der Novel-Food-Verordnung verfange nicht. Dieser beziehe sich auf Lebensmittel, die ausschließlich aus nicht neuartigen Zutaten hergestellt seien. Hier seien aber nicht mehr sämtliche Zutaten nicht neuartig. Die insoweit angeführten Gerichtsentscheidungen würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen, die der Kläger zitiert, gehe jedenfalls implizit ebenfalls von der Neuartigkeit der CBDreichen Extrakte oder Isolate aus. Die Entscheidung des vom Kläger zitierten OLG Frankfurt am Main sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
34
Es handle sich bei den streitgegenständlichen Erzeugnissen auch nicht um Aromaprodukte. Auf der Schauseite der Verpackungen werde explizit auf den CBD-Gehalt der Erzeugnisse hingewiesen. Dies verdeutliche, dass der CBD-Zusatz in den vorliegenden Erzeugnissen nicht der Aromatisierung von Speisen, sondern vor allem der Zufuhr von CBD diene. Maßgeblich für die Kaufentscheidung eines durchschnittlich informierten Verbrauchers dürfte auch primär der CBD-Gehalt der Produkte und nicht deren Geschmack nach Hanf sein. Der Zusatz von physiologisch wirksamen Stoffen entspreche keinesfalls der Definition eines Aromas, dies sei in der Rechtsprechung anerkannt. Die Produkte sollten ausweislich ihrer Kennzeichnung gerade andere sensorische Eigenschaften aufweisen als einen Geschmack nach Hanf, die Produkte würden mit Geschmacksrichtungen ausgelobt. Das zugesetzte CBD werde in den jeweiligen Zutatenverzeichnissen als „Hanf-Extrakt“ bzw. „Cannabidiol (Cannabis sativa L.)“ bezeichnet und nicht als Aroma. Es mangele bei den jeweiligen Zutaten schon an der besonderen Zweckbestimmung zur Geruchs- und/oder Geschmacksverleihung oder -veränderung. Auch bei den Zutaten, die einem Lebensmittel aufgrund ihrer technologischen Eigenschaften zugesetzt würden, etwa ihrer konservierenden oder antioxidativen Eigenschaften, würde es sich ebenfalls nicht um Aromen, sondern Zusatzstoffe im Sinne der VO (EG) 1333/2008 handeln.
35
Mit Beschluss vom 11.04.2022 hat das Gericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Einer gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 18.07.2022 stattgegeben (Az. 20 CS 22.1069) und die Sofortvollzugsanordnung in Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 15.02.2022 aufgehoben, weil die Begründung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt habe.
36
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 20.05.2022 zu einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheids angehört.
37
Gem. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO nimmt das Gericht wegen der Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug.

Entscheidungsgründe

38
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Das Gericht hat die Beteiligten gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Die Beklagte hat sich mit dem Erlass eines Gerichtsbescheids einverstanden erklärt, die Klägerseite hat sich weder auf die diesbezügliche Anhörung noch auf das Schreiben des Gerichts geäußert, mit dem gebeten worden war, eine (ergänzende) Klagebegründung vorzulegen.
39
Die zulässige Klage hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Nr. 3 des Bescheids vom 15.02.2022 richtet (unter I.). Im Übrigen hat sie in der Sache keinen Erfolg, da der Bescheid rechtmäßig ist und die Rechte des Klägers nicht verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (unter II.).
40
I. Soweit sich die Klage gegen die Nr. 3 des Bescheids vom 15.02.2022 richtet, ist sie begründet. Denn der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
41
Der Grundverwaltungsakt ist schon nicht vollstreckbar gem. Art. 19 Abs. 1 VwZVG. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 18.07.2022 (Az. 20 CS 22.1069) die Sofortvollzugsanordnung aufgehoben und die Beklagte hat im Nachgang keine neue Sofortvollzugsanordnung erlassen. Überdies hat die Beklagte – für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO – bei der Abfassung der Zwangsgeldandrohung auch nicht „hilfsweise“ auf den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Grundverfügung abgestellt.
42
Damit sorgt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO dafür, dass der Grundverwaltungsakt nicht vollstreckbar ist.
43
Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel, ob die Zwangsgeldandrohung im Sinne des Art. 36 Abs. 5 VwZVG hinreichend bestimmt ist. Denn bereits aus dem Wortlaut der Zwangsgeldandrohung geht nicht eindeutig hervor, in welchem Fall welches Zwangsgeld fällig werden soll. Die Kombinationsmöglichkeit der drei streitgegenständlichen Produkte mit sämtlichen Chargen und Geschmacksrichtungen lässt nicht hinreichend erkennen, in welchem konkreten Fall und in welcher Höhe das Zwangsgeld fällig wird.
44
Aufgrund der Formulierung in Nr. 3 bestehen auch Zweifel dahingehend, ob nicht Zwangsgelder „auf Vorrat“ angedroht werden. Soweit die Zwangsgeldandrohung nämlich so zu verstehen sein sollte, dass ein Zwangsgeld bei jedem (weiteren) Verstoß fällig werden soll, der sich auf eine weitere Charge bezieht, läge eine nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG unzulässige Androhung „auf Vorrat“ vor (vgl. BVerwG, GB v. 26.6.1997 – 1 A 10/95 – juris Rn. 33 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 13.10.1986 – 22 CS 86.01950 – NVwZ 1987, 512).
45
II. Im Übrigen hat die Klage in der Sache keinen Erfolg.
46
1. Die Rechtsgrundlage des Inverkehrbringungsverbots ist Art. 138 Abs. 1 Satz 1 b), Satz 2, Art. 138 Abs. 2 d) der VO (EU) Nr. 2017/625 (im Folgenden: KontrollVO). Wenn ein Verstoß festgestellt wird, ergreifen die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften. Wenn die zuständigen Behörden im Einklang mit Absatz 1 dieses Artikels tätig werden, ergreifen sie alle ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Artikel 1 Absatz 2 zu gewährleisten; dazu gehören, jedoch nicht ausschließlich, die folgenden Maßnahmen: sie beschränken oder verbieten das Inverkehrbringen, die Verbringung, den Eingang in die Union oder die Ausfuhr von Tieren und Waren und sie verbieten ihre Rückkehr in den versendenden Mitgliedstaat, oder sie ordnen ihre Rückkehr in den versendenden Mitgliedstaat an.
47
Vorliegend war ein Einschreiten der Beklagten geboten, weil ein Verstoß des Klägers gegen Art. 6 der VO (EU) Nr. 2015/2283 (im Folgenden: NFV) sowie Art. 7 Abs. 1 a) der VO (EU) Nr. 1169/2011 (im Folgenden: LMIV) vorliegt.
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Nach Art. 6 Abs. 2 NFV dürfen nur zugelassene und in der – nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 bis 9 NFV erstellten – Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden.
49
Nach Art. 7 Abs. 1 a) LMIV dürfen Information über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung.
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2. Der Bescheid ist – von der Zwangsgeldandrohung abgesehen – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
51
a. Hinsichtlich der Produkte „…“ und „…“, die als Zutaten „Cannabidiol (Cannabis sativa L.)“ und „Hanfextrakt“ enthalten, bezieht sich die Untersagungsverfügung auf neuartige Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 a) iv) NFV. „Neuartige Lebensmittel“ sind alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in mindestens eine der folgenden Kategorien fallen: (…)
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iv) Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden, ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits gewonnen wurde mithilfe
- herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, oder
- nicht herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15. Mai 1997 in der Union nicht zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, sofern diese Verfahren nicht bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels bewirken, die seinen Nährwert, seine Verstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen.
53
aa. Die Anordnung bezieht sich auf Lebensmittel im Sinne der Definition des Art. 3 Abs. 1 NFV i.V.m. Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002. „Lebensmittel“ sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Unter diesen Begriff fallen auch die Produkte „…“ und „…“, die Cannabidiol enthalten, weil sie als Süßigkeiten dazu bestimmt sind, von Menschen aufgenommen zu werden.
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bb. Das in den Produkten des Klägers enthaltene CBD wird aus Bestandteilen der Pflanze Cannabis sativa L. isoliert bzw. erzeugt (vgl. VG Berlin, B.v. 21.2.2022 – 14 L 611/21 – juris Rn. 35). Lebensmittel, denen aus der Hanfpflanze oder synthetisch gewonnenes CBD zugesetzt worden ist, waren vor dem 15.05.1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in den jetzigen Mitgliedstaaten der Union im Verkehr. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Lebensmitteln, denen CBD, das durch Extraktion aus der Hanfpflanze oder auch synthetisch gewonnen worden ist, zugegeben wurde, um neuartige Lebensmittel nach § 3 Abs. 2 a) NFV (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2022 – 20 CS 22.307 – juris Rn. 6 m.w.N.). Durch die Gutachten des LGL ist nachgewiesen, dass den Lebensmitteln „ …“ und „…“ CBD zugegeben worden ist und es sich bei ihnen um neuartige Lebensmittel im Sinne der NFV handelt (Behördenakte Bl. 130 ff. und 139 ff.). Dass in der Zutatenliste des Produkts „…“ lediglich „Hanf-Extrakt“ (Behördenakte Bl. 129) aufgeführt wird, ändert nichts an dieser Annahme, da im Zusammenhang mit dem Gutachten des LGL (Behördenakte Bl. 132) CBD in dem Produkt nachgewiesen werden konnte und das Produkt mit 8mg CBD beworben wird (Behördenakte Bl. 128).
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cc. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgetragenen Einwendungen ändern nichts an dieser Einstufung als „neuartige Lebensmittel“.
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(a) Soweit der Prozessbevollmächtigte vorträgt, dass ein Produkt nicht gleichzeitig Arzneimittel und Lebensmittel sein könne, verkennt er, dass das seinerseits behauptete Produkt „…“ nicht Teil des streitgegenständlichen Bescheids ist. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Produkte hat der Kläger nichts dargelegt, dass es sich um Arzneimittel handeln würde. Ebenfalls kam es nicht darauf an, ob ein Lebensmittel gleichzeitig ein Betäubungsmittel sein könne. Denn die Feststellung, dass ein Produkt unter das Betäubungsmittelrecht falle, bezog sich in der Stellungnahme der KPI … ausdrücklich auf das untersuchte „…“ (Behördenakte Bl. 120), nicht auf die untersuchten streitgegenständlichen Produkte.
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(b) Soweit der Prozessbevollmächtigte darauf hinweist, dass es sich bei den verbotenen Produkten um sog. Aromaprodukte handle, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Die NFV gilt nach Art. 2 Abs. 2 b) iii) zwar nicht für Lebensmittel, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 als Lebensmittelaromen verwendet werden. Diese Annahme trifft aber auf die streitgegenständlichen Produkte bzw. das CBD bzw. den Hanf-Extrakt nicht zu.
„Aroma“ ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 2 a) VO (EG) Nr. 1334/2008 ein Erzeugnis, das als solches nicht zum Verzehr bestimmt ist und Lebensmitteln zugesetzt wird, um ihnen einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern (Ziff. i), und das aus den Kategorien Aromastoffe, Aromaextrakte, thermisch gewonnenen Reaktionsaromen, Raucharomen, Aromavorstufen sowie sonstigen Aromen oder deren Mischungen hergestellt wurde oder besteht (Ziff. ii). Die Definition des Begriffes Aroma besteht demnach aus zwei Teilen, nämlich einer Abgrenzung nach der Zweckbestimmung und einer Abgrenzung nach Kategorien von Stoffen, aus denen Aromen hergestellt werden oder bestehen. Diese beiden Teile der Definition sind kumulativ anzuwenden, das heißt ein Stoff ist nur dann ein Aroma, wenn er beide Begriffselemente erfüllt (VG Regensburg, B.v. 21.1.2022 – RN 5 S 21.2172 – juris Rn. 44).
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Gemessen daran fehlt es bezüglich der einzelnen Produkte bereits an der besonderen Zweckbestimmung von CBD zur Geruchs- und/oder Geschmacksverleihung oder -veränderung. Werden mit dem zugesetzten Stoff hingegen hauptsächlich ernährungsphysiologische Zwecke verfolgt, handelt es sich bereits begrifflich nicht um ein „Aroma“ oder einen „Aromaextrakt“ (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2022 – 20 CS 22.307 – juris Rn. 8). Dass es sich um rein ernährungsphysiologische Zwecke handelt, legt der Kläger durch seine Webpräsenz mehr als nahe. Denn dort schreibt er: „…“ (… aufgerufen am 17.11.2022).
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Insoweit ist augenscheinlich der Hauptzweck des Cannabidiols nicht die Aromatisierung der angebotenen Produkte, sondern seine physiologische Auswirkung auf den Konsumenten. Dass es sich nicht um Aromen handelt, ist auch aus einem systematischen Vergleich mit
60
Art. 18 Abs. 2 und 4 LMIV i.V.m. deren Anhang VII Teil D zu sehen. Danach sind Aromen im Zutatenverzeichnis mit den Begriffen „Aroma/Aromen“ zu bezeichnen. Da in den jeweiligen Zutatenlisten der streitgegenständlichen Produkte das CBD nicht als Aroma angeführt wird (* …: Hanf-Extrakt, BA Bl. 129; …: Cannabidiol [Cannabis sativa L.], BA Bl. 143) liegen hier auch keine Aromen vor. In den Zutatenlisten der Produkte wurden Aromen und Geschmacksstoffe (z.B. Zitronen- oder Orangenfruchtpulver) sowie „natürliche Aromen“ bzw. „Aromen“ ausdrücklich benannt. Die Zutaten Cannabidiol bzw. Hanfextrakt sind nach alledem – schon nach Eigendeklaration – keine Aromen.
61
(c) Der Novel Food-Katalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung im Rechtssinne, indiziert aber das Vorliegen der Novel Food-Eigenschaft. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelzutat nicht neuartig ist, trägt derjenige, der das Lebensmittel in den Verkehr bringen will (vgl. VGH BW, B.v. 8.2.2021 – 9 S 3951/20 – juris Rn. 16 m.w.N.; BayVGH, U.v. 12.5.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn. 19 ff.).
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Zwar bleibt die mit dem Vollzug lebensmittelrechtlicher Vorschriften beauftragte Behörde nach allgemeinen Grundsätzen zur Amtsermittlung verpflichtet (Art. 24 BayVwVfG); den Lebensmittelunternehmer trifft nach Art. 4 Abs. 1 NFV jedoch nicht nur die Pflicht zur eigenverantwortlichen Überprüfung, ob das jeweilige Lebensmittel in den Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung fällt, sondern nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 NFV auch die Obliegenheit, dem betroffenen Mitgliedstaat die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, um die Anwendbarkeit der Verordnung zu überprüfen. Lässt sich nach Auswertung der seitens des Lebensmittelunternehmers beigebrachten und der Behörde von Amts wegen bekannten oder bekannt gewordenen Information nicht feststellen, dass das betroffene Lebensmittel über eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union verfügt, wirkt dies zu Lasten des Lebensmittelunternehmers (vgl. VGH BW, B.v. 8.2.2021 – 9 S 3951/20 – juris Rn. 16).
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Gemessen hieran greifen die Einwände des Klägers nicht durch. Die streitgegenständlichen Produkte sind Lebensmittel, die vor dem 15.05.1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Diese Indizwirkung hat der Kläger – durch seinen Prozessbevollmächtigten – nicht zur Überzeugung der entscheidenden Kammer widerlegt.
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Soweit der Prozessbevollmächtigte vorträgt, dass davon auszugehen sei, dass auch Produkte mit einem cannabidiolhaltigen Extrakt aus Cannabis sativa L. von mehr als 10% bereits vor dem 15.05.1997 in der EU als Nahrungsergänzungsmittel verwendet worden seien, hat er diese Behauptung nicht nachgewiesen, da er sie weder durch entsprechende Dokumente (z.B. Lieferlisten) noch Sachverständigengutachten untermauert hat.
65
Auch die Verwendungsgeschichte der entsprechenden Pflanze als sicheres Lebensmittel untermauert der Kläger nicht weiter. Das hier verwendete CBD bzw. Hanf-Extrakt hat nach aktuellem Erkenntnisstand keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Europäischen Union, sodass die Ausnahmeregelung in Art. 3 Abs. 2 a) iv) nicht greift (vgl. VG Regensburg, B.v. 21.1.2022 – RN 5 S 21.2172 – juris Rn. 56 m.w.N.). Lebensmittel im Sinne dieser Ausnahmevorschrift ist das zu beurteilende Lebensmittel bzw. die Lebensmittelzutat (hier das CBD bzw. der Hanfextrakt), nicht das Ausgangsprodukt bzw. die verarbeitete Pflanze Cannabis sativa L. (vgl. VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – juris Rn. 44; Ballke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, Stand 183. EL März 2022, VO (EU) 2015/2283, Art. 3 Rn. 91). Für eine solche Verwendungsgeschichte sind aus dem Vorbringen des Klägers keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger konnte diese Indizwirkung für das Vorliegen der Novel-Food-Eigenschaft nicht widerlegen.
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Aus dem Novel Food-Katalog ergibt sich unter dem Stichwort „Cannabidiol“ und „Cannabinoids“ eine Indizwirkung dahingehend, dass die streitgegenständlichen Lebensmittel neuartig sind:
„Without prejudice to the information provided in the novel food catalogue for the entry relating to Cannabis sativa L., extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated.“
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Feststellungen des BVL, das gem. Art. 4 Abs. 2 NFV, § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel zuständige Behörde für Konsultationen ist, unterstreichen diese Annahme. Demnach stuft es cannabinoidhaltige Extrakte aus Cannabis sativa L. sowie synthetisch hergestellte Cannabinoide als neuartig ein. Es stuft Hanfextrakte als neuartig ein, wenn sie Cannabinoide enthalten (vgl. https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/FAQ/DE/02_Unternehmer/01_Lebensmittel/03_FAQ_ Hanf_THC_CBD/03_FAQ_Cannabidiol_CBD.html, abgerufen am 23.11.2022). Dies spricht hier für ein neuartiges Lebensmittel.
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Soweit der Kläger mit dem Erwägungsgrund 17 der NFV argumentiert, dringt er damit nicht durch. Dieser besagt in der deutschen Fassung:
„Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, sollten nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden. Lebensmittelzutaten, die verändert wurden und die in der Union bisher nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden, sollten hingegen in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.“
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Daraus folgt – vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu CBD bzw. Hanfextrakten –, dass der 17. Erwägungsgrund der NFV gerade nicht dazu geeignet ist, nachzuweisen, dass Nutzhanfextrakt (Cannabis sativa L.), sofern es sich – so wie hier – um cannabinoidreichen, insbesondere cannabidiolreichen Extrakt (CBD) aus der Hanfpflanze handelt, keine neuartige Lebensmittelzutat ist, da der Bestandteil Cannabidiol nach dem Novel-Food-Katalog gerade neuartig ist (vgl. VG Regensburg, B.v. 21.1.2022 – RN 5 S 21.2172 – juris Rn. 73 f.; VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – juris Rn. 59 ff.).
70
Hinsichtlich der Aufnahme der Pflanze Cannabis sativa L. in eine Positivliste der Republik Italien hat der Prozessbevollmächtigte schon nicht annähernd dargelegt, dass der etwaige dortige Eintrag das hier streitgegenständliche „Hanfextrakt“ betreffe und beispielsweise nicht nur den Samen. Jedenfalls ergibt eine Information auf der Internetseite der Südtiroler Landesverwaltung, dass zum gegebenen Zeitpunkt Extrakte aus Cannabis sativa L. und Folgeprodukte, die Cannabinoide, inklusive Cannabidiol-CBD, enthalten, für den menschlichen Verzehr weder hergestellt noch in Umlauf gebracht werden dürfen, es sei denn neue Regelungen treten in Kraft (vgl. https://www.provinz.bz.it/gesundheit-leben/ gesundheit/koerperschaften-betriebe-freiberufler/hanf-als-lebensmittel.asp, aufgerufen am 16.11.2022). Die Eintragung in der Stoffliste des BLV bezieht sich offensichtlich auf den Samen des Cannabis sativa L. (vgl. Pflanzenliste, Einträge A-K, 2. Aufl. 2020).
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Die Entscheidung des EuGH (U.v. 14.4.2011 – C-327/09) und des Verwaltungsgerichts München (U.v. 13.5.2004 – M 4 K 03.4528) stehen dem Bescheid nicht entgegen. Der EuGH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die zuständigen Behörden überprüfen müssen, ob ein vermarktetes Erzeugnis neuartig ist, was hier geschehen ist. Hinsichtlich des Urteils des VG München gilt das Ebengesagte mit der Ergänzung, dass der dortige Kläger seiner Nachweispflicht nachgekommen ist. Einen entsprechenden Nachweis, dass die streitgegenständlichen Lebensmittel nicht neuartig wären, hat der Kläger hingegen nicht erbracht.
72
Bezüglich des Zitats der Europäischen Kommission vom 03.03.1998 bleibt der Bezugspunkt des Zitats vage. Dieses bezieht sich auf „Teile der Hanfpflanze“, nicht etwaiger Extraktionen. Diese Annahme wird durch eine Antwort der Bundesregierung vom 25.07.2019 auf eine Anfrage unterstrichen (vgl. BT-Drs. 19/11922, S. 2 unten ff.): Aus den Stellungnahmen könne nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sämtliche Erzeugnisse der Hanfpflanze, also beispielsweise auch isolierte Einzelsubstanzen wie Cannabinoide oder mit Cannabinoiden angereicherte Extrakte, als Lebensmittel verkehrsfähig wären. Die betreffende Aussage beziehe sich vielmehr nur auf solche Erzeugnisse, die aufgrund der betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Bestimmungen vom Lebensmittelbegriff ausgenommen seien. Zudem sei immer zu prüfen, ob ein Erzeugnis in der jeweiligen Zusammensetzung vor dem 15.05.1997 in der EU in nennenswertem Umfang als Lebensmittel verwendet worden sei. Andernfalls sei es, wie im Falle der Cannabinoide, als neuartiges Lebensmittel anzusehen.
73
Die zitierten Entscheidungen (OVG NW, B.v. 2.3.2021 – 9 B 1469/20; OLG Frankfurt a.M., B.v. 2.3.2021 – 6 W 15/21) ändern an dem oben Genannten nichts. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung eine Untersagungsverfügung geprüft, die nur das Inverkehrbringen solcher Lebensmittel untersagt, die entweder Cannabidiol als CBD-Isolat oder mit CBD angereicherte Hanfextrakte enthalten. Aus jenem Beschluss – relevant war der Umfang der Untersagungsverfügung – kann aber nicht abgeleitet werden, dass der Vertrieb anderer CBDhaltiger Lebensmittel und Produkte grundsätzlich nicht untersagt werden dürfte. Die Entscheidung des OLG Frankfurt handelt von einem Lebensmittel mit der Zutat „Sojabohnenextrakt mit 0,2% Spermidingehalt“ und ist hinsichtlich seiner Einzelheiten mit diesem Fall nicht vergleichbar, da es sich um ein völlig anderes Produkt handelt und dem dortigen Streit ein zivilrechtlicher Sachverhalt zugrunde lag, bei dem das Gericht insbesondere davon ausging, dass dem Beibringungsgrundsatz nicht Rechnung getragen worden sei.
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dd. Auch die im Beschwerdeverfahren (Az. 20 CS 22.1069) vom dortigen Bevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Einwendungen sind nicht geeignet, die Novel Food-Eigenschaft der streitgegenständlichen Lebensmittel zu widerlegen.
75
Im Nachfolgenden wird auf die Argumentation eingegangen, soweit sie vom erkennenden Gericht beurteilt werden kann, weil die entsprechend in Bezug genommenen Unterlagen vorliegen bzw. verfügbar sind.
76
Bei dem in den streitgegenständlichen Produkten verwendeten CBD bzw. Hanf-Extrakt handelt es sich nicht um Extraktionslösungsmittel gem. Art. 1 Abs. 2 der RL 2009/32/EG (Beschwerdeschriftsatz S. 9). Art. 1 Abs. 2 b) der Richtlinie (EG) 2009/32 bestimmt, dass der Ausdruck „Extraktionslösungsmittel“ Lösungsmittel bezeichnet, die in einem Extraktionsverfahren bei der Bearbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Bestandteilen oder Zutaten verwendet und aus dem Enderzeugnis entfernt werden, die jedoch unbeabsichtigte, aber technisch unvermeidbare Rückstände oder Rückstandsderivate in den Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten hinterlassen können. Das verwendete CBD bzw. der Hanf-Extrakt soll im Endprodukt bestehen bleiben, wofür auch dessen Nachweisbarkeit in zwei der drei Produkte spricht. Nach der oben dargestellten Zweckbestimmung bei den streitgegenständlichen Produkten ist das Vorhandensein von CBD bzw. Hanf-Extrakt im Endprodukt gerade der Zweck des Zusatzes. Extraktionslösungsmittel zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie zu Herstellungszwecken verwendet und dann aus dem Erzeugnis wieder entfernt werden (vgl. VG Regensburg, B.v. 21.1.2022 – RN 5 S 21.2172 – juris Rn. 47).
77
Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass die Verwendung eines Extraktes gerade die klassische Zweckbestimmung eines Nahrungsergänzungsmittels sei (Beschwerdeschriftsatz S. 9), dringt er damit nicht durch. Der Einwand, dass sich aus der behaupteten Eigenschaft als Nahrungsergänzungsmittel das Vorliegen eines Extraktes ergebe und dieses einem Extraktionslösungsmittel gleichzustellen sei, geht fehl. Es handelt sich bei den zwei streitgegenständlichen Produkten nicht um Nahrungsergänzungsmittel im Sinne der NemV. Es ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Produkte dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 NemV zu ergänzen. Darüber hinaus sagt das Vorliegen eines Extrakts nichts darüber aus, dass es sich bei dem CBD bzw. Hanfextrakt um ein Lebensmittel mit einer Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union handelt.
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Des Weiteren liegt kein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 34 AEUV vor (vgl. Beschwerdeschriftsatz S. 7). Denn zum einen steht bereits keine nationale Regelung im Raum, deren Anwendung den freien Warenverkehr beeinträchtigten könnte (vgl. VG Regensburg, B.v. 21.1.2022 – RN 5 S 21.2172 – juris Rn. 75 m.w.N.), die Rechtsgrundlage findet sich in Art. 138 KontrollVO, den die Behörde nach § 39 Abs. 1 LFGB im streitgegenständlichen Fall anwenden musste. Darüber hinaus erscheint ein Eingriff zum Zwecke des Gesundheits- und Verbraucherschutzes gerechtfertigt, vgl. Art. 36 Satz 1 AEUV, zumal die von den Lebensmitteln ausgehenden Gesundheitsgefahren erst in einem Zulassungsverfahren untersucht werden und deshalb derzeit nicht absehbar sind (s.u. S. 22 f. unter ee.).
79
Zudem ist für das Gericht nicht erkennbar, dass es sich bei dem CBD bzw. dem Hanfextrakt um eine bloße Rezepturänderung bzw. um eine Änderung im Herstellungsverfahren oder einer Änderung der Zusammensetzung von Lebensmittelzutaten handelt. Der Analogieschluss des Klägers dahingehend, dass es sich u.a. bei einer Rezepturänderung nicht um ein neuartiges Lebensmittel handelt, übertragen auf den Fall der Extraktion des CBD aus der Pflanze Cannabis sativa L., verfängt nicht (vgl. Beschwerdeschriftsatz S. 7 bis 9), da der Kläger dadurch gerade nicht nachgewiesen hat, dass das maßgebliche Lebensmittel (CBD bzw. Hanfextrakt) vor dem 15.05.1997 in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union in Verkehr gewesen ist bzw. eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel hat. Es ist unerheblich, ob sich durch die Extraktion der Molekülaufbau ändert, denn alleine das Extrakt stellt gegenüber der (Ausgangs-)Pflanze ein neuartiges Lebensmittel dar.
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Der Hinweis auf den 20. Erwägungsgrund und Art. 8 der VO (EG) Nr. 1925/2006 (Beschwerdeschriftsatz S. 9) sperrt nicht die Anwendbarkeit der NFV. Denn nach Art. 1 Abs. 3 b) der VO (EG) Nr. 1925/2006 gilt jene unbeschadet spezifischer Bestimmungen in Gemeinschaftsvorschriften über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten.
81
Soweit der Kläger vorträgt, dass vor Aufnahme entsprechender Pflanzen in eine italienische „Positivliste“ eine intensive Überprüfung auf deren Sicherheit erfolgt sei und daraus den Schluss zieht, dass daraus die Unbedenklichkeit von Cannabis sativa L. folge, so überzeugt diese Annahme bezüglich des CBDs nicht. Es ist gerade nicht dargelegt bzw. ersichtlich, dass in der angeführten „Positivliste“ – selbst wenn dort die (Ursprungs-)Pflanze enthalten sein sollte – auch das gerade von der (Ursprungs-)Pflanze zu unterscheidende Extrakt CBD enthalten ist.
82
Soweit der Kläger eine Mitteilung der britischen Food Standards Agency (FSA) vom 13.12.2017 zitiert hat (Beschwerdeschriftsatz S. 5), ist deren Inhalt überholt. Die FSA schließt sich (inzwischen) der Auffassung der Europäischen Kommission an, dass ein nennenswerter Konsum von Cannabidiol-Produkten vor dem 15.05.1997 nicht nachgewiesen werden kann (vgl. VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – juris Rn. 46 m.w.N.; vgl. https://www.food.gov.uk/business-guidance/cbd-products-linked-to-novel-food-applications abgerufen am 23.11.2022).
83
ee. Da derartige Lebensmittel bislang nicht in die nach Art. 6 Abs. 1 NFV zu erstellende Unionsliste eingetragen sind, verstößt das Inverkehrbringen der fraglichen Produkte gegen Art. 6 Abs. 2 NFV. Die Voraussetzungen des Art. 138 Abs. 1 b) der KontrollVO liegen vor. Die Beklagte war dazu angehalten, gegen das Inverkehrbringen einzuschreiten. Die Untersagung des Inverkehrbringens von nicht verkehrsfähigen Lebensmitteln gehört zu den Maßnahmen, die die zuständige Behörde anordnen kann (vgl. Art. 138 Abs. 2 d) KontrollVO). Die angeordneten Inverkehrbringungsverbote sind auch verhältnismäßig. Sie sind erforderlich und geeignet, um sicherzustellen, dass die vom Kläger begangenen lebensmittelrechtlichen Verstöße beendet werden. Ein milderes Mittel, das ebenso geeignet wäre, Verstöße zu unterbinden, ist nicht ersichtlich.
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Die Maßnahme ist auch angemessen. In Raum steht ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 und 2 GG. Diese Freiheit kann durch Berufsausübungsregelungen eingeschränkt werden. Ein Eingriff ist gerechtfertigt, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls die Regelung zweckmäßig erscheinen lassen. So liegen die Dinge hier, denn es kommt nicht darauf an, ob das betreffende Lebensmittel gesundheitsschädlich ist. Das Verbot wird deshalb angeordnet, weil es an der erforderlichen Zulassung des Lebensmittels fehlt. Ob das Lebensmittel ein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt, wird (u. a.) vielmehr erst im Zulassungsverfahren selbst geprüft, vgl. Art. 7 a) NFV (vgl. OVG NW, B.v. 2.3.2021 – 9 B 1574/20 – juris Rn. 62). Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Erwägungen unionsrechtlicher Rechtsprechung (EuGH, U.v. 19.11.2020 – C-663/18 – juris; EuG, U.v. 11.9.2002 – T-13/99 – juris) und einer etwaigen Bewertung der WHO – auf die der Prozessbevollmächtigte im Eilverfahren hingewiesen hat – nicht an. Das Verbot, ein CBDhaltiges Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, bevor es geprüft und etwaige Gesundheitsrisiken in diesem Verfahren festgestellt worden ist, stellt eine vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls dar, die dieses Verbot zweckmäßig erscheinen lässt. Zudem sind von der streitgegenständlichen Anordnung lediglich zwei Produkte (bzw. drei Produkte, siehe unten) sämtlicher Chargen und Geschmacksrichtungen aus dem Sortiment des Klägers wegen ihres CBD-Gehalts betroffen, so dass dem Kläger die Möglichkeit existenzsichernden wirtschaftlicher Tätigkeit verbleibt; anderes ist jedenfalls nicht hinreichend nachgewiesen. Dabei wird nicht verkannt, dass zwei weitere Produkte aus dem Sortiment des Klägers Gegenstand von Ermittlungen sind bzw. waren.
85
Im Übrigen ist auf Folgendes hinzuweisen: Die mit der Anordnung bezweckte Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit dient dem vorbeugenden Gesundheits- und Verbraucherschutz potenzieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit ist es notwendig, Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass nicht sichere Lebensmittel nicht in den Verkehr gelangen. Bei neuartigen Lebensmitteln lässt sich generell nicht ausschließen, dass deren Verzehr zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Konsumenten führen kann. Im Falle der Verwendung von CBD als Lebensmittelzutat kommt hinzu, dass CBD von Seiten der Wissenschaft verschiedene Nebenwirkungen zugeschrieben wird (vgl. VG Regensburg, B.v. 21.1.2022 – RN 5 S 21.2172 – juris Rn. 86). Zu diesen Nebenwirkungen zählen Schläfrigkeit, Benommenheit, Schlaflosigkeit, Schlafstörungen und innere Unruhe (vgl. https://www.verbraucherzentrale.de/ wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/vorsicht-bei-lebensmitteln-mit-dem-hanfinhaltsstoff-cannabidiol-cbd-43455, aufgerufen am 15.11.2022). Vor diesem Hintergrund sind gesundheitliche Risiken der Verwendung von CBD nicht auszuschließen, weshalb das Verbot nicht zu beanstanden ist.
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b. Soweit sich die Untersagungsverfügung auf das Inverkehrbringen des Produkts „…“ bezieht, ist sie ebenfalls nicht zu beanstanden.
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aa. Es ist durch die Beklagte nachgewiesen, dass das untersuchte Produkt kein CBD enthält.
88
Es musste keine weitere Untersuchungsstelle im Sinne des Art. 12 Abs. 2 KontrollVO die Proben untersuchen, um eine hinreichende Sicherheit für die Richtigkeit der Untersuchungsergebnisse zu gewährleisten (vgl. Beschwerdeschriftsatz des Klägers, S. 17 ff.). Diesen Ermittlungsschritt schreibt § 43 LFGB – der die Probenahme regelt – nicht vor.
89
Die zitierte Entscheidung des OVG Lüneburg (B.v. 14.6.2013 – 13 ME 18/13) ist auf diesen Fall nicht übertragbar, weil sich die Rechtsprechung auf die Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB bezieht, es sich hier jedoch um ein ganz anderes Verfahren – einem Inverkehrverbringungsverbot – mit anderen Folgen für den Adressaten der Verwaltungsmaßnahme handelt. Die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Dresden (Az. 6 L 47/13) sowie des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 9 B 264/13) beziehen sich ebenfalls auf § 40 Abs. 1a LFGB und sind hier nicht einschlägig.
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Soweit der Kläger auf S. 18 seines Beschwerdeschriftsatzes moniert, dass nicht ersichtlich sei, welchen Einflüssen die fragliche Probe ausgesetzt gewesen sei, verhilft auch dies zu keinem anderen Ergebnis, weil der Einwand unsubstantiiert bleibt. Er rügt nicht konkret, inwiefern es Einflüsse gegeben hätte und dadurch die Probe möglicherweise beeinflusst sein könnte.
91
Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im streitgegenständlichen Produkt kein CBD nachgewiesen ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Durchschnittswert auf dem Etikett gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 NemV bzw. Art. 31 Abs. 4 LMIV (Beschwerdeschriftsatz S. 19) zutreffend angegeben wurde. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass im Produkt – trotz Auslobung – kein CBD nachgewiesen werden konnte. Die vom Kläger auszugsweise angeführte Rechtsprechung des Landgerichts München I (U.v. 23.6.2016 – 17 HKO 9039/16; Beschwerdeschriftsatz S. 19) verhilft ihm ebenfalls nicht zum Erfolg, weil es im vorliegenden Fall gerade nicht um die Frage geht, ob die angegebenen Durchschnittswerte zutreffend sind, sondern schon darum, dass überhaupt kein CBD nachgewiesen werden konnte (vgl. Bescheidsbegründung S. 4 Mitte). Der Kläger hat nicht ansatzweise dargelegt, dass es sich bei der entnommenen Probe er um einen „Ausreißer“, also z.B. einen einmaligen oder äußerst seltenen Produktionsfehler handeln würde, der ausnahmsweise zum Nichteintrag von CBD im streitgegenständlichen Produkt geführt hat.
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bb. Auf dem Etikett des streitgegenständlichen Produkts ist „100mg CBD“ und eine Abbildung eines Hanfblattes, im Zutatenverzeichnis „Cannabidiol“ angegeben (BA Bl. 149 f.). Das LGL hat in seiner Untersuchung jedoch weder CBD noch andere Cannabinoide nachweisen können (BA Bl. 151 ff.). Die Nachweisgrenze für CBD liegt bei 1,2mg/kg. Wäre dem Produkt mit einer Nennfüllmenge von 125g ein Anteil von 100mg CBD zugegeben worden, läge der CBD-Gehalt bei 800mg/kg. Dieser Gehalt liegt um den Faktor 667 über der Nachweisgrenze und kann somit sicher nachgewiesen werden. Anders ausgedrückt: Rechnet man den CBD-Gehalt des streitgegenständlichen Produkts (Füllmenge: 125 Gramm) auf ein Kilogramm des Produkts hoch, müsste der CBDgehalt bei 800mg je kg liegen. Das Ergebnis der Begutachtung erscheint dem Gericht vor diesem Hintergrund schlüssig. Damit wird der Verbraucher gem. Art. 7 Abs. 1 a) LMIV hinsichtlich der Eigenschaften des angebotenen Produkts, das ein Lebensmittel darstellt (vgl. Art. 2 Abs. 1 a) LMIV i.V.m. Art. 2 der VO [EG] Nr. 178/2002), in die Irre geführt, da dieser bei seiner Kaufentscheidung davon ausgeht, dass in diesem Produkt jedenfalls nachweislich Cannabidiol enthalten ist.
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Das Inverkehrbringungsverbot ist auch verhältnismäßig. Durchgreifende rechtliche Bedenken hat der Prozessbevollmächtigte nicht vorgebracht. Die Untersagung des Weitervertriebs des Produkts „bis auf Weiteres“ war erforderlich und verhältnismäßig. Es bleibt dem Kläger unbenommen, das Produkt richtig etikettiert in den Verkehr zu bringen. Dieses Ergebnis ergibt sich aus der Auslegung der Nr. 1 des Bescheidtenors unter Zugrundelegung der Bescheidbegründung, da es der Beklagten ersichtlich darum ging, die Irreführung zu unterbinden.
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IV. In Rahmen der vorzunehmenden einheitlichen Kostenentscheidung hat der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 der Verfahrenskosten zu tragen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Aufteilung der Kosten in diesem Verhältnis erscheint sachgerecht, zumal die Zwangsgeldandrohung von einigem Gewicht ist und nicht lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
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V. Das Gericht lässt die Berufung gem. § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, da nicht ersichtlich ist, dass bisher schon eine obergerichtliche Rechtsprechung zu den inmitten stehenden Rechtsfragen – insbesondere zu der rechtlichen Einordnung von Lebensmitteln, denen CBD, das durch Extraktion aus der Hanfblüte oder auch synthetisch gewonnen wurde, zugefügt worden ist – außerhalb eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen ist.